Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Wie ich meinte? Ich kniff die Augen zusammen und runzelte die Stirn. Da wollte ich großzügig sein, obgleich es keinen Grund dafür gab, und Celerina war es gleichgültig? Verstand einer die Frauen. Reichte man ihnen den kleinen Finger, nahmen sie die ganze Hand - reichte man ihnen die ganze Hand, wollten sie nicht einmal den kleinen Finger. Umso besser, wenn sie diesen Sklaven nicht zurücknehmen wollte. Andererseits barg diese Gleichgültigkeit eine nicht zu unterschätzende Gefahr, denn wenn sie diesen Sklaven nicht zurück wollte, mochte sie unter Umständen vielleicht eine andere Liebelei beginnen. Ich merkte, wie bei der Erwägung dieser Möglichkeit die Verärgerung wieder anstieg, und ich gab mir Mühe, ruhig zu atmen und nicht allzu viel darüber nachzudenken.


    Ihre Frage half mir dabei, denn sie lenkte mich ab. Ob ich sie fortschicken würde? Was für ein Unsinn! Erneut runzelte ich die Stirn, schüttelte dann den Kopf. "Warum sollte ich das tun? Das ergibt keinen Sinn." Das tat es auch nicht. Selbstverständlich wäre es nicht unbedingt glücklich, wenn das erste Kind ein Mädchen wäre, doch Celeria war mitnichten zu alt, um nur einem einzigen Kind das Leben zu schenken. Ich vermochte ihren Gedankengang diesbezüglich also nicht nachzuvollziehen.

    "Es sollte im Bereich des Möglichen sein, da stimme ich dir zu. Die meisten subauctores gehen parallel jedoch auch einer anderen Arbeit nach. Es gibt so gut wie niemanden, der sich ausschließlich auf die Arbeit für die Acta Diurna konzentriert", gab ich allerdings zu bedenken. Seiana war schon die beste Wahl, wenn man mich fragte. Ich selbst hatte neben meinen Pflichten zwar auch den ein oder anderen Artikel geschrieben, doch hatte die Acta einen Führungswechsel meiner Ansicht nach einfach nötig. "Es ist dabei jedoch nicht so, dass wir keinen Anreiz bieten würden, mehr und regelmäßig Artikel einzureichen. Im Gegenteil, die Vergütung für unsere festen Schreiber liegt um ein Vielfaches höher als die eines durchschnittlichen scriba personalis. Auch die freien Schreiber werden entsprechend vergütet."


    "Ich möchte an dieser Stelle gern den eingangs vorgebrachten Einwand des Kollegen Germanicus aufgreifen. Ein solcher Fall ist ein Einzelfall, und statt ihn im Senat zu diskutieren, schlage ich vor, dass dein Schützling mich einmal aufsucht. Es kann selbst dem besten Buchhalter passieren, dass eine Lohnzahlung vergessen wird, doch Stillschweigen bringt den Betroffenen nicht weiter - und bei mir hat diesbezüglich niemand vorgesprochen, da muss ich dich enttäuschen." Ebenso wenig hatte ich Kenntnis darüber erlangt, dass diese Person - um wen auch immer es sich handeln mochte - vielleicht im domus der Acta Beschwerde eingelegt hatte, dass sie oder er die Vergütung nicht erhalten hatte. Nun, wer sich nicht bemerkbar machte, der versickerte im Sand der Zeit - oder in den Mühlen der Bürokratie. Nichtsdestotrotz war dies ein Fall, der für den Senat eher unwichtig war. Ich wandte meinen Blick wieder von Sedulus ab und richtete meine Worte an den gesamten Senat.


    "Als derzeitiger auctor kann ich euch Decima Seiana guten Gewissens empfehlen. Sie kennt die Abläufe innerhalb der Redaktion und sie hat auch die Seite der subauctores kennengelernt, und sie führt einige recht erfolgreiche Betriebe. Das sind meiner Meinung nach die besten Voraussetzungen." Es mochte sein, dass die Senatoren zunächst Seiana befragen wollten, ehe sie meinem Wort und ihrer Person Vertrauen schenkten. Das blieb abzuwarten.

