Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Unentschlossen stand ich da, fast gewillt, gleich hier und jetzt ein weiteres Mal zu versuchen, einen Erben zu zeugen. Ich wollte diesem Gedanken gerade stattgeben, als ich Angst in Celerinas Augen aufflammen sah. Ihre Worte waren eben regelrecht an mir abgeprallt, wie Wasser von Porzellan. Doch das, was nun in ihren Augen glomm, war nicht hilfreich für die Situation. Ich war kein Monster wie dieser Pirat. Ich wollte auch keines sein. War es denn zu viel verlangt, einigermaßen glücklich zu sein? "Ist das alles?" fragte ich sie kalt. Dann wandte mich um, ohne auf eine Antwort zu warten, und ließ Celerina allein - zumindest in Sichtweite -, machte ein paar Schritte hin zu einem Beet und blickte versonnen darauf hinunter, ohne es richtig zu sehen.


    Die brennenden, roten Striemen auf meinem Gesicht schwollen ein wenig an und schmerzten, doch erinnerten sie mich gleichsam daran, dass ich in keinster Weise perfekt war. Im öffentlichen Leben einigermaßen erfolgreich, war das Private ein Desaster. Ich war kein guter Ehemann, auch wenn ich es immer wieder versuchte. Vermutlich war ich auch kein guter Freund. Ein wenig konnte ich Celerina verstehen. Sie sah Siv als Störfaktor, und das konnte ich ihr nicht verübeln. Doch betrachtete sie sie tatsächlich als ernstzunehmende Gefahr? Das war dumm, denn sie musste doch sehen, dass ich die Sache mit Siv nicht in die Öffentlichkeit trug und es niemals tun würde. Das käme einer Axt gleich, mit der ich eigenhändig ein Loch ins Schiff der Familie schlagen würde. Nachdenklich stand ich da, nur wenige Schritte entfernt von meiner Frau und ohne es zu merken mit den Fingerkuppen die Kratzer betastend, und hatte meinen Blick auf eine der Rosen Floras gerichtet, die ihre Knospen bald zu voller Blüte entfalten würde.

    Eines musste man der Claudia lassen: Sie machte ihrem kaiserlichen Vater alle Ehre, zeigte sich respektvoll wie auch tolerant im besten Maße. Der Kaiser konnte stolz sein auf sie.


    Gemeinsam mit Grracchus folgte ich ihr ins lararium, besah interessiert die anwesenden Statuen und bedauerte es in diesem Moment, dass meine Familie keinen Kaiser gestellt hatte. Und dennoch sollte man sich hinwieder auf seine Wurzeln besinnen, die unsererseits plebejischen Ursprungs waren, auch wenn das bereits lange Zeit her war. Ich trat an den Altar, betrachtete die Votive und berührte zwei der kleinen Figürchen flüchtig mit den Fingerspitzen. Anschließend richtete ich meinen Blick auf die Figur des Kaisers, die ein Füllhorn und eine Opferschale trug, doch keine Opfergaben umringten, was die Claudia soeben auch bestätigt hatte. "Weshalb wird dem genius des Kaisers nur geopfert, wenn er zugegen ist? Mir scheint, er kann jedweden Zuspruch brauchen, damit er bald wieder in Rom weilen kann", sagte ich. Sie musste doch genauso wissen wie ich, dass Rom seinen Kaiser brauchte. Vielleicht war sie in die politischen Belange nicht ganz so involviert wie unsereins, doch würde sie als Tochter des Kaisers gewiss darüber informiert sein, weshalb er Misenum Rom vorzog und uns seinen Platzhirsch auf den Hals gehetzt hatte.


    Ich wandte den Blick zu der Vestalin hin und meinte aus den Augenwinkeln auch eine Figur zu sehen, die Flavia Agrippina recht ähnlich sah. Kurz schoss ich einen Blick hin zu Grachhus und hoffte, er möge sie übersehen oder sich zumindest zusammenreißen. Vielleicht war es besser, die Inspektion recht bald abzuschließen, ehe es zu einem weiteren Zwischenfall kommen mochte, bei dem die Vestalin nicht mehr so galant reagieren würde.

