Ein kleiner, schmächtiger Sklavenjunge klopfte an jenem, eigentlich normal erscheinenden Tag zaghaft an die Tür zu Bridhes Kammer, um sich dann leise hinein zu schieben und ihr mit etwas piepsiger Stimme seinen Auftrag auszurichten - sie sah so mächtig, so riesig auf Bauchhöhe aus, dass er unwillkürlich eine Menge Respekt vor ihr gewann, auch wenn sie (und darin hatte er alle Verhaltensweisen eines römischen Jungen übernommen) 'nur' eine Frau war.
"Der dominus Flavius Aquilius will Dich in seinem Arbeitszimmer sprechen - und es scheint wichtig zu sein."
Mit großen Augen wagte er ab und an einen neugierigen Blick auf ihren Bauch - ob das kleine Kind da einfach herausfallen würde? Hoffentlich nicht auf ihn!
Beiträge von Caius Flavius Aquilius
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Ein Tag wie jeder andere, letztendlich wohl würde er für Tausende an Römern nichts Besonderes bedeuten, allerdings, für eine einzige Frau und einen Mann in dieser riesigen Stadt war er etwas Außergewöhnliches. Ich hatte mich ankleiden lassen, als müsste ich wichtige Geschäfte erledigen, die weiße toga verriet mich in meinem Status als gewesener quaestor durchaus - wer trug schon freiwillig eine toga, wenn er es nicht vermeiden konnte, und in diesem Aufzug war ich die letzten Wochen sehr oft unterwegs gewesen - innerlich allerdings war ich weit weniger gut auf das Kommende vorbereitet. Dennoch, ich hatte mein Wort gegeben, und ich hielt es stets, ob im Guten oder Schlechten. Während ich noch einige Papiere durchsah, die sich seit dem vorangegangenen Abend angesammelt hatten, ließ ich mir selbst Zeit, mich zu sammeln, das Kommende ruhig anzugehen, denn es war immer ein besonderer Schritt, ein wichtiger Schritt.
Schließlich klatschte ich vernehmlich in beide Hände und gab dem erscheinenden, schmalbrüstigen Sklavenjungen den Auftrag, Bridhe zu mir zu rufen, da ich sie sprechen wolle. Der Junge nickte eifrig und stürmte so schnell hinaus, wie nur die Jugend ihre Wege noch zu erledigen pflegte, stets voller Ungeduld auf das, was noch kommen mochte. Irgendwann, vor einer halben Ewigkeit, bin ich auch noch so gewesen, dachte ich sinnierend. Wann war diese Leichtigkeit endgültig verloren gegangen? -
Diese ganzen Dinge waren meine Sache nicht. Im Grunde war ich bisher immer ein schneller Einkäufer gewesen, auch wenn einige Damen in der Familie mich als willenlosen Begleiter missbraucht hatten; wenn ich etwas Bestimmtes haben wollte, dann ließ ich es herstellen oder suchte gezielt danach, mit einem Einkaufsbummel, der nur aus schauen und Anregungen suchen bestand, hatte ich bisher wenig Erfahrung gesammelt. Wahrscheinlich war es auch selten dazu gekommen, weil mir in letzter Zeit kaum Mußestunden vergönnt gewesen waren, und jene, die ich dann doch hatte meinem rigiden Stundenplan hatte abtrotzen können, waren mit anderem angefüllt gewesen als ausgerechnet einem Einkauf.
Ich fühlte mich wie ein Idiot, als ich von Laden zu Laden schlenderte, wie ein Müßiggänger, der ich früher gewesen war und mit dem mich heute noch der Name und eine unbestimmte Sehnsucht nach Freiheit verband. Wie wäre es wohl, in dieser Masse einfach einzutauchen, einer unter ihnen zu sein, an den keine Erwartungen geknüpft wurden, der unwichtig war, und ein bescheidenes Leben führte, mit geringeren, aber auch erreichbareren Zielen? Aquilius, der Fischer, war seltsamerweise öfter glücklich gewesen als Aquilius, der Politiker. In solchen Stunden fiel es mir leicht, alles anzuzweifeln, was gewesen war, und ich war eine ganze Weile vor einer Auslage stehen geblieben und hatte darauf gestarrt, ohne zu wissen, was ich eigentlich ansah.Als mir dies bewusst wurde, sah ich genauer hin und betrachtete die Töpferwaren, die für willige Käufer aufgebaut worden waren. Neben höchst durchschnittlich aussehenden Tellern und Vasen gab es auch etwas mehr verzierte Amphoren im griechischen Stil, die in einem gutsituierten Haushalt sicherlich in der Küche gebraucht werden würden - aber das war nichts passendes für die Hochzeit, Aristides und seine Frau würden in der villa Flavia wohnen, die ausgesprochen gut ausgestattet war. Einige, recht lebensnah geformte Tierfiguren gefielen mir da schon deutlich besser, vielleicht als Spielzeuge für Gracchus' Sohn?
