Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Priscas Worte reihten sich aneinenader wie Perlen auf einer Schnur. Sie erschienen mir alle gleichermaßen abgereundet und stumpf. Belesen, gebildet, interessiert, sympathisch und charmant war er also, und poetisch noch obendrein. Ich sah Prisca an, und in meinem Blick stand eine Mischung aus Resignation und Mitleid. Er hatte sie bezirzt, und sie war darauf hineingefallen! Das wollte nicht in meinen Kopf hineinpassen. Unter der Berücksichtigung der daraus resultierenden Konsequenz erst recht nicht. Denn was, wenn dieser Flavius tatsächlich interessiert war an Prisca? Selbstverständlich konnte - und würde - ich jeden erdenklichen Versuch in diese Richtung zu ihrem Besten abschmettern. Er sollte sie nicht bekommen - der nicht! Er würde sie nur unglücklich machen, sobald er sie hinter seine Fassade blicken ließ. Dessen war ich mir sicher. Bei Priscas letzten Bemerkung, das ach so gute Benehmen des Flavius Piso betreffend, schnaubte ich abfällig, sparte mir jedoch den Kommentar, dass er dies bereits zur Genüge bewiesen hatte, als er meine spärlich bekleidete Nichte an einem Ort geküsst hatte, zu dem ihm niemand eingeladen hatte - und damit dachte ich durchaus sowohl an den Garten als auch an ihre Lippen!


    "Ein echter Flavier?" echote ich schlussendlich dennoch und sah Prisca unverständig an. "Er ist ein Flavier, mag sein. Aber er hat weder Manieren noch Anstand, Prisca!" Selbstverständlich erschien mir diese Argumentation im Moment logischer als die ihre. Für alles andere war ich nicht zugänglich, was mir freilich nicht bewusst war, und dennoch war es so. Bis Priscas Mund aufklappte und sie mich fassungslos anstarrte. Ich sah zurück, ohne mit der Wimper zu zucken. Und ich verschränkte die Arme vor der Brust, eine unbewusste Abwehrhaltung. Sie war tatsächlich fassungslos, ja, und sie schwankte ein wenig. Vielleicht hatte ich damit ins Schwarze getippt, aber eigentlich glaubte ich nicht daran. Ein ganz klein wenig tat mir leid, dass ich diese Vermutung geäußert hatte, aber zugeben würde ich das nicht. Nicht in diesem Moment. Stattdessen hob ich mein Kinn um eine Spur und sah Prisca direkt in die Augen, bis sie die ihren abwandte und sich ermattet auf eine steinerne Sitzbank sinken ließ. Mir schoss durch den Kopf, dass sie so früh am Morgen noch sehr kalt sein musste, aber ich schwieg und betrachete stattdessen Prisca, die nun wie ein Häufchen Elend auf ihrer Bank saß und von der Unschuldigkeit eines Kusses sprach.


    Und ich war ratlos. Natürlich war es unsinnig, diese Vermutung geäußert zu haben. Das ging mir nun selbst auf. Natürlich fühlte sie sich damit nicht wohl. Vielleicht auch missverstanden. Doch sie musste doch meine Sorge sehen! Ich wollte für sie alles tun, sie vor jedem und allem beschützen. Allen voran vor solchen Schürzenjägern, wie der Flavius mir einer zu sein schien. Warum nur verstand sie das nicht? Ein gequälter Ausdruck trat auf mein Gesicht. Ich verharrte noch einen Moment, zwei, dann riss ich mich los und starrte in den Garten. Leichte Nebelschwaden hingen noch über den Beeten. Er hatte ihr ein Gedicht geschrieben. Mir wurde allmählich die volle Tragweite dieses Umstandes bewusst. Ein Gedicht! Und er hatte Prisca dieses Kleid geschenkt, oder was auch immer es gewesen war. Das hatte er mir damals selbst erzählt. Hatte ich nicht unmissverständlich klar gemacht, dass er die Finger von ihr lassen sollte? Und Prisca? Sie fiel direkt darauf herein. Der Flavius wollte sie mit ihr Schmücken wie mit einer Pfauenfeder. Ich knirschte mit den Zähnen.


