Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Wieder einmal trieb die Pflicht mich und meinen scriba und Neffen in Personalunion durch die Stadt - sicherlich war dies einer der deutlich angenehmsten Teile meiner Pflichterfüllung, inzwischen hatte ich es zu schätzen gelernt, in die Menschenmenge einzutauchen, mir ihre Klagen und Sorgen anzuhören und ihnen bisweilen auch den ein oder anderen Rat zu erteilen sowie ihnen weiterzuhelfen. Es hatte den Vorteil, dass ich als Magistrat bekannter wurde, aber auch, dass ich langsam aber sicher auch ein Gefühl dessen gewann, was in der Stadt den Menschen wichtig war, was sie sich ersehnten, und worüber sie sich ihre Gedanken machten. Letztendlich war das Vigintivirat eine sehr gute Vorausarbeit für die späteren höheren Ämter, und deswegen nahm ich es auch entsprechend ernst.
    Dass wir uns diesmal den Mercatus Traiani ausgesucht hatten, war eher Zufall denn wirkliche Berechnung, eine Menschenmenge hatte uns hierhin mit sich gerissen und da waren wir nun unterwegs, inmitten von einkaufswilligen Bürgerinnen und den etwas einkaufsunwilligeren Bürgern, die von den Bürgerinnen mitgeschleppt worden waren. Eine gewisse Erinnerung an einen Einkaufsbummel mit Gracchus' Gemahlin drängte sich förmlich auf, aber glücklicherweise war Lucanus weder alt genug noch weiblich, um als Begleiterin passend zu fungieren. Außerdem trug er toga.


    Wir passierten einige Kleidungsstände - die ich mit einem weiten Bogen umlief, irgendwie jagten mir diese Läden immernoch eiskalte Schauer über den Rücken - und erreichten den Abschnitt des Marktes, in dem viele Handwerkswaren aller Art zu erhalten waren, angefangen von Sandalen über kleine Statuetten bis hin zu getöpferten Gefäßen und Glasbläsereiarbeiten. Schmunzelnd erkannte ich aus der Ferne das Schild eines Ladens, der sich auf kleine Statuetten mit eindeutig erotischen Posen spezialisiert hatte, und die sollte sich Lucanus ruhig einmal ansehen können - ich steuerte also darauf zu und musste überrascht feststellen, dass dort bereits jemand stand, den ich zumindest vom sehen her kannte. "Brust raus, Bauch rein, jetzt lernst Du sie endlich kennen," raunte ich Lucanus zu und schleifte ihn kurzerhand mit. Was an den Saturnalien mangels Gelegenheit nicht geklappt hatte, sollte sich jetzt durch Zufall ereignen, und wenn ich ihn hätte hinprügeln müssen. Aber welchen jungen Mann musste man schon zu einer schönen jungen Frau prügeln?
    "Salve, Aurelia Helena - was für ein schöner Zufall, Dich hier zu treffen!" grüßte ich diese junge Dame freundlich und lächelte sie entwaffnend an. Dass sie ausgerechnet an diesem Stand verharrt hatte, ließ mich innerlich grinsen - aber warum sollten sich nur Männer für derlei Spielereien interessieren? Frauen verbargen es nur meist besser.

    Ich nickte leicht zu den Worten Macers und meinte: "Dann wie gehabt - ich muss gestehen, es ist mein erstes nicht angenommenes Opfer, und es ist mir fast ein bisschen peinlich, dass es so gekommen ist. Dieses Mal muss einfach alles klappen, sodass Mars zufrieden gestellt ist." Und wenn ich darauf kam, dass irgendeiner der camilli auch nur unkeusche Gedanken gehabt hatte, während ich den Widder getötet hatte, dann mochte sich jener schon einmal ganz heftig vorsehen, vorausgesetzt, er wollte seine einzelnen Körperteile behalten. Die Tempeldiener gingen routiniert und schnell vor, und als der Widder ordnungsgemäß im feinsten Festschmuck vor uns stand, hob ich beide Hände an, bedeutete der Menge, sie möge mir ihre Aufmerksamkeit zuwenden, und rief weithin tönend abermals die rituellen Worte: "FAVETE LINGUIS!" Erwartungsgemäß wurde es stiller, und nun hatten die Menschen wieder das sichere Wissen, dass das Schauspiel weitergehen würde, in sofern glotzten sie auch zu uns, ohne allzu viel nebenher zu murmeln.


    Der Widder war festgebunden worden, und das altbekannte Ritual nahm wieder seinen Lauf. Ich wusch meine Hände, wie es die Tradition bedeutete, trocknete sie mit dem malluium latum, bevor ich mir die Schüssel mit der eilends angemischten mola salsa reichen ließ - vielleicht hatte Mars im ersten Durchgang der Wein nicht gefallen, es galt also alle Unsicherheitsfaktoren nun auszuschließen - und bestrich den Rücken des bekränzten Tiers mit der Salzlake-Dinkelschrotmischung, um es dem Gott angemessen zu weihen. Oder doch lieber Wein? Zum ersten Mal seit langer Zeit fühlte ich beim Opfern eine gewisse Unsicherheit, was, wenn auch dieses Opfer abgelehnt würde? Ich vertrieb die Gedanken mit Gewalt aus meinem Kopf und machte weiter.
    "Hiermit weihe ich Dir, O Mars, diesen Widder, auf dass Du dieses Opfer annimmst und den Worten des Spurius Purgitius Macer Gehör schenkst!"


