Auch wenn Constantius auch an diesem Tag zuvor etwas Entspannung in den heißen Bädern der beeindruckenden Thermen gesucht hatte, so war ihm die Müdigkeit und Erschöpfung der Grundausbildung doch noch immer ins Gesicht geschrieben. Zwar hatte er sich geschworen, keine Klagen in der heimischen Casa verlautbaren zu lassen, um nicht die wenigen Stunden seiner Anwesenheit zur einer weiteren Belastung Helenas werden zu lassen, so entkam ihm doch das eine oder andere schmerzverzerrte Seufzen, wenn er sich unbeobachtet fühlte.
Hatte der junge Mann noch mit schmerzverzerrtem Gesicht versucht seinen linken Arm zu lockern, so sollte er im nächsten Moment zusammenzucken, wie ein Kind, dass beim Stehlen der letzten Plätzchenreserven erwischt worden war. Eine Dienerin Helenas hatte den Raum betreten, in dem sich Constantius eben noch sicher und unbeobachtet gefühlt hatte. Eigentlich verharrte sie schon einen Moment dort, und hätte sie sich nicht mit einem Räuspern zu erkennen gegeben, hätte sie sicherlich noch einige Stunden unbemerkt im gleichen Raum stehen können.
Wo vielleicht ein anderer Hausherr erzürnt gewesen wäre, bedachte Constantius die Dienerin mit einem entschuldigendem Lächeln – Er war sicherlich ein Mensch mit gutmütigen Herzen und freundlicher Seele, doch in diesem Moment war die Anwesenheit der Dienerin nicht zufällig sondern darauf zurückzuführen, dass er sie wenige Augenblicke zuvor hatte rufen lassen. Er hatte es schlichtweg einen Moment lang vergessen –
„Gut das du da bist“, sprach er, das entschuldigende Lächeln auf den Lippen belassend.
„Ich habe hier etwas, dass du bitte zwischen den Kleidern Helenas einräumen sollst“, verschwörerisch klangen seine Worte und ein ganz bestimmtes Funkeln trat in seine Augen.
„Sie muß nicht unbedingt sofort etwas davon wissen, verstehst du?“
Er reichte ihr die feine, weiße Stola mit den Verzierungen, wohl darauf bedacht, nur seinen rechten Arm zu bewegen.
Hatte er sie doch bereits mit den Worten, „Das wäre alles, ich danke dir“, entlassen und sich wieder umgedreht, verhinderten die unerwarteten Worte der Dienerin, dass er ein weiteres mal in eine zur Zeit trübe Gedankenwelt sinken konnte.
„Es ist ein Schreiben für euch angekommen“ sprach sie und hielt besagtes Pergament mit ausgestrecktem Arm dem jungen Mann entgegen. Verwunderung übermannte Constantius. Ein Schreiben? Wer sollte ihm Schreiben?
„Ich danke dir“, sprach er nachdenklich und nahm es entgegen. Dafür, dass er es mit seinem linken Arm entgegen nahm, hätte er sich am liebsten selbst verflucht, doch der Schmerz, der seinen Körper durchzuckte, war bereits Strafe genug gewesen. Doch nur so konnte er es mit der rechten Hand entrollen und schließlich lesen.
Ein Brief von seinem Vater. Constantius’ Herz wagte es für einige Momente nicht zu schlagen. Wie gebannt überflogen seine Augen die geschriebenen Zeilen und sogen jedes Wort auf.
Das Lächeln verschwand von seinen Lippen. Ein eisiges Gefühl umklammerte seine Seele. Vater schien nicht sehr erfreut, dass er den Weg des Schwertes gewählt hatte. Doch war es nicht ehrenvoll für das Wohl des Reiches und zum Schutze der Familie sein Leben zu geben? War es nicht der Weg ins Elysium? Traute Vater ihm vielleicht nicht zu, dass der jüngste seiner Söhne vielleicht einmal ein guter Soldat werden würde? Wieder schien es, als würde sich etwas in seiner Seele Notizen machen, wohl darauf bedacht auch kein Wort zu übersehen, welches den Selbstzweifel des jungen Mannes würde nähren können.
Doch auch dieses Mal würden diese Notizen warten müssen, Denn die folgenden Zeilen erforderten weitaus mehr Aufmerksamkeit. Sulla hatte also einen Brief an Vater geschickt? Das konnte nur eines bedeuten. Und diese Erkenntnis brachte selbst die müden Muskeln des jungen Iuliers dazu sich zu verkrampfen. Sulla würde um seine Schwester werben wollen.
Wie konnte er es nur wagen.
Oft ist ein Geist, der große Anstrengungen erdulden muß, leicht reizbar und ist dem Jähzorn näher als der sanften Stimme der Vernunft. Doch selbst an einem sonnigen Frühlingstag in Hispania hätte Constantius sicherlich nicht der Stimme der Mäßigung gelauscht. Auch dann hätte, so wie er jetzt tat, geschworen, dass er den unüberwindbaren Schutzwall für seine Schwester darstellen werden würde. Einen Schild, der nicht brechen würde, selbst wenn die Kraft einer ganzen Legion dagegen anbranden sollte.
„Ich werde sie beschützen, Vater. Du wirst dich auf mich verlassen können.“
Er rollte die Schriftrolle wieder zusammen. Es stand außer Frage, dass Helena sie auch lesen musste. Nachdem er sich einen Moment des Verschnaufens gegönnt hatte, verließ er den Raum und machte sich auf die Suche nach Helena.