    Während der Sekretär Durus' den Brief der Epulonen verlas, rutschten meine Brauen stetig weiter hinauf, und als sie schlussendlich am Hochpunkt des Möglichen angelangt waren, stand auf meinem Gesicht nicht nur Verwunderung, sondern gleichsam Unverständnis. Eine Frau unter den Siebenmännern! Ja sollte das Gremium denn fortan Siebenleute heißen? Ich schüttelte den Kopf. Als einstiges Mitglied eben dieses Kollegs konnte ich mir kaum vorstellen, dass eine Frau in dessen Reihen gut aufgehoben war, geschweige denn etwas bewirken konnten. Und selbstredend stach besonders eine der Unterschriften dort besonders heraus. Sie stand recht weit oben, und der Mann, der sich dahinter verbarg, wurde zusätzlich noch im Brief selbst genannt: Flavius Piso. Es war mir unverständlich, wie ein Flavier, ein Mann eines ehrbaren Geschlechtes, für solch einen Vorschlag mit verantwortlich zeichnen, ja gar eine tragende Rolle darin einnehmen konnte! Zu meiner Schande ruhte ein recht anklagender Blick auf Flavius Gracchus, der soeben zu sprechen ansetzte, und als ich mir meines Starrens gewahr wurde, taxierte ich rasch die anderen pontifices, um eine neutrale Mimik aufzusetzen.


    Gracchus' Worte waren indes ganz jene, die ich auch von ihm erwartet hätte, was mich in Bezug auf seinen tadeligen Verwandten durchaus etwas besänftigte, obschon es mich sehr wunderte, dass er den flavischen Jungspund nicht an die Kandare nahm. Während Gracchus von den Aufgaben und Kompetenzen einer Frau sprach - denen ich nur zustimmen konnte - überlegte ich mir, dass ich im Anschluss wohl ein kurzes Gespräch mit ihm beginnen sollte, in desen Verlauf ich meine Bedenken ob der Zurechnungsfähigkeit des Flavius Piso möglichst wohlwollend zum Ausdruck bringen wollte. Im Anschluss an Gracchus' durchaus gelungene Darlegung hörte man im Saal die ein oder andere Zustimmung, sah hier und dort nickende oder abschätzige Mienen, bis Durus das Wort ergriff und sich zunächst neutral gab, ehe er in die Kerbe des Piso schlug - wenn auch vorsichtig. Einige Kollegen blickten den Tiberier nun nachdenklich an, vermutlich überlegten sie, ob sie es sich leisten konnten oder sollten, gegen ihn zu votieren, sollte es zu einer Abstimmung kommen. Denn immerhin war er der vom Kaiser ernannte Stellvertreter.


    "Die Kulte, von denen du sprichst, Tiberius, die Vestalinnen, die Sybillen, der Kult der Magna Mater, der Dienst in den zahlreichen Tempeln - genügen sie nicht, den Frauen einen Platz zu bieten, an dem sie sich entfalten können? Ich möchte daran erinnern, dass die Frauen eine wichtige Stütze unserer Gesellschaft sind, denn ohne sie wären auch die Kollegien nicht gefüllt, die Bänke des Senats verwaist. Sollten sie sich nicht lieber darauf konzentrieren, diese Pflicht zu erfüllen, wie wir Männer uns darauf fokussieren sollten, die unseren zu erfüllen?" fragte ich in die Runde.


    "Willst du damit an der Integrität der Vestalinnen selbst zweifeln, Aurelius?" empörte sich der flamen Quirinalis und lehnte sich vor. Ich unterdrückte ein Seufzen. "Selbstverständlich will ich das nicht. Es ist gut, dass den Frauen ein Platz zugestanden wird, der ihnen Ansehen und Würden bringt. Was wäre Rom ohne die vestalischen Jungfrauen? Doch waren ihre Kulte bisher von den unseren getrennt. Stellt euch doch einmal vor, was passieren mag, wenn Männer und Frauen gemeinsam entscheiden sollen. Streit und Neid wären vorprogrammiert, ganz abgesehen davon, dass ihnen die nötigen Kompetenzen fehlen, wie Flavius Gracchus soeben angemerkt hat." Ich nickte beim Sprechen kurz in dessen Richtung.


    "Oder gar noch schlimmer: Die Entscheidungsträger würden durch die Präsenz von Frauen abgelenkt, gar durch ihre Reize in eine Richtung gedrängt! Nein, verehrte Kollegen. Das kann nicht in unserem Ermessen liegen. Frauen als Tempeldienerinnen, Frauen in den Kulten, die ihnen obliegen, ja. Doch Frauen als Teil eines Kollegiums? Nein. ich unterstützte daher den Antrag des Flavius Gracchus." Ich konnte mir einfach nicht vorstellen, dass das überhaupt funktionieren würde. Eine Frau unter den septemviri! Was käme als nächstes? Eine regina sacrorum? Vielleicht konnte man eine Frau als pontifex minor einsetzen, doch auch hier wäre ich vorsichtig.