    Hoffentlich hörte man mir nicht an, dass ich mir Gedanken machte, es durfte in keinem Fall aussehen, als sei ich mir der Wirkung meiner Handlungen unsicher war. Wie schon einmal zuvor reichte ich dem Senator mein Opfermesser, auf dass er das Tier damit rituell entkleiden konnte, und fuhr, nachdem er die Geste abgeschlossen hatte, fort. Wieder vor die Menge tretend, die Hände hoch erhoben, um mein folgendes Gebet anzudeuten, blickte ich gen Himmel und konzentrierte mich auf den sicheren Klang der Stimme.
    "O Mamarce, Du mächtiger Schlachtenlenker, Du Beschützer Roms in den goldenen und friedlichen, wie auch den roten und kriegerischen Zeiten, der Du Deine Hand über unser Heer, aber auch die Frauen und Schutzlosen hältst! O Mamarce, höre die Worte dieses Deinen Dieners, der an diesem Tag um Dein Gehör bittet, weil ein unter den Menschen herausragender Mann eine Gunst von Dir erbitten will! Ein kräftiges und gesundes Tier hat er Dir gebracht, den süßen Weihrauch geopfert, auf dass er Dein Gemüt erfreue, und steht in der Blüte seines Lebens und mit dem Gelübde, dass er für unser Volk als sein Diener erfüllt, vor Dir. Schreckliches geschah in Rom, und nur Du, unser Beschützer, der Lenker unserer Schlachten, der den Zorn und die Wut des römischen Volkes wie einen Speer in die Reihen der Feinde zu schleudern vermag, Du, der Rächer des Unrechts, mächtigster Speer und stärkster Schild Deines Volkes, ich rufe Dich an! Lausche der demütigen Bitte dieses Mannes und schenke seinen Worten Aufmerksamkeit!" Laut schallte meine Stimme über den Platz, und jetzt schwiegen auch die letzten Leute, weil sie auf das Gebet des Purgitius Macer neugierig waren.

    Zumindest machte dieser unangenehme Kerl keinen kompletten Rückzieher, das war schon einmal ein Anfang - mit einem Offizier der vigiles würde ich dennoch über die Sache sprechen müssen, denn wer wusste schon, ob dieser Christ nicht seine seltsamen Ideen unter seinen Mitvigiles verbreiten würde und am Ende hatte man dann ein ganzes Nest von diesen Verrückten mitten in Rom - keine allzu angenehme Vorstellung.
    "Ich danke Dir, Coelestinus Cerealis, für Deine Vorsicht und natürlich auch dafür, dass Du gleich zu mir gekommen bist, um mir von dieser schlimmen Sache Kenntnis zu gereichen," sagte ich mit einem um Aufrichtigkeit bemühten Unterton. "Bitte sage meinem scriba, wo wir Dich erreichen können, wenn wir noch weitere Fragen haben sollten, die sich aus der Untersuchung ergeben, und dann bleibt mir nur, Dir einen angenehmen Tag zu wünschen." So, wie der Kerl nach der Tür schielte, war er auch froh, bald gehen zu können, denn anscheinend hatte sich die Denunziation nicht ganz als so befriedigend wie erhofft entwickelt. Ich fragte mich, was er eigentlich erwartet hatte - dass ich gleich mitsamt den cohortes urbanae zu den vigiles stürmen würde, um den Christen aus ihrer Mitte herauszuzerren und öffentlich steinigen zu lassen?

    Simon wurde das durchaus schon angesprochen, und Lucanus hatte gehofft, Helena auf dem Saturnalienfest zu treffen ;) wurde nur nix draus, das heißt, wir brauchen einen anderen Termin.


    (Patrizier sind die schlimmsten Heiratsvermittler ...)

    Einen jungen, gutgelaunten Flavier hätten wir auch noch im Angebot .. *Lucanus vor sich hier schubst* ... er ist zwar noch ein Jungspund, aber seine gute Laune steckt dafür doppelt an (und ich glaube, gute Laune könnte Helena momentan durchaus brauchen). Wird Zeit für das nächste Fest! :]

    Mit dem festen Vorsatz, mich bei öffentlichen Feiertagen mehr zu zeigen - wie dies von Amtsträgern im Allgemeinen erwartet wurde - hatte ich mich schließlich auch selbst dazu überreden können, die Feiern der Compitalia zu besuchen. Fest vorgenommen hatte ich mir den Wettkampf der Ringer mitzumachen, auch, um zu sehen, was ich dabei noch leisten konnte, und vielleicht auch die beiden anderen Disziplinen, mehr zum Spaß und zur Ehre der Götter denn wegen des Gewinnens, ich war nicht mehr so fit, dass ich auf einen Sieg ernsthaft spekulierte - aber es würde sicherlich interessant sein, sich mit den anderen Teilnehmern zu messen. So fragte ich einen der umherstehenden Männer, wo ich denn denjenigen würde finden können, der die Teilnehmer eintrug, und wurde in die Richtung gewiesen, in der schon einige andere, bekannte Gestalten standen.
    "Salvete! Ich sehe schon, das wird heute ein sehr exklusiv besetzter Wettbewerb," grüßte ich die Anwesenden freundlich und meine Laune hob sich sogleich, als ich neben meinem patronus auch noch Aurelius Ursus und den Mit-Vigintivir Annaeus Modestus erkannte. "Bin ich hier richtig bei den Anmeldungen für die Wettbewerbe?"