    Prisca saß immer noch auf ihrer Bank, das sah ich, als ich mich umwandte. Und ich gab mir einen Ruck und setzte mich daneben. Allerdings wusste ich nicht so recht, was ich sagen sollte. Vielleicht war eine Entschuldigung angebracht, doch die wollte mir nicht über die Lippen kommen. Stattdessen legte ich ihr sanft einen Arm um die Schultern und schwieg.

    Ich schwieg, mein Blick ruhte auf Vala, während ich kurz nachdachte. "Ich kann dir dazu nicht viel raten. Auf die Begründung wird es ankommen, nicht auf deine letztendliche Wahl. Jedes Einstiegsamt hat seine Vor- und Nachteile. Als tresvir capitaliswirst du mehr herumkommen denn als decemvir litibus iucandis, vermute ich. Was das Münzwesen anbelangt, sind meine Kenntnisse recht spärlich, bei der Straßenaufsicht verhält es sich ebenso. Für mich persönlich kam damals nur das Erbrecht und die Tätigkeit als tresvir capitalis in Frage, obgleich ich jedes Amt ausgeübt hätte." Ich rief mir den Tag meiner Kandidatur in Erinnerung und musste kurz schmunzeln. "Im Endeffekt wäre es wohl das Beste, du würdest dir für jedes Amt Für und Wider zurechtlegen, um es bei Bedarf aus dem Hut zaubern zu können. Und für dich eine Entscheidung treffen, was du im nächsten Jahr gern tun würdest. Entweder, weil du dich bereits auskennst und dementsprechend gut sein wirst, oder weil du dich nicht auskennst und möglichst viel lernen willst." Beides barg Vorteile. Vala würde sich entscheiden müssen. "Als ich anfing, habe ich mich dem Erbrecht gewidmet. Das war mein Wunsch und er wurde berücksichtigt", fügte ich noch hinzu.


    "Nun", sagte ich nachdenklich, als Vala den Stadtpräfekten erwähnte. "Was ich bisher erfahren habe, zeigt, dass der Präfekt Patriziern nicht zugeneigt ist, ganz gleich wie sie sich für das Reich eingesetzt haben. Wie gesagt, ich kann dir gern eine solche Empfehlung schreiben. Ob sie dir bei Vescularius Salinator allerdings helfen wird, wage ich zu bezweifeln." Ursus war schließlich auch nur ernannt worden, weil der Kaiser selbst es so wollte, und Vescularius sich unmögich darüber hinwegsetzen konnte, ohne Missmut heraufzubeschwören. Bei seinen darauf folgenden Worten grinste ich flüchtig. "Und das, obgleich du kein blondes Haar hast", scherzte ich. "Nun ja. Vielleicht macht es Sinn, deine Beziehungen zu jenen von meinem Stand zu verschweigen, wenn du bei Vescularius vorstellig wirst. Oder aber, du verzichtest gänzlich darauf, ihn aufzusuchen. Ich bin mir da selbst unschlüssig." Und ich wusste nicht, wie viele Klienten der Stadtpräfekt mit sich zog.

    Zitat

    Original von Tiberia Alba
    Da ich im Moment überhaut keine Zeit habe


    Nur ein Hinweis, da mir die Formulierung aufgefallen ist. Wenn du später zurück kommen möchtest mit dieser ID, musst du sie ins Exil schicken. Aus dem Elysium ist noch keiner zurückgekehrt, Catus mal ausgenommen. :)

    "Sofern dieser peregrinus auf seinem Geld besteht, sollte das einem Besuch oder zumindest einem kurzen Schreiben zum Aufmerksammachen durchaus keinen Abbruch tun", hatte ich auf den Einwand des Germanicus hin erwidert. Ich hob gleichgültig eine Schulter. Damit war die Angelegenheit für mich erledigt und ich würde nachsehen lassen, wer sein Geld nicht erhalten hatte. Einen Namen wusste ich schließlich nicht, und ich hätte ihn mir wohl auch nur schwerlich gemerkt.