Selbst der nachgebildete kleine Löwe verriet, dass hier ein Künstler sich Mühe gegeben hatte und sicher auch schon den ein oder anderen Löwen in Bewegung gesehen haben musste.
Der Händler nickte mir zu, als ich ein Tonpferd hochnahm, das mit schimmernder Farbe angemalt worden war und seinen Kopf stolz hoch erhoben trug, als sei es eines der teuren Pferde aus der Wüste - das würde einem Jungen sicher gefallen, vielleicht sollte ich für Gracchus' Sohn einfach eine ganze Kollektion an den vorhandenen Tieren erstehen, und dazu ein schönes Kistchen, damit sie aufbewahrt werden konnten, ja, der Gedanke gefiel mir. Vielleicht würde Gracchus minor im Augenblick noch nichts damit anfangen können, aber eine solch stattliche Menagerie würde Eindruck schinden, wenn er älter wurde. Vertieft in die Betrachtung der Tontiere, war die Umgebung jedenfalls nichts, was ich groß beachtet hätte, und so musste ich für eventuelle Raubzüge kein schlechtes Opfer darstellen. -
"Nun, das Händchenhalten überlasse ich lieber Dir, werte Antonia, ich denke, auch Marcus wird darüber glücklicher sein, als wenn ich dies übernehme," gab ich scherzend auf Antonias Worte hin zurück und zwinkerte ihr mit einem Anflug eines gewissen Amüsements zu. Die Schwangerschaft hatte ihr nicht viel anhaben können, sie wirkte vielmehr lebendiger und frischer als je zuvor - aber ich konnte mir diese Wirkung auch als Folge einer gewissen Erleichterung vorstellen, immerhin war für beide ein Kind sehr wichtig gewesen, und nun war es gar ein Sohn geworden. Was wollte sich eine in den römischen Tugenden erzogene Frau mehr wünschen, als ihrem Gemahl das wichtigste aller Geschenke zu machen?
Meinem Manius galt ein Lächeln, ein offener Blick, wenngleich ich ihm jetzt auch nicht sagen konnte, was mich bewegte. Es war nicht der richtige Zeitpunkt, und wenn ich mit mir selbst verglich, woran ich gedacht hatte, als mein erster Sohn zur Welt kam, dann hatte Manius im Augenblick sicherlich andere Gedanken als die Liebe im Allgemeinen und mich im Speziellen. Wie es alles weitergehen würde, war wieder einmal offen, und auch deswegen fühlte ich mich etwas elend."Salve, Celerina - man könnte meinen, Du wolltest heute der Braut Konkurrenz machen," grüßte ich meine Nichte mit einem leichten Kopfnicken und einem Lächeln - sie strahlte nicht minder als Antonia, wenngleich es sicherlich andere Ursachen hatte. War sie verliebt? Und wenn ja, in wen? Aber im Grunde konnte ich es mir fast denken. Neue Gäste in militärisch anmutender Kleidung kamen heran, die ich nicht kannte, und doch gebot die Höflichkeit, auch ihnen zuzunicken, während Aristides die ausführliche Begrüßung derselben zukam, immerhin waren es seine Gäste, sein Fest, sein besonderer Tag.
Corvinus' Erscheinen überraschte mich etwas - immerhin hatte ich bisher nicht gedacht, er wäre mit Aristides befreundet gewesen - aber letztendlich war der Kreis der Patrizierfamilien in Rom ein nicht allzu großer, und irgendwie kannte ohnehin jeder jeden, sodass wir wahrscheinlich heute eine relativ überschaubare Gesellschaft sein würden - aber mich freute es auch, meinen Freund wiederzusehen, mit dem ich seit einiger Zeit kaum mehr zu tun gehabt hatte, und mein Lächeln war aufrichtig erfreut."Salve, Corvinus - wie ich sehe, bist Du in die Fußstapfen Deiner ehrwürdigen Ahnen getreten, ich gratuliere Dir zur Aufnahme in den Senat. Was die Amtszeit betrifft, ich glaube, ich habe inzwischen mehr Meilen gelaufen als ein Postbote des cursus publicus in seinem ganzen Leben zurücklegen kann, aber so war es zumindest nie langweilig."