    Wir saßen im Schweigen nebeneinander, hingen wohl jeder unseren eigenen Gedanken nach - bis Prisca meine kreiselnden Gedankenflüsse durchbrach und mich etwas fragte. Ob sie dabei ganz instinktiv die richtige Frage wählte, oder aber aus Kalkül, vermochte ich nicht zu ergründen. An einen Glückstreffer glaubte ich jedenfalls nicht, dafür kannte sie mich zu gut. Ich runzelte missmutig die Stirn. Die Antwort auf die erste Frage lag mir auf den Lippen, sie war leicht. Doch die zweite Frage erforderte ein Zugeständnis, das ich nicht machen wollte. Ich überlegte nach einer ausweichenden Antwort, schwieg darob noch einige Herzschläge lang, bis Prisca sich mir zuwandte und ich sie ansah. Auch das noch. Ihr Blick streifte den meinen. Mein Widerstand gegen die Beantwortung der Frage schmolz zusehends, zumal sie sich auch an mich kuschelte. Dann sah sie fort und ich war verwirrt.


    "Nein", sagte ich schließlich, und es war mir wohl anzuhören, wie ich mich dagegen sträubte, das zu sagen. "Ich kenne ihn nicht. Aber das ist es doch gerade. Und du kennst ihn ebensowenig, Prisca! Und willst du mir allen Ernstes sagen, dass die gestrige Situation von Anstand und Manieren zeugt? Ich bitte dich." Ich schüttelte den Kopf, nahm meinen Arm nun fort und verschränkte ihn mit dem anderen kategorisch vor der Brust. "Es ist eine dreiste Unverschämtheit gewesen, die er sich da geleistet hat. Und danach sträubt sich alles in mir, ihn näher kennenlernen zu wollen." Und es war für mich vollkommen unerheblich, ob Prisca dazu ihren Teil geleistet hatte oder nicht. Immerhin war sie eine Frau, und Frauen galten nicht umsonst als das schwache Geschlecht. Außerdem war sie Prisca. Sie war nicht einmal halb so fehlbar wie dieser Flavier es war. Und für eine feurige Liebschaft fehlte Prisca vor allem eines: Ein Ehemann, den sie sicher hatte. Abgesehen von der Erfahrung. Denn daran, dass Aulus Flavius Piso meine Nichte eventual heiraten wollte - die Götter mochten sie davor bewahren! -, dachte ich nicht einmal ansatzweise. Im Verdrängen war ich recht passabel.

    Aus irgendeinem Grund heraus schien sie entsetzt zu sein. Nur weshalb? War es die Aussicht, voraussichtlich keine Kinder zu bekommen? Die Familie weniger oft zu sehen? Narcissa hatte ihre Augen aufgerissen und starrte mich regelrecht fassungslos an. Das verwirrte mich zugestandernermaßen. "Es ist eine große Ehre, zur Vestalin erwählt zu werden", erwiderte ich ein wenig derangiert. Warum nur entsetzte sie ihre Zukunft dergestalt, die Orest mit mir besprochen hatte? Langsam keimte in mir die Vermutung, dass Orest nur deshalb nicht mit Narcissa hatte reden wollen. Damit sie mir gram sein konnte, nicht ihm. Wenn das tatsächlich der Fall war...


    Ich blinzelte. "Narcissa", begann ich und suchte an ihren Verstand zu appellieren. "Dein Bruder sieht es ebenso wie ich. Wir würden es gern versuchen. Dir stünden damit alle Türen offen, bedenke das! Eine Vestalin ist sehr angesehen und hat viele besondere Rechte. Sie sind die angesehendsten Frauen im ganzen Reich und praktisch unantastbar. Soweit ich weiß, hat auch deine Mutter sich positiv zu Manius' Entschluss geäußert." Es blieb immer noch die Möglichkeit offen, dass der Kaiser sie ablehnte, dann müsste man sich nach einem Ehemann umschauen. Doch versuchen wollten wir es in jedem Falle.

    Entweder hatte ich Vala mit meinen Worten erschlagen - oder aber, er war frustriert, weil ich ihm nicht das gesagt hatte, was er erwartet hatte. In jedem Falle hatte ich ein aufmunterndes Lächeln für ihn übrig. "Tu das. Und falls ich dir noch helfen kann, lasse es mich wissen", bemerkte ich. Immerhin waren schon weitaus weniger ambitionierte Jungspunde in den Senat gelangt, da würde es Vala doch gewiss auch gelingen, obwohl er germanischer Abstammung war.


