Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Ich straffte meine Gestalt etwas, sodass die Toga an meinem Leib, ebenso die reinweiße Tunika besser zur Geltung kamen. Irgendwie roch dieser Besuch vage nach Ärger, nach der Art von Ärger, der unwillkommen war, und auch weiterhin unwillkommen sein würde. Kurz überlegte ich, ob mein Verwandter sich in irgendwelche Schwierigkeiten manövriert hatte, aber es schien mir unwahrscheinlich. Er mochte zwar ein motivierter Politiker sein, aber ich hielt ihn der intrigantesten aller Geschäftszüge vorerst nicht für fähig. Furianus schien mir zu geradlinig zu agieren, um sich ernsthaft in Probleme zu bewegen, die in Prätorianeruniformen das Haus stürmten.


    "Nun, es ist nicht gerade sehr häufig, dass Prätorianer in eine Villa kommen und ..." mein Blick streifte zu den beiden miles, die an der Türe Stellung bezogen hatten. "... den Ausgang verstellen. Ich bin Caius Flavius Aquilius und mit wem habe ich das Vergnügen?" Meine Worte sollten eventuelle Fehleindrücke sofort zurechtrücken, hier stand nicht irgendein Klient herum, sondern ein Mitglied der Familie - und damit war die Grenze zwischen den beiden Männern und mir vorerst gezogen. "Furianus wird sicherlich gleich erscheinen, eure Ankunft war schließlich kaum zu überhören. Hat irgendein Sklave Ärger gemacht?" Immer dasselbe mit diesem Pack, dachte ich mir, denn das schien die wahrscheinlichste Lösung des ganzen Durcheinanders zu sein. Wahrscheinlich hatte ein Sklave des Hauses irgend jemanden beleidigt, der das ganze nicht auf sich beruhen lassen wollte. Dennoch blieb mein Blick auf dem Prätorianeroffizier liegen.

    Ich hatte ein gewisses Waffengeklirr vernommen, und da auch mich eine deutliche Neugierde auf die Vorgänge im Haus bewegte, erhob ich mich von der Bank im Innenhof, auf der ich mich zum sinnieren niedergelassen hatte, und schritt forsch in Richtung des Atriums aus, um mir anzusehen, was an diesem Abend in der Villa für ein Unterhaltungsprogramm geboten werden würde. Die Brauen kurz hebend, denn die Uniformen der Prätorianer waren in der bisherig recht luxuriösen Einrichtung der reinste Stilbruch, betrat ich den Raum und grüßte die Anwesenden.
    "Salvete. Was ist denn hier los? Gibt es hier irgendein Problem?" Ich sprach mit der Gelassenheit eines Familienmitglieds, das zumindest den Heimvorteil auf seiner Seite hatte - dass dieser Heimvorteil erst wenige Tage alt war, mussten die mir sämtlich fremden Leute ja nicht unbedingt sofort wissen.

    Auch ich betrat das Atrium und blickte mich unter den versammelten Klienten um - nichts verrät einem schließlich mehr über einen Mann als die Anzahl und die Art seiner Klienten. Ich war nicht ohne Grund darauf bedacht, meinen eifrigen Verwandten ein bisschen kennenzulernen, so hielt ich mich im Hintergrund und lauschte den Gesprächen der Männer, die sich nicht in direkter Nähe des Furianus befanden, in die Richtung des Sklaven steuernd, der die sportulae aushändigte.


    So ein Körbchen würde mich den ganzen Tag verpflegen, denn ich hatte vor, mir heute wieder einmal den Straßenstaub Roms auf die Toga zu holen und mich in der ewigen Stadt der Lügen, Intrigen und Machtinteressen umzusehen. So kam es ganz günstig, dass Furianus' Aufmerksamkeit gerade von zwei anderen abgelenkt war, ich ließ mir ein sportula aushändigen und steuerte den Ausgang des Raums an, dem einen oder anderen zunickend, als sei ich ein Teil der Gesellschaft ...