    Ich war zufrieden. Lupus zeigte nicht nur deutlich, dass seine Zeit in Griechenland nicht vertan war, sondern brachte seine eigenen Gedanken und Überlegungen in die Antwort ein - eine Antwort, die auch mir zusagte. Ich begnügte mich derweil, am Wein zu nippen und den beiden zuzuhören. Furianus gab sich undurchsichtig, was gewiss ein formidabler Schachzug war, um den jungen Mann ein wenig mehr anzuspornen. Und Lupus hatte seinerseits am Rande erwähnt, dass es vielfältige Beziehungen zwischen Aureliern und Flaviern gab. Alles in allem versprach die Situation, interessant zu bleiben, denn interessant war sie bereits. Ich musterte den Flavius und wartete auf dessen Erwiderung. Lupus hatte Sympathie bekundet, jedoch den Honiglöffel stecken gelassen.

    "Selbstverständlich bleibst du hier", bekräftigte ich ein wenig verständnislos. Warum auch sollte sie gehen? Celerina war meine Ehefrau, die Hausherrin dieses Hauses. Mir kam ihre Flucht nach Ostia zurück ins Gedächtnis, auch wenn sie damals aus einem anderen Grund geflohen war. Und dann fragte ich mich, wann ich ihr davon erzählt hatte, dass ich Siv zurückholen würde - und mir fiel das Gespräch vom vergangenen Abend wieder ein, als sie nach dem Garten gefragt und ich daraufhin mit Siv gekontert hatte. In jenem Moment ärgerte ich mich über mich selbst, dass mir das entfallen war. Ich blickte auf mein Knie hinab und runzelte die Stirn. Wie sie weiterleben, ihr begegnen sollte. Ich konnte diese Fragen nicht so ganz nachvollziehen. Im Grunde mochte sich kaum etwas verändern im Vergleich zu vorher, abgesehen davon, dass Celerina nun im Bilde war. Ich überlegte, was ich darauf sagen sollte, doch mir fiel nicht allzu viel ein. Schlicht abtun wollte ich ihre Fragen jedoch auch nicht. "Ich weiß es nicht", war demnach die ehrlichste und zugleich wohl auch am wenigsten brauchbare Antwort. Immerhin war es auch Celerinas Angelegenheit, wie sie mit Siv umgehen würde. Das mochte ein bequemer Gedanke sein, doch zugleich war es auch die Wahrheit. Was sollte ich ihr in dieser Situation auch raten? Ich war nun nicht gerade in der Lage, wieder einzuschlafen. Ich grübelte nach, was das für eine Situation ergab. Für Celerina gewiss keine angenehme, so viel war mir klar. Und für mich? Das würde ein Spagath geben. Dessen wurde ich mir erst jetzt so richtig bewusst. Doch das Loch in meinem Inneren würde dadurch verschlossen werden. Ob dafür an anderer Stelle etwas zerbrach, vermochte ich nicht zu raten.


    Ich sah Celerina an, und ich brachte meiner Frau mit den nächsten Worten die grlßtmögliche Toleranz entgegen, wie ich fand. "Ich werde deinen Parther zurückholen lassen, wenn du es möchtest. Und wenn du mir einen Sohn geschenkt hast", sagte ich, und ich meinte das ernst. Denn ich ging nach wie vor davon aus, dass Celerina und dieser Sklave das hatten - gehabt hatten -, was Siv und ich hatten.

    Es brauchte eine Weile, bis ich ihn so hielt, dass seine Bewegungen eingeschränkter waren und ich ihn sicher hatte. Das Ganze schien mir eine Wissenschaft für sich zu sein, und man musste nicht nur auf, sondern auch für den Kleinen aufpassen. Sein Kopf war ganz offensichtlich noch viel zu schwer für ihn - kein Wunder, war er doch das größte Teil an ihm. Als Siv schließlich nickte und offensichtlich mit der Haltung, die ich eingenommen hatte, zufrieden war, wagte ich kaum, einen tieferen Atemzug zu nehmen und damit etwas an der Art und Weise zu verändern, wie ich stand oder die Arme hielt. Ich sah von ihr zu meinem Sohn und zurück, und ganz allmählich zeigte sich ein vages, unsicheres Lächeln. Das Kind gluckste, eine Mischung aus einsetzendem Geplärr und einem Grinsen, da war ich mir ganz sicher. Bevor er mit dem Weinen anfangen konnte, wollte ich ihn lieber wieder loswerden. ich sah Siv auffordernd an und hob ihr eine Winzigkeit die Arme entgegen. "Ehm. Nimmst du ihn wieder?" fragte ich ein wenig zaghaft und war dann froh, als sich das Kind wieder in Sivs Armen befand. Das war schon ein seltsames Gefühl, das ich hatte. Einerseits war ich stolz, andererseits froh, dass ich ihn nicht mehr hielt. Dieser kurze Ausflug in die Vaterschaftsgefühlswelt war vorerst genug für mich.


