Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    "Das einfachste wird sein, wenn wir die kultischen Handlungen dieser Göttinnen dann im Unterricht auch durchnehmen und zusehen, dass Du auch an öffentlichen Feiern teilnehmen kannst - dann wird es Dir sicher leichter fallen, Dich zu entscheiden," meinte ich überlegend und nickte dann zu meinen Worten bekräftigend. Ob im Ceres-Tempel noch Priesterinnen gebraucht wurden, wusste ich nicht, aber im Grunde brauchte jeder Tempel Nachwuchs, und das dringend - aber so deutlich konnte man das auch nicht vor einem senator erwähnen.
    "Ich denke, wir verbleiben vorerst so, dass Du zum Unterricht im templum Martis Ultoris erscheinst und teilnimmst - meine anderen beiden discipulae sind sehr freundliche junge Frauen, die sich sicher freuen werden, wenn sie Gesellschaft bekommen, und gemeinsam lernt es sich oft leichter."

    Während wir hinaus gingen und die vage Wärme des Tages um mich zunahm, die man im Tempelinneren nicht so deutlich zu spüren hatte, sann ich seinen Worten nach, erstaunt zwar, aber wohl auch akzeptierend, wie er sich selbst betrachtete - denn eine solche Betrachtungsweise konnte man nur schwerlich überhaupt ändern.
    "Warum solltest Du unwürdig sein? Du bist, wie ich Dich bisher einzuschätzen wage, ein ehrenhafter Mann, aus einer guten Familie, gesund, kräftig, und gut gewachsen - es gibt keinen Makel an Dir, der Dich vom Dienst an den Göttern zurückhalten könnte, zumindest will mir keiner auffallen. Letztendlich ist der Dienst als Priester eine Pflicht, in die man nach und nach hineinwächst, man beginnt nicht als allwissender Könner, sondern als Anfänger, und ich habe mich zu meiner Anfangszeit mit den öffentlichen Ritualen und Opfern mehr als schwergetan. Aber man gewöhnt sich mit der Zeit daran, und lernt auch, mit den Opfernden besser zurecht zu kommen."
    Ich war sehr versucht, ihm zu sagen, dass ich früher ausser viel Alkoholgenuss und noch mehr Frauen wenig Sinn in meinem Leben gehabt hatte, und dann durch den Dienst an Mars eine gewisse Richtung entdeckt hatte, der zu folgen sich lohnte - aber einerseits war ich der stillen Ansicht, dass ihn das wohl eher nicht interessieren würde, andererseits wollte ich auch nicht zuviel sagen, denn je mehr unpassende Dinge über mich bekannt waren, desto eher konnten sie mir irgendwann schaden.


    "Dass ich mit Dir hier hinaus gegangen bin, um Opfergaben zu erwerben, sollte Dir eigentlich genug sagen - dass ich gerne bereit bin, Dir Zeit zu widmen. Letztendlich bist Du ein Verwandter meines besten Freundes, dessen Charakter ich zu schätzen gelernt habe, und wenn Dir ein Gespräch helfen kann, etwas genauer Dinge einzuschätzen, will ich Dir gern ein Zuhörer sein," erwiederte ich schließlich nach einigem Überlegen. Gab es bei den Aureliern niemand, dem er sich anvertrauen konnte? Zumindest Corvinus erschien mir immer wie jemand, der ein offenes Ohr für die Menschen hatte, die er zu schätzen wusste, aber vielleicht lag es auch Cotta nicht unbedingt, so viel über sich selbst zu sprechen - das würde herauszufinden sein.
    Wir hatten einen meiner bevorzugten Stände erreicht, der nicht nur alle Waren führte, die man für ein Opfer brauchen konnte, sondern auch noch eine angemessene Qualität vorzuweisen hatte - zu allerdings nicht ganz geringen Preisen. Zumindest konnte man bei diesem Händler, einem sehr gewieften Gallier, sicher sein, dass man den Göttern am Ende keine verbackenen Kuhfladen oder ähnliche Geschmacklosigkeiten opferte. Jedenfalls war ich mir dessen recht sicher, eine wirkliche Sicherheit, ausser man probierte die Kekse und den Wein vorher, gab es nie.


    "Der Weg zum cultus deorum ist zumindest keiner, der Dich davon abhalten kann, auch im cursus honorum Ämter zu bekleiden - mein Vetter Gracchus ist einst einfacher sacerdos publicus des Iuppiter gewesen, bis er den cursus honorum durchschritt und senator wurde - heute ist er rex sacrorum. Und ich habe ebenso vor, bei der nächsten Wahl zu kandidieren, um meinem Familienzweig Ehre zu machen, wie es ihm gebührt," führte ich den Gesprächsfaden weiter und blickte ihn aufmerksam an, wieder einmal sein Gesicht beobachtend. Eine gewisse Familienähnlichkeit gab es wohl zwischen Corvinus und ihm, doch glaubte ich bei Cotta einen unversöhnlicheren Willen zu entdecken, gepaart mit einem sensiblen Mund ... eine interessante Mischung, zweifelsohne.

    Ich schmunzelte breit und tat schließlich einen gespielt entsetzten Seufzer, als sie mich als Schande für das Auge meines Gottes bezeichnete, musste dann aber lachen - wie einfach es war, mit ihr zu lachen, war gleichermaßen erstaunlich wie entspannend, und auch das war einer der Punkte, den ich an der Beziehung Manius' zu Antonia nicht recht verstand. Immerhin besaß sie Witz und Charme in hohem Maß, und auch wenn man einer Frau nicht so viel abzugewinnen vermochte, musste man doch erkennen, was für eine interessante Persönlichkeit sie war. Oder war er letztlich durch sein immerwährendes Gefühl, niemals genügend zu sein, zu sehr gehemmt? Ich würde es ihn niemals fragen können, soviel war sicher.
    "Ah nun, was soll ich denn mit den Sesterzen sonst anfangen, die sich bei mir ansammeln und die ich fast nie ausgebe?" scherzte ich zurück. "Dann bereite ich doch lieber jemandem eine Freude, bevor ich irgendwann daran ersticke." Zudem, das Geld zu horten lag mir nicht und würde es wohl nie tun. Das Erbe meiner Eltern war ein gewisser Hang zum guten Leben, zum Genuss all dessen, was sich einem auftat, wenn man es nur wollte.