    "Ende der Woche schon?" Ich sah Vala erstaunt an, eigentlich hatte ich gehofft, er würde mir noch etwas erhalten bleiben. Andererseits hatte er viel zu tun, da er den Wahlkampf vorbereiten musste. "Ja, ich denke nicht, dass das ein Problem sein wird." Ich nickte zustimmend. Es bliebe mir dann wohl kaum mehr übrig, als ihm viel Erfolg bei dem Stadtpräfekten zu wünschen.


    Sim-Off:

    Du solltest jetzt freigestellt sein, sofern du nicht noch bestätigen musst. Danke für deine Mitarbeit.

    Im ersten Moment noch froh, dass ich nicht die Gewalt über mich verloren und meine Frau geschlagen hatte, bedauerte ich diesem Umstand im nächsten Moment zutiefst, nämlich dann, als sie aus dem Nichts auf mich los ging. Ihre Nägel kratzten über mein Gesicht und hinterließen brennende Striemen darauf, und ich war so überrascht, dass ich zunächst nichts weiter tun konnte, als die Augen schützend zusammenzukneifen und den Oberkörper etwas zurückzubeugen. Celerina spuckte mir einige Worte vor die Füße, und damit fachte sie die Wut, die lauernd auf ihren zweiten Auftritt gewartet hatte, von Neuem an. Ich stand, bevor ich darüber nachdenken konnte, bekam noch zwei halbherzige Schläge ihrerseits ab und fing dann eines ihrer Handgelenke ein, kassierte einen weiteren Hieb und packte auch das andere - und das nicht eben zimperlich.


    "Und du nennst sie eine Barbarin? Schau dich an, Weib! Du führst dich auf wie eine Germanin!" schnauzte ich sie zornesfunkelnd an, und weil sie sich meinem Griff zu entziehen versuchte, drückte ich grob ihre Arme nieder, denn ich war stärker als sie - in jeder Hinsicht - und das sollte sie spüren. "Du selbst hast es zugegeben, und das war dein Glück! Jeder andere hätte dich weit von sich gestoßen, dich nie wieder angefasst! Ich habe dich hier behalten, ich habe sogar deinen Liebhaber verschont, obgleich du mich vor den Kopf gestoßen hast, obgleich ich mir nie sicher sein kann, dass es kein Bastard ist, den du trägst, sondern mein eigen Fleisch und Blut!" Ich redete mich in Rage, das war mir bewusst. Und wenn ich nicht aufhörte, würde ich wohl Dinge sagen, die ich später bereute. Der Punkt war nur, dass ich nicht inne halten wollte. Genau genommen hatte diese Situation auch etwas für sich, das hier gänzlich fehl am Platze war.


    Ich ließ Celerina ruckartig und mit einem kleinen Stoß los, der sie rücklings auf die Liege zurückfallen ließ, dann machte ich einen Schritt nach vorn und deutete mit dem Zeigefinger auf sie. "Du wirst mir einen Erben gebären!" donnerte ich. In diesem Moment kam Pyrrus den Weg entlang, wie gewünscht Dokumente unter dem Arm haltend. Er machte noch einen Schritt und hielt dann mit erhobenem Fuß inne, riss dann die Brauen hoch und drehte sich auf dem Fuße um, um schnurstracks zurückzumarschieren und uns allein zu lassen. Ich bemerkte es nicht einmal, strich mir abwesend über die brennenden Striemen auf dem Gesicht, die ich nicht sehen, nur fühlen konnte. Nur langsam wurde ich ruhiger. Dafür wuchs etwas anderes in mir. Es war immer schon so gewesen, dass mich solche Auseinandersetzungen anfachten. Ich sah Celerina abschätzend an. Fast tat mir mein letzter Satz ein wenig leid. Doch nur fast.

    Sie zeigte offen ihr Desinteresse, was jedoch an mir vorüber ging, da ich dasselbe tat. So saßen wir dort und ignorierten und bestmöglich und mehr oder minder erfolgreich, zumindest bis zu dem Punkt, an dem ich meine Frage gestellt hatte und sie einer Antwort harrend anblickte. Und prompt ging eine Veränderung in Celerina vor. Fast wäre ich in deckung gegangen aus der Erwartung heraus, sie Feuer speien zu sehen, doch statt hitzigen Vorwürfen kamen eisige Worte. Zunächst, Denn noch ehe ich bejahen konnte, zeterte die Flavia drauflos. Und eines musste man den Flaviern lassen: Zetern, das konnten sie. Ich hörte mir alles an, was sie zu sagen hatte, und bereits währenddessen schwoll mir der Kamm. Ich war also schuld? Daran, dass sie unfähig war, mir ein Kind zu gebären, wo ich doch alles tat, was nötig war? Mich immer wieder aufs Neue zu ihr legte und meine Pflicht tat? Ob ich ihr sagen sollte, dass selbst die Lehren Sokrates' abwechslungsreicher waren als die Nächte mit ihr? Von den Tagen ganz zu schweigen! Und wie sie von Siv sprach, machte mich wütend. Es fehlte nicht viel, und mir wäre die Hand ausgerutscht. Verdammte Wut! Verdammtes Weib!


