Beiträge von Marcus Aurelius Corvinus

    Ein Schrei gellte durch das Haus. Irritiert fuhr ich herum. Wer war das gewesen und warum? Fußgetrappel war zu hören. Ein Aufruhr? Ich hatte eben das Haus verlassen wollen und mich zum Senat begeben wollen, denn am Vormittag stand eine Sitzung an. Jetzt jedoch machte ich eine Kehrtwende und ging mit raschem Schritt dem Schrei entgegen. Einige Sklaven, es mussten sicher fünf oder noch mehr gewesen sein, redeten wild durcheinander auf jemanden ein, und als ich um die Ecke des Flures bog, in dem das Zimmer meiner Frau lag, erkannte ich auch, dass es selbige war. Eine kühle Hand packte mich, und ich beschleunigte meinen Schritt. "Was ist passiert?" verlangte ich mit scharfem Tonfall zu wissen. Ohne eine Antwort abzuwarten, drängte ich mich an den Sklaven vorbei hin zu meiner Frau und griff sie an den Schultern. "Celerina, was ist los? Was ist geschehen?" Auf den ersten Blick konnte ich keine Verletzung erkennen. Was war nur geschehen?

    "In der Tat", bemerkte ich auf Imbrex' Feststellung, als sei ich eben aus dem Boden geschossen. Es schien so, als stünde die halbe Familie unter den Interessenten - oder zumindest den Zuschauern. Ich brauchte einen adäquaten Ersatz für Siv. Dass sie sich nicht mehr um die Dinge kümmerte, die damals ihre Pflichten gewesen waren als meine Leibsklavin, fiel besonders in der letzten Zeit mehr auf denn je, denn mit ihren Mutterpflichten und auch wegen unseres geknacksten Verhältnisses fehlte nun einfach das entscheidende Paar Hände.


    Die Sklavin erinnerte mich an Siv, entsprach damit also durchaus meinem Geschmack. Ihr vermeintlich geringes Können und das zerlumpte Aussehen schreckten mich indes nicht ab, keinesfalls. Die Sklaven des Tranquillus sahen zumeist aus, als würde er sein Geld lieber in Hurenhäuser stecken als in ein verkaufsförderndes Aussehen seiner Ware. "Wie hast du deinem letzten Herrn gedient?" wollte ich wissen.

    Ohne Wissen, Ohne Führung
    Finsternis umfängt den Geist
    Denn der Spiegel ist zerbrochen
    Der den Weg ins Licht Dir weist

    Kann der Mond zum Licht Dich führ'n,
    Den Schatten von der Seele nehm'?
    Öffnet dieser Schlüssel Tür'n,
    Kannst darin Du die Lösung sehn?

    So verlasse die Ruhe!
    Zerreiße die Ketten!
    Entfliehe den Banden!
    Dein' Geist zu erretten.



    Es war über eine Woche vergangen. Acht Tage, die nach der Geburt verstrichen waren. Und dies war die neunte Nacht. Am nächsten Morgen würde man ihm einen römischen Namen geben. Dem Jungen, der als freier Mensch geboren worden war, weil seine Mutter ihn als Freigelassene geboren hatte. Neun Tage gestand man dem Vater eines Knaben zu, ihn als seinen Spross anzuerkennen.


    Acht Tage waren verstrichen, und während es mir während der ersten zwei Tage noch schwer gefallen war, Sivs Zimmer auszuweichen, war es mit den darauffolgenden Tagen leichter geworden. Ich schlief nachts schlecht und nur wenig, was nicht nur an meiner Arbeit lag, sondern auch an den Gedanken, die mir im Kopf umhergeisterten. Ich hatte vermieden, mir meinen Jungen anzusehen und versäumt, ihn kennenzulernen. Ich war auch nicht bei Siv gewesen. Zwar ließ ich mir Bericht erstatten, wie es ihr ging, aber ich hatte sie nicht aufgesucht. Jedes Mal, wenn ich kurz davor gewesen war, es doch zu tun, hatte ich mir den Tag ihrer Freilassung wieder ins Gedächtnis gerufen. Wie sie reagiert hatte. Und wie ich mich gefühlt hatte, als sie mich damit konfrontiert hatte, was in ihr vor ging. Ich konnte es nicht. Ich war kein Mensch, der gut damit umgehen konnte. Ich wusste das inzwischen, und deswegen wich ich ihr aus. Ihr und dem Kind, meinem Sohn. Ich fürchtete, daran zerbrechen zu müssen, und deswegen vermied ich ganz den Kontakt. Ich aß zumeist allein, ich arbeitete oft außer Haus oder abgeschieden in meinem officium. Und ich redete mir ein, keine Zeit zu haben, bis ich abends im Bett lag und das Licht löschte. Dann konnte ich die Gedanken nicht länger zurückdrängen, indem ich mich ablenkte. Dann grübelte ich nach und musste mich zwingen, im Bett zu bleiben, bis ich schließlich einschlief.


    Heute nicht. Es war bereits nach Mitternacht, und ich hatte bis eben noch in meinem officium gesessen und gearbeitet. Jetzt stand ich unschlüssig in meinem dunklen Zimmer und dachte nach. Wenn ich noch ein wenig wartete, war Siv sicher eingeschlafen. Sie versorgte das Kind allein, hatte keine Amme. Immerhin war sie eine libertina. Ich würde uns beiden kein Gespräch aufbürden müssen. Ich konnte meinen Jungen einfach ansehen und wieder gehen, ohne dass sie es merkte. Ohne dass ich uns erneut in eine Situation brachte wie am Tag ihrer Freilassung. Und ohne dass ich mich noch einmal um meiner selbst Willen schämen musste, weil ich nicht fähig war, zu zeigen, was sie mir bedeutete.