Unter den Aureliern hatte es zwar nur einen einzigen Senator bisher gegeben, aber man musste diesen Umstand schließlich nicht breittreten, Corvinus würde sich sicherlich gut auf den Senatsbänken machen, und eines seiner Ziele für die Familie war damit endlich erfüllt. Wie seltsam sich doch alles entwickelt hatte in den letzten Jahren, fast schien es mir, als wäre unser Kennenlernen erst einen Monat alt, und doch, wir hatten uns alle verändert. -
Übers Wochenende mal wieder im Wald mit netten Leuten (sprich: Con ^^)
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"Ich schätze, ob ich den beiden nun schreibe oder ob Du ihnen persönlich sagst, dass sie mich aufsuchen sollen, das kommt auf dasselbe heraus - in sofern wäre es mir sehr recht, wenn Du ihnen Bescheid geben könntest," stimmte ich zu und erhob mich, als ich seine Bewegung bemerkte. Wären doch nur alle Amtsgeschäfte auf diese angenehm effiziente Weise zu erledigen, überlegte ich, gäbe es sicher mehr Männer, die in den Dienst des Staates treten würden. "Dann hoffe ich, bald von Dir zu hören, Aurelius Orestes."
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Er schien begriffen haben, worum es ging - umso besser, das sparte mir eine längere Vortragsserie über körperliche Kraft und wie man diese erreichte, und das half auch, unser Gespräch nicht über Gebühr unnötig in die Länge zu ziehen. Als Priester hatte man immer zu tun, und wer hätte es besser wissen können als ich selbst, der ich dieselbe Aufgabe im Dienst des Staates übernommen hatte?
"Ich denke, das sollte als vorbereitendes Wissen ausreichen. Von meiner Seite aus spricht nichts dagegen, Dich in die Reihen der palatinischen Salier aufzunehmen, ich bin mir sicher, Du wirst ein guter Neuzugang sein - es ist ja auch nicht mehr allzu weit hin bis zu der nächsten Möglichkeit, Dich zu erproben," sagte ich wohlwollend und nickte ihm deutlich zu.
"Ich möchte, dass Du Mars ein angemessenes Opfer darbringst, um Deinen Dienst an ihm in der richtigen Weise zu beginnen - die Kooptation werde ich bekanntgeben, sobald dieses Opfer geschehen ist. Wenn Du möchtest, werde ich Dich begleiten und Dir beim Opfer selbst zur Seite stehen, allerdings glaube ich kaum, dass das nötig sein wird, Du hast ja genug Erfahrung in diesen Dingen. Deine Vettern allerdings möchte ich noch persönlich kennenlernen, um mir ein eigenes Bild zu machen, und werde sie zum Gespräch ebenso laden." -
Ich hasste Hochzeiten. Allerdings hatte mir diese Abneigung niemals geholfen, den lästigen Familienfeiern in irgendeiner Weise zu entkommen, und wenn schon mein Vetter und Freund Aristides heiratete, dann musste ich mich auch überwinden, das Schaustück bis zum Ende mitzuspielen - immerhin war er es, der eingefangen worden war, und nicht ich. Den Gedanken, dass mir wohl bald dasselbe drohen würde, verschob ich irgendwo hin in die weite Ferne, und für den Moment hätte mir auch Priscas Anwesenheit nicht unbedingt Trost verschaffen können, so unwohl war mir bei dem Gedanken, diesen Tag heute mitfeiern zu müssen.
Familienfeste an sich rangierten auf meiner inneren Beliebtheitsskala schon nicht sehr weit oben, und eine große Amphore Wein hätte nicht gereicht, meinen Unwillen zu ertränken, den ich mit dieser Art Fest stets verband, aber Hochzeiten waren die Steigerung aller unangenehmen Dinge, die einem eine Familie antun konnte. Alle grinsten an einem solchen Tag, als hätten sie mehrere Opiumkügelchen schon zum Frühstück verschluckt, alte Matronen gaben sich die größte Mühe, einem die längsten und uninteressantesten Geschichten zu erzählen, die man finden konnte, und überhaupt konnte man an einem solchen Anlass nur sein Heil auf dem Grund eines Weinbechers finden. Ich erinnerte mich nur zu gut an Gracchus' Hochzeit, und ein ähnlich jammervolles Gefühl wie an jenem Tag hatte auch heute Einzug in meine Brust gehalten. Unsere Jugendtage waren wohl unwiederbringlich vorüber, Besäufnisse würde es nicht mehr geben, und beide würden irgendwann als brave Familienväter enden, am Gängelband ihrer Gemahlinnen ...