    "Aber widmen wir uns erst der unangenehmen Pflicht, bevor wir zum angenehmeren Teil des Schmuckkaufs übergehen, was meinst Du? Je schneller ich diese furchtbare Stoffaussucherei hinter mir habe, desto besser," vor allem das weibische Geschwätz der Händler, die, wenn sie meine Fußkette mit dem elfenbeinernen Halbmond sahen, das große Geschäft witterten, wollte ich möglichst bald hinter mich bringen. "Ein, zwei neue togen und ein guter Haufen tunicen wären ganz passend, ich will nicht immer in weiß und dunkelrot herumlaufen, es langweilt nun doch etwas. Und die toga praetexta ist dann doch ein bisschen auffällig, wenn man einfach nur seine Ruhe will." Das für Jugendliche, Magistrate und Priester vorbehaltene Kleidungsstück schrie an einem erwachsenen Mann geradezu heraus, dass Straßenhändler hier Geld wittern konnten und lupae einen einträglichen Fang, und ich hasste nichts mehr, als beim Spaziergang belästigt zu werden.
    Ihr in die Augen blickend gab ich mich ganz in ihre Hände: "Kennst Du vielleicht ein passendes Geschäft für derlei?"

    Der Jüngling ließ sich auch durch Camillas bösen Blick nicht beirren, entschwand aber auf einen Wink von mir recht eilig - er wusste sehr genau, wer in diesem Haushalt letztendlich dafür sorgen konnte, dass er Ärger bekam, und wer nicht. Camillas Worte ließen mich in meinen Gedanken etwas innehalten, denn letztendlich war es dann doch ungewöhnlich, dass jemand ohne ein konkretes Ziel in den cultus deorum eintreten wollte.
    "Nun, als discipula ist eine Wahl noch nicht vonnöten, aber spätestens sobald die Ausbildung abgeschlossen ist, solltest Du Dich entschieden haben - letztendlich werden die sacerdotes schwerpunktmäßig ausgebildet, und ich kann Dir wohl allgemeines Wissen auch vermitteln, doch wird es Dir auf Dauer mehr nützen, wenn Du auch die Dinge lernst, die Du dann konkret anwenden musst."

    Ich war nicht wenig erstaunt, als sich Severa so eilig verabschiedete - was war denn plötzlich in sie gefahren? Wieder einmal wurde mir mit einiger Heftigkeit vor Augen geführt, dass ich von Frauen wohl immer wieder erstaunt werden würde. Aber welcher Mann konnte wirklich verstehen, was im Kopf einer Frau vor sich ging? Blinzelnd blickte ich ihr nach, und tauschte einen kurzen Blick mit Dolabella, dann holte ich tief Luft.
    "Sie wird sicher gleich zurückkehren, machen wir solange Pause. Wir haben jetzt so vieles erörtert, ein bisschen frische Luft wird auch Dir guttun," sagte ich und machte mich dann auf die Suche nach meiner entschwundenen discipula. Dass sie dann direkt vor der Tür stehen würde, die Augen noch ein klein wenig gerötet, als hätte sie geweint oder wäre kurz davor gewesen, hatte ich auch nicht erwartet, aber an manchen Tagen kamen die Überraschungen eben pfundweise.


    "Komm, gehen wir einige Schritte, Severa, und Du erzählst mir, warum Du weggelaufen bist. Es gibt nichts, das Dich so tief bestürzen sollte, dass Du die Einsamkeit suchen musst."
    Für einen kurzen, aber wirklich sehr kurzen Augenblick fühlte ich mich wie der Aufseher der heiligen Gänse, immer hinter dem schnatternden Federvieh herrennend, um dieses dazu zu bewegen, keinen Unfug anzustellen ...

    "Es ehrt Dich, dass Du für alle milites opfern willst, Aurelius Cotta, und manches Mal glaube ich gar, dass ein Weg in die Tempel dieser Stadt für Dich ein ständiger sein könnte," erwiederte ich und atmete einmal tief durch, dann hatte ich mich wieder völlig in der Gewalt. Es war die Übung nicht nur dieses Jahrs, die mir half, meine persönlichen Empfindungen von dem zu trennen, was meine Pflicht war, sprach ich bei den Opfern die falschen Worte, weil ich abgelenkt war, würde das niemandem nutzen. "Hast Du Dir jemals überlegt, Deiner Pflicht für Volk und Staat als sacerdos nachzugehen? Eine politische Karriere wäre Dir dadurch nicht verwehrt." Dann allerdings schüttelte ich leicht den Kopf, jetzt war sicher nicht der richtige Moment, um über persönliche Ausrichtungen zu diskutieren, vor allem nicht im Angesicht der Statue des Mars.


    "Ich werde Dir gern für ein Opfer zur Seite stehen, und dass Du keine Gaben dabei hast, sollte kein Problem sein. Wir müssen nur ein paar Schritte vor den Tempel machen, dort sind genug fliegende Händler unterwegs, die sich sicher freuen, ihre Kekse und Weinamphoren loszuwerden." Im Grunde waren der Tempel und die Händler ohnehin voneinander abhängig - wer vor dem Tempel noch Opfergaben kaufen konnte und sie nicht durch die halbe Stadt schleppen musste, opferte eher - und durch den stetigen Strom der Opfernden waren die Händler sicher, ein gutes Geschäft machen zu können. "Wollen wir einige Schritte hinaus machen?" Ich machte eine einladende Geste, würde es mir doch auch die Gelegenheit zu einem Gespräch etwas abseits des Tempels geben, und etwas genauer kennenlernen wollte ich diesen Verwandten meines besten Freundes in jedem Fall.

    "Es freut mich, die Verlobte meines Freundes kennenzulernen," sagte ich freundlich zu Deandra und lächelte sie ebenso an wie bisher jeden Gast dieser Feier. Dass sich Corvinus für eine schöne Frau entscheiden würde, hatte ich erwartet, dafür war er zu sehr Genießer, aber dass sie zudem auch noch eine warme, freundliche Stimme haben würde und unbefangen wirkte, hatte er mir nicht verraten. Mit etwas Glück würden sich alle Unstimmigkeiten, die er noch vor Tagen befürchtet hatte, auf Dauer auflösen und ich war mir dann ziemlich sicher, dass diese beiden ein schönes Paar abgeben würden. "Möchtest Du Dich vielleicht unserem gemeinsamen Opfer anschließen, oder ist es Dir lieber, dies mit Deinen Verwandten zu tun?" Irgendwo weiter hinten vermutete ich Claudius Menecrates samt Begleitung, und viele Töchter, ob nun adoptiert oder nicht, zogen es oft genug vor, eine gewisse Unabhängigkeit zu demonstrieren.


    Dass die beiden Frauen meinem Vorschlag, gemeinsam zu opfern, zugestimmt hatten, freute mich durchaus - letztendlich opferte ich oft genug alleine oder mit mir fremden Menschen, sodass es mir sehr wohl gefiel, angenehme Gesellschaft dabei zu haben. Severus war aufmerksam gewesen, was ich mit einem zufriedenen Nicken anerkannte, und überreichte mir die Amphore mit altem und neuem Wein, die ich beim Eintritt in die aurelische villa erhalten hatte, sodass ich nur einige Momente warten musste, bis auch Aurelia Prisca und Aurelia Helena mit Opferamphoren ausgestattet waren. Die anwesenden Gäste hatten sich langsam aber sicher in Richtung des Opfers bewegt, die ersten hatten bereits ihre Gaben dargeboten, weitere warteten geduldig. Für einige Momente lang lenkte mich der Geruch nach verbranntem Weihrauch ab - ich kannte ihn gut genug aus dem Tempel, um sogleich die Stimmung damit zu verbinden, die mich stets ergriff, wenn ein Opfer anstand.