    Der Entschluss war schneller gefasst als mir lieb war. Ich konnte mich selbst auch nicht mehr davon abbringen und entzündete gar nicht erst die Lampen in meinem Schlafgemach, sondern machte mich gleich auf den Weg. Wie ein Dieb schlich ich durch die nur schwach beleuchteten Gänge des dunklen Hauses. Alles war still. Jeder schien zu schlafen. Es beschämte mich, dass ich nicht fähig war, Siv zu einer angemessenen Tageszeit zu besuchen, sondern heimlich in ihr Zimmer schlich. Es beschämte mich zutiefst. Mein eigenes Unvermögen, selbst Siv gegenüber. Ich drängte die Gedanken fort. Ich musste ihn sehen. Solcherlei Gedanken waren fehl am Platze. Sollte ich mich nicht freuen? Sollte ich nicht froh sein, dass Siv gesund war und einen kernigen Knaben geboren hatte? Wenn die Dinge nur anders lägen. Ich sah mich um. Niemand war zu sehen, ich war ganz allein.


    Ich legte vorsichtig eine Hand an die Tür und lauschte. Es war kein Laut zu hören, kein Geräusch drang durch das Holz. Leise schob ich die Tür auf, hielt inne und strengte erneut meine Ohren an. Kein Rascheln zu vernehmen. Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir. Die Orientierung fiel mir leicht, denn es brannte eine Öllampe auf kleiner Flamme. Ob Siv vergessen hatte, sie zu löschen? Ich konnte mir keinen Reim darauf machen, und dass es praktisch war, zum Stillen Licht zu haben, ging mir nicht auf. Mir schlug das Herz bis zum Hals. Ich kam mir vor wie der unerwünschte Störenfried, den niemand bei sich haben will. Wie ein Eindringling, der die friedliche Idylle dieses Raumes störte. Das Zimmer war nicht riesig, aber geräumig genug. Die Wiege erkannte ich wieder, ich hatte sie Siv damals geschenkt. Ein paar Schritte vor ihr blieb ich stehen. Ich war nervös. Gleich würde ich meinen Sohn sehen. So laut, wie mein Herz schlug, glaubte ich, dass Siv jeden Augenblick erwachen würde. Doch nichts geschah, und so wagte ich den letzten Vorstoß, bis ich direkt neben dem Kinderbettchen stand und hineinsehen konnte.


    Dort unten, gewickelt in sauberes Leinen und fast verborgen unter einer warmen Decke, lag mein Sohn und schlief. Er war rosig und runzelig, er war winzig klein, und er war perfekt. Ich bemerkte, dass ich lächelte, über das ganze Gesicht strahlte, und versuchte es zu drosseln. Ein kleiner Mensch. Mein Sohn. Er hatte zehn winzige Finger. Und er machte im Schlaf leise Atemgeräusche. Ich biss mir auf die Lippe. Ich wollte ihn aufnehmen, doch ich wusste, was das bedeuten würde. Auch, wenn niemand anwesend war. Und ich konnte es nicht. Ich streckte langsam eine Hand vor, um dem Kind über den Kopf zu streichen. Kurz vorher zögerte ich. Was, wenn er aufwachte? Ich warf einen Blick zu Siv. Sie wirkte entspannt, wie sie dalag und schlief. Im Schlaf hatte sie die Knie angezogen, und eine Hand lag unter ihrem Kopf, die andere davor auf dem Bett. Wunderschön. Ich musste den Blick abwenden, und ich zog die Hand zurück. Ich fühlte mich plötzlich, als würde ich keine Luft mehr bekommen. Das hier war, was ich wollte, und ich wusste, dass ich es niemals bekommen würde. Ich musste mich zwingen, ruhig zu atmen, dabei schüttelte mich der scharfe Schmerz in meinem Inneren so sehr, dass ich kaum Luft bekam. Ich presste die Kiefer aufeinander, die Lippen zusammen. Ich konnte es nicht. Das hier. Ich war unfähig, unfähig wie vor ein paar Wochen. Es hatte sich nichts geändert, auch wenn ich das hatte glauben wollen. Nichts war anders, gar nichts! Ich konnte es nicht zulassen, mich selbst nicht so weit gehen lassen, dass es funktionierte. Ich entfernte mich rückwärts von der Wiege und von Siv, bis das Atmen wieder leichter fiel. Die Hände waren zu Fäusten geballt, und die Knöchel traten weiß hervor. Es ging mir schlecht, alles in mir drehte sich, bog sich und waberte, drehte sich und erzitterte. Wie damals war es zu viel für mich. Ich konnte es nicht kontrollieren, das überstieg meine Fähigkeiten. Siv würde bald gehen. Nicht mehr lange, und sie wäre fort, außerhalb meiner Reichweite, und in jedem Falle besser dran. Ich musste mich darauf konzentrieren, nicht auf das Kind, nicht auf diese Situation, nicht darauf, dass hier mein Sohn lag und ihn nicht einmal berühren konnte, ohne mich selbst in ein Chaos zu stürzen, dessen ich nicht Herr war.