    Ich räusperte mich. "Ich sollte... Ich werde jetzt gehen, Siv." Immerhin hatte ich einen Teil meiner Entschlossenheit wiedergewonnen, was das Emotionale betraf. Nun musste ich es nur noch Celerina beibringen und dann weitersehen. Ich dachte an meine Frau und seufzte leise. Dann hob ich die Hand und strich Siv über die Wange. "Ein paar Tage", wiederholte ich und nickte kurz dabei. Anschließend machte ich ein paar Schritte hinaus aus dem kleinen, abgetrennten Bereich und wandte mich nach einem kurzen Blick hin zu Uland und Ferun - die beide augenblicklich aufstanden und mehr als verwundert in meine Richtung sahen - wieder Siv zu. Sollte sie vorausgehen, ich würde mich noch verabschieden und dann gehen.

    "Salve, Tiberius", grüßte ich zunächst meinen Neffen, als ich eintraf. Vor mir waren Cornelius Afer und Aemilius Vindex bereits eingetroffen. Ursus würde heute nicht kommen, immerhin befand er sich schon geraume Zeit in Mantua, und so nahm ich Platz und begann ein Gespräch mit dem Aemilier, die seit langer Zeit eine befreundete Familie waren.

    Der Honigpinsel war für meinen Geschmack tatsächlich ein wenig zu groß, denn gleich was andere auch davon halten mochten, war ich nie ein großer Freund von Bauchpinselei gewesen. Ich nickte also nur und erwiderte meinerseits ebenso ein Gemisch aus höflicher Floskel und persönlichem Eindruck. "Ich verliere damit einen tüchtigen und ehrgeizigen Mitarbeiter. Diese Lücke wird nicht leicht zu schließen sein, obgleich es jetzt wohl ohnehin etwas ruhiger werden wird." Immerhin war die letzte Amtszeit vorüber, die letzten Abrechnungen gemacht.


    "Nein, das wohl kaum. Aber du kannst davon ausgehen, dass irgend jemandem im Senat die Frage auf der Zunge liegen wird, welches Amts du präferierst, und dann solltest du gut kontern können. Letztendlich hast du wohl kaum Einfluss auf die Wahl, da hast du recht. Doch besser ist man gut vorbereitet, als hinterher improvisieren zu müssen und damit zu riskieren, ahnungslos zu wirken", erwiderte ich. "Allerdings mache ich mir da bei dir keine Gedanken. Ich nehme an, du hast bereits eine Liste der wichtigsten Senatoren im Kopf oder auf der tabula." Es würde mich doch sehr wundern, wenn dem nicht so war.


    Bei der Erwähnung des praefectus urbi hingegen zog ich kurz eine Grimasse und runzelte im Anschluss die Stirn. "Was das betrifft, kann ich dir nur raten, nach Klienten und Freunden des Vesculariers Ausschau zu halten und sie für dich zu gewinnen. Man sagt, dass er nicht eben viel von Patriziern hält. Ich bezweifle daher, dass ein Empfehlungsschreiben meinerseits die den gewünschten Erfolg bringen mag. Wenn du es dennoch versuchen möchtest, sollst du jedoch eines erhalten." Ich überlegte einen kurzen Moment. "Was ist eigentlich aus der Idee mit der Verwaltung in den Provinzen geworden?" Ein entsprechender Antrag war mir nämlich entgangen.

    Celerina fasste es gefasster auf, als ich angenommen hatte. Ich hätte damit gerechnet, dass sie mich hinauswerfen würde, und ich wäre sang- und klanglos gegangen, denn es war bereits alles gesagt worden, was hatte gesagt werden müssen. Doch sie saß nur da und schwieg, wirkte äußerlich ruhig und gefasst, wenngleich es auch in ihrem Inneren brodeln mochte vor Wut oder Trauer oder einem explosiven Gemisch der verschiedensten Gefühle. Ich selbst fühlte mich in jenem Moment nur resigniert und zugleich erleichtert wie schon lange nicht mehr. Dabei stand mir noch die Herausgabe einer Information bevor, die vermutlich die zuvor erwartete Reaktion bei Celerina tatsächlich auslösen mochte. Sie wusste schließlich nichts weiter außer dem Umstand, dass Siv seit gut drei oder vier Wochen nicht mehr hier im Haus war.


