Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    "Ich bin mir sicher, euer beider Sohn wird wohl geraten und euch zur Freude Anlass geben," sagte ich lächelnd und stellte mir insgeheim schon vor, wie ein wild gewordener Racker die Vasen und Ziergegenstände hier in der villa von ihren Podesten fegte, während beide Elternteile verzweifelt versuchten, ihn wieder einzufangen, eine hinter ihm her laufende Sklavenschar inclusive. Jeder Junge musste schließlich auch einmal wild sein können in seinem Leben, wir hatten diese Phasen alle irgendwann einmal durchlaufen, auch wenn es bisweilen schwer fiel, sich daran zu erinnern. "Und ein wenig Lebensfreude können wir alle gut gebrauchen. Dieses Haus ist ohnehin viel zu oft viel zu trüb, man mag an manchen Tagen gar nicht nach Hause kommen, so still ist es hier. Das Lachen des kleinen Gracchus hat schon viel dazu beigetragen, die villa Flavia lebenswerter zu machen." Vor allem, wenn man aus hispanias Sonne stammte, war diese doch oft als sehr düster erscheinende Lebenssituation in Rom nahezu unerträglich. Wie konnte man es hier nur auf lange Sicht aushalten, ohne ausbrechen zu wollen? An manchen Tagen schien mir die düstere Stimmung wie ein bleierner Schleier auf allem zu liegen.


    Als sich Antonia dem Frauen-Thema zuwandte, musste ich schmunzeln. "Ach, ich suche nicht nach Perfektion, ab und an eine Herausforderung würde mir schon reichen. Intelligente und gleichzeitig interessante Frauen in dieser Stadt sind einfach zu selten, und wenn ich sie dann finde, sind sie zumeist schon verheiratet ..." Damit ließ ich meinen Blick länger in dem ihren verweilen, als es statthaft war, mein Schmunzeln wurde breiter - sie hatte sicher nicht den Brunnen vergessen, ich jedenfalls hatte es nicht und erinnerte sie gerne daran. Aber schon holte mich die Realität in Form von Antonias Worten über Bridhe wieder ein. "Antonia, ich bin ein Mann, und ich habe inzwischen gelernt, einer schwangeren Frau gegenüber Nachsicht zu üben, ob nun Patrizierin oder Sklavin, gerade die letzten Wochen sollen ja abscheulich unangenehm sein, in sofern nehme ich vieles von dem, was ich an solchen Tagen höre und sehe, weniger ernst, weil es nicht die ratio ist, die aus einer solchen Frau spricht, sondern einzig und allein der Wunsch, die Last bald loszuwerden. Aber wenn Du mir sagst, wie sie Dich beleidigt hat, werde ich sie angemessen bestrafen, sei Dir dessen sicher."


    Wahrscheinlich irgendein heil- und sinnloses Frauengezänk, dachte ich bei mir, und ich hätte es wohl dabei bewenden lassen, wäre Bridhe nicht gerade in mein tablinum geplatzt.
    "Bridhe? Geh in mein cubiculum und warte dort auf mich, wir werden uns gleich nachher unterhalten." Wenn sie klug war, verstand sie den Hinweis. Hoffentlich regierte im Augenblick nicht ihr Bauch, sondern ihr Verstand.

    Bei wenigen Menschen hatte ich eine Anziehung verspürt, die über das rein körperliche hinausging, und Gracchus war der einzige, dessen Worte allein mich zu entzünden vermochten, sei es im tiefen Herzen, sei es im Leib selbst - dass er mir all jene Dinge sagte, die ein jeder liebender Mensch wohl hören will, und immer wieder zu hören erhoffen mag, ließ mich ungleich mehr für ihn brennen, und das Verlangen, ihn mir ganz und gar zu eigen zu machen, sein Herz, seinen Leib, seine Seele, wusste ich, würde mich niemals verlassen, solange seine Wirkung auf mich so vollkommen war. Hatten wir uns nicht gegenseitig gefangen, exotische Vögel in edlen Käfigen, verdammt dazu, sich die meiste Zeit hinter diesen Gittern nur zu betrachten, nicht aber berühren zu können? Er hatte den seinen Käfig, ich den meinen, und uns beiden gehörte wenig mehr vom anderen als das Wissen um die Tiefe dessen, was uns verband. Ein jedes seiner Worte schien die Verbindung zwischen uns dichter weben zu wollen, vollendeter gestalten zu wollen, damit wir nicht vergaßen, nie vergessen würden. Wenn der Weg über den Styx einmal anstehen würde, würde ich wohl nur auf ihn warten, um gemeinsam in das Dunkle zu schreiten.


    "Wie auch ich der Deine bin, Manius, solange nur ein Funken Leben in mir steckt, und über den Tod hinaus. Wenn ich Schönes sehen will, denke ich an Dein Gesicht, wenn ich die Reinheit und Klarheit eines Intellekts bewundern will, an Deine Worte, wenn wir diskutieren, wenn ich entbrennen will, so ist es Dein Leib, den in meinen Armen ich halte. Ach Manius, mein Manius, auch wenn die Ewigkeit wir nie erreichen werden, ich werde sie mir doch stets wünschen, und mir wünschen, sie mit Dir teilen zu können." Seine Berührung hatte das Feuer durch meinen Leib schießen lassen, das er stets hervorzurufen imstande war, aber da er sich abgewandt hatte, blieb ich an Ort und Stelle, selbst wenn alles in mir nach ihm schrie. Wann hatten wir einander schon, wieviel Zeit war uns überhaupt vergönnt? Diese Welt schenkte uns wenig genug. "Besitzen will ich Dich nicht, Manius, der Gedanke daran, Dich in den Käfig meiner Begierden zu sperren, dauert mich .. frei will ich Dich sehen, und wenn Dein freier Wille es ist, der Dich zu mir trägt, so bin ich glücklich."

