Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Es war heiß, und ich war heilfroh darüber, nicht laufen zu müssen - die Sänfte, in der ich mich befand, war allerdings auch nicht der beste Ort, um sich an einem heißen Tag aufzuhalten, trotz der dünnen, weißen und eigentlich gut luftdurchlässigen Stoffe, die mich vor neugierigen Blicken vom Straßenrand fernhalten sollten, fühlte ich mich, als wäre ich ein Stück Brotteig im Ofen, und würde langsam vor mich hin backen. Dennoch, gegen die Anstrengung, an einem solchen Ta das Kreuz tragen zu müssen, war dieses bequeme Sitzen in der Sänfte nichts.


    Dass ich fast den gesamten Sklavenhaushalt der Villa Flavia Felix mitgenommen hatte, um ihnen zu zeigen, wie ein Flavier mit Fehlverhalten umging, war schon längere Zeit nicht mehr vorgekommen, die wenigsten Sklaven landeten heute noch am Kreuz, es war eindeutig weniger aufwendig, ihnen die Kehle durchschneiden zu lassen oder etwas in dieser Art - aber gerade bei Rutger erschien mir eine solche drastische Maßnahme als angemessen, und es hatten genug andere Sklaven von seinen Taten erfahren, um deutlich machen zu müssen, dass seine Taten zu keinem guten Ende führen konnten. Vor Arrecina war das Datum der estrafung geheimgehalten worden, ich wollte sie nicht dadurch beschweren, dass sie eventuell mitkommen wollte, um ihren Geliebten sterben zu sehen, so wie ich sie kannte, hätte sie es gewollt.


    Die Via Appia war um diese Stunde fast ausgestorben, die meisten Reisenden, welche Italia kannten, suchten sich die kühleren Morgen- und Abendstunden für längere Wege aus, tagsüber wurde es im Sommer schnell unerträglich. Eine Weile lang verloren sich meine Gedanken im selbstvergessenen Zirpen der Zikaden, aber die Hitze und ein Schweißtropfen, der mir über die Stirn entlang bis zur Wange rann, brachte mich schnell wieder in die Wirklichkeit zurück. Ich fühlte mich elend, am letzten Abend hatte ich zuviel getrunken, um schlafen zu können, und war mit einem veritablen Kater und einem stark übersäuerten Magen aufgewacht - dass mir diese ganze Prozedur nicht behagte, durfte jedoch niemand wissen, es hätte auch kaum zu jenem Bild gepasst, welches wir Flavier für die Öffentlichkeit zu zeigen versuchten. Aufrechte, starke Römer, die nichts in ihrem Weg beirren konnte - was für eine Lüge, dachte ich mit einem grimmigen Schmunzeln auf den Lippen, denn eine Lüge war es und würde es immer bleiben.


    Ich wusste nur zu gut, wieviele Zweifel ein jeder von uns hegte, wieviele Schmerzen uns dieses Bild nach außen kostete, wieviele Dinge man dafür aufgeben musste. Energisch vertrieb ich das Bild eines ganz bestimmten Gesichtes aus meiner Erinnerung und blickte geradeaus, denn wir hatten den Ort der Bestimmung erreicht, die Kreuze waren schon erkennbar. Während der letzten Schritte war es in unserer kleinen Reisegruppe stiller geworden, denn die letzte Entscheidung zwischen Leben und Tod stand bevor. Der Aufseher trieb Rutger voran, ein elendes Stück Fleisch war er geworden, dessen aufsässige Seele anscheinend durch das bevorstehende Urteil gänzlich verloren gegangen war - aber ich verbat mir jegliche Gefühlsregung und bedachte die Träger meiner Sänfte mit einem leichten Wink, dass sie diese abstellen mochten.


    Die Kreuze trugen inzwischen längst keine Körper mehr, zumindest jene nicht, die wir erreicht hatten, und während ich mich aus der Sänfte schälte, suchte der Aufseher einen passenden Ort aus, an dem das Kreuz aufgestellt werden konnte. Die Schaulustigen wurden noch durch zwei grimmig blickende Haussklaven ferngehalten, während ich auf Rutger zuschritt und ihn, schwitzend und erschöpft wie er sein musste, betrachtete, ohne Triumphgefühl im Inneren. Es machte mich traurig, wie es gekommen war, und ich verbarg meine Trauer hinter einer steinernen Miene ohne jede Emotion.
    "So endet es," sagte ich und suchte seinen Blick. Irgendwo musste er sein, der Rutger, den ich kannte, den ich irgendwann einmal geschätzt hatte.

    Am liebsten hätte ich kurz aufgelacht - jeden Winkel des hortus untersuchen klang wirklich nicht nach der braven, sittsamen Patrizierin, die ich bisher in ihr hatte vermuten müssen, dem keuschen Eheweib meines Vetters, der huldvollen Tochter eines strengen Claudiers - aber umso mehr freute es mich, diese Entdeckung letztendlich doch noch gemacht zu haben, und das auf so überraschende Weise. Manchmal machte einem das Leben dann doch recht überraschende und unverhoffte Geschenke, überlegte ich und führte sie ein Stückchen weiter in das schattige Dunkel zwischen den hoch gewachsenen Bäumen in den hinteren Bereichen des Gartens. Fast, als hätten die damaligen Gestalter Wert auf einen verschwiegenen Ort gelegt, schienen hier wenig einsehbare Flecken geschaffen, und inmitten eines kleinen Hains aus weißrindigen Birken hatte ein findiger architectus einen zierlichen Brunnen einbauen lassen, dessen Figurinen aus sich umeinander windenden und springenden Fischen dünne Fontänen Wasser spien.