    Zunächst allerdings war es an mir, ihre Frage zu beantworten. Ich hielt noch immer ihre Hand in der meinen, etwas unschlüssig, ob ich dies fortführen sollte oder eben nicht. Das zu leugnen, was ihren Worten mitschwang, wäre ohnehin nurmehr lächerlich gewesen, also gab ich es zu, ohne mit der Wimper zu zucken. "Ich vermag dir darauf keine Antwort zu geben", erwiderte ich also nach kurzer Pause. Denn warum fühlte man sich zu einem Menschen hingezogen? Bei Siv mochte es die Mischung zwischen Aussehen und diesem halsstarrigen Charakter sein, der ihr zu eigen war, zugleich aufopferungsvoll und bestimmt, gewürzt mit Stärke und Mut und einer Prise Egoismus, wie ich fand. Siv war immer schon interessant gewesen für mich, ich hatte sie in den seltensten Fällen durchschauen oder einschätzen können. Mir fiel sogleich der Tag ein, an dem ich sie freigelassen hatte - um ihr damit ein Geschenk zu machen, ihr und dem Kind. Sie jedoch war unglücklich damit gewesen. Ich schob den Gedanken beiseite und betrachtete nun wieder Celerina. Ich verzog das Gesicht zu einer Grimasse. Bevor ich nun unkoordiniert weitersprach, beschloss ich, Celerina ein Angebot zu machen. Ich würde nicht mehr erzählen als notwendig war, und ich würde es nur so lange tun, wie sie gefasst blieb. Mit einer vollkommen aufgelösten Ehefrau konnte ich in diesem Moment nicht umgehen. Ich ließ ihre Hand nun doch los und rutschte so auf ihr Bett, dass ich aufrecht und im Schneidersitz ihr zugewandt saß. Die kleine Flamme beleuchtete nun unser beider Profile. "Frag, was du fragen willst. Wenn du etwas fragen willst."

    Es gab zwei Möglichkeiten. Zwei Varianten, wie sie entscheiden mochte. Die eine wäre vermutlich ehrlicher, doch zerstörerischer, die andere war zwar positiver, aber entbehrte zu einem gewissen Grad auch der Wahrheit. Obgleich die Worte, zwar unausgesprochen, ohnehin gehört worden waren. Wieder schweig Celerina. Ich wusste in jenem Moment selbst nicht genau, welche Variante ich präferieren würde. Harrend betrachtete ich sie. Das verweinte Gesicht, den deutlich erschtlichen Kummer darin. Das Schweigen zog sich dahin. Es war kein freundschaftliches Schweigen, nicht angenehm, und aus diesen Grund spielte ich bereits mit dem Gedanken zu sprechen und damit Celerina die Entscheidung abzunehmen. Mich hinderte lediglich daran, dass ich selbst schlichtweg nicht wusste, welche Variante ich wählen sollte. Doch je länger sich das Schweigen zog, desto gleichgültiger wurde mir diese Wahl - bis Celerina schließlich doch entschied.


    Ich blickte kurz auf ihre Hand hinab, spielte mit dem Gedanken, sie zu ergreifen. Ich ließ es bleiben und sah sie stattdessen nur wieder an, den Honigglanz auf ihrer Haut. "Ich habe gesehen, wie Titus und Septima miteinander umgehen. Ich bezweifle, dass dort Liebe im Spiel ist, denn in welcher Ehe ist das schon so? Ich liebe dich nicht, Celerina, und es wäre Verrat, würde ich es dennoch behaupten." Ich gab mir wirklich Mühe, die Worte nicht wie Peitschenhiebe klingen zu lassen. "Aber ich versuche, dir ein guter Ehemann zu sein. Ich versuche, dich an meinem Leben teilhaben zu lassen. Und ich möchte, dass du die Mutter meines Erben wirst." Celerina war diesbezüglich nach wie vor eine sehr gute Wahl. Nicht nur ihrer Familie wegen, sondern auch ihres Gebaren wegen, denn abgesehen von diesem Sklaven hatte sie sich keinen gravierenden Fehltritt erlaubt. Ich griff nun doch nach ihrer Hand. "Ich verbiete dir nicht, dich zu amüsieren. Doch du musst auch meine Seite verstehen." Und diesbezüglich war ich sehr deutlich gewesen, als ich die Strafe über Phraates gesprochen hatte. Ein weiterer Fehtritt dieser Art, und der betreffende Sklave würde dafür mit seinem Leben bezahlen. Ich würde mich nicht um den Erben bringen lassen - um einen Erben, den ich gezeugt haben würde. Das angestrebte Ziel durfte damit ebenso deutlich sein. Ein Sohn. Einen, den ich als solchen anerkennen konnte.