    "Das sonnige Gemüt hat er zweifelsohne von seiner Mutter," sagte ich lächelnd. "Im Alter wird er sicherlich ernster werden und mehr nach seinem Vater kommen, aber als Kind mag er alle Freuden dieser Welt empfangen und sie genießen, er wird früh genug erwachsen werden müssen." Dass sie mich zu ihrem Sohn einlud, freute mich, nicht zuletzt, weil es auch bedeuten würde, dass ich ein wenig Zeit mit ihr verbringen würde, und ich mochte Antonia gerne genug, um darin einen Genuss zu sehen. Auch wenn sie unter den Sklaven als launisch gelten mochte, für mich war sie eine sympathische Frau, eine begehrenswerte Schönheit, die durch ihre Mutterschaft ungleich rundlichere Formen gewonnen hatte und in ihrer Lebendigkeit meine Gedanken auf Wanderschaft gehen ließ. "Ich will gleich in den nächsten Tagen bei euch vorbeisehen, ich verspreche es. Der Kleine muss schließlich auch ein bisschen hispanische Lebensfreude mitbekommen, wenn er denn schon ein Flavier ist, die italische Miesepetrigkeit wird er früh genug erlernen." Ihr Grinsen gab ich ungehindert zurück, dass sich beide Familienzweige nicht in allem grün waren, wusste sie inzwischen zweifellos, man schlug sich zwar nicht mehr die Schädel ein, aber man neckte sich doch.


    Als sie sich neben mich gesetzt hatte, lehnte ich mich wieder zurück, ihr ein wenig mehr Platz lassend, und schmunzelte. "Die letzten Wochen meines Amtes waren sehr kräftezehrend, und als Eremit kann man gut ausspannen. Irgendwann werde ich mein selbstgewähltes Exil bei unseren Dichtern wieder aufgeben und zurückkehren, aber im Augenblick ist es mir ganz recht so ... zudem, was mich sonst so trefflich unterhält, scheint mir derzeit nicht genug Aufregung herzugeben. Vielleicht bin ich, was Frauen angeht, einfach zu wählerisch geworden."
    Bridhes Name fiel, und das ließ mich eine Augenbraue heben. "Meine Leibsklavin, ja ... was ist denn mit ihr? Hat sie sich mit einem Deiner Sklaven gestritten? Dann sage es mir und ich werde es klären. Bald wird sie niederkommen, und Du weisst sicherlich selbst, welche Launen die letzten Wochen der Schwangerschaft mit sich bringen können."

    Diese Frau würde mich noch eines Tages um den kümmerlichen Rest meines Verstandes bringen, soviel war sicher. Ich hatte mit vielem gerechnet. Einer mürrischen Bridhe, die mich wegen jedem Atemzug, den ich tat, anzickte - schwangere Frauen waren ab einem gewissen Stadium eine wahre Höllenbrut, das hatte ich durch Orestillas Schwangerschaft schon mitbekommen - eine deprimierte Bridhe, die trotz ihrer nahen Freiheit nichts von ihren neuen Möglichkeiten wissen wollte, eine freudestrahlende Bridhe, die einfach glücklich war, ihre Fesseln abstreifen zu können ... aber eine weinende Bridhe war irgendwie in meinen Überlegungen nicht vorgekommen, und wie so oft entwaffneten mich ihre Tränen gründlicher, als es jeder Soldatentrupp hätte tun können.
    "Ich habe Dir mein Wort gegeben, Bridhe, und dieses Wort halte ich auch," sagte ich ernst und lächelte dann dennoch, in der vagen Hoffnung, sie würde nicht weiter weinen. Tränen einer Frau waren im Grunde genau genommen immer unfair. Man konnte nichts dagegen tun und im Augenblick des Geschehens war man hilflos. Selbst der übelste Zorn wurde dadurch gemildert.


    "Welchen Sinn hätte ein solches Versprechen denn auch, würde man es geben und gleichzeitig nicht halten wollen? Wir sind hier schließlich nicht in der Politik." Gerade als ich die Worte sagte, musste ich bei mir registrieren, dass das Fortschreiten im cursus honorum mich inzwischen wohl gänzlich desillusioniert hatte, aber das gehörte nicht hierher. Sanft drückte ich mit der Hand ihren Arm, ich war unsicher, ob sie in diesem Augenblick überhaupt wollte, dass ich sie weiter berührte.
    "Danke mir nicht, Bridhe. Es wird von heute an wieder Dein Leben sein, und so hätte es schon lange sein sollen. Manche Menschen werden in der Sklaverei zufrieden und finden darin Erfüllung, andere leiden ihr Leben lang, und ich habe nicht vor, Dich leiden zu lassen. Du hast so vieles, was Du tun könntest, Du hast Talent ... und ich denke, ein jeder wäre ein dummer Narr, würde er Dich weiter in Ketten sehen wollen."