    Mein Atem ging nun wieder ruhiger. Ich machte mir nichts vor. Das hier sollte ein glückliches Ende sein, doch meine Wirklichkeit sah anders aus. Ich warf einen letzten Blick auf die Idylle. Mutter und Kind, einander so nah und vereint. Ich war der Eindringling, der nicht dazu gehörte und es niemals tun würde. Ich war der Schatten, den die Flamme warf.


    Leise floh ich aus dem Zimmer. Ich konnte mich selbst nicht ertragen.

    Sie ignorierte meine Frage einfach. Hatte ich mich so missverständlich ausgedrückt? Eine steile Falte entstand auf meiner Stirn. Ich mochte es ganz und gar nicht, wenn man meine Fragen ignorierte. Noch dazu eine solche - immerhin sollte ich durchaus erfahren, wer hier ein und aus ging. Das war mir unbegreiflich. Ich hatte eine Antwort erwartet, und die Iunia ging stattdessen nur auf die Liegen zu und setzte sich. Sie wirkte plötzlich sehr jung. Den schlechten Eindruck, den sie bisher hinterlassen hatte, milderte das wieder ein wenig ab. Ich versuchte, ihr Alter zu schätzen, aber es gelang mir nicht. Verheiratet war sie ja augenscheinlich nicht, sonst wäre sie nicht mit Vala gekommen. Vielleicht aber war sie seine angestrebte Verbindung. Ich zog es vor, den Gedanken fallen zu lassen, und winkte einen Sklaven herbei, dem ich auftrug, mir etwas zu essen zu holen. Mit einer Handbewegung deutete ich auch auf Axilla, und der Sklave fragte sie, was er ihr denn mitbringen könne.


    Zu ihrem Kennenlerndebakel mit Vala sagte ich nichts. Ich hätte nur nicht angenommen, dass er so ungeschickt sei, in ein Hafenbecken zu fallen. Die Iunia hinterher wieder nach Hause zu bringen, war indes wieder etwas, das mir für den Duccier typisch schien. Mir entging nicht, wie sie ständig nach ihrem Begleiter Ausschau hielt. "Du meinst das Handelskonsortium? Soweit ich informiert bin, steht dieser Vereinigung Duccius Lando vor. Er arbeitet auch für die Acta", erwiderte ich und erklärte gleichsam, woher ich ihn kannte. Eine gleichaltrige Dame wäre vermutlich der bessere Gesprächspartner für die junge Iunia gewesen, überlegte ich mir. Nun, da sie zur Aufklärung der Sache nichts beitragen wollte, wusste ich nicht recht, was ich mit ihr reden sollte. "Und bist du schon lange in Rom?" fragte ich also, da ich annahm, dass sie dann aus Ägypten stammte.

    Ich kniff missbilligend die Augen zusammen und runzelte die Stirn, als das Mädchen meiner Frage auswich. Kurz wartete ich noch, ob sie ihre Meinung vielleicht ändern würde, doch sie sagte nichts weiter dazu. "Das würde ich", erwiderte ich und machte eine allumfassende Geste. "Doch bedauerlicherweise - oder viel mehr zum Glück - ist er bereits gegangen. Wenn du also die Güte hättest...?" Es ärgerte mich nun, dass ich Seiana nicht zuvor gebeten hatte, mir ihren Begleiter vorzustellen. Doch ich hatte mich im Gespräch befunden und gewiss hatte sie es nur nicht stören wollen, denn ich kannte die Decima als aufrichtige und sehr höfliche Person. Wie sah es nun aus, wenn ich verriet, dass ich über den Verlobten meiner eigenen Klienten nicht informiert war? Das würde ein schlechtes Licht auf mich als Patron werfen, also schüttelte ich nur noch einmal verärgert den Kopf. Die meisten anderen Geste den Vorfall nicht mitbekommen zu haben oder aber zu überspielen, und das war seltsam, gerade für eine solche Hochzeitsgesellschaft. Doch im Grunde konnte es uns Aureliern nur recht sein.


    "Iunia Axilla", wiederholte ich. Der Name kam mir ganz und gar nicht bekannt vor. "Duccius Vala?" Ich nickte, damit konnte ich etwas anfangen. Ehrgeiziger Bursche. Ich kam zu dem Schluss, mich doch vorzustellen. Als Freundin von Septima kannte Axilla vielleicht doch nicht jeden. "Ah, du gehörst zu Septima." Wieder ein Nicken. "Nun, es freut mich, Iunia. Auch wenn die Umstände denkbar kurios sind. Ich bin Marcus Aurelius Corvinus. Ursus ist mein Neffe. Wir sollten vielleicht hinüber gehen. Vala wird sich umziehen und dann sicher gleich zurückkommen. Du könntest mir in der Zwischenzeit erzählen, woher ihr beiden euch kennt. Dass er für mich arbeitet, hat er sicher erwähnt." Ich deutete zu den Liegen hin. "Du warst gestern nicht anwesend?" fragte ich. Zumindest konnte ich mich nicht an sie erinnern, wobei das nichts heißen musste, immerhin hatte ich sehr dem Wein zugesprochen.


    Ad
    Decimus Furius Licinus
    castra cohortes urbanes in Rom
    ITALIA


    EDICTUM AEDILIS CURULIS
    ANTE DIEM IV KAL MAR DCCCLX A.U.C. (26.2.2010/107 n.Chr.)