    Das Nicken der jungen Vestalin, die heute für die Türwache eingeteilt war, erwiderte ich ebenso höflich und knapp wie sie zuvor. Sonstig war ein vestibulum nun einmal ein vestibulum. Lediglich die Einrichtung variierte, die Bebilderung, das gesamte Interieur. Der Nutzen und Zweck jedoch war identisch, und so begutachtete ich lediglich die hübschen Mosaike und den feinen Schwung der Pinsel an Wänden und Decke, während die Claudia sprach. Ich fügte ein Bereitschaft signalisierendes Nicken an Gracchus' Zustimmung an und folgte der frischgebackenen Vestalin dann zum Peristyl, das sie bereits angekündigt hatte.

    Ich nickte nur, damit hatte sich das Thema der Terminfindung vorerst erledigt und das andere nahm mich vollends in Beschlag. Seiana wirkte kurz so, als dachte sie nach, und eine zarte Röte überzog dabei ihre Wangen. Nein, ich konnte wahrlich nicht nachvollziehen, wie jemand eine solch perfekt wirkende Frau abschmettern konnte für ein schussel, wie es diese Iunia war. Ich seufzte leise. "Grüße sie doch bitte recht herzlich von mir, wenn du ihr schreibst. Sie hat mir große Fußstapfen hinterlassen, und du wirst sie ebenfalls erben, sofern der Senat dir sein Vertrauen ausspricht." Ihre Frage ließ mich kurz die Stirn runzeln, dann schüttelte ich den Kopf. "Vorerst wird das nicht nötig sein, denke ich. Ich werde die Sache ansprechen und dann sehen wir weiter. Es mag gut möglich sein, dass die Senatoren die Frau kennenlernen wollen, die sie wählen sollen. Rechne also mit einer Vorladung. Sollte sie nicht kommen, warst du zumindest vorbereitet. Das ist besser, als wenn der Senat dich laden und du aus allen Wolken fallen würdest." Ich schmunzelte kurz schief, konzentrierte mich dann kurz auf meinen Becher und trank einen Schluck.


    "Das würde ich, wenn du ihn mir anbietest", erwiderte ich und überging damit ihre augenblickliche Furcht, vielleicht zu voreilig gewesen zu sein. "Es würde mich freuen." Ich schmunzelte erneut, diesmal belustigt. "Immerhin müsste ich nur einspringen, wenn du verhindert bist, was meinem Terminkalender durchaus zugute käme", bemerkte ich und grinste Seiana im Anschluss an.

    Ich sah meinen Neffen noch einen Moment lang an, dann deutete ich ein Lächeln an und nickte. Ich hoffte, dass ich keinen Grund haben mochte, all jenes wieder zurückzunehmen, was ich heute Positives über Ursus gedacht hatte. Sein Blick war seltsam, ich vermochte ihn nicht zu deuten. Aber es lag Ehrlichkeit darin, und das genügte mir für heute vollkommen. "Ja. Wir sehen uns zur cena." Kurz darauf war Ursus verschwunden. Ich hing meinen Gedanken nach. Hätte ich im Nachhinein die Wahl gehabt, ich hätte ihm diese Geschichte mit Celerina und Phraates am liebsten verschwiegen. Nur leider war ich nicht Herr über mich, sobald die Wut sich Bahn brach. Daran musste ich arbeiten, das war ein weiter Weg.


    ~ finis ~

    [Blockierte Grafik: http://img689.imageshack.us/img689/6657/pyrrus.jpg]


    "Er ist nicht mein Herr", bemerkte Livius Pyrrus nachdrücklich. "Er ist nur mein Arbeitgeber." Er rümpfte kurz die Nase - Pyrrus war ein griesgrämiger Mensch - und schniefte ein wenig beleidigt. Es kam öfter vor, dass man ihn für einen Sklaven hielt, in letzter Zeit sogar besonders oft. Vielleicht, überlegte er sich, sollte er mehr Wert auf seine Kleidung legen und eben ein wenig tiefer in die Tasche greifen. "In zwei Wochen also. Der Tag ist egal? Dann würde ich vorschlagen..." Pyrrus nannte einen Termin* und sah den Liktor fragend an.