    "Holz ist wohl wirklich besser," fasste ich meine letzten Gedanken und auch ihre Worte zusammen und nickte bedächtig, während ich noch einen letzten Blick auf die wirklich hübschen Tonfiguren warf. Hatte irgendein Verwandter ein Kind im passenden Alter? Die meisten waren dann doch schon halb erwachsen und spielten eher mit stilus und Wachstafel denn mit Tontieren, in sofern musste ich mich von dem Gedanken verabschieden, diese Tiere zu kaufen. Oder aber ich würde sie auf Vorrat für meinen ersten Sohn holen, und sie ihm dann überreichen, wenn er älter geworden war und derlei Spielzeug zu schätzen wusste. Ja, das schien mir ein guter Plan zu sein. Handwerker, die offensichtlich mit Liebe zum Detail arbeiteten, verdienten es, Geschäfte zu machen, es gab viel zu viele faule Nutzlose in Rom, die sich nur durchfüttern ließen und dennoch lebten, da gebührte es jenen, die gut arbeiteten, besser leben zu können.
    "Er hat schon recht viel Spielzeug, fürchte ich, seine Eltern sind, was das angeht, die typischen Eltern, die ihrem Kind eher mehr Sachen schenken als zuwenig," überlegte ich laut und schmunzelte dann, denn der Gedanke, Manius beim Rassel-einkaufen zu erwischen, hatte durchaus etwas amüsantes bei sich. Ganz sicher würde er die perfekte Rassel suchen und irgendwann feststellen müssen, dass auch der kunstfertigste Handwerker solcherlei nicht fertigen konnte. Dennoch hätte er sicherlich sehr lange gesucht ...


    Ich wandte den Kopf in die bedeutete Richtung und konnte den entsprechenden Stand, eingeklemmt zwischen zwei andere, durchaus erstehen, und nickte ihr dankend zu. "Das ist eine gute Idee. Vielleicht ein größeres Tier, damit der Kleine es nicht verschluckt. Am Ende mache ich mich bei der gesammelten Verwandtschaft nicht durch ein Geschenk unbeliebt, das nicht passend ist, sondern durch eines, das dem Kind zu gut gefällt und dann daran erstickt ..." Kurz musste ich trocken schmunzeln, dann schüttelte ich den Kopf, der Gedanke an eine gesamte, zornige Verwandtschaft war gleichermaßen irrsinnig wie amüsant. Ich fuhr mir mit der Hand durch das Haar - es musste wirklich geschnitten werden, sonst würde ich hemmungslos verlottern - und blickte die junge Frau etwas genazer an.
    "Kennst Du Dich mit dergleichen aus? Ein wenig fachkundige Beratung wäre sicher nicht verkehrt." Der Händler in dem Laden für Tonsachen rollte mit den Augen, und zugegeben, es gab bessere Sprüche, um eine junge Frau für sich zu interessieren und sie dazu zu bringen, ein bisschen mehr Zeit mit einem zu verbringen, als sie eigentlich vor gehabt hatte - aber ich konnte auch gerade auf keinen besseren zurückgreifen. Er hatte sich sozusagen angeboten. Und, wenn ich ganz ehrlich war, ich war zudem außer Übung.

    Wann immer mein Leben einen Punkt erreicht hatte, an dem sich Dinge bewegten, änderten oder ich schlichtweg überblicken konnte, dass sich etwas getan hatte, gab es für mich vor allem einen Anlaufpunkt - und dieser befand sich in Form einer übermannsgroßen, hoheitsvollen Statue im Tempel des Mars Ultor in Rom. Manch ein Feind mochte in ihm einen gnadenlosen Rächer sehen, für mich aber war er doch stets ein Freund gewesen, eine stille Präsenz in meinem Leben, die mir dann Halt verlieh, wenn ich nirgendwo sonst mehr Halt zu finden imstande war. Am heutigen Tag allerdings trieb mich weniger die Not zu Mars denn der Wunsch, einige Dinge aussprechen zu können, ohne dass mich jemand bewertete - denn Er kannte mich ohnehin, mit allen Fehlern und Schwächen, sodass ich mich nicht verstellen musste, nichts verhehlen. So kam es auch, dass ich nur einfach bekleidet war, in einer weißen tunica, und nichts außer meiner Opfergabe mit mir trug.
    Während ich jene Bürger beobachtete, die vor mir zur Statue des Mars defilierten und ihr Opfer samt Gebet darbrachten, dachte ich im Grunde an nichts. Es gab wenig, was mir derzeit Sorgen machte, und noch weniger, worauf ich mich freuen konnte, allerhöchstens mein Kind, das noch zur Welt kommen sollte - die Welt schien abermals gleichförmig geworden, und mein Beitrag zu ihr immer weniger bedeutend.


    Als ich schließlich an der Reihe war, trat ich langsam vor und blickte in das ewige Gesicht meines Gottes auf, das, wie stets, von seinem Stolz umwölkt schien wie von einer goldenen Gloriole. Still hantierte ich mit dem süß duftenden Räucherholz, das vom besten Stand vor dem Tempel stammte - derzeit konnte ich mir dergleichen ohne Schwierigkeiten leisten - und schnell stieg der süß-würzige Duft durch die Luft empor. Auf dem Altartisch drapierte ich den Beutel mit frisch gebackenen Opferkeksen (sie schmeckten mir jedenfalls sehr gut) und auch ein Krug Wein aus der 'ziemlich teuer' Ecke aus meinem persönlichen Weinregal fand den Weg auf den Opfertisch. Vielleicht würde es Mars nicht merken, aber es war ein besonderer Wein, von meinem eigenen Weingut, und ich hatte ihn in Rom bisher gut verkaufen können - warum also sollte ich ihn dem Gott vorenthalten, der mir der wichtigste war?
    Mit einem guten Schwung kippte ich die Hälfte des Weins auf die Fliesen vor dem Altar (meine Mitpriester sollten nicht die Gelegenheit haben, sich am für Mars bestimmten Wein allzu gütlich zu tun), und folgte dem Rauch des verbrennenden Holzes mit meinem Blick. Erst dann sprach ich die Worte, die mir auf dem Herzen gelegen hatten.