    Bridhe hatte von mir zu Beginn des Abends auch einen kleinen Beutel mit Keksen erhalten, die ich für das Opfer an Iuppiter hatte zubereiten lassen - wer Meditrina ehrte, musste auch gleichzeitig an den Göttervater denken. Diesen ließ ich mir von ihr nun geben, und mit einer gewissen Zufriedenheit stellte ich fest, dass beide meine Sklaven am heutigen Abend wohl guter Stimmung zu sein schienen, warum sollten sie sich nicht auch an einem Festtag ein wenig entspannen? Letztendlich hörte kein Sklave auf, Mensch zu sein durch seinen Stand, und jeder Mensch bedurfte einer gewissen Abwechslung und Ruhe, um an anderen Tagen wieder das zu leisten, was man von ihm erwartete. Auch wenn einige Mitglieder meiner Familie dies anders sahen, ich war nie ein Schinder gewesen, der von seinen Sklaven das Letzte verlangt hatte.


    In der Warteschlange stehend, führte ich die kleine, begonnene Unterhaltung über das Reisen indes fort, damit sich meine Begleiterinnen nicht langweilen mussten - nichts mochte einen bei einem Fest mehr dauern, als ewig warten zu müssen.
    "Ich habe seinerzeit viele Wochen in Athen verbracht, und wenn es euch interessiert, berichte ich gern darüber - indes interessiert mich natürlich auch, wie andere diese polis wahrgenommen haben, an der sich die Geister gern scheiden. Nicht für alle ist ein Aufenthalt in Athen angenehm, da die achaischen Sitten auch heute noch nicht jedem gefallen." Eine kleine Diskussion mit Helena und Prisca würde mir vielleicht auch zeigen, wie beide dachten - nicht zuletzt war ich hergekommen, um die beiden Aspirantinnen für eine Ehe kennenzulernen, und eine Frau, mit der ich nicht auch ab und an meine Gedanken austauschen konnte, wäre auf Dauer sicher keine gute Wahl.


    "Hispana ist jedenfalls einen Besuch wert. Solltest Du einmal dorthin reisen wollen, lass auf keinen Fall Tarraco aus, Aurelia Prisca. Ich werde meinen Verwalter im Gut meiner Eltern anweisen, Dir für die Dauer Deines Aufenthalts Unterkunft zu bieten - Verwandte meines Freundes sind auf jeden Fall willkommen."
    Schmunzelnd quittierte ich Priscas Scherz mit einem leichten Lächeln und schon waren wir auch an der Reihe - als sie sich vom Altar abwandte, erkannte ich Claudia Callista und nickte ihr auch höflich zu, wnengleich nicht zu höflich. Vor den Augen der Gesellschaft kannten wir uns noch nicht, und das Echo unseres kleinen abenteuerlichen Ausflugs in einen verbotenen Gartens war allenfalls im Blick meiner Augen zu erkennen. Sie verstand es wirklich, sich zurechtzumachen, und ich konnte in diesem Moment gut verstehen, dass doch so einige Männer zu ihr herüberblickten, wie mir auffiel - oder sahen sie auch zu mir und meiner liebreizenden Begleitung? Aber wer hätte in einem solchen Moment nicht mit mir tauschen wollen ...


    Ruhiger nun trat ich vor den Altar und wartete ab, bis Prisca und Helena neben mich getreten waren, dann legte ich die Kekse für Iuppiter auf ihren Platz. Den Kopf hebend, sprach ich ruhig meine Worte des Gebets, wie ich es auch im Tempel getan hätte, auf den Klang der Stimme und die richtige Betonung achtend, um den Göttern nicht durch Nachlässigkeit Zorn zu erregen.
    "Iuppiter, Vater der Götter, Herr des Donners und der Blitze! Dir gebe ich diese Kekse zum Opfer, auf dass Du auch im folgenden Jahr auf uns wohlwollend herabblickst und dies ein erfolgreiches Jahr werden kann. Meditrina, Göttin der Heilung und des Weines, siehe diese Gaben, die das Alte und Neue vereinen, wie es Leiden und Heilung gleichsam tun: Wir danken Dir für Deine schützende Hand, auf dass Du sie weiterhin über uns halten mögest, wir danken Dir für die Linderung unser Leiden durch Deine Gnade und wir danken Dir für das Geschenk, das Du uns mit dem Saft der köstlichen Trauben bereitest. Wir trinken den alten und neuen Wein, um abermals zu erneuern, was unser Bund mit Dir ist: Das Versprechen auf ein süßes Leben im folgenden Jahr, in dem wir Dich und Deine Gaben ehren. Nimm diese Gaben als Geschenk von denen, die Dich ehren."


    Gemächlich goss ich den Wein in die dafür bereitstehende Schale und trat etwas beiseite, damit meine Begleiterinnen dasselbe tun konnten, während sich meine Gedanken auf den stummen Teil meines Gebets richteten, der die anderen hier nicht viel anging und allenfalls in Zwiesprache mit den Göttern, aber niemandem sonst geäußert werden würden.
    Iuppiter, ich bitte Dich, lass die Süße dieses Tages auch im folgenden Jahr in Gracchus' Leben eingehen, auf dass er sonnige Augenblicke erleben kann. Er ist Dein Priester, und ich bitte Dich, lass ihm all seine Pflicht nicht zu schwer werden. Meditrina, wenn es Dir möglich ist, achte auf meinen Vetter Aristides, der Dir von allen meiner Verwandten wohl am meisten opfert - lass ihn gesund zurückkehren zu seiner Verlobten und seiner Familie, damit das nächste Opfer an Dich wieder gemeinsam mit ihm stattfinden kann.

    Wie schon im letzten Jahr war ich auch in diesem für die Prozession ausgewählt worden - die Gründe waren offenkundig und lagen auf der Hand: Zum einen war es ausgesprochen peinlich, wenn einige meiner fettleibigen Priesterkollegen schnaufend und schwitzend morgens durch Rom zogen, weil der Weg vom Tempel zum Marsfeld für sie zu anstrengend wurde, zum anderen hatte ich langsam aber sicher das Gefühl, dass meine Arbeit im Tempel auf ein gewisses Interesse traf. Wenige Priester bildeten aktiv aus, was zum einen am geringen Nachwuchs lag, zum anderen aber auch an oft mangelnder Eignung. Eine gewisse Geduld war schon vonnöten, und auch der Hang dazu, Dinge erklären zu können - was mir zu Anfang schwer gefallen war, funktionierte inzwischen deutlich besser und ich hatte das Gefühl, dass meine Schülerinnen durchaus ebenso profitierten. Der dritte Grund lag sicherlich auch darin, dass ich regelmäßig meinen Körper ertüchtigte und deswegen die Dimensionen meiner Priesterkollegen sicher lange nicht erreichen würde.