    Ich blieb bei meiner Wanderung über das Forum bei einem Redner stehen, der anscheinend gerade mächtig Gegenwind erhielt und beschloss, die Diskussion weiter zu verfolgen. Das war genau die Seite an Rom, die mir eine gewisse Übelkeit verursachte, nein, sogar eine ziemlich große Übelkeit. Ich verschränkte langsam die Arme vor der Brust und richtete mich auf ein längeres Stehenbleiben ein, um die Diskussion zu verfolgen - laut genug war der Mann gewesen, der gerade eben seine Stimme erhoben hatte.


    Irgend ein Klang in seiner Stimme erinnerte mich unangenehm an einen Kasernenhof, und die Art, wie er sich ausdrückte, noch mehr - es stand also eine sicherlich abwechslungsreiche Schlammschlacht bevor.
    "Rom, du stinkende fette Qualle menschlicher Unzulänglichkeiten, da bin ich wieder," murmelte ich. "Wie schön zu sehen, dass Du Dich überhaupt nicht verändert hast, seit wir uns das letzte Mal begegnet sind."

    Ich ließ mich auf das Bett fallen und legte die Beine hoch, während sich meine Gedanken wieder einmal nach Athen verirrten. Es schien schon eine halbe Ewigkeit her zu sein, dass mir die süsse Antiope den Rücken massiert hatte, bevor ich sie in meinen Armen zum Schreien und Stöhnen gebracht hatte. Und nun lag ich in einem Zimmer der Villa Flavia Felix, als Teil der Familie, der in Rom ausgesprochen unwillkommen war. Was machte ich eigentlich hier? Es wäre leichter gewesen, gleich nach Hispania weiter zu reisen, aber ich musste mir eingestehen, dass meine Sesterzenvorräte im leichten Leben Athens mehr zusammen geschmolzen waren als ich es gedacht hatte.


    Irgend etwas würde sich schon in Rom finden lassen, da war ich mir sicher - am besten eine Arbeit, bei der ich nicht viel tun würde müssen und genug verdiente, um meine Interessen zu finanzieren. Müßig streifte ich mir sowohl die Toga als auch die Tunika ab, nachdem die Sandalen auf den Boden gefallen waren, um mich unter das kühle Laken zu legen und mich in Morpheus Arme sinken zu lassen - die erste Nacht in der stinkenden, fetten Qualle Rom. Wenigstens kam der Schlaf bald zu mir und wischte alle Überlegungen und Sorgen fort.

    Ich folgte meinem Verwandten und war in Gedanken schon halb im Schlaf begriffen - dieser miese Tag endete wenigstens annehmbar, mit einem Bett, einem Dach über dem Kopf und vor allem keinen schnarchenden Nachbarn, dafür schienen die Wände dick genug zu sein.

    "Warum sollte das Volk einem Flavier nicht vertrauen?" Ich wusste genau, es gab tausend Gründe, und die meisten davon fingen mit M oder O an, aber so deutlich musste ich ihn ja nun auch wieder nicht entmutigen.
    "Es wäre mir durchaus recht, mich von der Reise erholen zu können, der Tag war lang und die Straßen wie üblich staubig - unser Gespräch können wir schließlich auch frisch und ausgeruht am morgigen Tag fortsetzen, wenn Du möchtest." Ein wenig gutes Wetter schadete nicht und dieses vage Zusammenkneifen der Augen bei meinem Hieb auf seinen Rücken befriedigte mich zumindest vorerst genug, um für diesen Abend mit Rom zumindest ansatzweise versöhnt zu sein. Jetzt noch ein Bett, Ruhe und ein paar Becher Wein und meine Welt würde wieder besser aussehen als noch am heutigen Morgen.

    "So hast Du sicherlich den Wunsch, dem cursus honorum weiter zu folgen - eine sehr gute Einstellung. Es gibt zuviele, die sich auf den ersten Ämtern drängeln und dann nicht mehr weiter schreiten, weil ihnen die Begabung und der nötige Einfluss dafür fehlen," erwiederte ich und ließ mein Lächeln andauern. Politik schien hier das Zauberwort zu sein, das mir Türen öffnen konnte, aber was wollte man von der übersättigten, fetten capitale auch anderes erwarten? Der ganze Dreck Roms musste schließlich auch irgendwo produziert werden und wer schien dazu geeigneter als die Männer, die sich tagtäglich in hohlen Phrasen über das Reich ergingen.