    Sim-Off:

    Ich bin mal so frei und beschleunige etwas. ;)


    Der darauffolgende Tag


    Seianas Reaktion war wie erwartet ausgefallen. Sie war nicht unbedingt erpicht darauf gewesen, vor den Senat treten zu müssen, doch sie zierte sich nicht und machte kein großes Aufhebens darum. Ich hatte mich mir ihr vor dem Gebäude verabredet, ihr versichert, dass es schon schief gehen würde und sie hernach der Obhut einiger Liktoren überlassen, die ihr Gesellschaft leisteten, bis man sie rufen lassen würde. Ich ging eigentlich davon aus, dass die Konsuln diesen Punkt in der Tagesordnung relativ dicht an den Anfang setzen würden, doch wusste man nie so recht. Es war ein Tag wie viele andere auch im Senat. Wir saßen auf den Steinbänken und ich wartete darauf, dass Furianus oder sein Kollege Seiana hereinbeten mochten.


    Ad
    Manius Tiberius Durus
    villa Tiberia in Roma



    M. Aurelius Corvinus Manio Tiberio Duro s.d.


    Durus, ich hoffe, du befindest dich wohl? Leider war es uns seit deinem Unfall auf dem Lande nicht vergönnt, ein paar Worte zu wechseln. Ich hoffe doch sehr, dass dich deine Verletzung nicht zu sehr einschränkt. Geht es meiner Base gut? Ich habe schon lange nichts mehr von ihr gehört.


    Ich will auch recht zügig zur Sache kommen. Der Grund, aus dem ich dir schreibe, betrifft eine Angelgenheit des cultus, in der ich dich als offiziellen Vertreter nicht übergehen möchte. Es geht um eine Priesterin, deren Prüfung ich vor nicht allzu langer Zeit abgenommen habe, und die, wie mir bei den Routineberichten gemeldet wurde, schon seit längerem ihrer Pflicht in Roms Tempeln nicht nachkommt. Ihr Name lautet Germanica Calvena. Ich habe in den Archiven der regia nach Korrespondenz mit ihr forschen lassen, bin jedoch nicht fündig geworden. Weißt du hierzu Näheres? Zunächst wollte ich mich bei dir rückversichern, ehe ich weitere Nachforschungen diesbezüglich anstrenge und dem collegium offiziell Bericht erstatte.


    Mögen die Götter dein Deinen stets gewogen sein.


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    - pontifex et senator -


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    ROMA, ANTE DIEM VI ID IUN DCCCLX A.U.C. (8.6.2010/107 n.Chr.)


    Schweigend betrachtete ich meine Ehefrau. Die Frau, die ich an meiner Seite hatte haben wollen, weil sie einer guten Familie entstammte und diese Ehe das Bündnis zwischen unseren Familien hatte erstarken lassen. Sie sah nicht schlecht aus. Sie hatte bis zur Verlobung nicht schlecht von sich reden machen lassen, war unbefleckt gewesen, bis zu den Gerüchten um Sergius Sulla und der Interaktion mit diesen schändlichen Piraten. Celerina war eigen. Doch wer war das nicht? Ich hatte sie trotz alledem nicht von meiner Seite verbannt, selbst dann nicht, als sie mich hinter meinem Rücken mit dem Sklaven betrogen hatte, der nun seine Strafe abarbeitete. Ich hatte sie nicht fallen gelassen, weil ich selbst keinen Deut besser war als sie, als das alles. Ich wusste das, und dennoch stand das römische Recht auf meiner Seite und nicht auf der ihren. Für mich war es einfacher, so zu denken, und deswegen gab ich dieser Denke den Vorrang vor dem Eingeständnis der eigenen Schuld.


    Ich maß Celerina noch mit einem letzten prüfenden Blick, dann klaubte ich nach vorn gebeugt meine tunica vom Boden auf und erhob mich. Schnell war sie über Kopf und Arme gestreift. Wortlos und ohne Hast verließ ich dann Celerinas Schlafgemach, die Tür leise hinter mir schließend. Mein Weg führte mich direkt in meine Gemächer, wo ich erst irgendwann im Morgengrauen wieder in den Schlaf fand.