    "Mamarce, Du Ewiger, es ist wieder einmal eine Weile her, dass ich für Dich Zeit hatte, ohne dass ich jemanden beim Opfer begleitet habe, aber nun hoffe ich, dass Dir die Gaben zusagen, die ich Dir mitgebracht habe - dieses Rauchholz soll aus Nubien stammen, aber bei den Händlern in Rom weiss man nie so genau, ob ihre Geschichten auch wirklich stimmen, in sofern hoffe ich einfach, dass es stimmt und der Geruch lange vorhalten wird, wie man es mir versprochen hat. Meine Amtszeit ist vorüber, berühmt war sie nicht, aber auch nicht katastrophal, und ich danke Dir dafür, dass mich nicht irgendein verrückter Karrenkutscher abgestochen hat, weil er mit unseren Reiseregularien nicht einverstanden war - ich weiss, Du hast während dieser Zeit auf Deinen Priester geachtet - jetzt kann ich auch wieder öfter in Deinem Tempel sein, vorher war es einfach nicht möglich. Dass meine Gedanken Dir oft gelten, weisst Du ja ohnehin.
    Aber es führt mich heute nicht nur der Wunsch nach einem Gespräch hierher, ich will Dich auch bitten, dass Du meine Sklavin Bridhe bei der bevorstehenden Geburt unseres Kindes beschützt - lass ihr Deine Kraft zuteil werden, dass sie es unbeschadet übersteht und dass das Kind gesund auf die Welt kommt. Ich weiss, das wäre eher Iunos Gebiet, aber ich glaube, sie wird eher weniger begeistert darüber sein, dass ich meine Sklavin geschwängert habe, Du verstehst die Bedürfnisse eines Mannes denke ich besser. Und bitte, steh Bridhe auch bei, wenn sie nach ihrer Freilassung voller Angst sein sollte, dieses Leben kennt sie nur wenig, und ich bin mir sicher, ich werde ihr nicht immer helfen können.


    Achte bitte auch auf den Sohn meines Vetters Gracchus und seiner Frau Antonia. Die beiden haben sich so lange Kinder gewünscht und sind nun so glücklich über ihren Nachwuchs, da kann ein wachsames Auge extra nicht schaden, damit die beiden nicht wieder ins Unglück stoßen, weil ihnen ein schlimmes Schicksal ihr Kind entreisst. Ich komme immer irgendwie zurecht, aber ein Kind kann nicht für sich selbst sorgen, und Patrizierkinder sind immer mehr gefährdet als alle anderen ... es wäre mir wichtig, diese beiden glücklich zu sehen, und ihren Sohn, meinen Neffen, gesund. Bitte achte auch auf meinen Vetter Aristides und seine neue Frau Epicharis - Du weisst, wie sehr er zu Heldentaten neigt, und wenigstens ein paar glückliche Jahre sollten den beiden vergönnt sein, vielleicht auch das ein oder andere Kind, denn wie ich Marcus kenne, strebt er schon nach dem nächsten Schlachtfeld, sie sollte nicht alleine, ohne ein Kind, zurückbleiben müssen. Du siehst, es gibt viele Menschen, die Deiner Wacht bedürfen, zumindest unter jenen, die mir wichtig sind, und ich will auch nicht für mich selbst bitten, nur für diese sechs. Es würde mich sehr beruhigen, Dich an ihrer Seite zu wissen." Damit blickte ich zu Ihm auf und atmete tief den würzigen Geruch des Rauchholzes ein, als könnte meine Bitte schneller zu Mars getragen werden.

    Aus dem Augenwinkel sah ich die Sänfte meines Vetters entschwinden - verständlicherweise, angesichts seines fortwährenden Leidens was Aussprache und Intonation anging, konnte ich nachempfinden, dass ihm sicher wenig an einer Diskussionsrunde gelegen war. Umso angenehmer war es dann, mit meinem patronus einige Worte wechseln zu können.
    "Nun, diese Rede war nichts als der anscheinend geglückte Versuch, Rauch für Gold zu verkaufen - die langweiligen organisatorischen Details interessieren ohnehin kaum jemanden, der dieses Amt nicht schon einmal ausgeübt hat, und alle anderen lauern nur auf Skandale und Blut, und genau die kann man nicht unbedingt bieten, wenn man die Mietkarrenkontrolle und die Reisewegssicherung überwacht. Vielleicht hätte ich vom morgendlichen Gestank der Mundfäule einiger Reisender berichten sollen, das scheint mir doch ein recht prägendes Element meiner Amtszeit gewesen zu sein, aber auch damit findet sich kaum das Interesse der Öffentlichkeit. In sofern bin ich ganz froh, die Amtszeit gut vollendet zu haben, ohne großartige Höhe- und Tiefpunkte, und in die Zukunft blicken zu können. Wenn wir schon bei Zukunft sind: Hättest Du in den nächsten ein bis zwei Wochen Zeit, mit mir zu Abend zu essen? Endlich habe ich dafür wieder Luft und ein Gespräch zwischen uns steht ohnehin schon viel zu lange aus."