Während ich noch in den schlimmsten Farben vor meinem inneren Auge die unvermeidliche Zukunft auftauchen sah, hatten mich die Träger mit meiner Sänfte (inzwischen hatte ich mir eine eigene geleistet, sich immer die der Familie zu borgen war auf Dauer keine Option für einen aufstrebenden Jungpolitiker) zum Aventin gebracht, wo die Feier stattfinden sollte. Ich war im Großen und Ganzen blind für all das Gepränge, das andere Gäste sicherlich mit seinem prächtigen Anblick erfreut hätte, ich linste vielmehr gleich in die Richtung eines Sklaven, in der Hoffnung, einen zu finden, der mir Wein bringen würde. Aristides wusste, weit mehr als Gracchus, von meiner Abneigung gegen derartige Feste, und vielleicht hatte er auch einen Raum oder ein Eckchen vorbereiten lassen, in dem man sich ungestört vollaufen lassen konnte, bis alles vorbei war und die Eheleute fortan und glücklich miteinander leben würden bis in alle Ewigkeit.
Langsam, als ließe sich das Unvermeidliche dadurch hinauszögern, schlüpfte ich aus der Sänfte, registrierte aus einem Augenwinkel, dass Gracchus und Antonia offensichtlich schon angekommen waren, da ihre Sänfte gerade beiseite gebracht wurde, und folgte schließlich dem Deuten eines der Sklaven in die Richtung meines Vetters, wo ich Gracchus und seine Gemahlin ebenso erspähen konnte. Ich ließ den dreien Zeit, sich zu begrüßen, und trat dann ebenso näher.
"Salvete ... mir scheint, die Flavier sind an diesem Tage die Frühaufsteher," begrüßte ich meine Verwandtschaft in launigem Ton und zwang ein Lächeln in mein Gesicht. -
In gewisser Weise erinnerte mich die dunkelhäutige junge Frau an eine Wildkatze, die gerade erst dabei war, gezähmt zu werden - ihre wachsamen, vorsichtigen Bewegungen, ihr Argwohn, der in den Augen kurz aufgeflackert war, überhaupt schien sie es eher gewöhnt zu sein, von allen möglichen Ecken Ärger zu bekommen, denn geschätzt zu werden. Für eine Sklavin war dies allerdings nicht ungewöhnlich, Bridhe hatte sich eine Zeitlang ebenso verhalten, und es war wohl auch nicht mehr aus einem Menschen heraus zu bekommen, wenn er einmal auf diese Weise hatte leben müssen. Wahrscheinlich würde ich deswegen immer als ein schwacher Herr gelten, weil mir die menschliche Seite meiner Sklaven bewusst war und ich sie nicht wie Möbelstücke behandeln konnte - aber als mir aufging, dass die entstandene Pause allmählich sehr lang wurde, blinzelte ich und versuchte, zum Thema, genauer gesagt, dem Gespräch, zurückzukehren, soweit es mir möglich war. Was hatte sie eben gefragt? Irgendwas mit Ägypten. Ah ja, ob ich schon dort gewesen sei.
"Nein, bisher nicht - ich hatte weder die Zeit noch die Gelegenheit dazu, aber irgendwann möchte ich Ägypten gern bereisen. Was ich bisher von Deiner Heimat gelesen habe, interessiert mich sehr, und Schriften geben einem nur einen Blickwinkel wider, ich möchte mir eigene Eindrücke machen können."Und vielleicht würde es mir in Ägypten möglich sein, wieder ein wenig freier im Geiste zu leben, ohne die engen Grenzen innerhalb Roms, in denen sich ein Patrizier zu bewegen hatte, ohne ihnen wirklich entfliehen zu können. Vielleicht sollte ich eine Reise anpeilen, in eine der Provinzen, die ich noch nicht kannte, um für den cultus deorum irgend etwas zu erledigen, Vorwände würden sich stets finden lassen, soviel war sicher. "Gibt es denn in Deinem Umfeld so wenige, die griechisch sprechen können?" Was mich wunderte, denn die Aurelier konnten sich sicherlich gebildete Sklaven leisten, wenn nicht auch selbst griechisch sprechen - nicht umsonst schickten Patrizierfamilien ihre Söhne in den Süden, um sich etwas Bildung anzueignen. Der Sklave, den ich eben ausgeschickt hatte, um Getränke herzubringen, kehrte mit einem Tablett zurück, auf dem zwei Becher und ein Krug standen - auf mein Nicken hin stellte er diesen neben meinen Sitz auf einem Tischchen ab und ich ließ ihn gehen, um dann gemütlich die beiden Becher voll zu schenken - einen davon hielt ich Merit-Amun auffordernd hin.
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Sim-Off: Jetzt muss ich mich entschuldigen ...