    Ich fixierte einen Moment den Blick des Flavius und ersann eine Formulierung. Seine Frage an sich musste eine Farce sein, schoss es mir durch den Kopf, denn wie könnte ich nun hier sitzen und ablehnen, selbst wenn es das wäre, was ich wollte? Es wäre nicht nur ein schnelles Ende für die potentielle Tätigkeit Lupus' gewesen, sondern auch ein Knacks in der Beziehung zwischen unseren Familien. Immerhin war meine Frau eine Flavia, Lupus würde eine Flavia ehelichen, und die Götter allein wussten, ob dieser Piso seine Griffel bei sich würde halten können, wenn es um meine Prisca ging. Ein wenig verwunderte mich daher Furianus' direkter Vorstoß, ebenso wie ich seine für mich offensichtliche Fähigkeit bewunderte, mich in diesem Moment zu durchschauen - ich hätte zwar niemals meine Stimme versagt, doch wäre es mir vermutlich nicht gänzlich gelungen, mein Missfallen zu unterdrücken, wäre ich gegen diese angestrebte Reform gewesen. "Meiner Familie war das Militär stets wichtig, consul Flavius. Selbst heute noch, wo es nicht mehr vonnöten ist, abolvieren die Sprösslinge der Aurelier Militärtribunate, um die Ahnen zu ehren und die Traditionen hoch zu halten. Allein aus diesem Grund würde ich einem altgedienten Veteranen nicht versagen, sich seinen Lebensabend zu sichern. Land ist knapp dieser Tage, und dein Vorschlag kann hier Abhilfe schaffen. Meine Familie mag nur im Mittelfeld liegen, was den Landbesitz angeht, doch: Ja, ich wäre bei einer etwaigen Abstimmung derseben Meinung wie mein junger Vetter hier." Ich machte eine kleine Kunstpause. "Was jedoch kaum etwas daran ändern wird, dass gerade diejenigen, die sich lieber auf den hart erkämpften Lorbeeren anderer ausruhen und diejenigen, welche die meisten Besitztümer anhäufen und am wenigsten von dieser Neuerung profitieren würden, dagegen stimmen werden." Mit anderen Worten die Riege der Matinier und Germanicer. Es waren eben nicht immer nur die Patrizier, die uneinsichtig waren, auch wenn man dies oft und gern so darstellte.

    Ich wartete noch einen Augenblick, in dem einige wenige Senatoren Interesse bekundeten, die meisten sich jedoch in das Gefüge einzupassen schienen, das die breite Masse gebildet hatte. Nun, man konnte niemanden dazu zwingen, sich für die Acta zu interessieren, und nachdem einige Wortmeldungen erfolgt waren, machte ich einen Terminvorschlag. "[...] Wenn der Senat mir die Aufgabe überträgt, Decima Seiana zu laden, werde ich dies gern tun." Zum einen sah ich sie später ohnehin bei der Redaktionssitzung, zum anderen war sie meine Klientin, und überdies war ich derjenige gewesen, der den Antrag gestellt hatte.



    Sim-Off:

    Sie wird dann Schreibrechte für den Senat benötigen.

    Celerina erläuterte ihren Gedankengang näher, und eine vollkommen neue Denkweise tat sich mir auf. Ich sah sie schweigend an. Was, wenn sie tatsächlich unfähig war, Kinder zu bekommen? Ich ahnte schließlich nichts von ihrer ungewollten Schwangerschaft, damals verursacht durch diesen Piraten. Ich wusste zwar, dass er sie gezwungen hatte, doch mehr hatte sie mir nie offenbart. Es gab viele Geheimnisse zwischen uns, von denen der andere nicht wusste. Bis heute, denn heute hatte ich die meinen annähernd vollumfänglich offengelegt. Was ich tun würde, wäre Celerina unfruchtbar, konnte ich dennoch nicht sofort entscheiden. Es wäre eine Schmach für ihre Familie, ebenso wie für die meine, würde ich sie deswegen verstoßen. Dann wäre offensichtlich, dass sie mit einem Makel behaftet war, und keiner mochte sich ihrer mehr jemals annehmen. Ihr blieb nurmehr ein einsames Dasein auf einem flavischen Landgut, zurückgezogen und vom Antlitz der Welt verbannt. Ich blinzelte und richtete den Blick, der ob der Gedanken hierzu abgeglitten war, wieder auf Celerinas Gesicht. Pein stand ihr im Blick.