    Bei der Kontrolle der Betriebe innerhalb meines imperium fiel eine Imkerei auf, welche auf den römischen Quiriten Decimus Furius Licinus zugelassen wurde. Du hast als Angehöriger des exercitus romanus lt. codex universalis, lex mercatus § 3, Abs. III. jedoch mindestens den ordo equester vorzuweisen, um eine Konzession für diesen Betrieb zu erhalten.


    Du wirst daher aufgefordert, die vorgenannte Voraussetzung umgehend in schriftlicher Form und beglaubigt durch deinen Vorgesetzten nachzuweisen. Die Frist hierfür wird auf vierzehn Tage nach Zustellung dieses Dokumentes festgesetzt. Erfolgt der Nachweis nicht, wird dieser Verstoß gegen die lex mercatus mit einer Geldstrafe geahndet. Der Betrieb ist bis zur erfolgten Freigabe durch meine Person stillzulegen.


    Beschwerde oder Einspruch ist an den amtierenden Consul zu richten.


    Gezeichnet und verfügt:


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    ROMA, ANTE DIEM IV KAL MAR DCCCLX A.U.C. (26.2.2010/107 n.Chr.)



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    ITALIA


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    ANTE DIEM IV KAL MAR DCCCLX A.U.C. (26.2.2010/107 n.Chr.)


    Bei der Kontrolle der Betriebe innerhalb meines imperium fiel eine Imkerei auf, welche auf den römischen Quiriten Decimus Furius Licinus zugelassen wurde. Du hast als Angehöriger des exercitus romanus lt. codex universalis, lex mercatus § 3, Abs. III. jedoch mindestens den ordo equester vorzuweisen, um eine Konzession für diesen Betrieb zu erhalten.


    Du wirst daher aufgefordert, die vorgenannte Voraussetzung umgehend in schriftlicher Form und beglaubigt durch deinen Vorgesetzten nachzuweisen. Die Frist hierfür wird auf vierzehn Tage nach Zustellung dieses Dokumentes festgesetzt. Erfolgt der Nachweis nicht, wird dieser Verstoß gegen die lex mercatus mit einer Geldstrafe geahndet. Der Betrieb ist bis zur erfolgten Freigabe durch meine Person stillzulegen.


    Beschwerde oder Einspruch ist an den amtierenden Consul zu richten.


    Gezeichnet und verfügt:


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    ROMA, ANTE DIEM IV KAL MAR DCCCLX A.U.C. (26.2.2010/107 n.Chr.)


    Es war ein sonniger Tag. Zwar hatte die Sonne noch nicht so viel Kraft wie im Sommer, doch waren die geringe Wärme und das helle, strahlende Licht durchaus angenehm. Gut gelaunt fand ich mich am vereinbarten Treffpunkt ein. Hier direkt an der Kreuzung zwischen der via Rosa und der via Septima befand sich ein kleiner, aber feiner Schneiderladen, und vor selbigem stand ich nun in der Sonne und wartete auf meine fleißigen Helferlein. Ich war zu früh dran. Zwei Sklaven begleiteten mich, auf mehr hatte ich bewusst verzichtet. Ich trug die toga praetexta und hatte mir Mühe gegeben, nichts von den Marktkontrollen nach außen hin verlauten zu lassen, denn wenn die Katze im Haus war, tanzte bekanntlich keine einzige Maus auf dem Tisch.

    Es war nur zu offensichtlich, dass es der jungen Dame schrecklich peinlich war, was eben vorgefallen war. Das verschaffte mir doch etwas wie Genugtuung, und mein Blick wurde etwas freundlicher, wenn auch nicht unbedingt unbefangen, so als wäre nichts geschehen. Ich warf ihr einen prüfenden Blick zu, und augenblicklich sah sie zu Boden und gestand, dass sie keine Ahnung hatte. So recht glauben mochte ich ihr das nicht, immerhin war sie irgendwie darin verwickelt. Und nun wollte sie flüchten und deutete schräg zur Seite. Ich überlegte.


    "Nun, ich denke, das Umziehen wird er durchaus allein schaffen", bemerkte ich trocken und brachte den Kopf dann in eine leichte Schräglage. "Wer war er? Ich nehme an, es handelt sich um den Verlobten Decima Seianas? Ist er nicht ein Aelius?" Dann sollte er allerdings mehr Anstand im Leib haben, überlegte ich missbilligend. Ich kam nicht auf die Idee, mich vorzustellen. Immerhin war ich nicht unbekannt in Rom, und ich ging davon aus, dass jemand, der in dieses Haus eingeladen war, sich zuvor schlau gemacht hatte, mit wem er es zu tun haben würde. "Und wer bist du? Eine Klientin meines Neffen?" fragte ich das Naheliegendere. Dass sie zu Septima gehören mochte, daran dachte ich nicht.

    Bereits seit Beginn des Empfangs war ich anwesend gewesen und hatte mit den Gästen geplaudert. Erfreut hatte ich bemerkt, dass auch Decima Seiana Ursus und seiner Frau ihre Aufwartung machte. Ich hatte sie schon eine Weile nicht mehr gesehen und hatte mir erhofft, dass sie nebst der erfolgten Begrüßung zumindest das ein oder andere Wort mit mir wechseln würde.