    Ich ballte die Hände zu Fäusten. Dann wandte ich Celerina eine unterkühlte Maske zu. "Oh ja. Dass du alles tust, um ein Kind zu empfangen, gleich von wem, das hast du ja hinreichend demonstriert", gab ich hart zurück und spielte damit auf ihre Affäre mit Phraates an. Förderlich war dieser Streit wohl nicht, weder unserer Ehe noch der Absicht, die der ganze Zirkus verfolgte. Doch was machte schon eine Eskalation mehr oder weniger aus? Ich starrte Celerina an, durchbohrte sie regelrecht mit meinem Blick - und war froh, dass ich mich genügend im Griff gehabt hattem um ihr keine Ohrfeige zu verpassen.

    Trotz seines Alters und seiner Herkunft - immerhin kam er vom Land - bewies Lupus eine gewisse Weitsicht, die ihm sicherlich von Nutzen sein würde, so er sie denn beibehielt. Mir blieb wieder nur, zu nicken, denn diese Ansicht teilte ich und hätte sie auf Anfrage auch preisgegeben. Doch wie jeder junge Mann - so auch ich in diesem Alter - musste man gewisse Dinge selbst und in Eigenverantwortung entscheiden. "Tja, was soll ich sagen? Gut gebrüllt, Löwe. Es macht durchaus Sinn, dir erst einen Namen zu machen. Was das Verlöbnis angeht, würde ich nicht mehr allzu lange warten damit. Es ist nur eine sponsalia, nichts weiter." Und damit konnte man sie gegebenenfalls jederzeit rückgängig machen, wie im Übrigen auch eine Ehe, sofern man es sich leisten konnte, die Familie der Braut vor den Kopf zu stoßen. Ich dachte an Celerina und verwarf den Gedanken sogleich wieder, ein leises Seufzen unterdrückend.


    "Vielleicht solltest du die Sache sogar recht zügig in Angriff nehmen, Sextus", fuhr ich ein wenig ermüdet fort und merkte darüber gar nicht, wie ich ihn beim vertrautenVornamen nannte. "Immerhin ist sie eine Flavia." Und wenn die Sache ohnehin schon beiderseitig geplant war, dann würde es vermutlich eh keine Rückzieher geben. "Du könntest die Feier zum Anlass nehmen, wichtige Personen einzuladen. Es sei denn, ihr wollt darauf verzichten."

    Sim-Off:

    Mitnichten.


    Dieser Corvinus, der genau genommen ich war, hatte Zeit für den Besucher. Minus hatte mich informiert und ich war interessiert genug gewesen, um das Diktat zu unterbrechen und mir das Anliegen jenes Tiberiers einmal anzuhören. So betrat ich also das atrium und schritt auf den Gast zu, dem man inzwischen bereits etwas zu trinken angeboten hatte. "Salve. Ich bin Marcus Corvinus. Du wolltest zu mir, in Sachen Acta Diurna, sagte man mir?" grüßte und fragte ich gleichermaßen, ehe ich mit einer Geste auf die Sitzgelegenheiten deutete und mich selbst sitzenderweise auf einer Bank platzierte.

    Ich ärgerte mich. Oh, was ärgerte ich mich! Ja, das tat ich, und ich versuchte, es nicht zu zeigen. Celerina wollte ich diesen Triumph nicht gönnen, und mochte er noch so klein sein. Sie konnte es vermutlich dennoch von meinem Gesicht ablesen, denn so war es eben mit der Wut: Ich vermochte sie kaum zu verbergen, und das machte mich noch wütender. Zunächst zuckten meine Mundwinkel nur, dann schürzte ich im Versuch, es zu verbergen, die Lippen, und dann wandte ich den Kopf ab und funkelte grimmig einige Grashalme an. Eigentlich geschah es ihr doch ganz recht, meinte das boshafte Stimmchen in meinem Inneren, doch leider war es nicht laut genug und viel leiser als jenes, das mir Schuldgefühle einredete, und wurde darob allzu bald übertönt, bis es ganz verstummte. Und mit ihm war die Verstimmung fort und ich konnte mich wieder meiner Frau zuwenden, ohne zu viel von mir preiszugeben.