    "Hier wäre wohl jede Statue zuviel," meinte ich lächelnd und machte eine Handbewegung, die diesen verborgenen Platz einschließen mochte. "Diesen kleinen Brunnen finde ich vollkommen, so wie er hier ist - ebenso, wie Deine Schönheit vollkommen ist, Antonia." Mein Blick suchte den ihren, wohl wissend, wie still es hier war, nur ein wenig Vogelzwitschern war noch zu hören, das Plätschern des Wassers, man hätte meinen können, die Welt hätte uns gänzlich vergessen, die Zeit würde um uns herum verrinnen, doch nicht hier, nicht an diesem Ort. "Manchmal wünschte ich, es wäre möglich, manche Dinge noch einmal zu leben, und anders zu entscheiden, in welche Richtung man geht ... andererseits wäre es dann wohl auch zu perfekt, zu einfach, und man würde sich schnell langweilen, und schnell andere Freuden suchen, weil einem die einfachen Dinge nicht mehr genügen wollen."

    Ich blickte zu Severa, als sie ihre Hand hob, und lächelte unwillkürlich, nicht ohne innerlich diesen Reflex zu verfluchen. Sie hatte einfach etwas an sich, das mich lächeln ließ, auch wenn ich nicht genau erklären konnte, was es genau war - vielleicht eine grundsätzliche weibliche Eigenschaft, die mich eins ums andere Mal würde straucheln lassen. Irgendwann würde ich Valerius Victor einen großen Tritt zugedenken, weil er mir ausgerechnet zwei Schülerinnen geschickt hatte. Wobei ich mit Schülern sicherlich dasselbe Problem gehabt hätte.
    "Rekapitulieren wir - eine Götterstatue, ein Altar, Waschbecken oder eine Quelle zur Reinigung, Priester, Opferzubehör und Verwaltungsräume, Blumen, Kerzen und ein äh .. Beichtraum ... nun, mir scheint da ein wichtiges Ding zu fehlen, auch wenn sich Severa diesem Gedanken schon genähert hat mit ihrer Aufzählung - seht euch ruhig nochmals um und überlegt noch einmal genau, vielleicht kommt ihr auch selbst darauf."


    Damit sie am vorhandenen Beispiel ihre Gedanken wandern lassen konnten, nahm ich die beiden jungen Frauen mit hinein in das Innere des Tempels, in dem zu dieser Stunde noch nicht zuviel los war. Die mächtige und imposante Statue des Mars schien den Rau geradezu zu dominieren, dennoch fühlte man sich nicht verloren - neben einigen Schalen für das Räucherwerk, welches ebenso geopfert wurde wie Kekse, die ihren Weg auf den Altar finden mochten, gab es zumindest hier im Tempelinneren nicht viel mehr zu sehen - einige Priester verrichteten ihre Arbeit, ein Betender hatte sich vor der Statue eingefunden, einen Togazipfel über den Kopf gezogen, und sprach gerade mit dem Gott selbst. Ob die beiden noch auf das in der Liste fehlende Ding kommen würden? Und ich hoffte inständig, der Sklave hätte inzwischen den Unterrichtsraum für die beiden hergerichtet, damit wir nicht immer wie die Wüstennomaden umherwandern mussten.

    Unterrichtsraum für Octavia Severa und Aelia Claudiana Dolabella


    Der karg eingerichtete Raum gibt wenig Möglichkeiten, etwas anderes zu betrachten als saubere, weiß gekalkte Wände, ein kleines Fenster zu einem hinteren Teil eines anderen Tempels hin und den aufgestellten Tischen und Bänken - gerade als wollte man vermeiden, dass die Gedanken und die Phantasie der jungen Schülerinnen auf die Reise gingen.
    Grundsätzlich riecht es hier auch etwas verstaubt, man merkt dem Raum selbst auf jeden Fall an, dass hier einstmals das officium eines inzwischen verstorbenen Marspriesters eingerichtet war, welches längere Zeit nicht angetastet worden war - die ideale, wenig anregende Atmosphäre für Unterricht also.

    Ein Sklave der Villa Flavia brachte eine Schriftrolle zum cursus publicus, ließ den Betrag von 5 Sz von der Wertkarte der gens Flavia abbuchen und ging alsdann auch wieder seiner Wege, froh, diesen leichten Auftrag schnell erledigt zu haben.



    Ad
    Marcus Aurelius Corvinus
    Villa Aurelia, Mogontiacum
    Provincia Germania


    Flavius Aquilius suo amico Marco Corvino s.d.


