Ein junger Mann, gekleidet in der Uniform der cohortes urbanae, erstieg mit gemächlichen Schritt die Stufen des Tempels der Venus. Der schwache und zaghafte Schritt kontrastierte die athletische Figur des jungen Mannes. Nicht nur waren es die schmerzenden Füße, geschunden von langen Läufen auf staubigen Boden, die seinen Gang so zaghaft erscheinen ließen, sondern auch ein Gefühl der Scham, die den Jüngling ergriffen hatte.
Einen kleinen Beitel trug er mit sich. Einen Beutel mit Opfergaben für ein besonderes Gebet, dass er lange vor sich her geschoben hatte. Ein Beutel, der schmal und leicht wirkte, nicht gerades das, was allgemein als angemessene und reichliche Opfergabe gelten mag.
Erleichterung erfüllte das Herz des jungen Mannes, als der Blick nur wenige anwesende Bürger offenbarte. Erstaunen über den prachtvollen Tempelbau ergriff Besitz von seinen Augen und ließ ihren Blick einige Momente über die würdevolle Pracht gleiten.
Doch er war nicht hier um mit offenem Mund sein Erstaunen über die Pracht des Tempels zu offenbaren. Ebenso war er nicht gekommen um sich davon zu überzeugen, was einst das Haus der Iulier in Rom erschaffen hatte. Er war hier für etwas profaneres, für etwas persönliches.
Constantius trat an den Altar und brachte sein bescheidenes Opfer dar. Etwas Weihrauch und eine Kleinigkeit an frischem Obst, dass er gerade noch mit seiner letzten Sesterze auf dem Markt erstanden hatte. Viel war es nicht, was er sich von dem kargen Sold eines Probatus hatte leisten können.
Constantius war kein Mann des Wortes. Er mied unnötige Worte. Reduzierte Gespräche auf ein Mindestmaß und vermochte nur selten seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen. Etwas, dass ihn stets von den Angehörigen seiner Familie unterschieden hatte. Doch vor allem von seiner Schwester Helena.
Umso schwerer fiel es ihm natürlich, so wichtige Worte in einem Tempel zu sprechen, wo jeder sie hätte hören können.
„Venus, Stammmutter aller Römer, Mutter des Aeneas, Begründer des Geschlechts der Iulier. Ich, Caius Iulius Constantius, bitte für einen kleinen Moment um dein Gehör. Doch nicht für mich will ich bitten, sondern für Iuila Helena, ein weiteres Kind deines Hauses. Schutz und Schild habe ich geschworen ihr zu sein. Stütze will ich ihr sein in schweren Stunden, wie ein Bruder seiner Schwester beistehen sollte. Ist sie doch das Juwel unserer Familie und meiner brüderlichen Liebe würdig. Ich bitte um den Segen für Helena. Zu lange hat Kummer ihren gutmütigen Geist belastet.“
Constantius zögerte einen Moment. Sollte er wirklich weitersprechen?
„Ich bitte dich Venus, sollte ich auf dem Weg des Schwertes scheitern, …“
Wieder zögerte Constantius und dämpfte noch weiter seine Stimme
„..sollte ich einmal meinen Brüdern folgen müssen, lass sie nicht in Kummer und Gram vergehen. Behüte sie, ist sie doch der Glanz des Hauses der Iulier. Behüte sie in allen Stunden, in denen ich es nicht können sollte“
Als der junge Iulier sich erhob, zitterten seine Knie. Die Worte hatten ihm mehr Kraft gekostet, als er selbst es geahnt hatte. Kurz legte sich sein Blick auf das magere Opfer, das er dargebracht hatte und seufzte innerlich. Hätte er nur mehr Geld gehabt….
Constantius verharrte noch eine Weile in dem Tempel, wollte er doch nicht mit zitternden Knien den Tempel verlassen.