Ein beschleunigter Atmen, ein pochendes Herz und hinabtropfender Schweiß waren ein mehr als deutlicher Tribut an den morgendlichen Lauf gewesen. Schwer hallte der der Herzschlag in dumpfen Schlägen im Ohr des jungen Rekruten wieder. Gab ihm einen eigentümlichen, wohlvertrauten Rhythmus vor, in dem die Geräusche der Welt immer wieder zu verblassen schienen.
Das was nun folgen sollte, benötigte im Grunde nicht mehr die aktive Aufmerksamkeit Constantius’. Bereits jetzt ergriff er in einem Automatismus das hölzerne Gladius und das schwere Scutum. Obwohl sein Arm unter der Last, bereits vor dem ersten Stoß, mahnende Schmerzen aussendete, sollte innerhalb weniger Sekunden der erste Angriff erfolgen. Zusammengekniffene Augen fixierten das Ziel- Das linke Bein schob sich nach vorn, nahm das Gewicht des kräftigen Körpers auf und gestatte dem rechten Arm seinen zielsicheren Streich auszuführen. Der gepresste Atem verlieh dem Stoß zusätzliche Wucht, so dass das Holz des Gladius protestierend knarrte, als es auf den anvisierten Holzpfahl traf. Schlag auf Schlag sollte folgen. Schläge, die stets von einem sicher gehaltenen Scutum begleitet wurden. Wäre dies ein realer Kampf gewesen, hätte der Pfahl sicher verloren. – Man sehe bei der Beurteilung des Kampfes davon ab, dass der hölzerne Pfahl an diesem Tag nur geringe Gegenwehr leistete -
Doch dieser Sieg und vielmehr die Genugtuung darüber sollte nur kurz andauern. Ein echter Kampf? Ein Kampf gegen den Princeps Prior? Nachdem er in der vergangenen Nacht dem Wein gefrönt hatte? Allein der Gedanke daran bedingte die Ausschüttung der Adrenalinreserven der letzten Monate. Und dies sollte sich noch auszahlen. Der leichte Schleier, der seine Sinne vernebelte, war plötzlich gelichtet. Gerade rechtzeitig um den ersten Stoß seines Ausbilders und jetzigen Gegners kommen zu sehnen. Im Grunde war es eine instinktive Ahnung, die seinen linken Arm veranlasste das Scutum schützend vor den Körper zu halten. Der kurz darauf ertönende dumpfe Laut, gab seiner Ahnung Recht.
Constantius wich zwei Schritte zurück um eine Sicherheitsdistanz zwischen sich und seinen Gegner zu bringen. Er brauchte Zeit, er brauchte eine Strategie. Voller Faszination beobachtete er die Bewegungen seinen Gegenübers. Doch dieser schein ihm eine kleine Pause zum Nachdenken nicht zu gönnen. Mit einer erstaunlichen Geschwindigkeit war die für einen Moment so sicher erscheinende Distanz mit zwei größeren Schritten überwunden. Schemenhaft erkannte Constantius das Gladius, dass sich Unheil bringend in einem Halbkreis auf seinen Kopf zu bewegte. Wieder verdankte er es einem Instinkt, dass sein eigenes Gladius sich der Wucht des Angriffs entgegen stellte. Er blickte voller Erstaunen auf seinen halb erhobenen rechten Arm, der gerade seinem Kopf eine schmerzhafte Begegnung mit dem Schwert seines Ausbilders erspart hatte.
Doch der Princeps nutze den Schwung, der immer noch ungebrochen in seinem Angriff lag. Ohne zu zögern holte er bereits zum nächsten Schlag aus. Mit ungeheurer Geschwindigkeit schnitt die hölzerne Klinge durch die Luft, um sich wütend und vehement mit der Kraft des verteidigenden Gladius zu messen. Angriff folgte auf Angriff. Parade auf Parade. Constantius wurde Schritt für Schritt zurückgedrängt. Schritt um Schritt verlor er an Boden.