    Wie lange ist es her, dass wir voneinander hörten, mein Freund? Es scheint mir eine halbe Ewigkeit vergangen, aber ein Teil dieses Empfindens liegt auch gut damit verbunden, dass ich mitnichten in Achaia weilte, wie es meine Familie und der Cultus Deorum glaubten. Vielleicht hat man Dir auch gesagt, dass ich mit Flavius Aristides aufgebrochen war, einen flüchtigen Sklaven zu fangen, der seine Tochter entführt hatte - inmitten eines heftigen Wolkenbruchs verlor ich Aristides aus den Augen und verirrte mich in einem fremden Waldgebiet. Ob der Nässe muss mich wohl ein heftiges Fieber befallen haben, an die Dinge, die nach meinem ziellosen Ritt durch den Wald geschehen sind, kann ich mich jedenfalls nur bruchstückhaft erinnern und wurde schließlich von meinem treuen Tier in Richtung des Meeres getragen, wo mich eine Fischersfamilie fand, pflegte und gesunden ließ. Da ich mich nicht an meine Herkunft entsann, nahmen sie mich als Teil der Familie auf und ließen mich in ihrer Mitte leben, als den Mann der Tochter des alten Fischers. Du wirst es sicherlich befremdlich finden, denn obwohl die Arbeit sehr hart und schwer war, die ich täglich verrichtete, fühlte ich mich nicht unzufrieden - und jene junge Frau an meiner Seite zu haben, als mein vorgebliches Eheweib, machte meine Welt vollkommen.


    Die Erinnerung kehrte jedoch erst nach einem halben Jahr wieder, und ich war da schon der Mann im Haus geworden, da der alte Fischer nicht mehr stark genug war, die Familie gegen Räuber zu verteidigen - seit einem Abend, an dem ich mir mehrere Narben im Kampf gegen dieses Banditengesindel geholt habe, kam auch mein Wissen um mein Selbst wieder, und ich kehrte in mein Leben als Patrizier zurück. Vielleicht ist der größte Hohn der gesamten Sache, dass ich Vater werde, und die Geburt meines ersten Kindes unmittelbar bevorsteht, das Kind einer peregrina, der ich einen Fischereibetrieb nahe Ostia kaufte, damit mein Nachkomme in gesicherten Verhältnissen aufwächst und sowohl diese junge Frau als auch ihr Vater keine Not leiden müssen. Wie schnell Menschen doch in der Not bereit sind zu lügen, mein Freund, dieses halbe Jahr hat mich vieles gelehrt, auch, dass in meinem Leben hier in Roma vieles fehlt, und so manches zuviel ist.


    Ich kann nur hoffen, dass Deine Zeit in Germania erquicklicher verlaufen ist als die meinige hier in Italia, und was du über Deine Liebe schreibst, scheint zumindest dieser Teil Deines Lebens erfreulicher zu verlaufen als in dem meinen. Deandra habe ich nie kennengelernt, aber ich muss nun eine gewisse Neugierde zugeben, sie dereinst an Deiner Seite zu sehen, denn eine Frau, die fähig ist, Dein Herz einzufangen, muss schon etwas besonderes sein und darob interessiert sie mich. Werde glücklich, Marcus, es wird einem im Leben nur wenig Glück geschenkt, sodass man das, was einem so von den Göttern gegeben wird, ohne einen Preis zu zahlen, festhalten sollte, so gut man kann.


    Was mein eigenes Liebesleben angeht - nun, Du wirst es Dir denken können, ich lebe nach wie vor alleine, denn meine Liebe gilt jemandem, mit dem sie niemals erfüllt werden kann, und ich kann dieses Gefühl weder ignorieren noch leugnen noch aufgeben - Du hast es schon richtig erkannt, mein Herz war nicht frei, als wir uns kennenlernten, und es wird wohl niemals frei sein, umso mehr bin ich den Göttern dafür dankbar, in Dir einen Freund gefunden zu haben. Indes, es wird mir derzeitig leider nicht möglich sein, Dich in Germania zu besuchen, auch wenn ich sehr gerne wüsste, wie Du in dieser wilden Provinz lebst und wie es dort überhaupt aussieht - ich habe hier in Roma die Ausbildung einiger discipulae übernommen und bin leider nabkömmlich, sodass unser Treffen wohl so lange warten müssen, bis Du Dich wieder nach Rom begibst, um Deine politische Karriere weiter zu verfolgen. Dann werde ich auch gerne Deine Verlobte und Deine jungen Verwandten kennenlernen - Du ahnst es vielleicht, ich bin derzeit auf der Suche nach einer passenden Braut, vielleicht finde ich sie in den Reihen einer Familie, in der ich bereits einen Freund finden durfte.


    Nach der Abreise des Kaisers in Richtung Ruhm und Ehre ist es hier in Roma still geworden, der Glanz scheint ein wenig zu fehlen, doch stört das die meisten Römer wenig, und so werden die Feiertage noch immer genossen und mit viel Prunk begangen - Du wirst feststellen, dass sich an dieser dreckigen, verhurten ewigen Stadt wenig verändert, wenn Du zurückgekehrt bist. Möge Dir Deine spärliche Freizeit die Gelegenheit zur Antwort geben, derer ich mit Freuden harren werde -


    vale.
    C' Flavius Aquilius


    ROMA, ANTE DIEM VII ID IUL DCCCLVII A.U.C. (9.7.2007/104 n.Chr.)