    "Die Götter strafen dich nicht. Du tust alles, um ihnen zu gefallen", antwortete ich mechanisch. Ihr hörte Neid aus ihrer Stimme heraus, Neid auf Siv. Und wer hätte ihr das verübeln können? "Ein Junge." Ich sagte dies im Gewissen, dass es Celerina nur noch mehr unter Druck setzen musste, doch würde sie es ohnehin erfahren, und deswegen machte es nicht den geringsten Sinn, hier zu schweigen. Auch, wenn es sie in ein tiefes Loch zerren mochte. Ich nahm mir vor, die Sache selbst ebenfalls in die Hand zu nehmen und Iuno zu opfern. Irgendwie musste es doch klappen.

    Dina erntete einen kurzen, kritischen Blick, doch abgesehen von ihrem letzten, kaum vernehmbaren Zischen in Richtung des nicht vorhandenen Rollos verhielt sie sich ruhig, so dass ich mich voll und ganz meinen Gästen widmen konnte. Ich war mir nicht ganz sicher, wie ich es bewerten sollte, dass die Iulia - die ja nun ganz offensichtlich Grund des Besuchs war - nicht einmal ihren Namen nannte, sondern dies ihrem tutor überließ. Ich entschloss mich dazu, es nicht überzubewerten, und nickte nur. Der Namen des Iuliers selbst war mir nur noch bruchstückhaft im Gedächtnis. Es war schließlich eine ganze Weile her, dass er Ursus und mich aufgesucht hatte, um unsere Stimmen für die Wahl zu sichern. Er besaß nicht die Güte, sich nochmals in Erinnerung zu bringen.


    "Das freut mich natürlich zu hören", erwiderte ich dem Iulier mit dem Anflug eines Lächelns und wandte mich dann an die junge Dame selbst. "Darf ich fragen, was dich dazu veranlasst, diesen Wunsch zu äußern?" fragte ich sie.

    Der vorangegangene Termin hatte doch ein wenig mehr Zeit benötigt als veranschlagt, weshalb die beiden Iulier mit ihrem Anliegen ein klein wenig länger warten mussten als eingeplant gewesen war. Ich machte mich dennoch nach der Verabschiedung sogleich auf und strebte aus dem tablinum komment meinem Arbeitsraum entgegen. Ohne zu zögern betrat ich ihn und erblickte Dina. Dass diese bereits wieder die Besucher mit ihrem unsichtbare Hirngespinst verwirrt hatte, ging mir dabei nicht auf. Allerdings bemerkte jener soeben in Dinas Kopf, dass er nicht nur das Kleid der Dame hübsch fand, sondern auch deren Gesäß, an dem er doch recht gern einmal entlangstreichen würde.


    "Salvete. Entschuldigt, ich hatte noch einen weiteren Termin", erklärte ich zur Begrüßung und nahm Platz. Ich ging davon aus, dass Dina den Gästen bereits Platz angeboten hatte, und deutete daher nur noch einmal einladend auf den einzelnen freien Stuhl und jenen, den mein Schreiber Livius Pyrrus eben neben selbigem platzierte. Gleichzeitig versuchte ich mich daran zu erinnern, was der Grund für den Besuch der beiden Iulier war. "Wie kann ich euch helfen?" fragte ich schließlich, da ich mich nicht erinnern konnte.

    Ich schmunzelte ein wenig amüsiert ob des Galliers Überraschung und sah mich genötigt, ihm etwas zu erklären. "Wenn du gute Dienste verrichtest, Aedan, wirst du belohnt werden. Andere mögen das anders handhaben, ich mache es so. Spare dir dein peculium für etwas Wichtiges. Vielleicht kannst du dir irgendwann auch die Freiheit damit erkaufen." Das war nicht unüblich und tat einem Herrn nicht weh. Im Gegenteil, im Idealfall unterhielt man dadurch ein gutes Verhältnis zu seinen Sklaven und versicherte sich gleichzeitig ihrer Treue. Aedan wirkte nun etwas verloren, und ich beschloss, ihn zu erlösen. "Du kannst nun gehen, Aedan."