    Nun. Was nun?


    Ich saß dort bei ihr auf der Liege, lange Zeit. Und ebenso lange schwieg ich beharrlich, denn mir fiel nichts ein, das ich sie hätte fragen können, nichts, das ein Gespräch in Gang setzen konnte, das nicht schon nach ihrer Antwort wieder beendet sein würde. Ich ließ den Blick schweifen. Wir hatten uns nichts mehr zu sagen. Das war wohl so. Also reduzierte ich Celerina auf den Nutzen, den sie hatte, was - genau genommen - nicht eben schön war, weder für sie, noch für mich. "Wie ist das Opfer gelaufen? Du warst doch mit Septima dort, bevor sie abgereist ist." So saßen wir da, beieinander und doch so unendlich fern auseinander, vor den Scherben unserer Ehe, die sie zertrümmert hatte.

    Ich war dem Annaeus hierher gefolgt und hörte seine Worte, während wir nebeneinander her spazierten. Wieder hörte ich diesen Namen, über den ich nichts herausgefunden hatte - den Mann schien es nicht zu geben - bis es mir wie Schuppen von den Augen fiel. Entgeistert starrte ich Modestus an, hatte meine Mimik für einen kurzen Moment nicht unter Kontrolle, bis ich sie wieder herrichten und und ihn aufmerksam ansehen konnte. Ich war stehen geblieben, ohne es zu merken. Ich grübelte nach dem Namen seines Vetters und kam mir recht stumpfsinnig vor, dass ich die Brücke zu den Annaeern nicht geschlagen hatte. Ob dessen schwieg ich erstmal, es erklärte die Anfeindungen Modestus', die ich nie hatte nachvollziehen können. Wer war der Vetter des Senators vor mir?


    Ich fasste die Hände auf dem Rücken zusammen. "Ich muss gestehen, dass ich mich ein wenig fühle wie ein Festochse vor dem Aventin", sagte ich langsam. Das zuzugeben erschien mir das kleinere Übel, immerhin waren wir hier in privatim unterwegs. "Es hat vermutlich wenig Wert, wenn ich dir versichere, dass ich in besagtem Artikel keinen Bezug zu deiner Familie gesehen habe?" fragte ich. So genau hatte ich den Artikel allerdings nicht mehr im Hinterkopf, es war um einen Mord gegangen, wenn ich mich recht entsann, und um irgendeinen Beamten. "Nun. Ich lese sämtliche Artikel vor Veröffentlichung, und ich sah damals wohl keinen Grund, ihn nicht zu veröffentlichen." Jetzt wurde es interessant. ich hatte mich stets gewundert, was in Modestus gefahren war, und dies schien der Grund zu sein. "Warum bist du nicht eher gekommen und hast ein Gespräch gesucht?" Und warum tat er es und nicht sein Vetter?

    Ich nickte erfreut, sie schien mir voller Elan zu sein, und gerade solche jungen Leute sollte man fördern. Meine nächste Frage zollte ihr dann offenbar doch etwas Respekt ab, da die Antwort nicht ebenso schnell folgte wie die vorherige. Ich meinte sogar kurz, weiter geöffnete Augen zu sehen, doch als ich im nächsten Moment genauer hinschaute, war Iunia Serranas Miene so normal, wie sie in dieser Situation sein konnte, und ich glaubte, mich getäiuscht zu haben. Ihre Antwort fiel positiv aus und war ehrlich, das sah ich ihr an, da sie mich unverwandt musterte. Mein Blick ruhte gleichsam auf ihrem Gesicht, das mich so gar nicht an ihre Verwandte, Iunia Axilla, erinnerte, die ich während des Ädilats hatte kennenlernen dürfen. Ich schwieg und ließ absichtlich einige Augenblicke verstreichen. Sollte sie ruhig annehmen, ich wägte ihre Worte ab, bis ich letztendlich selbst etwas erwiderte. "Nun, einmal ist immer das erste Mal, nicht wahr? Ich denke, man sollte dich durchaus bei der Verteilung der Feiertagsleitung in nächster Zeit berücksichtigen." Ihren Namen brauchte ich hierzu nicht vermerken, denn er war mir gut im Kopf geblieben. Immerhin hatte ich Serranas Prüfung beigewohnt, und diese Aufgabe nahm ich ernst. Zu ernst vielleicht in den Augen mancher, und doch waren mir die Namen meiner Prüflinge gut eingeprägt und mir präsent.