    Belustigt beobachtete ich die Frauen am Straßenrand, die so offensichtlich dem - glücklich verheirateten - flamen Martialis nachseufzten. Aber wer hätte es ihnen verdenken können, er wirkte wirklich wie ein rechtmäßiger Priester des Mars, und ich hatte ab und an auch das Gefühl, von der einen oder anderen genauer betrachtet zu werden. Zugegeben, ich hatte auch auf die äußere Erscheinung geachtet, gerade zu einem Marsfeiertag konnte man es sich als einer Seiner Priester nicht leisten, schlampig herumzulaufen. Die toga praetexta war frisch gereinigt, dazu eine weiße tunica, was wollte man mehr? Die erwartungsvolle Stimmung der Menge ließ auch mein Herz höher schlagen, als der Zug das Marsfeld erreichte, und die Worte des flamen Martialis zogen wie ein schneller Ruf an mir vorüber, fieberte ich nun doch dem Rennen entgegen. Und schneller, als ich es gedacht hatte, ging es auch schon los - die Pferde rasten, die Menge jubelte, ja, das war ein Feiertag ganz nach meinem Geschmack, so sollte es sein, und nicht anders. An solchen Tagen konnten alle Sorgen verblassen ...

    Ich blieb ruhig, ruhiger, als ich es gedacht hatte. Nicht einmal wütend war ich, als berührte mich dies längst nicht so sehr im Inneren, wie ich es wohl gedacht hatte. War ich dabei, wie so viele andere Patrizier auch, im Inneren langsam aber sicher abzusterben, zu vergessen, wie es war, sich gefühlsmäßig zu beteiligen und mitzufühlen? Verständnis, ja, das konnte ich aufbringen. Aber ein distanziertes Verständnis, eher das eines Bobachters denn das eines Teilnehmers. Seltsam fühlte es sich an, sie so anzublicken und doch ruhig zu sein, jeder andere Mann hätte wohl anders reagiert. Langsam aber sicher begann ich zu begreifen, was Gracchus so sehr quälte, dass er sich alles verbat, jede Freude, jedes Zugeständnis.
    Dann begann sie zu sprechen, in der klangvollen Sprache ihrer Heimat, die so fremdartig wirkte, dass es mir schwer fiel, darin nicht ein schwermütiges Lied erkennen zu wollen, sondern eine Sprache. Lag es vielleicht daran, woher sie stammte, dass sie sich mit diesem Land schwertat? Es musste sehr anders sein, und doch, nun war sie in Rom, und wer in Rom war, musste sich an die Römer gewöhnen.


    Auch wenn ich die Worte nicht verstand, war der Sinn doch dank ihren Gesten nicht schwer zu verstehen - sie entschuldigte sich, und ich nickte schließlich, als Zeichen dafür, dass ich diese Entschuldigung annahm. Dass sie allerdings meine Hand auf ihren Leib legen würde, damit hatte ich nicht gerechnet - und es überraschte mich auf positive Art und Weise, zeigte es doch, dass sie zumindest vorerst bereit zu sein schien, ihre Rolle zu akzeptieren, als Sklavin zu leben, soweit es notwendig war. Ich hob die Hand langsam an, strich ihr über die Wange, wie man es wohl bei einer jüngeren Schwester getan hätte, um sie zu trösten, und meinte dann in wiederum beruhigendem Ton:
    "Schlaf jetzt wieder, Bridhe, wir haben noch Zeit. Du musst nicht tun, was Du nicht willst." Damit legte ich die Hand neben mir auf dem Bett ab, zog die Decke wieder etwas höher und streckte mich gemütlich aus, auf den Rücken rollend, ganz, als wollte ich noch eine Runde Schlaf einlegen. Damit war die Sache für mich erledigt, alles weitere würde sich irgendwann ergeben. Zumindest ein Anfang war es ...

    Ich hasste diese sabbernden Köter, ich würde sie immer hassen. Ginge es nach mir, wäre Serenus' Schoßtierchen längst aus der villa verbannt, aber nachdem sein Vater gerade im Krieg war und sich auch sonst niemand für seine Erziehung zuständig fühlte, war es ungemein schwer, diesem Misstand beizukommen. Vielleicht musste ich dem Hund einfach einmal ein dickes Stück Fleisch füttern, das ihn in den Hades befördern würde ... den Gedanken für später beiseite legend, registrierte ich das gewandelte Verhalten des Hundes mit einer gewissen Genugtuung. Letztendlich kam es nur darauf an, wer den stärkeren Willen besaß, und die Zeiten, in denen ich mich von einem Hund hatte einschüchtern lassen, waren längst vorbei. Ich streichelte dem Tier widerwillig kurz über den Kopf, damit es sich bestätigt fühlte, mich als jemanden zu akzeptieren, der kommandieren durfte, und wandte mich dann wieder meiner Begleiterin in diesem Abenteuer zu - wahrlich, ich hatte nicht nachgedacht, als ich mich vor sie gestellt hatte, und wurde nun dessen belehrt, dass es anscheinend auf Gegenliebe stieß.


    Schon lag sie wieder in meinen Armen, etwas nasser als zuvor, schien doch auch dieser Brunnen eine geradezu magische Anziehungsfähigkeit auf Frauen auszuüben - das hatten die Dichter allerdings bisher standhaft verschwiegen! - und nicht schwer war es, sie gänzlich anzuheben und sie auf meinen Armen zu tragen. Wie leicht sie doch war, und schon hüllte mich ihr Duft ein wie eine Umarmung, garniert mit ihren sanften, verheißungsvollen Lächeln. Dass mir das Herz dabei schneller schlug, war sicherlich nachvollziehbar, zudem, es war eine Weile her, dass ich eine Frau so gehalten hatte, im Augenblick schnell vorüberstreifender Gefahr.
    Es mochte diese Nacht noch ein bisschen wundersamer machen, der weiche Klang ihrer Stimme, das Gefühl ihrer Finger auf meiner Schulter, überhaupt, die Wärme ihres schlanken, fast zu schlanken Leibs an dem meinen. "So bleibt mir nur zu hoffen, dass nicht ein Träger goldener Reben vorüberzieht und mir die Stunden mit Dir unangenehm durch sein Schwert verkürzt," nahm ich ihre Worte auf und führte sie weiter, Nireus' Tod war ein so trauriger gewesen, wenngleich ein ehrenvoller im Kampf um Troia.