    Als Antonia eintrat, musste ich unwillkürlich lächeln - und stellte fest, dass ich Gracchus doch ein wenig beneidete. Seine Gemahlin sah aus wie das blühende Leben selbst und wo andere Mütter sich überreichlich mit Schmuck behängt hätten, hatte sie es gar nicht nötig. "Du kannst mich gar nicht stören, liebe Schwägerin," sagte ich und schwang die Beine von meiner gepolsterten Bank, um dann die Schriftrolle beiseite zu legen. "Wir haben einander viel zu wenig gesprochen in letzter Zeit, aber ich weiss auch, wie viel Aufmerksamkeit ein Kind verschlingt, sodass ich Dich nicht stören wollte. Wie geht es denn dem kleinen Gracchus?" Seit ich selbst Vater geworden war, mochte ich Kinder. Vielleicht nicht ständig um mich, vielleicht auch nicht unbedingt nachts, aber dafür gab es schließlich Sklaven - gebadet und gekleidet, wohlig brabbelnd hatten kleine Kinder schon etwas für sich. Vor allem, wenn es die eigenen waren.


    "Setz Dich doch zu mir, in die Einsiedlerenklave," ich klopfte mit meiner Hand sachte auf das Polster neben mir und schmunzelte etwas. "Wenn Dich ein Eremit ein wenig unterhalten kann, der nach wochenlanger geistiger Austrocknung seine Bedürfnisse mit hoher Dichtung befriedigt, dann will ich Dir einige gestohlene Augenblicke gern verdenken." Ja, ich mochte sie, auch wenn sich andere Familienmitglieder früher über vermeintliche Kälte ihrerseits beschwert haben mochten, ich wusste, welche Frau hinter der wohlerzogenen Maske schlummern konnte, und dies gefiel. Jeder hier trug seine Maske, und es machte letztendlich die wahre Person, verborgen unter Kultur und Erziehung, nur noch reizvoller. "Beschäftigt Dich denn etwas?"

    "Sie sind sehr schmackhaft, das ist wahr," entgegnete ich auf Celerinas Bemerkung zu den Trauben und schmunzelte dann. "Auch wenn ich es nicht gutheiße, dass familienfremdes Obst hier Einzug auf der Tafel findet, ich besitze nämlich ein kleines Weingut, dessen Trauben sich mit diesen auf jeden Fall messen können. Wahrscheinlich hast Du sie bisher nur noch nicht kosten können, wie ich mir denke, aber diesem Umstand können wir alsbald abhelfen."
    Ich war gespannt, ob ihr die Trauben aus meinem Weinberg schmecken würden, war sie doch sicherlich exclusives gewöhnt, und einem solchen Geschmack genügte nicht vieles. Zudem, Kritik, die in der Familie geäußert wurde, konnte letztendlich die Qualität nur verbessern. Ein wirklicher Spitzenwein war das Erzeugnis meines Weinbergs bisher noch nicht, aber er entwickelte sich langsam aber sicher in die richtige Richtung - gerade Wein bedurfte der Geduld, nicht minder wie die meisten Frauen.


    "Wer eingeladen ist, weiss ich nicht, aber ich würde wetten, dass es ein guter Querschnitt aller sein wird, mit denen Aristides in seinem Leben zu tun hatte, also Patrizier genauso wie Soldaten - es dürfte ein recht interessantes Fest werden und gewiss wirst Du Dich nicht vor neugierigen wie interessierten Fragen retten können." Das Bild hatte ich schon plastisch vor Augen - ledige Männer, die sich auf meine junge Verwandte geradezu stürzen würden, aber indes, es wäre sicherlich auch ein amüsanter Moment, der mir diese unselige Hochzeit versüßen würde. Dass sie sich über meine Ankündigung, sie angemessen zu versorgen, freute, freute auch mich, dann nickte ich ihr leicht zu und lächelte. "Wenn Dir der Sinn nach einem Betrieb steht, lass es mich wissen, und ich will sehen, dass ich Dir den passenden Betrieb kaufe ... wenn Dir Denare lieber sind, dann meinetwegen auch das, allerdings, Münzen sind schnell ausgegeben, einen Betrieb wird man nicht ganz so schnell wieder los."

    Die Wochen nach meiner Amtszeit vergingen in süßem Vor-mich-hin-trödeln. Wenn man mich so betrachtete, war es recht unwahrscheinlich, in mir jemanden zu entdecken, der sich an die Spitze Roms vorwagte, geschweige denn den nötigen Ehrgeiz besaß, und wenn ich ehrlich war, war ich mir in dieser Sache auch nicht wirklich sicher, ob ich jemals diesen alles überdeckenden Ehrgeiz besitzen würde. Wahrscheinlich war ich einfach doch eher ein Mensch für gemütlichere Stunden und Tage, und genau das ließ mich gerade zwischen allen anderen Familienmitgliedern recht antriebslos treiben. Nachdem ich mir die Metamorphosen von Ovid aus dem Bücherregal genommen hatte, schien mir das tablinum ein geegneter Zufluchtsort für einige Mußegedanken, und so vergingen die Stunden darin, die meisterliche Poesie meines liebsten Dichters zu delektieren, ohne dass mich die Vorgänge im Haus selbst gestört hätten. Mochte Klein-Gracchus sich die Lungen aus dem Leib schreien, mochte Aristides im atrium exerzieren üben, mochten die Sklaven einen Aufstand proben, es war mir gleich, und alles verlor sich in den Worten des unsterblichen Ovid. Viel zu lange hatte ich nicht mehr lesen dürfen, nicht mehr die Zeit gehabt. Folglich hatte ich auf jeden Tand verzichtet, trug nur eine schlichte, weiße tunica - und war erstaunt, als dann doch jemand meine Muße zu stören wagte. "Herein?" sagte ich in vernehmlichem Tonfall und blickte fragend zur Türe.