    "Ich danke Dir für Dein Willkommen - meine Sklaven mit dem Gepäck werden dann noch folgen, ich hoffe, ihr könnt hier ein cubiculum für mich erübrigen?" Es war eine rethorische Frage, aber ich stellte sie dennoch, immerhin würde sich kein Flavier ernsthaft dem Verdacht aussetzen wollen können, seinen Verwandten die Tür zu weisen - zumindest nicht den Verwandten, die noch ihre Sinne beisammen hatten. Ich trat also auf ihn zu, umarmte ihn nach bester Mannessitte und drosch ihm einmal kräftig die Rechte auf's Kreuz, damit er nicht glauben sollte, sich hier einen Schwächling ins Haus geholt zu haben - manchmal wirkten solche Gesten weit mehr als jedes Wort.

    Mein Gegenüber schien zum maulfaulen Teil der gens zu gehören, aber ich konnte ihn fast auch verstehen - schließlich wollte sich Furianus einem Fremden gegenüber sicher keine Blöße geben. Ich entblößte bei meinem Lächeln die rein weißen Zähne - auf solche Merkmale zu achten hatte ich früh gelernt, schließlich wirken gesunde Männer deutlich vertrauenserweckender als kranke.


    "Nun, auf lange Sicht natürlich, dieser Weg ist uns Flaviern schließlich nie fremd gewesen, nicht wahr? Aber ich halte nichts davon, die Dinge zu überstürzen und möchte mich erst in Roma akklimatisieren, schließlich ist eine politische Laufbahn sinnlos, wenn man kaum Leute kennt," sagte ich und wechselte das Standbein. Höflichkeit schien hier im Haus jedenfalls nicht gerade üblich, langsam sollte das obligatorische Anbieten von Wein und einer Nascherei zutage treten, aber vielleicht lag in diesem Fehlen auch eine verborgene Aussage meines Verwandten. Nein, Rom war definitiv nicht meine Stadt und würde es wohl nie werden, aber wie sagte man so schön? Alle Wege führen nach Rom, selbst wenn man in Athen gelebt hatte.

    "Nun, ich hatte gehofft, Aufnahme im Schoß der Familie zu finden," sagte ich lächelnd und beobachtete Furianus beim Nachdenken. Dass sein Verwandter gerade einiges nachzudenken hatte, war ungefähr so klar wie die Orakelsprüche der Sybille rätselhaft waren, immerhin dürfte er einige Schwierigkeiten haben, mich in das hispanische Flaviergeschlecht einzuordnen. Ich konnte die Gedanken förmlich hinter der Stirn des Furianus hin- und her huschen sehen, und es fiel mir zugegebenermaßen nicht ganz leicht, meine eher gleichmütige und gelassene Miene beizubehalten. Sollte ich ihn erlösen?


    "Rom bietet so viele willkommene Möglichkeiten der Fortbildung, dass ich kaum umhin komme, nach einem ausgiebigen Studium der Rethorik in Athen auch die hiesigen Möglichkeiten zu nutzen, scheint doch gerade die Schola Athenaiensis viele interessante Kurse alleinig in Rom zu veranstalten." Nein, ich würde ihn noch ein bisschen schmoren lassen. Sollte er ruhig darüber nachsinnen, ob ich dieselben frevelhaften Vorhaben ausführen würde wie Oryxa, ob ich wie Calpurnia eine ausgesprochen lästerliche Vorliebe für Plebejer an den Tag legen oder ob ich gar Obscuro nachschlagen würde. Mal sehen, auf was er von selbst kommen würde oder ob ich ihn in die richtige Richtung würde schubsen müssen.

    Ich drehte mich um und betrachtete den Mann, der mir entgegen kam - selbst hatte ich heute eine meiner besten und sauberen Togen angelegt, mit einer schlichten weissen Tunika darunter, wie es die Tradition wollte. Letztendlich kannte ich die Geschichten über den restlichen Teil meines Familienzweigs genug, um zu wissen, warum man mir mit Vorsicht begegnen würde, aber sei's drum, das eigene Blut konnte man sich nicht aussuchen, ebensowenig die Verwandtschaft. Wenn meine Nichte unbedingt unter ihrem Stand heiraten wollte, dann würde sie schon sehen, was sie davon hatte.