Die laue Luft ließ meine Gedanken ein wenig abschweifen, und ich überlegte, wie ich mich an ihrer Stelle wohl gefühlt hätte. Ob es mir gefallen hätte, heiraten zu müssen, die Auswahl der möglichen Kandidaten beschränkt zu sehen auf jene von Stand, Ehre und angemessenem Vermögen - waren sie doch selten genug dergestalt, dass eine junge Frau an ihnen viel Vergnügen finden mochte, die wenigsten stattlichen jungen Männer waren gleichzeitig auch schon hoch angesehen und reich noch dazu - aber letzten Endes war dies ein Schicksal, das einer Römerin zukam, und einer Römerin aus einer der vornehmsten Familien Roms mit dazu. Ebenso, wie es für mich weit weniger wirkliche Auswahl gab denn man es denken mochte, wenn nicht Inzucht oder zu nahe Verwandtschaft das Blut schwach machen sollte. Das Heiraten war inzwischen keine leichtlebige Sache mehr, sondern eine sehr ernsthafte, und es waren mehr Dinge zu bedenken als flüchtige Anziehungskraft.
Gemächlich pflückte auch ich mir einige Trauben vom Stiel, der inzwischen schon recht abgeerntet aussah, zwei Flaviern konnte das Obst wohl auf lange Sicht kaum entgegen stehen, dann zerkaute ich die süßen Früchte nicht minder geruhsam, ich hatte es nicht eilig."Nun, die Hochzeit des Aristides mit Claudia Epicharis wird Dir die Gelegenheit geben, sehr unauffällig die in Frage kommende Auswahl weiter zu bedenken, und dann, wenn es für Dich eine engere Anzahl geben sollte, werden wir diese sicherlich bei einem weiteren Fest ein bisschen eingehender prüfen können. Du wirst, das kann ich Dir versprechen, angemessen versorgt in eine neue Ehe gehen können, als einer Deiner letzten lebenden Verwandten fällt es mir zu, dieser Notwendigkeit Sorge zu tragen - nichts wäre mir unangenehmer als eine Flavierin, die von ihrem Gemahl abhängig ist und nichts eigenes besitzt. Dein Stolz soll keinen Mangel erleiden müssen, nur weil Du vermählt wurdest," fügte ich nach einer Weile gedankenvoll an.
Es würde ihr die irgendwann bevorstehende Heirat sicherlich ein wenig versüßen können, eigenes Geld zu besitzen, wir waren inzwischen auch endlich über die archaischen Bräuche hinweg, die eine Ehefrau zu nicht viel mehr als dem Besitz ihres Gatten degradierte, oder einen Sohn zum Spielball des Willens seines Vaters. Den Kopf etwas in ihre Richtung wendend, betrachtete ich ihr Profil, die keckl empor gerichtete Nase, die lebendig funkelnden Augen - für einen Moment erschien mir ihr Gesicht wie ein Echo der Lebensfreude zu sein, die so viele Frauen unserer Familie beseelte, um dann allzu früh zu verlöschen. Nein, dies durfte nicht ihr auch noch geschehen. -
Ich betrachtete meinen Gast eine Weile lang und nickte schließlich. Er klag aufrichtig und entschlossen, und wenn dies noch nicht genug der guten Dinge war, so sprach ebenso für ihn, dass er bereits als Priester den Göttern huldigte, ein steiniger Weg, den sich nicht jeder junge Mann aus gutem Haus heutzutage anzutun bereit war.
"Die Tänze üben wir im Kultverein gemeinsam mit Neulingen, in sofern werdet ihr immer Unterstützung finden, wenn ihr sie denn auch in Anspruch nehmen wollt - und gemeinsam lernt es sich für gewöhnlich auch leichter. Welche Erfahrungen hast Du bisher im Kult des Mars gemacht? Also außer kleineren Familienopfern, wie sie üblich sind - hast Du an größeren Opferhandlungen schon einmal teilgenommen?" Mein Blick schweifte über seinen Körper, prüfend und forschend zugleich, denn auch eine einwandfreie körperliche Konstitution war mir Grundbedingung geworden, seit bei dem letzten Umzug fast ein Unglück aus Altersgründen geschehen war. -
"Naja, ich denke, das mit dem sich selbst vermehren klappt nicht überall - nur wenn man ein allseits bekannter und beliebter, reicher senator ist, dessen Freunde ihm immer wieder ungefragt irgendwelchen Wein zukommen lassen - also eine Sache, auf die wir beide noch lange, lange warten müssen. Bis dahin trinken wir eben genüsslich Felix' Weinkeller leer, der merkt es sicherlich niemals, so wenig, wie er sich hier blicken lässt," erklärte ich das Wunder unseres Weinkellers mit einem breiten Grinsen und ließ mir den Wein schmecken. So ließ es sich wahrlich leben - einen guten Becher Wein in der Hand, einen guten Freund (oder auch einen wiedergefundenen, lieben Verwandten) bei sich und ein gutes Gespräch. Eigentlich tat ich dergleichen viel zu wenig, aber das ließ sich für die Zukunft schließlich auch ändern.