    Bridhes Gesicht trug einen Ausdruck, der mir nur zu bekannt war. Schon mein erstes Kind hatte in der Mutter einen solchen Gemütszustand hervorgerufen, und ich war versucht, diesen bei eigentlich jeder Frau zu vermuten, die ein Kind im Leibe mit sich trug - mit einem solch riesigen Bauch und der damit einher gehenden Bewegungsunfähigkeit würde wohl ein jeder eine üble Laune haben, in sofern tat ich, was ich bei missgestimmten Frauen immer tat und lächelte vage.
    "Wir werden uns jetzt in die Stadt begeben und Deine Freilassung offiziell machen," sagte ich knapp und erhob mich auch schon. "Ich denke, es ist an der Zeit dafür, damit uns nicht unser Kind links überholt. Komm." Damit umrundete ich meinen Schreibtisch, bot ihr den Arm und blickte zu ihr herab. Eigentlich sollte es ein Freudentag sein für sie, aber ich selbst empfand zudem eine gewisse Wehmut. Sie würde mir zwar stets verpflichtet sein, und auch meinen Namen tragen, aber würde sie das daran hindern, sich zwangsläufig von mir zu entfernen? In einer Zeit, in der Gracchus sich seiner eigenen Familie zuwandte, Corvinus immer mehr von Amt und Verwandtschaft in Anspruch genommen wurde, schienen mir langsam die Menschen auszugehen, mit denen ich wirklich etwas verband, die mir etwas bedeuteten und die mein Leben teilten. Du wirst langsam zu einer Jammergestalt, sagte ich mir selbst und verbarg diese Gedanken tief irgendwo unterhalb meiner Bewusstseinsoberfläche.

    Ganz so deutlich schien der Junge dem Braten noch nicht zu trauen, er wartete tatsächlich ab, bis sie sich an ihrem Bett festhielt, bevor er zu Werke ging, und das in einer solchen Eile, als fürchte er, vom Hausverwalter tüchtig übers Knie gelegt zu werden, wenn er nicht schnell machte. Zweifelsohne waren Bridhes Sandalen die am Schnellsten geschnürten von ganz Rom an diesem Tag, und erstaunlicherweise waren es recht feste Knoten, die der Junge da fabrizierte, vielleicht auch, um nicht weiter zu Bridhes Diensten stehen zu müssen. Die Frau mit der Melone im Bauch, das ein Kind sein sollte, war ihm einfach unheimlich. Das Prinzip, wie man zu Kindern kam, war ihm durchaus bekannt, darüber machten die Sklavenjungen meistens ziemlich viele Witze, wenn wieder im balneum einer der Herren mit einer seiner Sklavinnen verschwunden war, aber die Folgen dessen fand er schlicht und einfach beängstigend.
    "Fertig!" piepste er dann auch eilends und trat ein Stück zurück, als der letzte Knoten festgebunden war.

    "Aristides hat sich eine hübsche und liebenswerte Braut ausgesucht," sagte ich, während mein Blick dem roten Farbtupfer hinterherhuschte, von dem ich wusste, dass es Epicharis sein musste. Keine andere Frau würde es wagen, an diesem Festtag rot zu tragen, wenn sie nicht die Braut selbst, die Familie der Braut und die Familie des Bräutigams brüskieren wollte, und dergleichen Fehlverhalten war dann doch eher der Zeit Messalinas zuzurechnen denn unserer Gegenwart. Zudem, welche Frau wäre auch so dumm gewesen, eine Braut aus guter Familie vorsätzlich zu verärgern? Irgendwann heiratete man selbst schließlich auch wieder, oder begleitete eine Freundin und Verwandte zur Hochzeit, und egal wie es im Inneren aussehen mochte, nach außen hin versuchte man doch stets den Schein eines Freudenfestes zu wahren.


    "Aber ich denke, auch Epicharis kann mit Aristides als Gemahl zufrieden sein. Er hat sich als Soldat ausgezeichnet und ist eheerfahren, zudem ein prächtiger Mensch und ein guter Freund, ich wüsste nichts, was einer glücklichen Ehe dieser beiden entgegen sprechen würde. Ein wenig mehr Leben in der villa Flavia ist nicht verkehrt. Aber ein bisschen trage ich es meinen Vettern schon nach, dass sie mich so schmählich als Unverheirateten im Stich lassen." Diese Worte sprach ich mit einem belustigten Schmunzeln auf den Lippen, ernstlich böse war ich keinem der beiden, und ich hätte die Sache mit Prisca auch beschleunigen können, wäre es mir um eine schnelle Ehe gegangen - aber das tat es nicht, mir war es wichtiger, dass man miteinander zurecht kam, und solches ließ sich selten aus einem Ehevertrag herauslesen. Es wurde voller, und gewiss würde der Hauptakt nicht mehr allzu lange auf sich warten lassen - danach konnte ich mich dann endlich in aller Ruhe betrinken.