    "Allerdings", fuhr ich fort und nahm einen Schluck Wein, Serrana über den Rand des Bechers hinweg musternd, "Eines fehlt dir jedoch noch, um vollends unter Beweis zu stellen, dass deine Ausbildung ein Erfolg auf der ganzen Linie war." Ich schmunzelte amüsiert, sicherlich waren die Worte ein wenig provokant, doch mit dem Grinsen versuchte ich, ihnen dies zu nehmen. Ich wartete und betrachtete Serrana fragend - vielleicht kam sie von selbst darauf, was ich meinte, anderenfalls würde ich gleich damit herausrücken.

    Unzähle Herzschläge vergingen, in denen sich keiner rührte; ich nicht, Siv nicht, der Kleine nicht. Ich dachte nicht darüber nach, was mich später jenseits dieses Zimmers wieder erwarten mochte, ich dachte auch nicht an Celerina oder sonst etwas. Erstaunlicherweise dachte ich an gar nichts. Und fühlte mich dennoch einen Moment lang gut. Das war eine seltsame Situation, noch seltsamer für mich, und doch genoss ich sie. Vielleicht zu sehr. Siv schmiegte sich an mich. Und auch wenn sie in jenem Moment nicht wissen mochte, was ich wollte - ich wusste es. Der Gedanke war einfach da, von einem auf den anderen Moment, und zugleich war er so unpassend, erschien er mir so lieblos, dass ich ihn gleich wieder dorthin verbannte, wo er hergekommen war. Ich löste mich ein wenig von Siv, damit sie ob meiner prekären Lage vielleicht nichts merken mochte, und betrachtete das Kind auf ihrem Arm. Der Junge schlief friedlich, und nun huschte mir doch ein Gedanke durch den Kopf, der Celerina gebührte. Ich brauchte einen Erben. Diese Pflicht lastete schwer auf unseren Schultern, meinen wie den ihren. Es musste endlich Abhilfe geschaffen werden. Doch dass das nun, da Siv zurück war und Celerina gewisse Dinge wusste, leichter werden würde, glaubte wohl nur ein Narr. Ich hatte noch keine Ahnung, was geschehen mochte in der nahen Zukunft. Was geschah, wenn meine Frau und meine Geliebte aufeinandertreffen mochten. Dass dies bereits geschehen war, ahnte ich nicht einmal ansatzweise.


    Für den Moment zählte jedoch nur, dass Siv überhaupt zurück war. Ich neigte mich vor, berührte mit den Fingerspitzen der Rechte flüchtig ihre Wange. Dann küsste ich sie. Unzählige Male hatte ich es bereits getan, doch diesmal war es anders. Ich konnte nicht sagen, was es war - die Gewissheit, dass sie wieder bei mir war, die Tatsache, dass ich diesen Entschluss gefasst hatte oder der Umstand, dass sie mich schlichtweg nicht abgewiesen hatte. Obgleich ich ihn noch gut in Erinnerung hatte, den unsäglichen Tag ihrer Freilassung, der doch ein guter Tag hatte werden sollen und dennoch in einem Fiasko geendet hatte, war ich davon ausgegangen, dass ein Strohfeuer Siv diese Worte in den Mund gelegt hatte. Doch hier stand sie vor mir, der beste Beweis dafür, dass dies kein Strohfeuer war. Obwohl sie frei war, obgleich sie gehen konnte, war sie dennoch hierher zurück gekommen, und als ich mich dieses Mal von ihr löste, floss das erste Wort schneller heraus, als ich denken konnte. "Ich..." Erst bei dem darauffolgenden setzte der Verstand wieder ein und hielt mich zurück. "Danke." Es war mehr ein Murmeln denn ein deutlich zu vernehmendes Wort, mein Blick fixiert auf ihre weichen Lippen, und den Knaben hatte ich ganz und gar vergessen - was ein Leichtes war, da er nach wie vor selig schlief.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    Ich werde ein verlängertes Wochenende für physikalische Aktivitäten nutzen und darob wenn überhaupt nur lesend anwesend sein.


    Ob dessen auch diese Woche eingeschränkt unterwegs, aber mehr als nur lesend, wie zu hoffen ist.

    Celerina zog es offenbar vor, mir die weitere Unterhaltung allein zu überlassen. Ich tat mir hierbei auch keinen Zwang an. "Das würde ich begrüßen", erwiderte ich daher und nickte zustimmend. Je eher, desto besser. Am liebsten hätte ich sofort begonnen, doch dass das nicht möglich war, sah ich ein, obgleich mein Tatendrang dadurch nicht gemildert war. "Tu das ruhig, wenn es die zeitlich passt. Wie gesagt, je eher der Umbau fertig ist, desto besser." Ich sah zufrieden zu Celerina, erfreut darüber, dass sich der junge Tiberius so eifrig zeigte, und wandte mich dann wieder ihm zu. "Ich nehme an, du zeigst mir deine Ergebnisse dann." Und damit meinte ich, ohne nachfragen zu müssen, aber das verstand er sicherlich auch unausgesprochen.