    Und das ganze Procedere nochmal - als wir den Tempel wieder erreichten, mit dem inzwischen deutlich weniger humpelnden Widder im Schlepptau, winkte ich die Tempeldiener erneut herbei, dass sie das Opfertier zuerst kurz abschrubben mochten, um es dann mit Blumenschmuck zu bekränzen, wie es sich gehörte - die Menge der Gaffer war leider nicht geringer geworden, aber damit musste man bei einem abgelehnten Opfer durchaus rechnen. So etwas passierte nicht oft - zumindest gaben es die wenigsten Priester wirklich zu, wenn es geschah - und deswegen war das öffentliche Interesse natürlich größer, als man es sich wünschen würde. Der Altar war inzwischen sauber gemacht worden, und einer der camilli brachte mir frischen Weihrauch und neue Opfergaben, die wir klugerweise für den Fall des Falles im Tempel vorrätig hatten - so ein peinlicher Zwischenfall sollte schließlich nicht in einem Desaster enden, bezahlen würde ich die Waren später.


    Die rituelle Reinheit, derer wir uns vor dem letzten Opfer versichert hatten, bestand noch immer, und ich blickte zum langsam etwas trüber werdenden Himmel hinauf, um nach etwaigen Regenwolken Ausschau zu halten - noch schien uns der Zorn des Himmels vor nassem Opfer zu verschonen, aber wenn man die heraufziehenden Wolken bedachte, würde es sicherlich irgendwann nicht mehr der Fall sein. Seufzend verabschiedete ich mich innerlich von dem Gedanken, dass dieser Tag noch irgend etwas erfreuliches für mich bieten würde, und trat wieder an die Seite meines Patrons.
    "Dasselbe nochmal? Also das Anfangsgebet von mir, die Fortsetzung von Dir?" Ich machte nicht mehr viele Worte, denn zweifelsohne hatten wir heute noch einiges an Arbeit vor uns, wenn Mars schon das erste Opfer nicht akzeptierte, wie würde es dann dem zweiten ergehen? Aber gewillt, meine Zweifel nicht zu sichtbar zu machen, machte ich gute Miene zum bösen Spiel und versuchte, zuversichtlicher zu wirken als ich mich fühlte.

    Es regnete, und entsprechend diesem Wetter war meine Laune ziemlich im Keller - aber das lag auch daran, dass mir ein Teil meiner Amtspflicht bevorstand, die mir im Magen lag. Die Inspektion der Kerker Roms musste durch die amtierenden tresviri capitalis durchgeführt werden, und mir waren die Kerker der cohortes urbanae zugefallen, als ich mit meinen beiden Kollegen gelost hatte. Begleitet von meinem scriba personalis Flavius Lucanus hatte ich mich also auf den Weg gemacht, dieser Arbeit nachzugehen, und ich hatte so einige grausige Bilder im Kopf, was sich mir vielleicht bieten könnte - aber ein echter Römer durfte solcherlei Gefühlsregungen weder zeigen noch eigentlich besitzen, vor allem nicht, wenn er im öffentlichen Auftrag agierte. Also musste ich da durch, und auch wenn es mir nicht leicht fiel, so ging ich doch festen Schritts voran auf die Torwache zu.
    "Salve! Ich bin Caius Flavius Aquilius, einer der amtierenden tresviri capitalis, und ich bin hier, um den Kerker der cohortes urbanae zu inspizieren." Wenn der Wachhabende schwer von Begriff war, dann mochte ihm meine inzwischen nass gewordene toga praetexta auf die Sprünge helfen, welche nur die Priester und amtierende Magistrate tragen durften - auch wenn sie im Allgemeinen nicht so nass aussahen wie ich und mein geduldiger Neffe und Begleiter in Personalunion.

    "Wer weiss das schon, in den letzten Wochen komme ich leider nicht mehr so sehr zum Training, wie ich es mir wünschen würde," bekannte ich und blickte an meiner eingesandeten Haut herab, die mir an einigen Stellen schon bedenklich aufgeschwemmt erschien. Wirklich, ich musste wieder mehr tun, das war einfach unübersehbar, und Ursus wollte ganz sicher nur schmeicheln. Als Marspriester musste ich auf meine Erscheinung achten, ich wollte keinesfalls so enden wie die meisten meiner Kollegen, die sich an den Opfergaben über viele Jahre hinweg fett und rund gefressen hatten.
    Im Reinigungsraum selbst ließen mich seine Worte lächeln, und während ich mir mit dem halbsicher´lförmigen Schaber langsam den Sand samt Öl von der Haut entfernte, nickte ich zu seinen Worten. "Es freut mich, dass in der gens Aurelia nicht nur ein Mann meine wohl zukünftige Verwandtschaft als positiv zu entdecken scheint - Du weisst, ich bin mit Corvinus gut befreundet - und ich freue mich wirklich, dass wir uns im Tempel kennengelernt haben. Nichts wäre mir schrecklicher als mit der Familie meiner künftigen Braut nicht zurecht zu kommen, und Deine Worte lassen mir die Hoffnung zurückkehren, es könnte dereinst auch mehr sein als bloße Verwandtschaft, die uns verbindet."