    Zunächst verlief alles wie geplant. Gäste kamen, Geschenke wurden überreicht und Glückwünsche ausgesprochen. Ich unterhielt mich inzwischen mit einem Cornelier und seiner Frau, als irgendwo ein Gespräch lauter wurde, dicht gefolgt von einem Scheppern. Ich reckte meinen Kopf und versuchte etwas zu erkennen. In diesem Moment schritt Duccius Vala mit finsterer Miene an mir vorbei. Er hinterließ kleine gelbliche Pfützen auf dem Boden, wie ich erstaunt bemerkte. Und dann stürmte Decima Seiana nicht weit von mir entfernt vorbei, nur wenige Sekunden später dicht gefolgt von dem Mann, der wohl ihr Verlobter war. Zumindest hatte er sie heute hierher begleitet. Irritiert entschuldigte ich mich bei Cornelius Afer und stellte mich so, dass ich besser sehen konnte. Eine leere Schüssel stand auf dem Tisch, von dem Brei herunter tropfte. Und eine Spur zog sich quer durchs atrium. Missbilligend folgte ich der Spur mit dem Blick und langte bei einer grün gewandeten Dame an. Ursus trug eben seinem Sklaven auf, die Flecken zu entfernen und eine neue Schüsselfüllung zu organisieren. Die Runzeln meiner Stirn vertieften sich noch ein wenig weiter, und als sich die junge Dame in Bewegung setzte, kurz nachdem sie sich entschuldig hatte, setzte ich ihr zügig nach und passte sie ab. "Entschuldige bitte. Du kannst mir doch sicher sagen, was hier eben passiert ist", sagte ich höflich, aber mit deutlichem Missfallen in der Stimme und ebenso deutlicher Aufforderung, sich augenblicklich zu erklären.

    "Mich hat nichts aufgeweckt", erklärte ich ihr und zog eine Grimasse. "Ich bin gar nicht erst eingeschlafen. Ich lag im Bett und nichts ging." Ich zuckte mit den Schultern und seufzte erneut. Irgendwie wusste ich nicht so recht, was ich nun anfangen sollte. Mit Flora, mit mir, mit dieser Nacht. Ich trommelte mit den Fingerkuppen ein wenig auf dem Tisch herum, als es plötzlich hektisch an der Tür klopfte. Ich wandte mich um und starrte selbige an. Ganz vergessen hatte ich, dass dies nicht mein Zimmer war, und bat ich den Klopfenden - wohl gemerkt mitten in der Nacht - angespannt hinein. Es war Brix, und er strahlte.


    "Es ist da", sagte er. "Das Kind - es ist da!" Ich starrte den Germanen an und hatte Mühe, meinen Gesichtsausdruck zu kontrollieren. Zuerst war dort überraschung zu sehen, dann Schrecken, und ganz langsam schlich sich Erleichterung ein. Glücklicherweise konnte Flora mein abgewandtes Gesicht nicht sehen. Ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. In dieser Zeit stand Brix auf der Schwelle, und der entstandene Luftzug ließ die Flammen flaackern. "Was ist es?" fragte ich atemlos, aber betont beherrscht. "Und wie geht es der Mutter?" Dass das Kind es geschafft hatte, daran bestand kein Zweifel. Gewiss hätte Brix' Gesicht dann nicht gestrahlt vor Freude. Er sah eher aus wie der Vater als der Vater selbst. "Ein Junge, und er ist kerngesund. Siv geht es gut. Sie ist erschöpft, aber die Griechin hat sehr gute Arbeit geleistet." "Ein Junge", wiederholte ich heiser. Ich hatte einen Sohn. Wenn auch einen, den ich nicht annehmen konnte. Aber ich war Vater. Ich hatte einen Sohn. Blinzelnd senkte ich den Kopf. ich sah nicht so gut, vermutlich war es einfach nur zu spät. Allerdings glaubte ich das nicht mehr, als sich auf meiner tunica ein Tropfen niederließ. Ich lächelte und blinzelte verschämt die Tränen fort, die mir in die Augen getreten waren. Wann hatte ich zuletzt geweint? Das war bei der Nachricht vom Tod meiner Eltern gewesen.


    Brix räusperte sich. "dominus, vielleicht solltest du schlafen gehen. Es ist spät", sagte Brix nachdrücklich und warf einen Blick zu Flora, die mein Gesicht immer noch nicht sehen konnte. Ich seufzte tief und blinzelte noch einmal angestrengt. Mit dem Handrücken über die Augen zu wischen, wäre zu offensichtlich gewesen. Also stand ich auf und wandte mich wieder zu Flora um. Ich war froh, dass es relativ schummriges Licht war, das den Raum nur mäßig erhellte. Sie würde wohl kaum etwas bemerken und nur mein Verhalten vielleicht seltsam finden. Das hoffte ich zumindest. "Nun gut, ich denke, ich werde jetzt versuchen zu schlafen. Geh du auch wieder ins Bett, Flora." Ich lächelte sie väterlich an. Meine Laune war sprunghaft angestiegen. Ich machte einen Schritt nach vorn, fuhr ihr über das Haar und lächelte. "Schlaf gut, kleine Blume." Und dann ging ich an Brix vorbei, der sich verabschiedete und ebenfalls eine gute Nacht wünschte, ehe er die Tür hinter uns schloss und mich zu meinem Zimmer geleitete.


    Unterwegs stellte ich ihm alle Fragen, die mir einfielen, doch auf seinen Vorschlag hin, jetzt noch Siv und den Kleinen zu besuchen, schüttelte ich nur den Kopf. Ich konnte nicht. Nicht jetzt, wo ich mich fühlte wie ein Bierfass, dass kurz vor dem Platzen stand, weil es überschäumte. Und in mir schäumte es gewaltig, was mich zutiefst verunsicherte.