    Sim-Off:

    * Wähle einfach einen aus

    "Ah", bemerkte ich und lehnte mich ein wenig zurück, um Vala weiterhin aufmerksam ansehen zu können. Einen Moment schwieg ich, dann folgte ein Nicken. "Ich werde dich gern unterstützen, Duccius. Du warst mir eine große Hilfe, insbesondere was die Spiele anbelangt. Ich nehme an, du bittest im Zuge dessen darum, aus deiner Position entlassen zu werden?" Mehr eine rhetorische Frage denn eine tatsächliche, denn die Wahlwerbung verlangte nach Einsatz, und jener verlangte nach Zeit. Zeit, von der er nur wenig hatte, wenn er weiterhin als mein scriba personalis beschäftigt war. "Welches Amt wirst du anstreben?" erkundigte ich mich hernach interessiert. Ich dachte an meinen eigenen Einstieg in den cursus honorum zurück. Das lag nun schon Jahre zurück, und ich fühlte mich seltsam alt.

    Ich schwieg, während wir warteten. Viel Zeit verging jedoch nicht, bis Furianus erschien. Ich wollte eben etwas auf seine Begrüßung erwidern, als Sextus mir zuvor kam. Ein wenig irritierte mich dies schon, und ich konnte mich nicht recht entscheiden, ob es jugendliche Ungeduld war oder der Versuch, großes Selbstbewusstsein zur Schau zur stellen, dass er derjenige war, der zuerst dankte. Ich schob die Initiative auf letzteren Umstand, überspielte den Moment mit einem angedeuteten Lächeln und erwiderte schlicht: "Dem kann ich mich nur anschließen." Dem Wink hin zur Gemütlichkeit der flavischen Liegen folgte ich nur zu gern und ließ mich auf einer der Liegen nieder. "Verdünnten Wein", instruierte ich den aufmerksamen Sklaven.


    "Ich hoffe, die Deinen befinden sich wohl? Es freut mich, dass es so kurzfristig geklappt hat." Immerhin war der Flavius erst wenige Tage im Amt. Ob ich hier einen Bonus durch meine Frau erhalten hatte, konnte ich nicht abschätzen. "Meinen herzlichen Glückwunsch zur Wahl, Flavius." Die Konkurrenz war zudem nicht unbedingt stark gewesen, und so hatte es zumindest mich nicht groß verwundert, dass Furianus mit seinem Kollegen die Wahl für sich entschieden hatte. Ich tauschte einen kurzen Blick mit Lupus. "Ich darf dir meinen Verwandten, Sextus Lupus, vorstellen? Wir haben um diesen Termin gebeten, da er der Politik zugeneigt ist und sein Vater und ich es als wichtig erachten, zuvor entsprechende Erfahrung zu sammeln. Dabei dachte ich an dich, Flavius, denn wo könnte er mehr lernen, wenn nicht beim amtierenden consul?" Ich wandte nach einer kurzen Pause nun wieder Lupus den Blick zu. Sollte er nun das Ruder in die Hand nehmen. An entsprechender Stelle würde ich nochmals bekräftigen, dass ich Lupus empfahl. Anschließend nahm ich meinen Wein entgegen und nippte daran, abwartend. Es blieb zu hoffen, dass wir die ersten waren, die mit diesem Anliegen den Flavier aufsuchten.

    Ich warf Durus einen kurzen Blick zu und nickte dankend. Darüber würde letztendlich der Senat entscheiden, und ich wollte diese Entscheidung den anderen überlassen. Macer ergriff hernach wieder das Wort, und seine Fragen waren nicht eben leicht zu beantworten. Doch immerhin zeigte die genaue Nachfrage, dass er sich Gedanken dazu machte.


    "Das sind viele Fragen, Purgitius, und kaum eine davon lässt sich geradlinig oder genau beantworten", erwiderte ich. "Als freie Schreiber bezeichnen wir solche, die nur gelegentlich Artikel einreichen. Von den subauctores erwarte ich, dass sie regelmäßig Arbeiten abgeben, denn nur so kann gewährleistet werden, dass es immer etwas zu lesen gibt. Es ist mit Sicherheit vielen von euch aufgefallen, dass die Acta Diurna zunächst noch alle zwei Wochen erschien, dann alle drei, dann alle vier - einfach, weil die Menge der Artikel keine ganze Ausgabe zu füllen imstande gewesen wäre. Inzwischen haben wir uns dazu entschlossen, neue Artikel augenblicklich an der murus auszutauschen, statt dies in gleichmäßigen Abständen zu tun, damit immer etwas dort zu lesen ist. Doch wer demletzt einmal am tabularium war, dem wird auffallen, dass die Anzahl der dort veröffentlichten Artikel dennoch weiter zurück geht und kaum jemand dort zugegen ist, der liest." Und wenn doch, so ernteten die Schreiber lediglich Negativkritik an ihrer Arbeit, was einen großteil meiner Redaktion doch recht frustrierte, doch das stand auf einem anderen Blatt und tat hier nichts zur Sache.