    "Nun, als Militärtribun hättest Du durchaus das Recht, eine Ehefrau mitzubringen, wie alle Offiziere es besitzen, wenn ich mich nicht irre, und das einzige Problem liegt wohl eher darin, die passende Frau zu finden. Als Patrizier steht die Heirat mit einer Plebejerin nicht hoch im Kurs, zumindest in meiner gens nicht, also bleiben nur Patrizierinnen - ich bin schon heilfroh, überhaupt die Gelegenheit gehabt zu haben, mir über Prisca Gedanken machen zu können, die jungen Damen der vornehmen gentes sind recht rar gesät derzeit. Bei unseren nächsten Festen werde ich Dich gerne einladen lassen, damit Du einige Frauen kennenlernst - falls es gerade ledige Damen aus gutem Hause gibt, die zu haben wären ...wobei ... Tiberia Camilla würde mir einfallen, sie ist eine meiner discipulae. Sicher keine schlechte Partie." Diese Heiratsangelegenheiten waren wirklich diffizil, nicht zuletzt wegen des geringen Angebots, der hohen Nachfrage und den damit einhergehenden politschen Verstrickungen der einzelnen Familien - noch eine Claudierin hätte ich nicht anbringen dürfen, dafür waren wir zu sehr schon mit dieser Familie verbunden. "Allerdings, diese Hochzeitsfeier, davor graut mir. Lauter matronae und wohlmeinende Ratschläge bereits verheirateter Freunde, die eigentlich nur darauf gieren, uns dann ins Brautbett zu stecken - ich kann mir etwas schöneres vorstellen, eine Beziehung zu beginnen."

    Das As schien gefallen, zumindest hatte ich noch keine Hand auf der Wange gespürt, oder einen empörten Aufschrei vernommen, was in gewisser Weise Grund zur Hoffnung war, dass beides nicht noch kommen würde. Wenn eine Frau erst einmal die Gelegenheit gehabt hatte, nachzudenken, dann reagierte sie in aller Regel nicht mehr extrem. Aber bewegt war sie, das verriet ihr wie gehetzt umherschweifender Blick, die Tatsache, dass sie mich losgelassen hatte, eigentlich alles, was sie bisher getan hatte. Ihre Brust hob und senkte sich schneller als zuvor, und das ließ mich hoffen, dass die Saat meiner Worte auf fruchtbaren, auf möglicherweise sogar leidenschaftlichen Boden gefallen war.
    "Nimm wieder meinen Arm, Antonia, die Sklaven und die Leute starren schon," sagte ich gemessen und bot ihr diesen wieder an, um unseren Weg in Ruhe fortzusetzen, als hätte ich das normalste auf dieser Welt gesagt, nicht etwas, das die Grundfesten einer Frau durchaus zur Erschütterung bringen konnte.


    "Wie ich kann? Du solltest eher fragen, wie könnte ich denn nicht? Du bist schön, Du bist klug, Du hast eine interessante Persönlichkeit, Du bist kurzum eine Frau, die ein Mann unmöglich übersehen kann, selbst wenn sie vermählt sein sollte, und es wäre schon zuviel verlangt, die Augen vor Dir zu verschließen, auch wenn es sicherlich schicklicher wäre. Dass ich mir wünsche, Dir nahe zu sein, ist doch nur natürlich," spielte ich die ganze Sache gekonnt und mit einem leichten Schmunzeln herunter, auch wenn sie sicherlich so gut wie ich wusste, dass daran nichts harmlos war. "Ich wollte einfach, dass Du weisst, dass ich Deine Gesellschaft sehr genieße, und auch, dass Du meine Gedanken mehr zu beschäftigen weisst als eine Verwandte es tun dürfte." Zudem, welcher Frau hob es nicht die Laune, wenn man ihr klar machte, dass man sie für begehrenswert hielt? Ich hatte bisher zumindest keine getroffen, auf die dies nicht irgendwie gepasst hätte.

    Ich betrachtete die wogenden Menschenmassen unter uns sinnierend, aber ohne wirklich bestimmte Personen zu fixieren, dafür war ich zu wenig an ihrer tatsächlichen Persönlichkeit interessiert. Allein das Durcheinander der Farben, des Aussehens und der Art, sich zu bewegen, hatte etwas reizvolles, aber allzu lange würde es wohl mein Interesse weder finden noch fesseln können. Niemals würde ich verstehen, wieso sich ein Mann wie mein vilicus Straton stundenlang damit beschäftigen konnte, nur zu beobachten - als Kind war er nicht so gewesen - und auch wenn er es mir noch so oft zu erklären versuchen würde, ich konnte es doch nicht recht nachempfinden.
    Das Aroma der Meeresfrüchte war wirklich exquisit, und sie waren unterschiedlich gewürzt worden, sodass ich mit jedem Bissen ein neues Geschmackserlebnis erhielt. Was für ein einfaches, aber wohlschmeckendes Mahl, eine kleine Überraschung, ein kleines Geschenk des Tages, und vor allem eines, das ich gerne teilte.


    "Nunja, er lebt vielleicht derzeit dort, weil sein Amt ihn dort hält, aber es ist nicht seine Heimat - die villa Flavia in Tarraco ist in meinem Besitz, nicht in dem seinen, und sollte er das Domizil des Proconsuls gegen die villa Flavia in Tarraco eintauschen, so wäre er mein Gast. Wenn Du das Meer vermisst, musst Du einmal einige Tage nach Ostia reisen und Dich dort umsehen, es erinnert mich dort einiges an Zuhause, und ich glaube, es könnte Dir auch gefallen." Wieder biss ich ab und kaute, bevor ich meine Gedanken fortführte.
    "Der Dichterwettstreit wäre besser hier in Rom angesiedelt, und ich fände es im Augenblick klüger, würdest Du hierbleiben und Dich Deinen Pflichten in Rom widmen. Wenn Du eine politische Laufbahn einschlagen willst, musst Du hier gesehen werden und hier Aufmerksamkeit erregen, so schwer es Dir auch fallen mag, die Heimat zu entbehren. Mir fehlt Hispania auch, aber noch ist nicht der rechte Moment, zurückzukehren."