    Während die meisten pontifices sich erschütttert ob dieser Nachricht zeigten, so war es Sestius Gallius, der wieder einmal den Schwarzmaler spielte und Verschwörungstheorien aufwarf. Ich seufzte, und ich war nicht der einzige, dem er damit auf die Nerven ging. Glücklicherweise war einer von jenen der rex sacrorum selbst, und ehe sich eine Diskussion dahingehend entspinnen konnte, unterbrach er das Gespräch und lenkte das Augenmerk zurück auf die Gründe dieser Zusammenkunft. Ich beschloss für mich, Durus umgehend einen Brief zu schreiben, und damit hatte sich die Angelegenheit für mich selbst vorerst erledigt. Immerhin war die Vertretung für das collegium geregelt, sodass sich Durus in Ruhe auskurieren konnte.


    Es galt also, eine angehende Vestalin zu prüfen. Ich selbst war nicht abgeneigt, würde mich allerdings nicht in den Vordergrund drängen, sondern diese Aufgabe nur übernehmen, wenn sich kein anderer finden ließe. Während der vergangenen Wochen war ich bereits oft unterwegs gewesen, um den Prüfungen angehender Priester als Aufsicht beizuwohnen, so dass ich meinen Soll erfüllt und meinen Bedarf gedeckt hatte. Andererseits hatte ich an einer Prüfung bei den Vestalinnen noch nie teilgenommen, und ob desse wäre es durchaus interessant, zumindest zum Zuschauen mitzukommen. Der Cornelier schlug sogleich Gracchus vor, und erst bei seiner Erklärung fiel mir das tragische Verbrechen an seiner Verwandten wieder ein, das bis heute ungeklärt geblieben war. Flavius Gracchus selbst ließ offen, ob er sich selbst bereit erklärte, der Zeremonie als Aufsicht beizuwohnen, und ich vermutete, dass es etwas mit eben jenem Zwischenfall vor Jahren zutun hatte.


    Die sich bietende Möglichkeit, sich selbst in den Vordergrund zu rücken, ergriff sogleich Decimus Duilius Verus, der sich vernehmlich räusperte, ehe er sich regelrecht feilbot. "Ich würde mich ebenfalls zur Verfügung stellen. Meine jüngste Tochter entging im letzten Jahr nur knapp der captio. Ich bin mir sicher, dass es dieses Jahr klappen wird. Ich habe mich ob dessen natürlich schon ausgiebig mit dem Kult der Vesta beschäftit und kann diese Aufgabe durchaus übernehmen." Der Duilier reckte ein wenig kampflustig das Kinn nach vorn. Curiatius Fistus betrachtete seinen Kollegen ein wenig pikiert. "Mit Verlaub, wir sollten uns nicht darum streiten, wer die besseren Eisen im Feuer hat, sondern Erfahrungen berücksichtigen", scholt er den Duilier mit enstprechendem Blick. "Wir wäre es mit Aurelius? Er hat während seiner Zeit im collegium bereits viele Prüfungen beaufsichtigt. Wenn wir von Erfahrung reden, ist er dann nicht der geeignete Mann?" Ich schoss einen angesäuerten Blick in Richtung des Sestiers ab, was den ein oder anderen amüsierte, sagte dazu allerdings nichts weiter.


    "Nun gut, ich fasse zusammen." Menenius wartete noch einen kurzen Augenblick und sah dabei prüfend in die Runde. "Es stellen sich die collegae Flavius, Duilius und Aurelius zur Verfügung?" Nacheinander sah er bei Nennung der Namen die Personen an, die ihn trugen. "Ich gebe zu bedenken, dass ich selbst keinerlei Erfahrung mit den Gebräuchen und Riten der sacerdotes Vestales vorweisen kann. Es mag zwar sein, dass ich mich als Prüfer der Priesteranwärter bewährt habe, jedoch halte ich mich selbst für den falschen Mann für dieses Unternehmen", warf ich ein, ehe man mich noch dafür einspannte. Der rex sacrorum hob eine Braue, und ein anderer schlug vor: "Und wenn man zwei pontifices entsendet? Einen, der die Riten gut kennt und einen, der mit dem Ablauf einer Prüfung gut vertraut ist? So könnte man den größtmöglichen Nutzen daraus ziehen." Ich überlegte. Damit konnte ich leben. Duilius Verus hingegen sah aus, als ob er Zahnschmerzen hätte. Und Flavius Gracchus? Ich warf ihm einen Blick zu.

    "Ganz genau das", bestätigte ich angestrengt, bis plötzlich der Druck nachgab und ich einen hastigen Schritt nach vorn machen musste, um nocht zu fallen, Bedauerlicherweise befand sich auf dem Weg ein Bein, das da nicht hin gehörte, und so strauchelte ich tatsächlich ungeschickt und wäre gefallen, wenn ich nicht noch einen Oberarm Macers gehalten hätte. Ich drehte mich so also und fing mich wieder, versuchte aber in demselben Moment, meinen eigenen, leicht angewinkelten Fuß als Haken und Hebel zu benutzen und Macer in den Sand zu befördern. Dabei war mein Griff an seinem Arm nicht so fest wie erwünscht, und ich ließ ihn ob dessen und nicht zuletzt wegen des glitschigen Öls los. Kurz mit den Armen rudernd, da auf einem Bein stehend, erlangte ich das Gleichgewicht wieder und entfernte mich erst einmal drei Schritte von Macer, um eine neue Taktik zu ersinnen. "Zugleich ist das eine wunderbare Möglichkeit, Orte zu bereisen, die man noch nicht kennt. Kampanien ist in jedem Falle eine Reise wert", fuhr ich fort.