    Es gab Beifall und keine Fragen, was wollte man mehr - ich hatte insgeheim befürchtet, mehr erklären zu müssen und war nicht unfroh darüber, das Kapitel 'quaestor urbanus' damit abschließen zu können, dass ich nicht mit fauligen Früchten von der rostra gejagt wurde. Und all jene, die mir wichtig waren, waren anwesend - mein Vetter, mein patronus, selbst ein Freund war anwesend, ich konnte auch in der Menge Micipsa erspähen, der Getränke mit dabei hatte, was immer von Vorteil war, wenn man einen zu aufdringlichen Fragenden effizient ruhig stellen wollte. So hob ich nur die Arme zum Dank für den Beifall und schickte mich an, die rostra zu verlassen und die Runde zu machen - zuerst natürlich zu meinem patronus, der sicherlich einen gewissen Einfluss genutzt hatte, um mir dieses Amt zu verschaffen.


    Micipsa nickte ich deutlich zu, auf dass er mich begleiten mochte, und all jene anderen, die vielleicht auch noch die Gelegenheit zu einem Gespräch würden nutzen wollen, würden diesen Wink hoffentlich verstehen und sich dorthin begeben, wo es den Wein gab.
    "Salve patronus," grüßte ich den senator und lächelte leicht. "Ich freue mich, dass Du die Zeit gefunden hast, meine res gestae zu verfolgen, auch wenn sie sicher deutlich unspektakulärer waren als die beispielsweise des Annaers, der ja in der Provinz doch einiges erlebt haben muss. Es ist kaum zu glauben, wie schnell ein Jahr vergehen kann, wenn man beständig zwischen Ostia und Rom pendelt, irgendwie erscheint es mir, als seien mir die Tage einfach so durch die Finger geschlüpft."

    Die Stimme riss mich brutal aus meinen Gedanken, auch wenn es eine wohlklingende und angenehm modulierte Stimme war - sie war in die zerbrechliche Welt meiner Überlegungen brachial eingebrochen und ließ die Fetzen an tausendfachen Möglichkeiten zerbersten, die sich vor meinem inneren Auge aufgetan hatten. Das Tontier in den Fingern, wandte ich den Blick in die Richtung, aus welcher die Stimme gekommen war, und musste wohl für einen Moment lang ausgesehen haben wie ein sprichwörtlicher Ochse vor einem geschlossenen Scheunentor. Auch wenn ich viel erwartet hatte, dass eine zudem noch hübsche junge Frau mich bei einem Einkaufsspaziergang ansprechen würde, wenn ich mit Tontieren hantierte, hatte ich nicht erwartet und folglich war ich davon auch etwas überrascht. Oder aber, die junge Frau suchte männliche Begleitung und fand ihre Wünsche nach einer Familie darin bestätigt, dass ich mich mit Tontieren abgab, etwas, das nur wenige Männer ohne konkreten Grund getan hätten. Ich blinzelte einige Male, und bevor die entstandene Pause zu lange werden konnte, schob ich ein Lächeln auf meine Lippen, die Übung als Politiker ließ mich dieses Manöver inzwischen immer flüssiger vollführen, selbst wenn ich im Inneren noch Gedanken sortierte.


    "Ja, das sind sie. Ich hätte als Kind sicher auch Freude daran gehabt, allerdings überlege ich doch, ob nicht Tiere aus Holz besser wären, Ton kann allzu leicht brechen, vor allem für ein kleines Kind ist das nicht unbedingt ideal," antwortete ich ihr und stellte das kleine Tonpferd wieder zu seinen tierischen Gefährten. Sie hatte wirklich ein berückendes Lächeln, das mich an jene Stunden erinnerte, die irgendwie schon eine Ewigkeit zurück zu liegen schienen. Außer einem diskreten Besuch bei einem sauberen und exclusiven lupanar hatte ich mir in der letzten Zeit nichts gegönnt, keine Flirts, keine Abendunterhaltungen, nichts - es war auch nicht die Zeit dazu gewesen, als ich mich noch mit meinem Amt herumgeschlagen hatte. Und jetzt sprach mich eine Schönheit einfach so auf der Straße an. Sah ich so bedürftig aus? Oder hatte sich im letzten Jahr etwas in Rom geändert, dass die Frauen nun die Initiative ergriffen? Es war eine Abwechslung, und keine unangenehme noch mit dazu.


    So lächelte ich weiter und fügte an: "Es ist für ein sehr kleines Kind, und ich bin mir noch nicht sicher, was das passendste Geschenk für einen so kleinen Jungen wäre, mit dem er auch etwas anfangen kann." Für meine eigenen Kinder fiel es mir irgendwie leichter, Dinge auszusuchen, sowohl für meinen Erstgeborenen als auch für das Ungeborene in Bridhes Bauch ... vielleicht wollte ich es bei Gracchus' Sohn auch einfach nur perfekt machen. Als ich mich ihr zuwandte, mochte auch der an meinem Gürtel befestigte, auf der ihr ursprünglich abgewandten Seite hängende Beutel in ihr Blickfeld geraten, der recht ausgebeult war - mein Mittagessen, aber das sah man dem Beutel nicht unbedingt von außen an.