    "Um deine Fragen zumindest im Ansatz befriedigend zu beantworten, werde ich Schätzungen abgeben müssen. Unsere festen Schreiber schreiben im Schnitt pro Woche jeweils einen Artikel. Als die Acta Diurna noch in Ausgaben veröffentlicht wurde, waren es durchschnittlich zwei Artikel pro Ausgabe, die aus meiner Feder stammten, die Bekanntmachungen und Veröffentlichungen nicht mitgerechnet.* Bemerken möchte ich hierbei noch, dass Decima Seiana neben ihrer Tätigkeit als Korrekturleserin ebenfalls Artikel einreicht. Was die Wahl des auctor betrifft, so sollte es, denke ich, eine gute Mischung aus den von dir genannten Punkten sein. Ein auctor sollte nach meinem Empfinden delegieren können, aber auch selbst tatkräftig sein."



    Sim-Off:

    * Derzeit haben wir nurmehr einen subauctor, der allerdings auch sehr eingespannt ist - ebenso wie unsere PPA - was das regelmäßige Veröffentlichen nicht eben vereinfacht. Zum Veröffentlichen sind wir auf aktive Schreiber UND aktive Mitleser angewiesen, denn um etwas Schreiben zu können, muss man auch mitlesen. Die oben genannten Zahlen sind daher durchaus nur fiktiv. Im Monat werden momentan etwa 1-2 Artikel geschrieben oder eingereicht - ein Grund für die Umstrukturierung des Veröffentlichungsprozedere.

    Während die Themen sich einer gewissen Brisanz nicht erwehren konnten, war das Essen schmackhaft und der Wein erlesen. Doch auch das geselligste Abendessen war trotz interessanter Gesprächsthemen irgendwann zu Ende, der Wein getrunken und die Worte gesagt, die gesagt werden mussten. Und als ich den Prudentier verabschiedete, war ich zweigeteilter Meinung, was die Zukunft für besagten subauctor anbelangte.



    ~ finis ~

    Ich betrachtete den Gallier einen Moment ausdruckslos, hob dann einen Mundwinkel leicht zu einem angedeuteten Lächeln und nickte dabei. "Es freut mich zu hören, dass es dir gelungen ist, einen so kurzfristigen Termin zu arrangieren, Aedan", erwiderte ich. Er sah aus, als wäre er schnell gelaufen, was außerdem für ihn sprach. Ich ging zu meinem Schreibtisch, zog die Schublade auf und fischte einen Ziegenlederbeutel heraus. Langsam schnürte ich ihn auf und sah dabei darauf herunter. "Ich denke, du hast dir mein Vertrauen verdient. Kann ich bei künftigen Botengängen auf dich zählen, sofern du meiner Frau abkömmlich bist?" fragte ich ihn, wobei das mehr rhetorisch zu bezeichnen war. Ich schnürte den Beutel wieder zu und verstaute ihn, dann ging ich zu dem Sklave und streckte fordernd eine Hand aus. In die seine legte ich ihm zwei Kupfermünzen hinein. "Zwei Asse für deine Schnelligkeit", kommentierte ich.

    Prisca sah nicht glücklich aus. Sie sah also so aus, wie ich mich fühlte. Nicht nur, dass der Moment, in dem ich sie verlieren würde, durch dieses Geständnis mir schlagartig entgegen gesprungen war - auch derjenige, der sie letztendlich für sich gewinnen mochte, passte mir so gar nicht. Und dass das so sein würde, daran bestand in jenem Moment kein Zweifel für mich. Ich ging automatisch vom schlechtesten Fall aus. Und nach dem zu urteilen, was Prisca in eben jenem Moment sagte, war das gar nicht so falsch. Ich starrte sie an, Unwillen und Vorwurf standen mir deutlich ins Gesicht geschrieben. Und dann sprach sie von sündigen Gedanken, und ich stieß kurz einen Laut des Entsetzens aus und dreht mich zur Säule hin. In meinen Gedanken trieb dieser flavische Taugenichts Schindluder mit meiner Prisca, mit meiner kleinen, unschuldigen Lieblingsnichte - mit der einzigen Vertrauten, die ich hatte. Wundervoll war es gewesen! Auch das noch! Ich schüttelte den Kopf und stützte mich kurz an der Säule ab, um mich zu sammeln. Ich konnte Prisca nicht ansehen. Frustration waberte durch Verärgerung. Ausgerechnet... Ausgerechnet dieser Flavier! Ich schnaufte. Nein, das konnte ich mir nicht vorstellen.