    Ich suchte mir eine neue Ausgangsposition und näherte mich Macer wieder. Diesmal täuschte ich einen linksseitigen Angriff vor, packte ihn dann aber rechtsseitig und mit der Schulter voran am Oberkörper und versuchte, ihn zu mir zu ziehen und mit der Hüfte zu Fall zu bringen. Allerdings hatte ich sein Gewicht wohl überschätzt, denn das funktionierte nicht so, wie ich mir das vorgestellt hatte.

    Die Übungsstunden ware definitiv notwendig gewesen, das hatte sich währenddessen herausgestellt. Nicht nur, dass wir der neuen sodales wegen ohnehin hatten proben müssen - auch einige der alteingesessenen Salier hatten Schritte verdreht oder vergessen. Doch das Proben hatte sich gelohnt, wie ich fand. Gelegentlich kam bei einem oder zwei von uns noch ein kleiner Fehltritt vor, doch jene sodales hatten mittig Aufstellung bezogen, sodass es kaum auffallen und damit nicht so sehr ins Gewicht fallen würde, wenn der ein oder andere Schritt nicht recht saß.


    Meine tunica picta war sauber und geglättet, die trabea akkurat gelegt, und mit den intensiven Farben der Kleidung und dem eisernen aenum tegumen erregten wir Salier bereits während des Zuges zum comitium Aufsehen. Wie die meisten Salier hatte ich zwei Sklaven im Schlepptau, die neben unserem Aufmarsch herliefen und das Schwert und den Helm trugen, ebenso wie das ancilium, das im sacrarium Martis in der regia aufbewahrt wurde, bis es zum Einsatz kam.


    Als wir nun den Opferkönig erreichten, der traditionsgemäß das comitium noch nicht betreten hatte, ließ ich mit den Helm anlegen und nahm Schild und Kurzschwert entgegen, um somit als vollwertiger Salier den Platz betreten zu können. Auch die meisten anderen ließen sich nun ausstatten. Und dann warteten wir darauf, dass Avianus das Zeichen zum Aufmarsch gab.

    Septimas Vermutung war zwar zutreffend, hätte allerdings genauso gut in die andere Richtung gehen können. Man trank auch viel, wenn man etwas vergessen wollte, nicht nur wenn einem die Feier gefiel. Ich schmunzelte nur zur Antwort und ließ mich dann von den anderen unterhalten. Flora und Narcissa bekamen beide ebenfalls heißen Weidenrindenaufguss, was mich erneut in mich hineinschmunzeln ließ. Immerhin hatten die beiden sicherlich nicht allzu viel getrunken. Oder doch, und es war nur an mir vorbei gegangen?


    Ein Sklave fragte mit einer Geste zum Essen hin stumm, ob er auch mir etwas auftun sollte. Ich überlegte nur kurz, dann verzog ich das Gesicht und schüttelte den Kopf. Wenn ich nun etwas aß, lief ich Gefahr, dem Frühstück ein unangenehmes Element hinzuzufügen, auf das hier jeder getrost verzichten konnte. Der Aufguss war schon schlimm genug, es gluckerte und polterte in meinem Magen, auch ohne dass ich einen Löffel Brei oder einen Apfelschnitzen genommen hätte.


    Die Sache mit dem Löwen hatte ich gar nicht mehr mitbekommen. Vermutlich war das Bodenmosaik doch sehr inspirierend gewesen, vermutete ich. Ursus' Vorschlag löste bei mir ein schadenfrohes Grinsen aus. Das war natürlich keine Option, sähe aber gewiss amüsant aus. Und für uns wäre es eine Erleichterung. "Es mus scheußlich schmecken. Medizin hilft nur, wenn sie widerlich schmeckt oder riecht", sagte ich überzeugt und grinste die Zwillinge an. Celerina indes schien mir recht ruhig zu sein. Sie trug nicht allzu viel zum Gespräch bei, und ich vermutete Übelkeit bei ihr, oder zumindest Müdigkeit. Soweit ich mich erinnern konnte, hatte auch sie dem Wein gestern gut zugesprochen. "So, nun da wir alle ausreichend wach sind... Habt ihr euer Geschenk schon entdeckt? Auf dem Weg hierher müsste es euch eigentlich schon aufgefallen sein", sagte ich zu Ursus und Septima. Es sei denn, die Sklaven hatten es in eine Ecke gestellt - oder aber, die beiden waren einfach viel zu müde oder beschäftigt gewesen, um es zu entdecken.