    Sim-Off:

    Wertkarte, bitte



    Ad
    Decimus Duccius Verus
    domus der Duccier zu Mogontiacum
    Germanien



    pontifex M. Aurelius Corvinus Decimo Duccio Vero s.d.


    Wir haben lange Zeit nichts mehr voneinander gehört, Duccius. Lass mich dir mein Beileid zum Verlust Landos aussprechen, auch wenn ich deinem Verwandten Marsus diesbezüglich bereits einen Brief geschickt habe. Ich hoffe, die Dinge gehen in Mogontiacum bald wieder ihren geregelten Gang, sowohl privat als auch im cultus. Diesbezüglich fiel mir vor kurzem auf, dass du nun nicht mehr den Rang eines Tempelvorstehers bekleidest. Meinen Glückwunsch zu deiner Ernennung daher. Was machen die Tempel? Leider hört man aus den Provinzcollegien recht selten etwas. Vielleicht könntest du in deiner neuen Position dafür sorgen, dass mir ein ausführlicher Bericht über die derzeitige religiöse Lage in Germanien zukommt, den ich meinerseits alsdann dem collegium beizeiten vorlegen kann?


    Sonstig gibt es kaum etwas von Interesse zu berichten aus der Ewigen Stadt. Eine Frage zum Abschluss vielleicht noch, die mich beschäftigt: Es ist nicht zufällig eine gewisse Calvena von den Germanicern bei euch vorstellig geworden? Ich verfolge den Werdegang all jener, deren Prüfung ich beigewohnt habe, mit gesteigertem Interesse, und Germanica Calvena ist eine meiner Prüflinge gewesen. Wie ich in Erfahrung bringen konnte, wurde ihr Ehemann zur Zweiten versetzt. Es liegt daher nahe, dass sie ihn begleitet hat. Jene Germanica bekleidete hier für kurze Zeit den Rang einer Tempeldienerin, bis sie spurlos und plötzlich ohne jeglichen Hinweis über ihren Verbleib verschwand. Man hat ihr den Rang der aeditua ob dessen aberkannt. Sollte sie sich bei dir melden, wäre ich dir verbunden, wenn du mir Bericht erstattest. Mit einer Tätigkeit im cultus gehen nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten einher, auch wenn manche dies anders sehen mögen.


    Nun denn, mehr gibt es kaum zu berichten. Mein Vetter strebt einen Platz im Gremium der haruspices an, mein Neffe ist zum Legat der Ersten ernannt worden, doch das ist auch schon eine geraume Weile her. Ich selbst bereite mich derzeit auf die Prätur vor, auch wenn ich vermutlich nicht in der kommenden Amtszeit direkt kandidieren werde.


    Mögen die Götter ihre schützende Hand über dich und die Deinen halten.


    [Blockierte Grafik: http://img382.imageshack.us/img382/2755/macunterschriftmn6.png]
    - pontifex et senator -


    [Blockierte Grafik: http://img231.imageshack.us/img231/7353/siegelaureliavn5.png]



    ROMA, ANTE DIEM III KAL IUL DCCCLX A.U.C. (29.6.2010/107 n.Chr.)


    Der eine Iulier erschien mir so schweigsam wie der andere, gleichwohl gaben sie sich beide nichts. Die Iulierin indes schien nicht nur mit ihren Gedanken an einem ganz anderen Ort zu verweilen. Ihre Schweigsamkeit, auch als ich meine Frage noch einmal wiederholte, missfiel mir außerordentlich, und ich empfand diese Art als recht dreist, zumal sie dem Kult beizutreten gedachte und hier einen pontifex vor sich hatte. Mir knappen Worten verabschiedete ich daher sie und ihren Vormund, ihm noch einmal Erfolg wünschend und sie ebenso gänzlich ignorierend wie sie mich zuvor, und komplementierte sie hinaus, um mich anschließend kopfschüttelnd ob dieses kuriosen Besuches ins Badezimmer zu begeben, um mein Bad zu nehmen.

    Ich wandte den Kopf und sah die beiden Konsuln fragend an. Ob sie wohl gleich zur Abstimmung aufrufen würden, sobald Decima Seiana verabschiedet worden war? Offensichtlich gab es wohl keine weiteren Fragen und das Interesse war ohnehin sehr gering gewesen.