    Nachdem ein Sklave mir die Post gebracht hatte, blickte ich von meiner Lektüre auf - die unsäglichen Verwaltungsberichte meiner ererbten Güter in Hispania - und wie gern nutzte ich doch die Gelegenheit, von dieser unangenehmen Arbeit erlöst zu werden, umso lieber, da ich den Absender als guten Freund in meiner Erinnerung noch einigermaßen hatte wiederfinden können. Wenigstens war nicht alles dem Fieber anheim gefallen, wenigstens waren mir diese Dinge geblieben, wenngleich nicht alle.



    Ad
    Caius Flavius Aquilius
    villa flavia in Roma
    Italia



    Marcus Corvinus suo amico Caio Aquilio s.d.


    Lieber Freund, lange haben wir nichts voneinander gehört. Genaugenommen seitdem wir damals diese zum Scheitern verurteilte Landpartie unternahmen, welche in einem Desaster enden musste. Ich frage mich heute, ob es nicht der Götter weitsichtige Entscheidung war, die deinem stattlichen Hengst den Beinbruch mit all seinen verketteten Folgen bescherte, welche uns zu einer verfrühten Heimkehr zwangen.


    Lange Zeit hörte ich nichts von dir, es hieß gar, du seist verschollen. Selbst deine Familie wusste nicht, wo du warst. Und nun erreichte mich die Kunde davon, dass du wieder heimgekehrt seist. Vermutlich viel zu spät, doch wie du vielleicht bereits weißt, befinde ich mich in Germanien. Hier ticken die Uhren anders, hier fließen Informationen aus dem restlichen Reich so träge wie klebriger Honig und hier absolviere ich derzeit meine zweite Amtszeit als tribunus laticlavius der legio secunda germanica. Es hat sich viel getan seitdem, sicherlich nicht nur bei mir, sondern gleichsam auch bei dir. Ich bin inzwischen verlobt, die Dame meines Herzens befand sich während all meiner Lebensjahre in meiner unmittelbaren Nähe, und doch wurde mir erst nach ihrer zweiten Adoption bewusst, dass sie diejenige ist, der ich bedingungslos vertraue und die ich auch weiterhin an meiner Seite wissen will. Es ist Deandra, du kennst sie sicher, wenn nicht durch ein Treffen, so zumindest vom Hörensagen. Mein Vater adoptierte sie einst als meine Schwester, und nun ist sie die Tochter des Claudius Vesuvianus.


    Wie steht es bei dir, Caius, ich hatte stets das Gefühl, dass dein Herz bereits jemandem gehört. Wirst auch du bald Verlobung halten oder wähnst du dich fortwährend auf der Suche? Sobald ich aus Germanien zurück bin, müssen wir unbedingt einen geselligen Abend verbringen. Es gibt vieles zu erzählen, so unendlich mehr als man in die spärlichen Worte eines Briefes einfließen lassen könnte. Sollte es dich vor meiner Ankunft, welche wohl zeitnah zu den nächsten Wahlen erfolgen wird, da ich zum vigintivir kandidieren werde, ins derzeitig gar nicht so kühle Germanien verschlagen, wäre es mir eine Freude, dein Gastgeber zu sein. Bei dieser Gelegenhet könnte ich dir außerdem meine reizende Base und meine liebliche Nichte vorstellen, du wirst sie gewiss mögen.


    Verzeih, dass ich so bald schließe, doch ist meine Freizeit eher knapp bemessen und weitere Briefe geschäftlicher Natur harren meiner Aufmerksamkeit.


    Vale.


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    MOGONTIACUM, ANTE DIEM XVIII KAL IUL DCCCLVII A.U.C. (14.6.2007/104 n.Chr.)



    Herrjeh, hatte er sich von einer Frau einfangen lassen - es traf eben immer die Besten, wenn ich bedachte, wie sich Aristides und seine Braut angeblickt hatten, wunderte es mich nicht, dass die Gabe der schönen Göttin auch diesen meiner Freunde getroffen und vernichtend geschlagen hatte. Es war eben absolut kein Kraut dagegen gewachsen, schien mir und mit einem leisen Seufzen ließ ich die Gedanken schweifen. Mein schwarzer Hengst Lapsus war längst genesen, und die Erinnerung an jenen Ausflug in die Sonne hinein war nichts anderes als ein vager Hauch warmen Windes in meinen Gedanken - dennoch, ich ertappte mich dabei zu lächeln, als ich die Lektüre des Briefes beendet hatte, und griff auch gleich zu meinen Schreibutensilien, um meinerseits eine Antwort zu verfassen.



    Ad
    Marcus Aurelius Corvinus
    Villa Aurelia, Mogontiacum
    Provincia Germania


    Flavius Aquilius suo amico Marco Corvino s.d.