    "Bist du Tiberius Ahala? Dann hat mein dominus jetzt Zeit für dich", sagte ein untersetzter Sklave zu Ahala, der es sich bequem gemacht hatte. Misstrauisch betrachtete er den Tiberius. War der tatsächlich eingenickt oder sah er nur müde aus? Er erlaubte sich kein Urteil darüber und wartete, bis der Gast sich erhoben hatte. Dann führte er ihn durch ein deutlich leereres atrium zu mir. Ich saß an der Stirnseite auf einem bequem gepolsterten Sessel und hatte nacheinander meine Klienten angehört. "Aulus Tiberius Ahala", verkündete der Sklave, der selbigen hergeführt hatte, und nahm seinen Platz schräg hinter dem Sessel ein. Ich hatte keine Ahnung, wie die Reihenfolge der Vorsprachen ausgehandelt wurde, aber bisher war die Sache stets reibungslos verlaufen, und so war es mir egal, wie das vonstatten ging. Dies hier war allerdings keiner meiner Klienten. Einen Tiberius hatte ich nicht in meiner Klientschaft, also musterte ich ihn interessiert. Ich glaubte, ihn wiederzuerkennen. Er war natürlich auf der Hochzeit seines Verwandten Durus gewesen und hatte hier zum Essen neben Ursus gesessen, wenn ich mich recht erinnerte. "Sei gegrüßt, Tiberius. Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Wie kann ich dir behilflich sein?" Ich - wo doch sein Verwandter der consul gewesen war.

    Ich warf einen Blick auf den Wasserkrug, der auf dem Tisch stand, aber leer zu sein schien. Nun, ich war nicht durstig, nur unruhig. Abgespannt fuhr ich mir mit der Hand durchs Gesicht und zog die unteren Augenlider dabei kurz herunter. "Danke", erwiderte ich schlicht. "Warum hast du denn nicht schlafen können? Hier hört man doch kaum etwas. Mich hätten die Geräusche bestimmt nicht geweckt." Sivs Zimmer befand sich etwas entfernt, denn sie schlief nicht so dicht bei den anderen Familienmitgliedern. Immerhin war sie eine Freigelassene. "Meinst du nicht, du könntest jetzt wieder einschlafen? Ich sollte dir deine Nachtruhe wohl lieber lassen. Vielleicht hilft etwas warme Milch", schlug ich vor und runzelte die Stirn, machte aber vorerst keine Anstalten, aufzustehen. Im Gegenteil, ich stützte einen Ellbogen auf den Tisch, bettete mein Kinn in der hohlen Hand und sah Floraüber den Tisch hinweg an.

    Es missfiel mir etwas, wie wenig höflich sich Imbrex gab, doch Vala schien es entweder nicht zu stören oder er überspielte es gut. Ich beschloss, nichts dazu zu sagen. Auch zu der Terminlage äußerte sich nur Vala, weswegen ich mich ihm nun erstmal mit voller Aufmerksamkeit widmete. Ob seiner Worte musste ich schmunzeln. "Ich hätte es vielleicht anders ausgedrückt, allerdings könnte man es zusammenfassend wohl so bezeichnen, ja", bemerkte ich. "Gut. Halten wir die Megalesia fest."


    Ich wollte gleich im Anschluss fortfahren, aber Vala warf erneut etwas ein, das interessant war, und so hörte ich ihm zu. "Hmm", machte ich nachdenklich. "Das ist vielleicht keine schlechte Idee." Rom selbst beherbergte ebenfalls zwar einige Gladiatorenschulen, aber wo die einen preislich gewesen sehr weit über meinem selbstgesetzten Limit lagen, waren die anderen nicht in der Lage, ein größeres Amphitheater zu bedienen, sondern nur kleinere Arenen. "Ich würde einem von euch einfach die beiden Angebote geben, die ich bereits erhalten habe. Das eine ist von einer Schule westlich von Ravenna, das andere stammt von der facilitas et queentia aus Gallien. Ich würde die Organisation der Gladiatorenspiele dann ganz gern einem von euch überlassen. Nicht nur, was auch was das Anmieten der Örtlichkeiten betrifft, auch die Koordination mit der Schule, die letztenendes das Rennen macht.* Oder ihr helft einander aus." Ich sah von Imbrex zu Vala und zurück. "Gut. Und was die Inspektion betrifft, bin ich einverstanden. Wir treffen uns dann an besagtem Termin direkt am Trajansmarkt, würde ich sagen. Den Schneider an der Ecke via Rosa/via Septima kennt ihr?"



    Sim-Off:

    * Derjenige, dem mehr Zeit zur Verfügung steht, sollte vielleicht eher die Organisation der Rennen übernehmen, da von den factiones ja Antworten kommen werden. Den NSC-Part mit den Gladiatoren übernehm ich gern, damit es da auch Interaktion gibt. Sprecht euch einfach mal kurz ab, wer gern wo helfen möchte.
    :)

    Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir. Goldenes Licht wurde von den Wänden zurückgeworfen, und Flora hatte sich etwas übergezogen. Unschlüssig blieb ich stehen, wo ich war. "Ich wollte dich eben nicht verärgern", sagte ich. Ich hätte ihr nun mein Herz ausschütten können, aber ich hatte es nicht einmal Prisca erzählt. Brix wusste davon, doch der hatte es selbst herausgefunden oder von Siv erfahren und schwieg wie ein Grab, seitdem er es wusste. Ich ging zu der Sitzecke hinüber, zog einen Stuhl vor und setzte mich mit einem leisen Seufzer. "Ich bin in letzter Zeit etwas angespannt", erklärte ich. "Der Senat, die Arbeit, du weißt?" In Teilen stimmte das auch, die Sitzungen kamen zu dem Ädilat hinzu, die Arbeit als auctor wurde auch nicht weniger und dann hatte ich noch meine Pflichten als pontifex. Obendrein wurde ich auch nicht jünger. Ich zuckte mit den Schultern. "Ich konnte auch nicht schlafen."