„Angreifen. Du musst angreifen!!“, rief ihm der Princeps zu und ließ die Wucht seiner Angriffe noch anwachsen. Die rückwärts gerichteten Schritte des jungen Rekruten beschleunigten sich. Verloren an Sicherheit und an Boden zugleich. So musste kommen was kommen musste. Als die Distanz immer geringer wurde, erhob Constantius schützend das Scutum. Doch ohne einen sicheren Stand, in einer Rückwärtsbewegung sollte es sich als fataler Fehler erweisen. Constantius sah den Tritt nicht kommen. Er spürte nur dessen Wucht, als der Fuß seines Ausbilders gegen das Scutum trat. Überrascht und bereits vorher ohne sicheren Stand taumelte er rückwärts und stürzte auf den staubigen Boden des Exerzierplatzes. Wäre dies ein echter Kampf gewesen, wäre er nun in das Leben nach dem Leben übergewechselt.
Doch der Princeps hielt inne. Ließ den Rekruten aufstehen und sich besinnen.
„Angreifen sollst du!“
Diese recht dürftige Warnung sollte alles sein, was er vor einem erneuten Angriff äußern sollte. Im inneren des jungen Iuliers begann es zu brodeln. Der Sturz hatte ihn zwar nicht verletzt, doch eindeutig seinen Ehrgeiz angekratzt. Wachsame Augen sahen diesmal den Angriff kommen. Bewirkten, das das Scutum die Bewegung der angreifenden Klinge stoppte. Wieder erschallte der charakteristische dumpfe Klang. Ein Klang der diesmal keine Zeit hatte in Ruhe zu verklingen. Ruckartig riß Constantius das Scutum nach außen und riß den gestreckten Arm seines Gegners ebenfalls mit. In die geöffnete Deckung sollte blitzschnell ein gezielter Stoß auf die Brust des Princeps folgen. Wäre dieser stehen geblieben, so wie es ein Holzpfahl wohl getan hätte, wäre Constantius ein tödlicher Stoß gelungen. Doch noch bevor die Klinge des jungen Rekruten ihr Ziel fand, war der Princeps bereits zurückgewichen. Allerdings war die Initiative in diesem Übungskampf nun an Constantius übergegangen.
Schlag um Schlag des Rekruten musste der Ausbilder nun abwehren. Wich langsam aber sicher nun selbst zurück, als mit Wucht ausgeführte Angriffe auf ihn eindrangen. Parade beantwortete Angriff und eine Parade den Gegenangriff. Schweiß brannte in den Augen Constantius als er mit gepresstem Atem weitere Schläge ausführte. Mit wilder Entschlossenheit legte er die Kraft seines athletischen Körpers in die Schläge. Ließ sie seinen Gegner zurücktreiben.
Der Atem beschleunigte sich. Das Herz pochte wie wild. Die Kraft in den Armen des jungen Rekruten begann zu schwinden, als er plötzlich eine Lücke in der Deckung des Princeps ausmachte. Dieser hatte sein Gladius für einen Moment sinken lassen. „Jetzt oder nie“, schrie eine Stimme im Geiste Constantius um das pochende Dröhnen in seinem Kopf zu übertönen.
Mit einem entschlossenem Schrei drängte der Rekrut mit einem großen Schritt nach vorne. Das linke Bein fand kaum Halt auf dem staubigen Boden und rutschte ein paar Zentimeter vorwärts als es das Gewicht des Körper tragen solle. Die Klinge bewegte sich auf die erahnte Lücke in der Deckung des Princeps zu. Gewillt den Kampf nun zu beenden.
Die Zeit schien zu gefrieren. Die Distanz zum Ziel schien immer größer zu werden. Und dennoch begann Vorfreude in Constantius aufzukeimen. Vielleicht würde er heute einen weiteren Sieg feiern können. Er streckte den Arm in den Gegner hinein, achtete nicht mehr auf seine Deckung und…
…das Folgende sollte schnell und schmerzlos von statten gehen. Der Rekrut war auf die Falle hereingefallen, die ihm sein Ausbilder gestellt hatte. Mit einem kleinem Schritt zur Seite, hatte sich der Princeps in Sicherheit gebracht und hielt sein hölzernes Gladius an die Kehle des Rekruten
„Laß niemals deine Deckung fallen!“
Diese Worte sollte sich Constantius von nun ab merken.