    Glücklicherweise hatte sie mich nicht mit Achill verglichen, es wäre eine recht zweischneidige Auszeichnung gewesen in meinen Augen. So dunkel waren ihre Augen, dass man fast meinen musste, die Nacht selbst darin zu erkennen, funkelnd mit Sternen durchzogen. War dies eine stumme Einladung?
    "Parva vehatur equo: quod erat longissima, numquam Thebais Hectoreo nupta residet equo,"* erwiederte ich auf die neuerliche Schmeichelei und schmunzelte etwas, das Größenproblem, mit dem Hector und seine Andromache zu kämpfen gehabt hatten, war sicherlich hier nicht vorhanden, ich überragte sie mühelos um einiges.
    Ob sie wohl Ovid jemals gelesen hatte? Einer Frau wie ihr traute ich das zu, sprach er doch von Genüssen, von Höhen und Tiefen gleichermaßen. "Wärest Du gern Andromache in den Armen Hectors, Claudia Callista?" Wie zur Bekräftigung meiner Frage, zog ich sie etwas an mich, ohne Gedanken daran, dass wir in einem fremden Garten standen, ihre Sklaven irgendwo in der Nähe warteten und zweifelsohne ihr Vergnügen dabei hätten, uns zu beobachten.


    Die Flamme war entzündet, und in der letzten Zeit hatte ich sie zu oft bezähmen müssen, heute und jetzt wollte ich es nicht schon wieder tun. Andererseits - wir kannten uns nicht, nur einige zauberhafte Momente lang bisher, und sie war Patrizierin, aus einer einflussreichen, alten Familie. Claudisches und Flavisches Blut gemischt, was würde daraus erwachsen? Ich wartete nicht ab, nicht auf die Antwort, die ohnehin in ihren Augen stand, wenn ich mich nicht getäuscht hatte, und meine Lippen legten sich auf die ihren, trocken, forschend, fordernd auf eine Weise, die keine Zweifel zuließ. Schmecken wollte ich sie, kosten, wie sie schmeckte, mich nähren von diesem Geschmack des lodernden Augenblicks, der schon zu lange nicht mehr zu schmecken gewesen war.
    Vielleicht waren wir einander gleich in diesem Hunger nach Leben, nach der Bestätigung, nicht irgendwo im Alltag untergegangen zu sein, im Wissen, dass es noch immer etwas gab, das einem das Herz schneller schlagen, das Blut heftiger pulsieren ließ - wie heiß fühlte sie sich an, und wie weich waren doch diese Lippen ..


    * Die Kleine soll reiten: Andromache saß nie rittlings auf Hector, weil sie himmellang war. (aus Ovid, Ars amatoria, Lib III, 777f)

    Zitat

    Original von Aurelia Prisca
    Gerade ertappte sich Prisca dabei, wie sie den Mann vor sich mit unverhohlener Neugier musterte und so setzte sie bei seinen Worten sogleich ihr strahlendstes Lächeln auf. Das Kompliment erwiderte sie mit einem gefälligen Nicken und einem leicht verlegenen Blick, den sie kurz über die Dekoration rings herum schweifen ließ, bevor sie den Blick wieder auf Caius richtete. "Es freut mich, das es dir gefällt und mehr noch freue ich mich, deine Bekanntschaft zu machen, werter Caius Flavius. ... du bist tatsächlich Priester?" die abschließende Frage rutschte Prisca aus reiner Neugierde heraus.


    Was für ein Lächeln! Die Aurelier schienen wirklich ein gewisses Maß an Lebensfreude in ihrem Blut zu tragen, auch Corvinus war bei unserem Freundegespann immer der Entspanntere, Fröhlichere und Unbeschwertere gewesen. Oft genug dachte ich, das flavische Blut könne nur schwermütige Grübler hervorbringen, oder allzu leichtlebige Wahnsinnige. Es würde der Familie sicher gut tun, ein wenig Sonne zu erhalten, soviel war sicher.
    "Aber ja, schon seit einiger Zeit. Ich betreue vorallem die Opfernden im templum Mars Ultoris und bilde derzeit einige discipulae aus, die ihrerseits später Dienst in den Tempeln tun werden."


    Ich lächelte sie offen an und insgeheim freute ich mich auch über ihr Interesse, es kam selten genug vor, dass ich zu meiner Tägigkeit ausgefragt wurde. "Wenn Du möchtest, kannst Du den Tempel gern einmal besuchen, und ich führe Dich dann herum und erkläre Dir alles. Wir haben immer wieder interessierte Besucher, auch wenn nicht jeder opfert. Gerade derzeit wirst Du allerdings einen buten Reigen an Bittstellern beobachten können." Für die Opferzahlen war der Krieg sicherlich günstig, aber andererseits - es war ein blutiges Geschäft.


    Zitat

    Original von Aurelia PriscaSehr überrascht war allerdings dann Prisca, als der Flavier sie und Helena nach Germanien fragte. Zu leugnen dort gewesen zu sein, war ohnehin nicht möglich, also erwiderte sie seufzend. "Ja leider! ... es ließ sich für mich nicht vermeiden auch diesen barbarischen Teil des römischen Reiches persönlich kennen zu lernen. Schrecklich! ... dabei gibt es doch soviele schöne Länder, die man stattdessen bereisen könnte, nicht wahr? "


    Germania interessierte mich, nicht zuletzt, weil mein Sklave Severus Germane war und der aufsässigste Mensch, den ich seit langem kennengelernt hatte - es musste wirklich ein sehr vielschichtiges Land sein. Aber das konnte man schlecht zugeben. "Nun, ich habe den Vorteil, in Hispania aufgewachsen zu sein und meine Studien in Athen und anderen Orten Achaias fortsetzen zu können - in sofern sind mir die zivilisierten Orte des Imperiums wohlbekannt, nur die unzivilisierten nicht unbedingt. Es fällt einem schwer, sich so kalte Winter auszumalen, wenn man die Sonne des Südens genießen kann. Habt ihr jemals schon Athen besucht? Wenn nicht, kann ich diese Stadt nur empfehlen - die Wiege der Philosophie nennt man sie nicht umsonst, an jeder Ecke steht irgendjemand und gibt seine Erkenntnisse zum besten. Bisweilen ist es wirklich sehr amüsant," erzählte ich, und meine Begeisterung über Achaia ließ sich schlecht verhehlen. Irgendwann würde ich dorthin zurückkehren, und wieder in den Tag hineinleben, wenngleich nicht für lange, nur als Erinnerung an eine vergessene Zeit.


    Zitat

    Original von Aurelia Helena"Ich muss mich Priscas Meinung anschließen. Auch ich konnte diesem Land nichts abgewinnen. Es hat sicher seinen eigenen Charme, doch dafür war ich wohl nicht empfänglich. Zumal ich kurz zuvor erst aus Hispania zurückgekehrt bin. Die Unterschiede könnten nicht größer sein."