    Sie schien über meine Worte wirklich nachzudenken, und dass sie den Blick abwandte, ließ mich etwas verwirrt zurück. Aus dieser Frau würde ich wahrscheinlich nie gänzlich schlau werden, aber eine vorhersehbare Frau hatte für mich auch keinen allzu großen Reiz, hatte sie nie besessen - das musste ich mir ebenso eingestehen. Langsam legte ich eine Hand auf die ihre, die noch immer bei mir untergehakt war, und wir schritten gemeinsam weiter, während die Thematik nun die Umwelt ein wenig verblassen ließ. Dass sie unglücklich war, wusste ich seit langem, und nicht nur deswegen hatte ich sie versucht, ihrer Eintönigkeit ein wenig zu entführen. Nein, ich mochte sie auch, weil sie eben war, wie sie war, eine Verlorene in einer gesellschaftlichen Schicht, die wenig zu bieten hatte für eine Frau, die mehr Geist besaß als die meisten. Wie es mir als Frau ergehen würde, wäre ich an ihrer Stelle, wollte ich mir nicht einmal ausmalen. Aber dass sie so gar nicht wirklich auf das reagierte, was ich ihr mehr oder minder plakativ offenbart hatte, war sehr zwiespältig - entweder sie wollte diese Konnotation nicht bemerken oder sie bemerkte sie wirklich nicht, und das wiederum machte das alles absolut kompliziert. Sagte ich jetzt zuviel und verletzte ihre Gefühle, wäre das Geschrei groß, und andererseits würde ich wohl nie erfahren, wie sie sein würde, wenn sie lebte, wenn sie sich auf einen Gedanken einließe, der sich verbot.


    "So bleibt mir, was die Juwelen angeht, nur der Trost, dass Dich ein herausragendes Stück auch herausragend zu schmücken weiss, auch wenn es Dein Strahlen nicht wird erreichen können, Antonia," sagte ich ernsthaft und garnierte diese Worte mit einem warmen Lächeln. "Ansonsten werde ich still jenen Seidenstoff beneiden, den ich Dir zum Geschenk machte, denn er darf tun, was mir stets verboten sein wird - Deine Haut zu streicheln, wo immer es Dir beliebt - Deinen Duft zu kosten, wann immer Dir danach ist, und Dir nahe zu sein, wie es niemand sonst wird sein können, nicht so lange, nicht so intensiv. Doch Verbote hindern einen Mann leider niemals daran, sich doch zu wünschen, was er nicht haben darf." Entweder sie reagierte nun wie jede gute römische matrona reagieren sollte - mich empört von sich weisend und mich dann niemals wieder ernsthaft anblickend - oder aber ... nun, ich würde es sehen müssen. Deutlicher ging es nun wirklich nicht mehr.

    "Solange uns jetzt keiner aufklaubt und auf dem Markt in Fett brät, haben wir nochmal Glück gehabt," meinte ich grinsend auf seine Bemerkung mit den Schnitzeln und streckte mich dann, bis es in meinem Rücken knackste und ich mich wohler fühlte. "Schaben und Baden klingt jetzt wirklich sehr gut, vor allem, wenn wir uns in unsere Arbeitszimmer zurückziehen und selbst auf den Stühlen Platz nehmen wollen, ohne von einem Sklaven wegen des Muskelkaters gestützt zu werden," fügte ich noch an und blickte mich um. Es waren noch weniger Männer geworden als zuvor, und unser kleiner Kampf hatte nur ein, zwei Zuschauer bekommen, die sich nun, da keine Revanche anzustehen schien, wieder ihren Übungen zuwandten, spektakulär waren wir wirklich nicht gewesen. Da bekam man an anderen Tagen ganz andere Kämpfe zu sehen, die ich auch gern beobachtete - beispielsweise wenn ein Senator seinen persönlichen Trainer mitbrachte und es wirklich zur Sache ging.


    Während wir wieder in das Innere des Gebäudes gingen - das Abschaben fand vor dem Baden in einem separaten Raum statt - nickte ich leicht zu seinen Worten über Prisca und hoffte, dass er sich nicht täuschte. Liebe war ... kompliziert. "Ich danke Dir dafür, und ich werde auch alles menschenmögliche tun, dass sie eine glückliche Ehefrau wird. Diese ganze Heiraterei ist doch vor allem eines - anstrengend - und eine Ehe danach ist es meistens auch. Man muss schon viel Glück haben, um mit dem gewählten Partner auch mehr zu verbinden als nur Tisch und Bett. Aber Du hast doch auch noch Zeit - als Magistrat wird es Dir leichter fallen, eine Frau zu intressieren, und Du bist Patrizier, da sollte es nicht schwer werden, eine vorteilhafte Verbindung zu finden. Spätestens wenn Du die ersten Feste mitgemacht hast ..." Ich hatte mir ja auch Zeit damit gelassen, eine Braut zu finden, und noch immer konnte ich nicht ganz glauben, dass ich wohl bald wirklich verheiratet sein würde.