    Wie lange ist es her, dass wir voneinander hörten, mein Freund? Es scheint mir eine halbe Ewigkeit vergangen, aber ein Teil dieses Empfindens liegt auch gut damit verbunden, dass ich mitnichten in Achaia weilte, wie es meine Familie und der Cultus Deorum glaubten. Vielleicht hat man Dir auch gesagt, dass ich mit Flavius Aristides aufgebrochen war, einen flüchtigen Sklaven zu fangen, der seine Tochter entführt hatte - inmitten eines heftigen Wolkenbruchs verlor ich Aristides aus den Augen und verirrte mich in einem fremden Waldgebiet. Ob der Nässe muss mich wohl ein heftiges Fieber befallen haben, an die Dinge, die nach meinem ziellosen Ritt durch den Wald geschehen sind, kann ich mich jedenfalls nur bruchstückhaft erinnern und wurde schließlich von meinem treuen Tier in Richtung des Meeres getragen, wo mich eine Fischersfamilie fand, pflegte und gesunden ließ. Da ich mich nicht an meine Herkunft entsann, nahmen sie mich als Teil der Familie auf und ließen mich in ihrer Mitte leben, als den Mann der Tochter des alten Fischers. Du wirst es sicherlich befremdlich finden, denn obwohl die Arbeit sehr hart und schwer war, die ich täglich verrichtete, fühlte ich mich nicht unzufrieden - und jene junge Frau an meiner Seite zu haben, als mein vorgebliches Eheweib, machte meine Welt vollkommen.


    Die Erinnerung kehrte jedoch erst nach einem halben Jahr wieder, und ich war da schon der Mann im Haus geworden, da der alte Fischer nicht mehr stark genug war, die Familie gegen Räuber zu verteidigen - seit einem Abend, an dem ich mir mehrere Narben im Kampf gegen dieses Banditengesindel geholt habe, kam auch mein Wissen um mein Selbst wieder, und ich kehrte in mein Leben als Patrizier zurück. Vielleicht ist der größte Hohn der gesamten Sache, dass ich Vater werde, und die Geburt meines ersten Kindes unmittelbar bevorsteht, das Kind einer peregrina, der ich einen Fischereibetrieb nahe Ostia kaufte, damit mein Nachkomme in gesicherten Verhältnissen aufwächst und sowohl diese junge Frau als auch ihr Vater keine Not leiden müssen. Wie schnell Menschen doch in der Not bereit sind zu lügen, mein Freund, dieses halbe Jahr hat mich vieles gelehrt, auch, dass in meinem Leben hier in Roma vieles fehlt, und so manches zuviel ist.


    Ich kann nur hoffen, dass Deine Zeit in Germania erquicklicher verlaufen ist als die meinige hier in Italia, und was du über Deine Liebe schreibst, scheint zumindest dieser Teil Deines Lebens erfreulicher zu verlaufen als in dem meinen. Deandra habe ich nie kennengelernt, aber ich muss nun eine gewisse Neugierde zugeben, sie dereinst an Deiner Seite zu sehen, denn eine Frau, die fähig ist, Dein Herz einzufangen, muss schon etwas besonderes sein und darob interessiert sie mich. Werde glücklich, Marcus, es wird einem im Leben nur wenig Glück geschenkt, sodass man das, was einem so von den Göttern gegeben wird, ohne einen Preis zu zahlen, festhalten sollte, so gut man kann.


    Was mein eigenes Liebesleben angeht - nun, Du wirst es Dir denken können, ich lebe nach wie vor alleine, denn meine Liebe gilt jemandem, mit dem sie niemals erfüllt werden kann, und ich kann dieses Gefühl weder ignorieren noch leugnen noch aufgeben - Du hast es schon richtig erkannt, mein Herz war nicht frei, als wir uns kennenlernten, und es wird wohl niemals frei sein, umso mehr bin ich den Göttern dafür dankbar, in Dir einen Freund gefunden zu haben. Indes, es wird mir derzeitig leider nicht möglich sein, Dich in Germania zu besuchen, auch wenn ich sehr gerne wüsste, wie Du in dieser wilden Provinz lebst und wie es dort überhaupt aussieht - ich habe hier in Roma die Ausbildung einiger discipulae übernommen und bin leider nabkömmlich, sodass unser Treffen wohl so lange warten müssen, bis Du Dich wieder nach Rom begibst, um Deine politische Karriere weiter zu verfolgen. Dann werde ich auch gerne Deine Verlobte und Deine jungen Verwandten kennenlernen - Du ahnst es vielleicht, ich bin derzeit auf der Suche nach einer passenden Braut, vielleicht finde ich sie in den Reihen einer Familie, in der ich bereits einen Freund finden durfte.


    Nach der Abreise des Kaisers in Richtung Ruhm und Ehre ist es hier in Roma still geworden, der Glanz scheint ein wenig zu fehlen, doch stört das die meisten Römer wenig, und so werden die Feiertage noch immer genossen und mit viel Prunk begangen - Du wirst feststellen, dass sich an dieser dreckigen, verhurten ewigen Stadt wenig verändert, wenn Du zurückgekehrt bist. Möge Dir Deine spärliche Freizeit die Gelegenheit zur Antwort geben, derer ich mit Freuden harren werde -


    vale.
    C' Flavius Aquilius


    ROMA, ANTE DIEM VII ID IUL DCCCLVII A.U.C. (9.7.2007/104 n.Chr.)