    "Ja, Hispania lässt sich wohl kaum mit irgendeiner anderen Provinz vergleichen. Tarracos Gerüche kann ich mir bis heute ausmalen, und diese Sommerhitze, die zirpenden Grillen, und überhaupt, ein schneller Gang zum Meer, wenn einem der Sommer zu unerträglich wird ... wie kann ein Volk nur glücklich werden, das inmitten von Bäumen und Bergen hausen muss? Es ist kein großes Wunder, dass die Germanen so kriegslüstern sind," überlegte ich.
    "Jeder normale Römer würde wohl verrückt werden, müsste er in diesem Klima und in solcher Umgebung leben." Täuschte ich mich, oder hatte Aurelia Helena gerade entschieden wütend zu Corvinus geblickt? Vielleicht hatten sie gestritten, was in den besten Familien vorkam, und gerade an einem Tag voller Hektik und dringend zu erledigender Dinge wie bei einem stattfindenden Fest wohl auch kaum erstaunlich. Es blieb nur zu hoffen, dass sie sich nach dem Opfer wieder versöhnten, an einem solchen Tag verärgerte Uneinigkeit die Götter.


    Ich jedenfalls war keineswegs uneins, sondern stellte fest, wie gut ich es dann doch getroffen hatte. Claudius Menecrates, der von einer dauernd nörgelnden Frau begleitet war, wirkte weit weniger festlich, als ich mich fühlte, aber Kunststück, wenn man gerade die Gesellschaft zweier reizender junger Frauen genießen durfte, konnte man kaum schlecht gelaunt sein. Als Corvinus zum Opfer schritt und dieses durchführte, blickte ich zu Aurelia Prisca und Aurelia Helena, leicht lächelnd, um meinen Vorschlag zu machen: "Wollen wir gemeinsam opfern? Dann werden die anderen Gäste nicht zu lange aufgehalten, als wenn ein jeder einzeln sprechen würde." Nichts war bei solchen Festen schlimmer als eine sich bildende, wartende und über Nichtigkeiten schnatternde Opferschlange.

    Die Spiele waren nie mein Fall gewesen, sie würden es wohl nie werden. Auch wenn es hier gute Kämpfer gab, die sich gegenseitig einen harten Kampf lieferten, gefiel mir doch der Gedanke nicht daran, dass die meisten von ihnen diesen Weg nicht freiwillig gewählt hatten. Ein Soldat, der sich verpflichtete und länger verpflichtete, wenn die erste Dienstzeit abgelaufen war, konnte sich selbst aussuchen, was er tat, wohin er ging, dass er überhaupt dieses Leben führte. Aber ein Gladiator war doch zumeist ein Sklave, dem man eine Waffe in die Hand gedrückt hatte, damit er immer und immer wieder sein Leben zur Belustigung der Menge verteidigen musste. Irgendwann vielleicht würde er dadurch freikommen, aber sicher war dieser Weg keineswegs. Und mit der ehrlichen, offenen Feldschlacht, die Mars bevorzugte, hatte das nicht das Geringste zu tun. Für die kämpferische Ausbildung allerdings, die mein Sklave dringend nötig hatte, allein, um sich einmal den ganzen Ärger über sein Dasein abzutrainieren, kam mir die Möglichkeit, ihn in einer Gladiatorenschule kämpfen zu lassen, gerade recht.


    Und so hatte ich mir in meiner Mittagspause die Zeit genommen, die Fortschritte Severus' selbst zu beobachten, zwei Wochen waren nun seit seinem ersten Kampftag ins Land gegangen und ich war gespannt darauf, ob ihm dies bisher schon das ein oder andere gebracht hatte. Der lanista dieser Schule war ein altgedienter Gladiator und ein kluger Mann, ich hatte ein konstruktives Gespräch mit ihm geführt, als ich ihm mein Problem geschildert hatte - und die Summe Sesterzen, die für die Ausbildung meines Sklaven den Besitzer gewechselt hatte, mochte ihr Übriges dazu getan haben, ihm ein gutes Training angedeihen zu lassen. Mühevoll hatte ich vor der Arena den Laufburschen des geschäftstüchtigen Souvenirladens loswerden müssen, der darauf bestanden hatte, mir irgendwelchen Kram anzudrehen, der sich mit den Kämpfen beschäftigte - als ich ihm klargemacht hatte, dass ich weder das Gesicht irgendeines Kämpfers über mein Bett hängen noch Bilder von Kampfszenen als "Entspannungsvorlagen" benutzen wollte, konnte ich endlich die Gladiatorenschule betreten.


    Antaeus, der als eine Art Wachhund und Weibchenabschrecker fungierte, führte mich bereitwillig in das Innere des Gebäudes - Sesterzen öffneten eben immer Tür und Tor - bis ich auf der Empore stand, die für private Spielebesucher gedacht war. Von dort hatte man einen ausgezeichneten Blick auf das Sandoval der Arena und ich blickte eine Weile konzentriert hinab, ob ich die Gestalt meines Sklaven unter den dort trainierenden Kämpfern ausmachen konnte.

    Ich klatschte einmal scharf in beide Hände, was genügte, um einen unserer Sklaven herbeizurufen - Camillas Wunsch hatte ich mit einigen Worten schnell erläutert, und der blondgelockte Junge stob eilends davon, um ihr das Getränk zu bringen. Erst dann machte ich eine einladende Geste zu den gepolsterten und bequemen Sitzbänken hin, die unser Gespräch, wie es üblich war, in einen persönlicheren Rahmen führen sollte. Nur Boten, Sklaven und ungewünschte Besucher ließ man stehen ...
    "Nun, ich bin ein bisschen überrascht über diese Eröffnung, aber auch erfreut. Gerade aus den hohen Häusern dieser Stadt ist der Nachwuchs für die Priesterschaft leider sehr gering, und eine Tiberierin wird sicherlich ein wichtiges und notwendiges Zeichen für andere setzen können," erwiederte ich freundlich, als wir alle saßen. Einige Momente lang sann ich dem Gedanken nach, woher ich den Senator kannte, sein Gesicht jedenfalls hatte ich schon einmal gesehen. Irgendein Fest, wobei ich bei den meisten Festen schnell dafür sorgte, soviel wie möglich zu trinken, um das Geschwätz der meisten Gäste zu ertragen ... sicher war ich mir jedenfalls nicht.


    "Der Zeitpunkt ist jedenfalls sehr günstig, ich habe gerade zwei relativ neue discipulae in Ausbildung, und der Unterricht ist noch nicht so weit fortgeschritten, dass man nicht hinzukommen könnte, ohne viel verpasst zu haben. Hast Du Dir schon ausgewählt, welcher Göttin Du dienen willst, Tiberia Camilla?" Der Sklave kehrte zurück und servierte den Becher Wasser auf einem kleinen Silbertablett, nicht ohne die hübsche Besucherin schelmisch angelächelt zu haben. Ich tat gekonnt so, als hätte ich es nicht bemerkt, und blickte sie aufmerksam an. Ob sie diese Entscheidung aus freiem Willen oder auf Wunsch ihrer Familie getroffen hatte, interessierte mich doch sehr.