    "Ich glaube, ich lasse mich lieber überraschen, werte Schwägerin, es ist wie mit einem kostbaren Geschenk: Würdest Du wissen wollen, was sich darin befindet, bevor Du es geöffnet hast? Es würde einem doch gänzlich jegliche Spannung rauben und bliebe nur ein schales und leeres Echo dessen, was es sein könnte," versetzte ich auf ihre Androhung, mir mehr über Cartrix zu erzählen. Noch eine Schilderung irgendeines überteuerten Händlerbestandes hätte mich schätzungsweise innerhalb weniger Augenblicke in den Wahnsinn getrieben, auch jetzt wusste ich schon weit mehr über Sandalen und Kleidung, als ich jemals hatte wissen wollen, und fürchtete, diese Informationen auch mit mehreren Bechern Falerner nicht mehr loswerden zu können. Dass sie mir ernsthaft unterzujubeln versuchte, sie sei ob meiner Ablehnung einer Seidentoga ernsthaft betrübt, entlarvte ich indes als Schelmenspiel, das die Frauen nur zu gern mit Männern veranstalteten - auf dergleichen hatte sich auch meine Mutter ausgesprochen gut verstanden und meinem Vater jeden Ausflug in die Stadt zu einem Abbild des orcus gemacht - in sofern prallte dieses hervorragende Schaustück an weiblicher Enttäuschung ziemlich wirkungslos an mir ab.


    Auch wenn ich mir sicher war, dass sich meine Wünsche offen in meine Blick widerspiegelten, wandte sie sich doch nicht ab - was für eine Patrizierin ungleich überraschender war als für jede andere Art von Frau, denn jenen brachten ihre Mütter sehr schnell Schamhaftigkeit bei oder zumindest, jene vorzutäuschen, wenn sie diese nicht besaßen. Und doch, in diesem Augernblick wünschte ich mir sehnsüchtig, in diesen klaren, ruhigen Augen auch einmal einen Funken der Lust entdecken zu können, etwas, das verriet, dass sie lebte, dass sie genoss, dass sie Freude an dem empfand, was sie tat. Hatte sie etwa schon zu lange in ihrer Ehe begraben gelegt? Ich beschloss, es herauszufinden ... so senkte ich den Klang meiner Stimme, führte sie weiter durch die Menschen und plauderte so harmlos, als sei dies ein Gespräch über Kleidung.
    "Ich bedauere jeden Tag, an dem ich Dich trübsinnig sehe, Antonia, und ich wünschte, ich könnte dies auf eine Weise ändern, die Dich im tiefsten Inneren berührt, die Dich leben lässt, nicht einfach nur die Stunden vorüberstreichen lassend, sondern lebendig, funkelnd, strahlend. Wie Du jetzt schon strahlst, einem klaren Diamanten gleich, wäre doch loderndes Feuer ungleich wärmer und heißer, und solcherlei würde ich Dich gern strahlen sehen. Wäre der einzige Weg, Dir Juwelen zu schenken, würde ich es mit Freuden tun, aber ich glaube doch, es gäbe noch andere."

    Langsam kehrte die Wirklichkeit zurück, und mein Atem begann sich zu beruhigen - aber es ließ dieses unglaubliche Hochgefühl nicht weichen, das mir vorgaukelte, dass ich bis ans Ende meiner Tage glücklich sein würde, wenn er bei mir war. Auch wenn mein Verstand mir anderes einzuflüstern versuchte, in diesen magischen Augenblicken war ich von Gracchus' Gegenwart gefangen, und konnte mir keinen anderen Menschen vorstellen, dem jemals meine Liebe gelten würde, als nur ihn, und ihn alleine. Er ließ diese abertausend Fragen verstummen, die mich dauernd umsummten und eine Antwort erwarteten, als sei ich plötzlich der König eines Bienenstocks geworden und müsste mich vor abertausend Drohnen rechtfertigen. Etwas ermattet zog ich mich von ihm soweit zurück, dass ich frische Luft schöpfen konnte, und das brachte mir wieder einen klareren Kopf ein, der nicht von der Leidenschaft zu erfüllt war, um überhaupt an etwas anderes zu denken als ihn alleine.
    "So soll es doch auch sein," raunte ich ihm leise zu, zufrieden lächelnd, denn nicht der einzige zu sein, der auf diese Weise empfand, tat mir wohler als jedes andere Stelldichein zuvor. "Wäre es anders, wäre das dann wirklich die Krönung all dessen, was wir aneinander haben?" Ich wollte diesen süßen Rausch, dieses allumfassende Vergessen in seinen Armen, wollte ihn mir zueigen machen und sein eigen sein, sooft es ging.


    Kurz zuckte ich zusammen, als er mit dem Finger seinen Zahnabdruck auf meiner Schulter entlangfuhr, und grinste dann jungenhaft. "Falls Du noch jemanden gesehen haben solltest, der mir die höchsten Wonnen eben bereitet hat, dann wäre ich vielleicht bereit, diesen anderen als Verursacher in Betracht zu ziehen - aber ich wähnte uns alleine, und da ich diesen Fleck nicht selbst erreiche, wirst Du es wohl gewesen sein." Langsam legte ich meine Hand auf die seine, auf jenes Zeichen der Leidenschaft, und meinte dann etwas leiser: "Es wird mich daran erinnern, von wem es ist, wann ich es erhielt, wann immer ich meine Schulter bewege - in sofern bin ich fast traurig, dass Du nicht fester zugebissen hast, dann hätte ich länger etwas davon." Wahrscheinlich würde er es nicht verstehen, warum ich dieses Zeichen mit Stolz behalten würde, warum mir der Schmerz daran weit weniger wichtig war als das Vorhandensein überhaupt - ich hatte auch Callistas Krallenspuren gerne getragen - und doch, es war, wie es war. Sollte es einen Mann erschrecken, leidenschaftlich sein zu können? Ich hielt das eher für einen Vorzug, bewies es doch, dass er noch zu leben wusste. "Ich weiss gar nicht, ob ich Dir auch ein Zeichen hinterließ, aber ich glaube nicht .."