"Hmm .. ich zeige Dir den Weg, Vetter, dann verläufst Du Dich nicht, und ich muss ja auch langsam mal schlafen gehen, der Tag war lang genug," sagte ich schließlich, nahm meinen Weinbecher kurzerhand mit und schritt ihm dann voran in die Richtung der Familien-Wohngemächer, denn dort hatte Straton zweifelsohne auch Callistus' cubiculum richten lassen. -
Catulls Worte würden ihn ganz sicher überdauern, in eine ferne Ewigkeit gerichtet bleiben, die uns verschlossen sein würde - denn den wenigsten Menschen war es vergönnt, etwas so ewiges zu verfassen, etwas so richtiges, reines, klares über die Liebe schreiben zu können, dass ein jeder es verstehen und nachempfinden mochte, der es las, und sei er noch so enttäuscht von allem traurigen Gefühl, das sich mit der Liebe in sein Leben hineinschlich. Höhen und Tiefen hatten mein Manius und ich wahrlich zur Genüge erlebt, vielleicht mehr Tiefen als Höhen, aber die Höhen hatten sich jedes Mal als so vielschichtig und tiefgreifend herausgestellt, dass es ausgereicht hatte, um die Tiefen zu überbrücken. Wahrscheinlich war dies jene Liebe, die Ehepaare lange miteinander leben ließ, ohne Hass zuzulassen, vielleicht war es auch jenes Ideal, das Catull hier besang - ich vermochte es nicht zu sagen, denn meine Worte würden wohl niemals gänzlich ausreichen, um dies alles zu fassen und Gracchus zu Füßen zu legen, wie ich es gern getan hätte.
Letztendlich war ich nur ein liebender Mann, der diese Liebe so tief im Inneren trug, dass er ohne sie nicht hätte sein können, und ich hoffte oft genug, es würde Gracchus ähnlich ergehen. In solchen Momenten, in denen er mir ganz nah war, sich unser Blick traf und nichts auf dieser Welt zwischen uns stand und stehen konnte, fürchtete ich alles und gleichzeitig nichts."Glücklicher Aquilius, denn der Beste aller Männer liebt ihn," sagte ich langsam und mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. "Glücklicher Aquilius, denn er wird wiedergeliebt mit all der Kraft, die er schenken will, mit jedem Kuss, den er verborgen in die Richtung des Geliebten zu hauchen vermag, mit jedem Atemzug, den er seinem Geliebten in der Nacht stiehlt, wenn dieser sanft im Arme Morpheus' ruht." Ich erhob mich und ging ihm hinterher, in diesem Augenblick so sehr seiner Nähe bedürfend wie selten, weniger körperlich oder leidenschaftlich, es reichte mir, einfach seine Wärme zu spüren, zu wissen, dass er da war, seinen Atem zu hören.
Würde sich dies alles ändern, wenn er denn einmal eine Familie sein eigen nennen konnte? Würde dies alles verblassen, wenn er nebst seiner Frau auch noch ein Kind haben würde? Ich konnte es nicht sagen, und der Gedanke daran flößte mir eine so gewaltige Furcht ein, dass ich ihn nicht berühren konnte, neben ihm stehen blieb und die Auswahl der Schriftrollen begutachtete, die vor ihm in einem der Regale geordnet lagen.
"Manchmal wäre die Ewigkeit noch zuwenig für Dich, mein Manius, denn ich glaube fast, sie würde nicht reichen, all jene Dinge mit Dir zu teilen, die auf dieser Welt schön und wundervoll sind," sagte ich leise, sinnierend, und atmete tief ein. Wahrscheinlich hätte ich mich für ihn auch noch zum kompletten Narren gemacht, hätte es sein müssen - so war ich nur zum salbadernden Verliebten geworden. -
Die Tage nach der Abgabe meines Amtes erschienen mir wie selige Leichtigkeit, gepaart mit einem nicht zu unterdrückenden Gefühls der Leichtigkeit des Seins. Der Gestank des Hafens zu Ostia hatte mich verlassen, die ewigen Verkehrskontrollen, bei denen ich mindestens ebenso viel Staub geschluckt hatte wie jene Männer, die üblicherweise auf die Einhaltung der Regularien zu achten hatten, und es tat gut, einige Tage nacheinander nicht mehr per pedes zu verbringen, sondern einfach nur zuhause herum lungern zu können. Zwar bereitete sich in der villa Flavia alles auf die große Hochzeit vor, aber es war mir gelungen, dem ganzen Durcheinander zu entgehen - zweifelsohne hatte ich auf meinen Ausflügen in die Politik in der Kunst, unangenehmen Aufgaben und Einflüssen zu entgehen, entscheidend dazugelernt - sodass ich mich an diesem schönen Tag, einige Tage vor dem angesetzten Hochzeitstermin meines Vetters Aristides mit der schönen Claudierin Epicharis in die Stadt davon gestohlen hatte, ohne Eskorte, ohne sonstwen, um einige Stunden der Stille zu genießen.