    Zitat

    Original von Marcus Aurelius Corvinus
    Aquilius' Worte beantwortete ich mit einem Grinsen und dem Hinweis: "Warte erst einmal das Programm ab, mein Freund, ehe du uns über den Klee lobst. Um das passende Ambiente haben sich haptsächlich zwei Damen gekümmert, die ich dir gern vorstellen möchte." Suchend sah ich mich nach Prisca und Helena um. Einen vorübergehenden Sklaven mit einem Tablett wies ich an, Prisca und Helena zu organisieren. Als die beiden bei uns angekommen waren, deutete ich nacheinander auf Helena und Prisca. "Meine Base Helena und meine Nichte Prisca." Zu den beiden gewandt fuhr ich fort: "Dies ist Caius Flavius Aquilius. Er ist mein bester Freund und noch dazu ein verdammt guter Marspriester."


    Es war wirklich schon recht voll hier, voller, als ich gedacht hatte, und da sich Cotta zu anderen Gästen abseilte, blieb ich vorerst bei Corvinus stehen, um seine Begrüßung mit einem Lächeln zu quittieren. "Nun, der erste Eindruck ist doch häufig entscheidend, und bisher muss ich sagen, ist dieser durchaus gelungen. Nicht zu opulent, doch auch nicht zu wenig .. wie es eben sein sollte."
    Ich hob etwas fragend die Augenbrauen, als er mir erzählte, wer das Fest organisiert hatte, doch die Namen erkannte ich sofort, handelte es sich doch um die beiden Frauen, wegen derer ich mich heute vergleichsweise stark herausgeputzt hatte - wenngleich ich bei weitem nicht so viel schmuck trug wie manch anderer, wie ich erleichtert hatte feststellen können. "Salvete, Aurelia Helena, Aurelia Prisca - euer Verwandter meint es heute wahrlich gut mit mir, dass er mir gleich zwei der herausragendsten Schönheiten dieses Abends an die Seite stellt - was soll man sagen? Bisher ist die Dekoration überwältigend, und ich möchte euch beiden meine Anerkennung dafür aussprechen."


    Herrjeh, ich klang gestelzt wie ein eitler Geck, das war nicht gerade die ideale Eröffnung für ein lockeres, zwangloses Kennenlernen. Wenngleich dieser Abend nicht wirklich der Rahmen war, den ich für ein Kennenlernen meiner künftigen Braut bevorzugt hatte - aber was wollte man tun, hier hiess es eindeutig Augen zu und durch. Corvinus hatte sich wieder davongemacht und mich den beiden Damen sowie meinem Schicksal überlassen - in einer stillen Stunde würde ich ihm noch sagen müssen, was ich davon hielt, zumindest eine kleine Brücke hätte er mir schlagen können, aber so beließ ich es bei einem freundlichen Lächeln und betrachtete sowohl Prisca als auch Helena wohlgefällig. "Was erwartet uns denn heute abend noch ausser dem Opfer? Ich weiss, es ist eine neugierige Frage, aber angesichts dieser guten Vorbereitung kann man als Gast nur noch auf weitere Überraschungen hoffen ..."


    Wie sollte ich mich jemals entscheiden? Zwei junge Frauen ohne einen sichtbaren Makel, die beide freundlich und nett wirkten - es würde zweifelsohne der schlimmste Abend werden, den ich seit langem hatte durchstehen müssen. Kurz glitt mein Blick über die in Bewegung kommende Menge, als weitere Gäste eintrafen, und ich registrierte nur unbewusst, dass sich das Rätsel um Claudius Menecrates' Fernbleiben der letzten Salierversammlung offensichtlich gelöst hatte, er schien in Rom zu sein, offensichtlich hatte er den Termin nur versäumt - hoffte ich für ihn. Seine weibliche Begleitung ließ mich kurz innehalten - hatte sie dasselbe Muster an ihrer Kleidung wie ich? Dieser Bastard von Händler würde noch sein blaues Wunder erleben, hatte er mir meinen Stoff doch asl Unikat aufgeschwätzt. Den Ärger über diesen Vielschwätzer gekonnt unterdrückend, wandte ich mich wieder den beiden Frauen zu. "Meinen Freund musste ich ja leider durch seine Abwesenheit in Germania lange missen - habt ihr diese Provinz ebenso bereist?" Ich hasste Smalltalk, ich würde ihn nie lieben. Wahrlich nicht. Viel zu wenig Substanz, aber mit athenischen Philosophien konnte ich zu Beginn des Festes sicher niemanden interessieren. Schätzungsweise auch nicht zum Ende des Festes.

    Nachdem mir der Sklave meinen Besuch angemeldet hatte und mir ebenso kundgetan hatte, dass die beiden Tiberier ordnungsgemäß im atrium zwischengelagert worden waren, blieb mir nichts, als mich aufzumachen und mich ebenso dorthin zu begeben, allerdings doch mit der ein oder anderen Frage im Hinterkopf. Der einzige Tiberier, mit dem mich irgend etwas verband, befand sich in Parthia, und Tiberius Durus war mir nur vom Namen her ein Begriff. Vor allem, wieso war er in weiblicher Begleitung hier? Ich konnte mich zumindest nicht daran erinnern, einen Angriff auf die Tugend einer Tiberierin gemacht zu haben, in sofern waren die Umstände dieses Besuchs mehr als rätselhaft.
    So schritt ich, angetan mit einer einfachen weißen tunica, zu meinen beiden Besuchern und grüßte sie mit einem freundlichen Lächeln.
    "Salvete, Senator, junge Dame und willkommen im Haus der gens Flavia - was kann ich für Euch tun? Darf ich euch vielleicht zufürderst ein Getränk anbieten?"

    Meine Sklaven im Schlepptau - ich hatte mein Gastgeschenk an Severus übergeben, um nicht mit vollen Händen in der Villa umherlaufen zu müssen, betrat ich das aurelische Heim, das ich in ausgesprochen angenehmer Erinnerung bewahrt hatte. Kurz umspielte ob dieser Gedanken ein Schmunzeln meine Mundwinkel, aber angesichts der vielen schon anwesenden Gäste beließ ich es bei einem höflichen Lächeln. Bridhe oblag es, den perfekten Sitz meiner Tunika zu verantworten, ebenso ließ ich sie die Falten der toga ein letztes Mal ordnen, bevor ich mich gänzlich zu den Gästen gesellte, denn an einem solchen Abend war es wichtig, dem Rang unserer gens entsprechend aufzutreten.
    Ich hatte deswegen auch nicht an Sesterzen für die Kleidung gespart, die blütenweiße toga war ebenso neu wie meine smaragdgrüne tunica, welche dem Anlass entsprechend eine gold-silberne Weintrauben-und-Weinblätter-Stickerei am Halsausschitt und den Säumen aufwies; wie mir der Händler wort- und gestenreich versichert hatte, sollte diese Farbe ausgezeichnet mit meiner gebräunten Haut und dem hellblonden Haar harmonieren, eine Wirkung, die ich selbst immer eher als zweifelhaft empfand.


