Es war heiß, und ich war heilfroh darüber, nicht laufen zu müssen - die Sänfte, in der ich mich befand, war allerdings auch nicht der beste Ort, um sich an einem heißen Tag aufzuhalten, trotz der dünnen, weißen und eigentlich gut luftdurchlässigen Stoffe, die mich vor neugierigen Blicken vom Straßenrand fernhalten sollten, fühlte ich mich, als wäre ich ein Stück Brotteig im Ofen, und würde langsam vor mich hin backen. Dennoch, gegen die Anstrengung, an einem solchen Ta das Kreuz tragen zu müssen, war dieses bequeme Sitzen in der Sänfte nichts.
Dass ich fast den gesamten Sklavenhaushalt der Villa Flavia Felix mitgenommen hatte, um ihnen zu zeigen, wie ein Flavier mit Fehlverhalten umging, war schon längere Zeit nicht mehr vorgekommen, die wenigsten Sklaven landeten heute noch am Kreuz, es war eindeutig weniger aufwendig, ihnen die Kehle durchschneiden zu lassen oder etwas in dieser Art - aber gerade bei Rutger erschien mir eine solche drastische Maßnahme als angemessen, und es hatten genug andere Sklaven von seinen Taten erfahren, um deutlich machen zu müssen, dass seine Taten zu keinem guten Ende führen konnten. Vor Arrecina war das Datum der estrafung geheimgehalten worden, ich wollte sie nicht dadurch beschweren, dass sie eventuell mitkommen wollte, um ihren Geliebten sterben zu sehen, so wie ich sie kannte, hätte sie es gewollt.
Die Via Appia war um diese Stunde fast ausgestorben, die meisten Reisenden, welche Italia kannten, suchten sich die kühleren Morgen- und Abendstunden für längere Wege aus, tagsüber wurde es im Sommer schnell unerträglich. Eine Weile lang verloren sich meine Gedanken im selbstvergessenen Zirpen der Zikaden, aber die Hitze und ein Schweißtropfen, der mir über die Stirn entlang bis zur Wange rann, brachte mich schnell wieder in die Wirklichkeit zurück. Ich fühlte mich elend, am letzten Abend hatte ich zuviel getrunken, um schlafen zu können, und war mit einem veritablen Kater und einem stark übersäuerten Magen aufgewacht - dass mir diese ganze Prozedur nicht behagte, durfte jedoch niemand wissen, es hätte auch kaum zu jenem Bild gepasst, welches wir Flavier für die Öffentlichkeit zu zeigen versuchten. Aufrechte, starke Römer, die nichts in ihrem Weg beirren konnte - was für eine Lüge, dachte ich mit einem grimmigen Schmunzeln auf den Lippen, denn eine Lüge war es und würde es immer bleiben.
Ich wusste nur zu gut, wieviele Zweifel ein jeder von uns hegte, wieviele Schmerzen uns dieses Bild nach außen kostete, wieviele Dinge man dafür aufgeben musste. Energisch vertrieb ich das Bild eines ganz bestimmten Gesichtes aus meiner Erinnerung und blickte geradeaus, denn wir hatten den Ort der Bestimmung erreicht, die Kreuze waren schon erkennbar. Während der letzten Schritte war es in unserer kleinen Reisegruppe stiller geworden, denn die letzte Entscheidung zwischen Leben und Tod stand bevor. Der Aufseher trieb Rutger voran, ein elendes Stück Fleisch war er geworden, dessen aufsässige Seele anscheinend durch das bevorstehende Urteil gänzlich verloren gegangen war - aber ich verbat mir jegliche Gefühlsregung und bedachte die Träger meiner Sänfte mit einem leichten Wink, dass sie diese abstellen mochten.
Die Kreuze trugen inzwischen längst keine Körper mehr, zumindest jene nicht, die wir erreicht hatten, und während ich mich aus der Sänfte schälte, suchte der Aufseher einen passenden Ort aus, an dem das Kreuz aufgestellt werden konnte. Die Schaulustigen wurden noch durch zwei grimmig blickende Haussklaven ferngehalten, während ich auf Rutger zuschritt und ihn, schwitzend und erschöpft wie er sein musste, betrachtete, ohne Triumphgefühl im Inneren. Es machte mich traurig, wie es gekommen war, und ich verbarg meine Trauer hinter einer steinernen Miene ohne jede Emotion.
"So endet es," sagte ich und suchte seinen Blick. Irgendwo musste er sein, der Rutger, den ich kannte, den ich irgendwann einmal geschätzt hatte.