    "Das kann nicht nur sein, das ist de facto so. Wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich sagen, dass beide sich an die Gurgel gehen würden, wenn sich die Gelegenheit böte. Allerdings macht ihnen das Zanken wohl zu viel Spaß", bemerkte ich und schmunzelte kurz vor mich hin. Durus und Avarus im Senat waren so manches Mal nervenaufreibend mit ihrer Kleinkariertheit, anderen Tags machte allein das Zuhören Spaß, wenn sie sich gegenseitig schlecht redeten oder nur aus Prinzip gegen einen Antrag des anderen stimmten. "Meine Familie hat keine grundsätzlichen Probleme mit den Germanicern, zumindest nicht mit Avarus. Bei seinem jüngeren Verwandten - ich glaube, es ist sein Neffe - sieht das anders aus. Manchmal glaube ich, auch er ist die Halsstarrigkeit in Person, nur weil es ihm Spaß macht, obgleich er an Ursus einen Narren gefressen zu haben scheint, weshalb auch immer. Nichtsdestotrotz solltest du Avarus in die Vergleiche mit einbeziehen. Er ist recht erfahren auf seinem Gebiet."


    Celerina befasste sich daraufhin zunächst mit Ahalas weiterer Frage. Ihre Informationen waren ein wenig dürftig, deswegen sprang ich im Anschluss daran ein. "Ganz recht. Die Stallungen müssen abgerissen werden. An ihrer statt soll ein neuer Flügel ans Haus angegliedert werden, um zusätzlichen Wohnraum zu schaffen. Das derzeitige Peristyl kann dort verlängert werden. Ich dachte an mindestens vier zusätzliche Zimmer und ein tablinum oder eine exedra. Ob man den Anbau ebenfalls zweistöckig gestalten kann, müsste man herausfinden. Dann wäre natürlich noch mehr Platz vorhanden. Vom Grundriss dachte ich an diese Skizze hier." Ich reichte dem Tiberius eines der Papyrusdokumente und tippte auf die entsprechende Stelle. Ein großes Rechteck gliederte sich an den bestehenden Bau an, gleichmäßig verteilte Punkte deuteten ein Periystl an. "Man müsste vielleicht hier einen Durchbruch machen, damit man nicht durch den Garten laufen muss, um in den neuen Abschnitt zu kommen. Aber das sollte machbar sein", bemerkte ich und zeigte auf die Stelle, an der das alte und das geplante Peristyl aufeinander trafen. Dort befand sich gegenwärtig eine steinerne Mauer mit einem Löwenkopfbrunnen.

    Nichts ahnend von den Gedanken, die Siv zum Abschied mit sich trug, wartete ich, dass sie mir folgte. Sie blieb jedoch auf der Schwelle stehen und sah mich nur an. Der Kleine an ihrer Schulter war still, lutschte an seiner Faust, und Uland, Ferun und die Kinder sahen aufmerksam in unsere Richtung. Siv bewegte sich keinen digitus weiter, und schlussendlich gab mich mir den Ruck, nickte ihr zu und verabschiedete mich auf diese Weise von ihr.


    Uland und seine Frau erhielten noch ein paar freundliche Worte, sowie Dank für das einfache Mahl, dass ich kaum angerührt hatte. Gern hätte ich noch ein paar Münzen dagelassen, doch ich war so überhastet aufgebrochen, dass ich mit leeren Händen gekommen war und mit ebenso leeren Händen wieder ging. Die Kinder liefen vor ihrem Vater her zur Tür, ehe er sie für mich öffnete und mich hinaus ließ, und als ich die schmale, dreckige Stiege hinunter ging, fühlte ich mich um viele librae leichter. Zumindest, solange ich nicht an Celerina dachte.