Decius hatte es sich nicht nehmen lassen einen Tag nach seiner Ankunft seine Schritte in die Innenstadt zu lenken, um all jenes in Augenschein zu nehmen, welches er wohl bald seine Heimat nennen sollte. Was war Ostia im Vergleich zu Rom? Nichteinmal ein ein Funke von jenem imposanten Feuerwerk, das die Römer tagaus, tagein mit ihrem regen Treiben und ihren strebsamen Tätigkeiten abbrannten. Decius, nun in frische Kleider gewandet und gebadet, gab nun das bild eines klassischen Römers. Der verstaubte Strauchdieb, den er gestern noch kurz nach seiner Ankunft gegeben hatte, war vergessen. Ein Bild welches man nun kaum mehr auf ihn hätte zeichnen können.
Marcus an seiner Seite, seinen Freund und vertrauten, wagte er sich in das rege treiben des Trajanmarktes und lies jenen auf sich wirken. Noch immer vermochte Rom ihn mit seinen eher belanglosen und alltäglichen Szenen zu erschlagen. Wie sollte dem auch anders sein, wenn man aus eher ruhigen und beschaulichen Gefilden stammte.
Das Aufgebot exotischer und alltäglicher Dinge, die hier feilgeboten wurden, war schlichtweg überwältigend.
"Marcus, fast scheint es mir als würde sich hier die bekannte Welt vereinen. Hast Du so eine fülle an Waren und Persönlichkeiten schon einmal gesehen?"
Marcus teilte kaum die Euphorie von Decius, sondern sah sich eher mäßig begeistert um.
"So einen Tumult? Nein, ganz bestimmt nicht.", schon wieder wurde er angerempelt und sah etwas missmutig dem Wasserträger nach, der keinen weiteren Blick mehr zu ihm verschwendete.
"Zu voll, zu hektisch! Bei den Göttern, ich glaube ich werde mich nie an die Großstädte gewöhnen!", wobei Ostia ihm schon beinahe zuviel des guten war.
"Sieh Dich einmal um!", Decius vollführte eine vage Geste. "Begreifst Du nicht die wahre Größe Roms, wenn Du all das hier siehst? Sieh! Gewürze aus den fernsten Ecken des Reiches, von Orten die wir wohl niemals sehen werden! Tuche deren Vollkommenheit in keinem Verhältnis zu jenen stehen, die Du wohl jemals tragen wirst. Oder ich.", wobei Decius im geheimen hoffte das er mit letzterem unrecht haben würde.
"Achja? Mir reicht was ich am Leib habe. Was brauch ich Tuche aus Ecken die ich nichtmal kenne?", Marcus rieb sich den Arm und sah zu das er im Fahrwasser von Decius blieb. "Was bei den Göttern wollen wir hier? Willst Du etwas kaufen?"
"Kaufen? Nein, ganz bestimmt nicht. Ich will etwas ganz anderes erwerben. Besser gesagt....", Decius wandte sich nun etwas näher an seinen Freund. "Ich werde stehlen, Marcus!"
Jenem entgleisten fast sämtliche Gesichtszüge.
"Bei den Göttern! Decius!", instinktiv griff er seinem Freund an den Arm. "Bist Du von allen guten Geistern verlassen? Sie werden uns verhaften!"
Decius schüttelte den Kopf. "Nein, das werden sie ganz bestimmt nicht.", versuchte er Marcus wieder zu beruhigen.
Nun, an den Gewürzständen angekommen, verlangsamte Decius seinen Schritt und sah sich aufmerksam um.
"Du willst Gewürze stehlen?", fragte Marcus leise und ungläubig nach.
Ein weiteres mal schüttelte Decius den Kopf. "Nein, ich werde jene bestehlen, die hier einkaufen.", schmunzelte versonnen und deutete knapp auf zwei Herren, die er an einem Stand unweit vor sich sah.
"Siehst Du jene hier?", kurz deutete er auf Glabrio und Furianus.
Marcus sah genauer hin und nickte. Noch immer hielt er decius am Arm, hoffend das er ihn so von Dummheiten abhalten konnte.
"Jener dort...", zeigte knapp auf Furianus, "....scheint eine Persönlichkeit zu sein.", Marcus sah nur kurz hin und nickte. "Und weiter?"
"Nun, ich werde mich an ihm bereichern!", fügte Decius im Plauderton hinzu und strich kurz mit den Fingern über jene Gewürze in den Korbschalen, die er sich so schnell wohl gewiss nicht würde leisten können. Zumindest trug er seine beste Tunika, die ihn beinahe selbst zu einer höhergestellten Persönlichkeit erhob. Ein Geschenk eines betuchten Freundes aus Ostia, die ihm nun, hier in Rom, hoffentlich gute Dienste leisten würde.
"Decius!", mahnte Marcus ihn erneut und sah sich immer wieder nach allen Seiten um. "Lass das!", woraufhin sich Decius an seinen Freund wandte.
"Mit den Augen zu stehlen, Marcus, ist weder hier, noch in Ostia verboten! Ich studiere sie. Wenn ich eines Tages einer von jenen sein will, muss ich doch wissen wie sie gehen, stehen, reden. Damit ich es leichter habe mich jenen anzupassen, verstehst Du?"
Marcus, von deutlich einfacherem Gemüt und aufrechtester Art antwortete offen und ehrlich mit dem was er dachte. "Nein."
Decius hatte es befürchtet und insgeheim Marcus bereits als zukünftigen Römer abgeschrieben. "Das ist Politik, mein Freund.", wandte er sich nun erklärend wieder an ihn.
"Das ist ein blöder Markt, Decius. Poltiik wird im Senat gemacht!"
"Oh, glaube alles, bester Marcus, nur das nicht.", näherte sich langsam und setzte ein eher mäßig interessiertes Gesicht auf, als ihn der Händler dazu bewegen wollte etwas von den Gewürzen zu erstehen.
Stattdessen galt sein ganzes Augenmerk den beiden Personen neben ihm.