    Wieder war es der wenig begeisterte ianitor der Villa Flavia Felix, der dem Griechen öffnete - und da er ihn erkannte, verdüsterte sich die Miene Acanthus' gleich noch um ein paar Grad. Wollte der Alte hier nun betteln kommen oder was trieb ihn wieder hierher? Kritisch beäugte er den philosophus und raunzte schließlich im besten 'wir geben nichts!' -Manier in dessen Richtung: "Salve! Was willst Du?"

    Arbeitszimmer | Caius Flavius Aquilius



    Ein kleiner Raum stellt das Arbeitszimmer des Caius Flavius Aquilius dar, verschwenderisch karg möbliert, denn bis auf einen Schreibtisch aus dunklem, hochpoliertem Holz und einem bequemen Stuhl dazu in ebendieser Aufmachung findet sich in diesem Raum nur ein Regal für Schriftrollen und das mit dunkelgoldenen Vorhängen verdeckte Fenster - die Wände selbst sind dunkelrot bemalt, die Schmuckranken unter der Decke zeigen Trauben und die Blätter des Rebstocks. Neben einer reichverzierten Öllampe, die auf einer Seite des Schreibtisch steht, sorgt zur Not auch des Nachts eine stehende Öllampe in einer Ecke des Raumes für Licht. Alles in allem wirkt dieser Raum, gemessen mit dem Luxus der restlichen Villa, wie der Versuch, sich ein Refugium zu schaffen, das sich allein auf des Geistes Gaben beschränkt.
    Wer im Schriftrollenregal stöbert, sollte darin neben zeitgenössischen Dichtkunstwerken und klassischer Literatur auch die wirklich bedeutenden Schriften zur Republik und der aktuellen Politik finden. Ganz hinten, unter der 'res publica' von Cicero, findet man dann auch eher schlüpfrige Werke mit erotischem Tenor.

    Täuschte ich mich? Oder hatten ihre Augen wirklich kurz aufgeleuchtet, mir ein Echo geschenkt, das mir sagte, ob sie genoss, was ich tat - oder eben nicht? Aber ich war mir nicht sicher genug, um alles zu riskieren, was sich an möglicher Vertrautheit bisher zwischen uns beiden gewebt hatte, und letztendlich hatte ích auch Zeit, viel Zeit. Wollte ich sie denn verführen um ihretwillen, oder nur, um mir zu beweisen, dass ich es noch konnte, dass ich immernoch fähig war, wenigstens bei anderen als dem Menschen, den ich liebte, einen gewissen Wunsch nach Nähe entstehen zu lassen? Ihre Hand legte sich sanft wieder auf meinen Arm, und ich nahm unsere kleine Wanderung durch das weiche, gepflegte Gras wieder auf, spürte bisweilen die kitzelnden Grashalme an den Zehen, und hätte mich am liebsten einfach nur in das Gras gelegt und mich ein wenig gesonnt - was aber nichts war, was man einer Patrizierin einfach so vorschlagen konnte.


    "Hmm, ich dachte da auch an eine Venus und einen Mars, hier in dieser lauschigen Ecke wären die beiden sicherlich gut aufgehoben, was meinst Du?" Ich deutete auf einen Flecken zwischen den üppigen Blumenrabatten, an dem tatsächlich noch ein wenig Platz zu sein schien, vor allem war dort der Baumbewuchs genug gestutzt, um einen schönen Blick zu bieten. "Apollo und Mercurius würde ich etwas näher an der Villa aufstellen lassen, denn dort werden sie eher gesehen, wenn man schon in Gedankenn durch die Gegend flaniert - lassen wir die lauschigen Orten jenen, die miteinander eine gewisse Leidenschaft teilen." Ich schmunzelte leicht vor mich hin, denn auch eine solche Bemerkung würde vielleicht ihre Gedanken ein wenig wandern lassen, nicht zuletzt zu der Tatsache, dass wir es waren, die sich jetzt am eben genannten intimen Fleckchen hortus befanden.

    Man verzeihe mir den Urschrei, aber ich habe heute endlich die Nachricht bekommen, auf die ich seit zwei Monaten wartete - mein neuer Job klappt, deutlich mehr Geld für den gleichen Zeitaufwand wie jetzt schon, gemütliches Sitzen anstatt stehen und körperlicher Plackerei, (hoffentlich) kein Anti-Studenten-Mobbing der übelsten Sorte mehr - ich kann gerade gar nicht sagen, wie sehr ich mich freue, und bevor ich platze, schrei ich lieber hier mal kurz durch's Forum :D