    Goldene, dünn geschlagene und breit geformte Armreifen an beiden Handgelenken vervollständigten neben einem Weinlaubkranz meine Aufmachung, mehr Schmuck wollte ich auch nicht tragen, es ließ die meisten Männer dann doch unangenehm weibisch wirken. Der Tradition entsprechend hatte ich auch mit Ringen gespart, hatten nicht schon die Annalisten jene Senatoren verspottet, die sich zu überreichlich geschmückt hatten und stattdessen eher karg an Mut und Beredtsamkeit gewesen waren? Suchend blickte ich mich einige Augenblicke lang um, meinen beiden Sklaven bedeutend, sie mögen sich etwas zurückhalten und sich an die aurelischen Haussklaven halten - die wenigsten Römer schätzten es, von einem Pulk an Sklaven umgeben zu sein, wenn es um Feiern ging. Da, endlich, hatte ich ein bekanntes Gesicht erspät, und kurz darauf ein weiteres - Aruelius Cotta und meinen Freund Aurelius Corvinus. Lächelnd hielt ich auf die beiden zu und grüßte gut vernehmlich.
    "Salvete ... was für ein ausserordentlich guter Abend für ein Fest und Opfer an Meditrina. Und was für ein angemessener, schöner Rahmen ... bislang bleibt mir nur festzustellen, dass die gens Aurelia zu feiern versteht."

    Während ich die Worte der beiden Sklaven von draußen vernahm, machte ich mich halbherzig dazu bereit, aus der Sänfte zu klettern - ein weiterer Wink bedeutete Bridhe, den Vorhang anzuheben, damit ich ungehindert hinaus kam, dann war ich schon auf die Straße getreten, straffte meine Gestalt und machte mich innerlich für den Abend bereit. Leones aussergewöhnlich lächerlicher Aufzug allerdings ließ mich kurz innehalten - die Aurelier schienen die Meditrinalia anscheinend mit einer Generalbestrafungsaktion für aufmüpfige Slaven zu verwechseln, und wenn man seine Kleidung betrachtete, musste dieser Mann ein sehr aufmüpfiger Sklave sein - mit einem Höchstmaß an patrizischer Contenance sah ich über diesen Aufzug hinweg und nickte ihm freundlich zu, als er mich mit dem Gedicht begrüßte.


    "Sei bedankt für diesen freundlichen Empfang und das Gedicht," damit nahm ich den Weg in das Innere auf und nickte sowohl Bridhe als auch Severus zu, mich nun zu geleiten - wohlweislich blickte ich Leone dabei nicht mehr an, denn hätte ich nur einen Augenblick länger diesen Anblick genießen müssen, hätte ich wohl schallend herausgelacht. Im Stillen nahm ich mir vor, Corvinus später nach der Bewandnis dieses lächerlichen Aufzugs für einen ianitor zu befragen und gng in das Innere der Villa, um dort das Gastgeschenk entgegen zu nehmen und mich unter die Gäste zu mischen...


    Die Laune des gewohnt miesepetrigen ianitors der flavischen Stadtvilla hellte sich auch jetzt nicht auf, als der Besuch einen Namen bekam - schätzungsweise hätte er selbst den Kaiser zuerst versucht rauszuwerfen, zumindest munkelten das einige andere Sklaven des Haushalts hinter vorgehaltener Hand.


    "Der Herr ist zugegen, und ich lasse ihn benachrichtigen. Wenn der dominus und die domina solange im atrium warten wollen?"
    Mit diesen Worten winkte Acanthus einen jungen Sklaven mit einem kurzgeschnittenen Blondschopf herbei und trug ihm auf, die Besucher ins atrium zu führen.

    Der Sklave führte den Senator und seine Verwandte mit einem Lächeln in das Innere der flavischen villa - die Wandfarbe schien erst vor kurzem aufgefrischt worden zu sein, ebenso die Goldornamente, welche den Eindruck eines recht prächtigen Lebensstils noch unterstrichen. Kurz gesagt: Die typische villa einer einflussreichen und zudem noch nicht ganz verarmten patrizischen Familie. Auch das atrium mit einer Mischung aus Eleganz, einer ansprechenden Dekoration aus Möbelstücken, Pflanzen und einem sauber geschrubbten impluvium atmete den Geist des Gebäudes und verriet zum Reichtum auch noch eine aufmerksame und sorgsame Sklavenschaft, wie man es erwarten konnte.
    "Bitte wartet hier auf den dominus," erhob der blondgelockte, junge Sklave die Stimme und neigte ehrerbietig denKopf, bevor er sich umwandte, um in einem der zum atrium führenden Korridore zu verschwinden, zweifelsohne auf der Suche nach dem gewünschten Haushaltsmitglied.

    "Was immer Aristides geschehen sein mag, ich weigere mich zu glauben, dass er tot ist," erklärte ich mit einiger Bestimmtheit. "Denn wäre dem so, hätte es mir Mars gezeigt, er ist kein Gott, der die Menschen ewig rätseln und raten lässt. Letztendlich glaube ich, dass wir noch einige Tage warten müssen, bevor wir eine eindeutige Nachricht erhalten, und dann auch Gewissheit erlangen können. Hast Du die Kinder gehört? Es kann kein Zufall sein, dass sie ausgerechnet hier Römer gegen Parther spielten, das geschieht hier vor den Tempeln selten genug, die wenigsten Kinder trauen sich ohne Eltern hierher."
    Ein bisschen beruhigte ich mich auch selbst mit diesen Worten, und wie so oft lächelte ich einfach, um die letzten Zweifel auszuräumen. Ein Lächeln besaß sehr oft eine seltsame, übergreifende Macht, die Dinge besser erscheinen ließen, als sie waren. Dass ich noch immer Sorgen wegen Aristides' Schicksal hatte, musste Cotta nicht wissen ... und ich würde sie mit niemandem teilen.


    "Wenn Du also opfern willst, stehe ich Dir gern zur Seite ... inzwischen haben wir uns ja auch aneinander gewöhnt." Ich ließ ein schalkhaftes Augenzwinkern folgen, in Cottas Nähe fühlte ich mich durchaus wohl und das sollt er ruhig merken. In unserer Gesellschaft war es selten genug, dass mir überhaupt jemand auf lange Sicht sympathisch war, und dass er sich um meinen Verwandten sorgte, sprach sehr für ihn.