Ich war der Ansicht, dass ich sie mir redlich verdient hatte, und war entsprechend auch entschlossen, sie zu genießen. Nicht einmal Bridhe hatte ích mitgenommen, oder sonst einen Sklaven des Haushalts, ich wollte nicht unbedingt sofort als Patrizier auffallen und in aller Ruhe zwischen Ständen und Läden herumstreunen können. Dass mein Haar seit Tagen nicht mehr geschnitten worden war, gab mir glücklicherweise mehr den Anstrich eines Müßiggängers denn den eines gewesenen Staatsdieners - und die einfache, weiße tunica, die ich mir für heute gewählt hatte, sollte neugierigen Blicken bedeuten, dass bei mir nicht viel zu holen war.
Wann war die Leichtigkeit verloren gegangen, die ich früher gespürt hatte, wenn es um das Genießen so einfacher Dinge gegangen war? Wahrscheinlich war sie irgendwo im Moloch Rom auf der Strecke geblieben, zu Boden getrampelt von rücksichtslosen Schleimern und Speichelleckern, sodass mir nichts weiter blieb als mir einige Stunden zu stehlen, wenn es nötig war. Glücklicherweise gab Gracchus seinen Klienten immernoch großzügige sportulae aus, sodass ich eine Wegzehrung dabei hatte, die zudem kostenlos gewesen war, und so trabte ich eine belebte Seitenstraße entlang, in der sich viele kleine Lädchen mit Töpfer- und Schneiderwaren aneinander reihten.Es gab viel zu sehen, und ich ließ meinen Blick zwischen die Statuetten und Stoffe gleiten, verlor mich in Mustern und Kunsthandwerk, ohne wirklich etwas suchen zu wollen, eine Betrachtung ob des Betrachtens willens. Irgend etwas passendes würde ich für Aristides und seine Gemahlin noch finden müssen, aber ich hatte keine rechte Idee und hatte gehofft, ich würde eine Inspiration finden - die allerdings, wie es natürlich sein musste - auf sich warten ließ. Wenn man kein Glück hatte, kam für gewöhnlich auch noch Pech mit dazu. Wann hatte ich das letzte Mal mit Prisca gesprochen?
Es musste eine halbe Ewigkeit her sein, so schien es mir, aber ich wusste auch, dass solch delikate Entscheidungen wie Verlobungen nichts waren, wobei man drängen durfte oder die Familie einen zu großen Eifer erahnen zu lassen. Sicher war eine Verbindung mit den Aureliern für die Zukunft von Vorteil, aber letztendlich hatte ich es auch nicht eilig mit einer solchen Bindung - und Prisca schien mir einmal mehr wie eine Frau, die sich nicht unter Wert würde verkaufen wollen, eine angemessene Zeit des Werbens und Spielens musste dabei schon sein. Ich würde ihr demnächst wohl wieder ein Geschenk schicken, und vielleicht einen Brief, um ihre Träume wieder mit Nahrung zu erfüllen ... ja, warum nicht.Während ich also von Laden zu Laden schweifte, die vielfältigen Versuche der Händler und Ladenbesitzer sträflich missachtend, mich mit lockenden Worten in das Innere dieser meist düsteren Klitschen zu bekommen, war ich relativ blind für meine Umgebung, letztendlich erwartete ich auch nicht, irgend etwas Besonderes zu sehen, und die letzten Wochen hatten auch meinen Hunger nach weiblicher Gesellschaft dank so vieler zu erledigender Aufgaben deutlich erstickt. Wahrscheinlich hätte Helena von Troja an mir vorübergehen können, und ich hätte sie nicht einmal ansatzweise bemerkt ... und so bemerkte ich auch nicht jenen Blick, der mich seit einiger Zeit immer mal wieder flüchtig taxiert hatte.