    Schweigend hielt ich ihre Hand in der meinen, für einige Momente lang durch die Schlichtheit der Geste mehr gerührt als durch irgendeine tragische Handlung in einem Theaterstück. Manchmal bedurfte es nicht viel, um einem anderen Menschen zu zeigen, dass er nicht alleine stand, und ich hatte oft genug schwere Zeiten erlebt, ohne einen solchen Trost zu erfahren - wenn es also ihr half, dann spendete ich ihn gerne, und blieb neben ihr halb liegen, halb sitzen, ihren fiebrigen Atemzügen lauschend, bis es mir angebracht schien, das Tuch auf ihrer Stirn wieder zu erneuern. Wo Straton wohl blieb? Es konnte doch keine halbe Ewigkeit dauern, einen heißen Stein und Fiebermedizin zu organisieren, auch wenn es mitten in der Nacht war - aber gleichzeitig sagte ich mir, dass er wusste, was er tat, und sicherlich so schnell arbeiten würde, wie es nur ging. In solchen Dingen hatte ich mich immer auf ihn verlassen können ... so glitt mein Blick zurück zu Bridhe, und schweigend wachte ich über sie, wie man über einen Menschen wachen musste, der einem nicht egal war, der Bedeutung gewonnen hatte.

    "Shh ..." sagte ich leise, und schüttelte den Kopf. Sie sollte sich nicht zu sehr anstrengen, wenn einen das Fieber erst einmal befallen hatte, saugte es einem die Kraft aus dem Leib, unerbittlich, und nahm einem auch die kleinsten Anstrengungen übel, ich wusste das selbst nur zu gut. Jenes Fieber, das mir vor einiger Zeit mein Gedächtnis genommen hatte, war auch nur deswegen letztendlich machtlos gewesen, weil mich meine hingebungsvolle Pflegerin an so ziemlich allem gehindert hatte, was über das bloße Öffnen der Augen hinausgegangen war. Orestilla ... für einen kurzen Moment verirrten sich meine Gedanken in die Vergangenheit, zu ihrem Anblick, als sie mir gesagt hatte, dass sie von mir schwanger sei, als sie unseren Sohn auf dem Arm gehalten hatte, nachdem ich ihn vom Boden aufgehoben und damit anerkannt hatte. Es schien eine halbe Ewigkeit zurückzuliegen, und ich musste den Gedanken an sie mit Macht beiseite drängen, um nicht eine gewisse Wehmut zu empfinden.


    "Im Wasser ...?" echote ich auf ihre mühsam hervorgebrachten Worte, und dann wurde mir klar, was sie damit meinte. Sie hatte es tatsächlich getan, es versucht, und war offensichtlich gescheitert. Ob die Spuren in ihrem Gesicht damit zu tun hatten? Seufzend lehnte sich mich etwas vor, und legte den Arm um sie, um sie einfach zu halten. Wie verzweifelt musste sie gewesen sein ... ja, ich kannte es gut, dieses Gefühl, kein vorwärts und kein zurück mehr zu kennen, nur noch diese Flucht als Ausweg offen zu sehen, und dann - es hatte wohl jemanden gegeben, der ihr Tiberius Vitamalacus gewesen war, und diesem Menschen war ich gerade von Herzen dankbar. "Werde erst einmal gesund, Bridhe, dann sprechen wir über alles und finden einen Weg." Zornig war ich nicht, im Gegenteil, ihr Handeln, und auch, dass sie keine Hilfe gesucht hatte, erfüllte mich mit einer gewissen Trauer.

    Wir sind jung, mein Caius. Wie recht er doch hatte! In all den Dingen, die zu erledigen waren, in all den schwelenden Sorgen, die mich in den letzten Tagen und Wochen bedrückt hatten, hatte ich mich oftmals alt gefühlt, vor der Zeit zwanghaft gereift, in ein Leben gepresst, das mir ebensowenig passen wollte wie die Jungentoga, die man an jenem Tag ablegte, an dem einem der Vater das erste Mal öffentlich mit auf das forum nahm, damit man die Lebensart und Pflicht eines Mannes kennenlernte. Ich hatte vergessen, dass es mehr gab als die Pflicht und einige leidenschaftliche Stunden mit der ein oder anderen Frau, um die Pflicht zu vergessen, ein stetiger Strudel, der mir doch mehr an Kraft nahm als zurückgab - und seine Worte, die Worte des mir liebsten Menschen - rückten dieses Verhältnis mit einem harten Schlag und doch unendlich weich und zart zurecht. Hätte es noch mehr Grund gegeben, ihn zu lieben und zu begehren, wäre er mir in diesem Augenblick wohl klar geworden, aber ich brauchte dies nicht, um ganz der Seine zu sein und wohl zu bleiben bis in alle Ewigkeit, bis zum Ende unserer Leben. Während mein Leib brannte, ich mit jeder Faser meines Seins seine Nähe begehrte, herrschte endlich wieder Ruhe in meinem Inneren, und ich überließ mich nur zu bereitwillig dem tosend brennenden Feuer, das uns beide bewegte.