    *sich heute gepflegt besaufen gehen wird*

    Der Augenblick entfaltete sich wie die Morgenröte vor meinen Augen, prächtig, vollendet und vor allem mit einer Schönheit gesegnet, die ich nur mit stummem Staunen verfolgen konnte - sie lächeln zu sehen, war schon ein Erlebnis, doch diese Mischung aus Verlegenheit und, wie ich hoffte, einer gewissen Erregung, selbst wenn diese nur ein vager Hauch sein mochte, in ihren Augen zu sehen, erfreute mich mehr, als es die Vollkommenheit einer Rose jemals hätte tun können. Wie mochten sich ihre Lippen wölben und teilen, wenn sie leidenschaftlich seufzte? Dieses warme Rot, feuchtglänzend, vielleicht noch von der Zunge extra befeuchtet, mit schimmernden Augen, die von der langsam aufsteigenden Woge ihrer Erregung dunkler werden mochten? Ich hätte es sein lassen sollen, mein Geist wusste das, aber mein Inneres wollte nicht auf den Verstand hören, der mich so oft davon zurückzuhalten versuchte zu leben, mein Leben zu genießen, wenn mir schon die Freude einer erfüllten Liebe verwehrt wurde.


    Sachte ergriff ich ihre Hand und neigte die Lippen darüber, ließ sie zuerst den warmen Hauch meines Atems spüren, bevor meine Lippen die zarte Haut ihres Handrückens berührten, um einen winzigen, prickelnden Kuss zu hinterlassen - und schon war ihre Hand wieder in die Freiheit entlassen, und ich bot ihr mit dem unschuldigen Lächeln eines vollkommen harmlosen Mannes abermals den Arm, auf dass wir unseren Weg durch den Garten fortsetzen konnten.
    "Du siehst, ganz so leicht werde ich es Dir nicht machen, Antonia, aber alles andere wäre auch kaum eine Herausforderung für eine kluge wie hinreißende Frau wie Dich. Was hältst Du davon, wenn wir uns überlegen, wie man diesen Garten noch ein wenig schöner gestalten könnten? Die ein oder andere Statue wäre hier sicher nicht verkehrt."

    Die Worte verschwammen vor meinen Augen, und ich las mehr mit dem Herzen als mit einem bewussten Rest meines Verstandes, was mir Manius dort hinterlassen hatte - ein Teil meiner Selbst wollte nicht glauben, dass er nicht mehr hier sein sollte, auf einer Jagd nach seinem Zwilling, seiner Base - und auf der Flucht gleichzeitig davor, wer er war und wer er immer sein würde. Ich konnte nichts daran ändern, wie es war, und gleichsam wünschte ich, ich könnte dieses unsägliche Gefühl, das nur bitteren Schmerz für uns beide bereithielt, aus meiner Brust reißen, um es niemals wieder fühlen zu müssen, niemals wieder ihn so schmerzlich bewegt sehen zu müssen, so verzweifelt, so aussichtslos schmerzerfüllt.


    Es dauerte lange, bis mein Verstand überhaupt fähig war, den Sinn all seiner Worte vollständig zu verstehen, und noch länger, bis ich nicht mehr am ganzen Leib zitternd neben meiner Schlafstatt stand und mich nicht einen Schritt weiter rührte - bis mein Leib in sich zusammensackte und glücklicherweise von meinem Lager aufgefangen wurde, auf welchem ich mich einer Katze gleich zusammenrollte und zum ersten Mal seit meiner Rückkehr mein Schluchzen mit dem Arm zwischen den Zähnen erstickte. Es mochte schwach sein, zu weinen, aber ich konnte nur um alles trauern, was uns verloren gegangen war, trauerte um die tausend versäumten Augenblicke, die wir vielleicht miteinander hätten teilen können, hätte er seinen Schwur nicht getan, um das Lachen, das so sehr aus seinem Inneren gewichen schien, dass nur noch Ernst und Beherrschung zurückgeblieben waren ... und zuletzt auch darum, dass ich ohne ihn nur immer eine leere Hülle meiner Selbst sein würde, solange ich lebte, solange die Götter mich zu atmen zwangen.


    Der zerknüllte Brief fest in meine Finger eingeschlossen, blieb ich liegen, und irgendwie verstrich die Zeit, glitt vorüber, ohne dass ich ihr mit den Gedanken folgte, im Inneren weit weg, irgendwo, denn wenn er nicht mehr da war, wo sollte ich schon sein? Ama te, Manius, ama te.

    "Gerade, wenn Du im Augenblick nicht viel besitzt, ist das ein oder andere gute Stück Nahrung doch nicht verkehrt. Jeder kommt einmal in eine problematische Lage, solches habe ich selbst auch schon einmal erlebt - in sofern müsstest Du Dich nicht schämen, würdest Du etwas freigiebig gegebenes annehmen," erwiederte ich nicht unfreundlich und musste schmunzeln. Er mochte zwar aussehen wie ein laufendes Schaustück aus der subura, aber er besaß zweifelsohne den Stolz eines Mannes, der noch nicht ganz unten angelangt war. Ein vage aus seiner Richtung herüberdriftender Geruch mit einer süßlichen Note ließ mich die Stirn runzeln, irgendwoher kannte ich diesen Geruch, aber woher? Noch mochte sich die Erinnerung nicht wirklich regen, wie üblich, wenn sie aus der ferneren Vergangenheit stammen mochte - der Gedächtnisverlust durch das Fieber hatte sich immernoch nicht vollkommen auslöschen lassen, und in solchen Augenblicken fragte ich mich stets, ob es so gut gewesen war, Aristides zu begleiten.