Sim-Off: Reserviert
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Alles Gute noch nachträglich von mir ich hoffe, Du hast nett gefeiert!
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Bin derzeit etwas technisch beeinträchtigt - mein Rechner zuhause hat den Geist aufgegeben, ich hoffe, ich kriege ihn übers Wochenende wieder ans Laufen - nur schreiben war während der Arbeit die letzte Zeit kaum drin, deswegen war ich trotz Rückmeldung sehr inaktiv - mea culpa. *brumm* Hoffentlich ist es 'nur' mal wieder Windoof neu installieren anstatt Rechner wegschmeißen ...
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So... nach einer ganzen Weile der Inaktivität, geboren aus akuter Einfallslosigkeit, Unlust aus sehr vielen Gründen und Drachenfest-Vorbereitungen samt -fahren melde ich mich jetzt wieder zurück, in sozusagen alter Frische.
Es tut mir leid für alle, die auf mich warten mussten und denen ich nicht schrieb, aber ich hoffe, ich kann das wieder gut machen bzw aufholen die letzten Wochen waren in mehrerlei Hinsicht sehr fordernd für mich, da blieb wenig Platz im Kopf für kreatives, und noch weniger im Herzen. Aber nach zwei Wochen fast kompletter Internet-Absenz gehts mir innerlich langsam auch wieder besser -
Im Wald ist gut munkeln ... bei so einer Einladung gehe ich natürlich mit und bleibe bis Sonntag (einschließlich) unterwegs. Muss man ja auskosten.^^
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Auch von mir alles Gute
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Manche Pflichten waren schmerzhaft. Aber deswegen erledigten sie sich nicht von selbst, und so sehr es mich auch schmerzte, meinen Vetter und Geliebten wie ein Wrack auf der rostra sehen zu müssen, gerade gehalten durch seinen unbezwingbaren Willen und weniger durch die Stärke seines Leibes, so sehr machte es mich auch stolz zu wissen, dass er nicht aufgegeben hatte und sich von seinem Leiden nicht zu Boden ringen ließ.
Es war mir wohl bewusst, dass er neben den Spielen keine wirklichen, öffentlichkeitstauglichen Erfolge während seiner Amtszeit eingefahren hatte - bis auf sein Pflichtbewusstsein, das ihn an seinen gesunden Tagen hatte über alle Maßen arbeiten lassen - und genau deswegen hatte ich alle meine Klienten angewiesen, mich heute zu begleiten. Es waren keine wichtigen Männer, die wenigsten davon klug oder in irgendeiner Weise besonders, außer, dass sie sich zumeist redlich mühten, ihre Familien gut über die Runden zu bringen und dass sie zum Klientenstamm meines Zweiges der Familie gehörten, aber sie brachten gerade bei solchen Angelegenheiten die erforderlichen Qualitäten mit, um sie zu wertvollen Klienten zu machen:Jeder hatte ein Paar gesunder Hände und war durch meine großzügigen sportulae dazu motiviert, so laut zu klatschen, wie er nur konnte. Natürlich hatten sie sich etwas in der Menge verteilt, damit es nicht zu offensichtlich wirkte, und als mein Vetter seine elegisch kurze Rede beendet hatte, nickte ich unauffällig.
Ein Mann weiter hinten begann zu klatschen, dann fielen einige andere ein und zu guter Letzt klatschte auch ich laut und gut sichtbar mit, angetan mit der toga praetexta, die mich als amtierenden magistratus auswies und einige der neugierigen Gaffer wohl auch dazu verleitete, mit in das Klatschen einzustimmen, man konnte ja nie wissen, wofür es gut war, für etwas zu klatschen, für das ein magistratus auch klatschte. Einen praktischen Nebeneffekt hatte es auch: Es enthob Manius der Notwendigkeit, allzu schnell neue Fragen beantworten zu müssen, und ich war mir ziemlich sicher, dass er froh sein würde, wenn diese Veranstaltung bald vorbei wäre.Erst als der Beifall langsam abflaute, bemerkte ich, dass ein Mann in der Menge mir bekannt war - ich hatte nicht allzu weit vorne gestanden, direkt unter der rostra wirkte es immer ein bisschen bemüht, und steuerte nun meinen patronus an, der sich gerade mit einem anderen zu unterhalten schien.
"Salve, patronus!" sagte ich gut vernehmlich und blickte nach vorn, wo Gracchus noch immer aufrecht stand. "Manchmal glaube ich, mein Vetter beherrscht die römischen Tugenden wie kein anderer. Kürze bei einer politischen Rede, die den meisten doch nur dazu verleitet, sich selbst über Gebühr zu loben, ist ein Zeichen großer Bescheidenheit."