    Ich entledigte mich meines Gürtels, der ebenso unbeachtet zu Boden glitt wie zuvor der Stoff der toga, und ebenso wenig Hindernis für unsere Lust war sein Gürtel, der sich innerhalb kürzester Zeit neckisch und liebevoll an den meinen schmiegte - die Tuniken abzustreifen waren wir inzwischen seltsam traumwandlerisch sicher geübt, und obwohl meine Hände vor Begierde zitterten, blieb der Stoff doch ganz und offenbarte unser Geheimnis vorerst nicht. Und dann - nun, die Akten aus meinem officium fanden sich allzu schnell zu Boden gewischt, selbst das Tintenfass samt der Federn musste unserer Lust weichen, denn in Ermangelung eines Betts musste eben der Schreibtisch ein Instrument werden, dessen wir uns reichlich und mit keuchendem Atem bedienten, nach einigen heftigen Ruckern der Tischplatte stand sie sicher, und ich war wieder einmal froh, dass ich den Tisch in der Mitte des Raumes stehen hatte und nicht an der Wand, denn spätestens ein rhytmisches Krachen hätte einem jeden Menschen in der villa Flavia verraten, was wir taten. Es war ein Taumel, der meine Sinne so gefangen hielt, dass die Details vor meiner Erinnerung verschwammen, denn je näher wir uns kamen, je inniger wir verschmolzen, desto mehr wich die Realität vor meinen Augen davon, ließ mich einfach nur empfinden, genießen, kosten, und nach ungleich mehr verlangen, als ich jemals erhalten würde, dieser Hunger nach meinem Manius war der schlimmste und zugleich süsseste meines Lebens, stand er doch auch in seinen Augen, wenn er mich anblickte, während wir uns liebten.


    Ich biss mir irgendwann auf die Hand, um nicht meiner Lust zu laut Luft zu machen, und als sich irgendwann Manius' Zähne in meine Schulter schlugen, wusste ich, dass es ihm nicht anders ging, weiter führte uns dieser Reigen der Empfindung, umschlungen hielt ich ihn dann, das Gesicht in seinem dichten, weichen Haar vergraben, wie er auch zuvor sein Antlitz in mein Haar gewühlt hatte, und ich konnte kein Ende nahen fühlen, es ging einfach weiter, schneller, heftiger, es schien, als wollte es kein Ende nehmen, es durfte auch nicht enden, ich wollte nicht, dass es jemals endete, und als wir schließlich kurz nacheinander den Gipfel dessen überschritten, was wir miteinander am liebsten teilten, wusste ich doch auch, dass der Wunsch danach zurückkehren würde, dass es nicht genug war mit diesem kurzen, leidenschaftlichen Zusammensein auf meiner Schreibtischplatte. Nie würde es genug sein, nicht von ihm, und der Hunger nach ihm ließ alle anderen Menschen verblassen, unwichtiger werden, weil er es war, nach dem ich mich immer gesehnt hatte.
    Tief atmend hielt ich inne, mit weich gewordenen Knien, und hielt ihn, roch seinen betörenden Duft, fühlte seine Hitze, hätte ihn am liebsten niemals losgelassen, damit diese Vertrautheit nicht enden würde. "Mein Manius," wisperte ich leise in sein Haar, und damit war alles gesagt, was von Wichtigkeit war.

    Bona dea!! Ich warf einen kurzen Blick zu Lucanus hinüber, den ich im Augenblick um seine Tätigkeit, bei der er sich hinter seinem PDA verkriechen konnte, absolut beneidete. Noch ein paar Sprüche mehr aus dem Munde dieses zu Fleisch gewordenen Kriechinsekts vor mir und ich würde wahrscheinlich nicht mehr an mich halten können - den nächsten Amtsbewerbern mit dem Wunsch, tresvir capitalis zu werden, sollte man eigentlich vorher eine Warnung zukommen zu lassen.
    "Was die Christen angeht, werde ich mich eingehender über sie informieren - aber ohne einen Namen kann ich schlecht etwas unternehmen, das siehst Du doch sicher ein, oder? Ich kann nicht in die Kaserne der vigiles gehen und alle möglichen Männer mit diesem Verdacht konfrontieren, um dann zu hoffen, dass einer von ihnen vielleicht dumm genug ist, 'Ja, hier!' zu rufen, wenn ich nach Christen frage. Du sagst, der Mann kommt in Deiner Gegend öfter vorbei und Du hast ihn nicht nur einmal gesehen - dann frage Deine Nachbarn, ob sie ihn kennen, oder wen auch immer, Du kennst sicher viele Leute, die Dir gerne helfen werden. Undwenn Du den Namen hast, dann kehre zu mir zurück und wir kümmern uns darum. Andernfalls müsste ich Dich zu den vigiles mitnehmen und Dich unter den dort anwesenden Männern denjenigen auswählen lassen, den Du beschuldigst ... und er würde Dich dabei wohl unweigerlich sehen."
    Wenn der Mann ein so feiger Hund war, wie ich es mir dachte, würde er jetzt sicherlich einen Rückzieher machen - denn die wenigsten Denunzianten wollten von ihren Opfern auch gesehen und erkannt werden, wenn es ihm allerdings ernst mit der Sache war, würde er mir baldigst den Namen anbringen und ich konnte wirklich etwas tun - letztendlich schien diese Arbeit auch daraus zu bestehen, unter vielen Informationen die herauszufinden, die wirklich wichtig waren.