    "Salve, Lucius Flavius Furianus," erwiederte ich und musterte ihn genauer. Dass er Secundus' Sohn war, sah man ihm nur zu gut an, gemischt mit der üblichen Art, wie man sich eben in der verdreckten Lebensaussaugerin Rom verhalten musste, um voran zu kommen. "Nun, ich bin von meinen Studienreisen aus Achaia zurückgekehrt und habe vor, eine Weile in Rom zu bleiben." Diese Eröffnung würde ihm nicht gefallen, und ich wusste genau, welchen dicken Wurm ich ihm damit in seinen Apfel drückte. Ich schenkte ihm ein breites Lächeln der Sorte männlich-markant, vielleicht würde es ihm den Wurm versüßen, wenn er in den Apfel biss. "Und was liegt denn schon näher, als in Rom die Verwandtschaft aufzusuchen und alte Bekanntschaften zu vertiefen?"

    Irgendein Muskel in meinem Arm zuckte, und ich konnte mir nicht so recht erklären, warum ich diesem Sklaven für sein Benehmen nicht gleich Bescheid gab - er taxierte mich, als hätte er das Recht dazu, und das besaß er nicht. Ich hob das Kinn, nickte ihm nur knapp zu und trat ein, ohne ihn eines weiteren Wortes zu würdigen, denn an solches Gezücht verschwendete man besser kein Wort zuviel. Aus der Hitze der verdammten Stadt in die Kühle der Villa eintreten zu können, war in jedem Fall eine Erleichterung, aber es machte mir weder Rom noch diesen Sklaven in irgendeiner Form sympathischer.

    Ich blickte in das Gesicht des Sklaven und musste den Impuls unterdrücken, mir eine Peitsche reichen zu lassen - ein wenig höflicher hätte er schon sein können, aber nein, ich befand mich ja in Rom, der Stadt, in der selbst Sklaven das Benehmen ihrer Herren anzunehmen begannen, wenn man sie nicht dauernd beaufsichtigte und züchtigte. In sofern war dieser Sklave genau so passend zu Rom wie die sprichwörtliche Faust auf's Auge. Ideal für eine Rückkehr, wenn man sich nicht an den Ort gewöhnen wollte, an den man zurückkehren musste.


    "Ich bin Caius Flavius Aquilius, und ich will den Hausherrn sprechen - oder die Hausherrin, wer auch immer das gerade ist." Meine Augen jedoch sagten noch etwas mehr: Lass mich rein oder ich werde dafür sorgen, dass Du Ärger bekommst, je länger du mich hier an der Tür aufhältst. Ich begann, die Wärme Athens wirklich zu vermissen, genau wie die griechischen Sklavenmädchen mit ihren so geschmeidigen Fingern.

    Rom, immer noch staubig, immer noch die alte, dreckige Stadt am Tiber. Ich hatte sie nicht vermisst, ich würde sie nie vermissen, diese sich unter den tausend Strömungen der menschlichen Rasse aufblähende Qualle der Eitelkeiten - und doch hatte es auch mich zurück gezogen, als die Sesterzen weniger und die Weiber in den Hurenhäusern Athens immer langweiliger geworden waren. Und so stand ich nun vor der verdammten Villa, die ich nicht wiedersehen hatte wollen, und musste um Einlass bitten wie jeder x-beliebige Besucher - Rom war mir in den wenigen Stunden, in denen ich durch die Stadt geschritten war, wieder richtig sympathisch geworden. In etwa so sympathisch wie der Dreck, den man nach einem langen Tag per pedes von den Sandalen kratzen muss. So hob ich unmotiviert die Hand und betätigte den Klopfe an der porta, in der Hoffnung, nicht wieder in das narbige Gesicht des ianitors meiner Jugend blicken zu müssen.

    Ich wünsche mich meiner Familie anschließen zu können ... wie es einem Patrizier gebührt - und bitte um Freischaltung.


    Name: Caius Flavius Aquilius
    Stand: Civis
    Gens: Flavia
    Wohnort: Roma, Italia
    Alter: 26