    "Was ist es, das er hat?" verlangte ich zu wissen, während ich herumfuhr und Prisca wieder ansah. "Warum er? Warum, bei allen Göttern, ausgerechnet er? Bei allen Männern Roms, Prisca!" fuhr ich sie an, und ich war selbst erschrocken, wie ich dabei klang. Verwirrt blinzelte ich, sah Prisca dann wieder durchdringend an. Und dann realisierte ich, was sie da gerade gesagt hatte. Er hatte sich nichts genommen, was sie ihm nicht freiwillig gegeben hätte. Sie hätte....WAS? Entsetzt sah ich sie an. "Du...er...ihr..." stammelte ich, als sich mir die vollumfängliche Tragweite dieser Äußerung erschloss. Und mir war eisig, was sicherlich nicht am kühlen Morgen lag.

    Celerina schwieg, begann dann zu schluchzen. Ich sah mich hilflos einem grundsätzlichen Problem gegenüber. Wie beruhigte man eine weinende Frau, die sich offensichtlich nicht beruhigen lassen wollte? Bereits teilten sich meine Lippen, um - gleich was - etwas zu ihrer Beruhigung zu sagen, als sie weitersprach und die im Anschluss einsetzende Stille regelrecht in den Ohren schnalzte. Ich starrte in die Dunkelheit, stellte mir den anklagenden Blick vor, mit dem sie mich zweifelsohne soeben bedachte. Es gab nurmehr zwei Möglichkeiten für mich. Ich konnte sie belügen und dennoch würde irgendwann das Offensichtliche an die Oberfläche kommen. Oder ich konnte es ihr erzählen. In beiden Fällen wäre Celerina diejenige, auf deren Kooperation ich angewiesen sein würde, und in beiden Fällen war ich der Schuft und sie die Betrogene, zuwenigst menschlich gesehen, denn dem Gesetz nach befand sie sich in der Bringschuld, nachdem sie sich mit diesem Sklaven eingelassen hatte.


    Sämtliche Entspannung der vergangenen Stunden war zunächst einer Müdigkeit gewichen, und nun beharrte ein hinterhältig pochender Kopfschmerz auf einen Platz in meinem Schädel. Hinzu kam, dass mich diese ganze Angelegenheit allmählich nervte, was wiederum nicht sonderlich dazu beitrug, selbige mit der nötigen Ruhe anzugehen. Ich runzelte in Verärgerung die Stirn, schluckte die scharfe Erwiderung mit dem Hinweis darauf hinunter, dass sie bisher schließlich nicht in der Lage gewesen war, mir einen Erben zu schenken, schluckte die Worte hinunter, dass diese Vaterschaft ohnehin ohne Belang war. Die Stille dehnte sich aus, und ich unternahm einen letzten, einen allerletzten Versuch, und beiden noch ein wenig Aufschub in dieser Angelegenheit zu verschaffen, indem ich ihr kurz mit dem Daumen über die Schulter strich und abermals nüchtern auswich: "Du hast geträumt, Celerina." Die sich anschließende Stille überreizte nun gewiss nicht nur mein Gehör mit der Absenz jedweden Atemgeräusches. Ich hatte lange gewartet mit dieser Antwort, ganz gewiss zu lange, um noch eindeutig jegliche Beteiligung erfolgreich von mir weisen zu können. Ich zögerte - sollte ich nun von mir aus weitersprechen?


    Ich erinnerte mich an diesen inneren Frieden, von dem ich hatte kosten dürfen, als ich mich dazu durchgerungen hatte, Siv aufzusuchen. Auch wenn er nur von kurzer Dauer gewesen war. Und das war der Moment, indem ich die Hand von Celerinas Schulter nahm und fort rückte von ihr. "Ich mache Licht", verkündete ich nüchtern, während ich bereits im Begriff war, selbiges zu tun. Ich wollte sie zumindest sehen können. Kurz darauf erhellte ein mageres Flämmchen auf dem kleinen Tisch neben ihrem Bett ihr entsetztes, verheultes Gesicht. Ich setzte mich wieder, mein Gesicht spiegelte eine selten zu sehende Ernsthaftigkeit wider. Ich bemühte mich um einen ruhigen Tonfall, der vermutlich eher nüchtern klang. "Du kannst wählen. Zwischen der Wahrheit und dem angestrebten Ziel."