    Die Augen des Jungen wurden noch ein Stückchen größer. Eigentlich hatte er sich hurtig davonmachen wollen, aber daraus wurde wohl nichts - die riesige Frau mit dem dicken Bauch wollte auch noch seine Hilfe! Er schluckte hörbar und blieb wie angewachsen stehen, linste zu ihren Füßen herunter, dann wieder in ihr Gesicht, als hoffte er, der schreckliche Auftrag könnte dadurch irgendwie vermieden werden - aber die Götter (falls es diese für freche Sklavenjungen überhaupt gab) hatten kein Einsehen mit ihm und so blieb Bridhe, wo sie war, und vor allem vorerst ohne geschlossene Sandalen.
    "Du wirst doch nicht umfallen, oder?" vergewisserte er sich sicherheitshalber noch einmal. Ganz bestimmt würde sie ihn platt machen wie eine Flunder, wenn sie umfiel.

    Ich hatte definitiv ein Problem. Während mein Blick über die Menschen glitt, die sich an diesem eigentlich normal wirkenden Tag über das forum Romanum bewegten, kam ich bei allem Überlegen und Grübeln über meine gewesene Tätigkeit nur zu dem Schluss, dass die res gestae von meiner Seite aus ein riesiges Problem sein würden, denn im Grunde hatte ich nichts zu erzählen. Als quaestor urbanus verrichtete man vor allem eines: Viel Papyruskramarbeit, gemischt mit Laufarbeit. Eindrucksvolle Taten und herausragendes Handeln hatte es für mich nicht gegeben, dazu gab es weitaus mehr Möglichkeiten bei anderen Tätigkeiten eines quaestors, aber ich hatte es mir so ausgesucht, jetzt musste ich meine Amtszeit auch irgendwie gewinnbringend verkaufen und an den Mann, respektive die politikinteressierte Frau bringen. Wenigstens war es nicht zu voll um diese Tageszeit, eine unspektakulär anmutende Rede vor vollem forum zu halten, war ungleich peinlicher.


    Ich räusperte mich mehrfach, bevor ich mich mit einem Kopfnicken von meinen Klienten verabschiedete und schließlich den Weg zur rostra antrat, innerlich deutlich aufgeregter, als ich es sehen ließ - wenigstens diese Form der Selbstbeherrschung hatte ich während meines politischen Wirkens bisher ganz gut erlernt und erproben können. Es gab schließlich auch Redner, die sich von den äußeren Anzeichen der Nervosität verunsichern ließen, und sich damit deutlich mehr im Weg standen als einer, der gelassen wirkte und vielleicht nicht viel zu sagen hatte. Dennoch wünschte ich mir schon bevor ich weithin sichtbar meinen Platz einnahm, dass ich möglichst schnell wieder wegkommen würde. Fumum vendidi, oder die Kunst, etwas nicht aufregendes interessant zu verkaufen.


    "Quirites! Wieder kann ich auf ein Jahr zurückblicken, welches damit begann, dass mir der Senat von Rom die Ehre hat zuteil werden lassen, mich mit großer Mehrheit für das Amt des quaestor urbanus zu bestimmen. Wie ihr sicher alle wisst, umfasst diese ehrenvolle Tätigkeit die Überwachung der Reisewege in und um Rom, insbesondere jene, welche unsere glorreiche Stadt mit Ostia verbinden, der Lebensader Roms, durch welche täglich neue, wichtige Waren wie Nahrungsmittel, Stoffe und andere Dinge hierher gebracht werden, um euch und eure Familien zu erfreuen - ebenso oblag es meiner Aufsicht, Strafen für all jene zu verhängen, die sich nicht den Reisegesetzen entsprechend verhalten haben.


    Wer des nachts noch unterwegs ist, weiss, wieviele Karren sich durch Rom winden, und all jene müssen unsere Stadtgrenzen passieren und überwacht werden - den damit entstehenden Verwaltungsaufwand hatte ich ebenso zu prüfen wie auch die Pflichttreue jener, die im Dienste Roms die einzelnen Waren und Karren überprüfen. So hatte ich auch die Gelegenheit, meine Kenntnisse der täglichen Abläufe, welche unsere Stadt am Leben erhalten, zu erweitern und dafür zu sorgen, dass ihr nicht missen musstet, woran ihr euch gewöhnt habt - volle Märkte und erträgliche Wartezeiten, solltet ihr das Gewerbe der Händler ausüben.


    Ich könnte euch nun vieles über jene Dinge erzählen, die ich erlebt habe und die sich immer wieder an verschiedenen Orten ereignet haben, und ebenso zum Tagesgeschäft eines quaestor urbanus gehören wie die schriftlichen Arbeiten, die für jedermann zugänglich in unseren Archiven bewahrt werden. Doch wäre dies wohl kaum dem angemessen, was ihr von den res gestae eines gewesenen Magistraten erwarten dürft - eine sinnvolle Information. So will ich es dabei belassen, dass der Verkehr im großen und ganzen reibungslos funktioniert hat, dass die Waren abgefertigt werden konnten, die dessen bedurften, und dass auch heute noch der Handel in bester Manier floriert, getragen von jenen Lieferungen aus fernen Teilen des römischen Imperiums. So mögen die vollen Märkte, zufriedenen Reisenden und ein funktionierendes System für mich sprechen, nicht eine Aufzählung all der kleinen und kleinsten Dinge, die für dieses Ergebnis notwendig waren.
    Mein Dank soll all jenen gelten, die durch ihre tägliche Arbeit dazu beitragen, dass Rom so erstklassig versorgt wird, wie wir es uns alle wünschen, und wenn ihr noch Fragen haben solltet, stehe ich gerne zur Verfügung."