    Aber etwas im Blick seiner Augen ließ meine Aufmerksamkeit wieder zu ihm zurückkehren, meinen Blick an jenem Blau hängen bleiben, in dem es gerade leicht aufgeblitzt zu haben schien - er hatte ein offenes Lächeln, und auch wenn ich heute eigentlich anderes vorgehabt hatte, so nickte ich doch, ohne den Moment weiter bedacht zu haben. meinte ich dann und neigte ihm leicht den Kopf zu, als er sich vorstellte. "Caius Flavius Aquilius ist mein Name, sacerdos martialis in diesem "Nun, ich werde sicherlich noch eine ganze Weile hier in Rom sein, daran soll es nicht scheitern. Kennst Du den kleinen Breistand von Lucurus unweit des Vestatempels? Das Essen dort ist ganz gut, und ich denke, das wird Deinen Bauch sowie auch den meinen gut füllen können," Er hatte kein nomen gentile genannt, vielleicht war er nur ein peregrinus? Zumindest war nun meine Neugierde geweckt, und ich blickte ihn abwartend an. [COLOR=darkblue]"Ich bin Caius Flavius Aquilius, sacerdos martialis in diesem Haus des Mars - und ich freue mich, Deine Bekanntschaft gemacht zu haben, Serapio."

    Sim-Off:

    Ich war die letzten Tage leider durch RL stark verhindert, was ein Blick in den An-/Abwesenheiten-Thread sicher auch erbracht hätte, bevor hier schriftlich Fehlverhalten des Charakters suggeriert wird - in Zukunft bitte ich, einfach mal nachzusehen, bevor meinem Char irgend etwas angedichtet wird - danke!


    Ich hatte den Worten der beiden Frauen mit einem Lächeln zugehört und sicherlich mochte es an diesem schönen Tag liegen, oder der Anwesenheit gleich zweier reizender weiblicher Wesen, dass sich meine Gedanken ein klein wenig in eine Richtung verirrten, in die sie nicht hätten schweifen sollen - erst, als mich Dolabella ansprach, registrierte ich wieder, wo ich war, und dass wir eigentlich etwas zu tun hatten, das mit Herumstehen nicht viel zu tun hatte.
    "Ähm ... nein, ich habe nur an etwas gedacht. Nun, da ihr beide anwesend seid, wollen wir uns gleich dem Unterricht widmen - ich habe uns einen kleinen Raum herrichten lassen, damit wir die anderen Anwesenden nicht durch unsere Gespräche stören. Aber zuvor wollen wir uns dem Offensichtlichen zuwenden. Ihr kennt beide die kultische Verehrung unserer Götter ausreichend gut, denke ich, also könnt ihr mir nun bitte beide erst einmal nennen, was in einem Tempel alles vorhanden sein sollte, damit überhaupt ein angemessenes Opfer durchgeführt werden kann." Herrjeh, das war mir jetzt aber dann doch peinlich, als Lehrer sollte man aufmerksamer sein - und so blickte ich die beiden ruhig an, um von meinem Fehler abzulenken.

    Allen gewidmet, die momentan vergeblich auf Antwort von mir warten - auf der Arbeit brennt derzeit die Luft, ich darf Überstunden schieben und bin abends derzeit so kaputt (körperlich wie geistig), dass ich keine müde Zeile mehr tippen mag und kann ... wenn dann noch Streß im Studium und ein bisschen viel RL-Kram dazukommt, dann ist meine Abwesenheit hoffentlich verständlich. Ich hoffe allerdings, dass es sich bis nächste Woche einigermaßen normalisiert (sonst explodiert mir der Kopf oder etwas in der Art) und ich dann in Ruhe antworten kann.
    Bis dahin wünsche ich allen, die mit meinen beiden IDs zu tun haben, dennoch eine schöne und ruhigere Zeit, als ich sie derzeit erlebe ;)

    Warum? In meinem Innersten brannte nur dieses einzige Wort, diese ewige und immer gleiche Frage, die er mir niemals würde beantworten können, nicht beantworten musste, weil ich die Antwort selbst schon zu gut kannte. Warum? Liebst Du mich denn nicht genug, um wenigstens uns ein einziges Mal zu gestatten, die dumpfe Bitterkeit zum Verstummen zu bringen? Fliehst Du vor einem Gefühl, das Dir die ratio nehmen könnte, um sie mit emotio zu ersetzen, fliehst Du davor, Dich vielleicht in etwas zu verlieren, von dem Du nicht weisst, in welche Richtung es Dich führen kann? Fliehst Du vor mir, ist denn nichts, was ich dir geben könnte, genug, um wenigstens ein einziges Mal nur schenken und annehmen zu dürfen, was schon so lange nur für Dich bestimmt ist?


    Warum, Manius? Warum? Ich bekam die gesprochenen Worte, die wenigen, entscheidenden, nur durch einen dumpfen Nebel mit, ich hielt ihn nicht auf, denn ich konnte nicht, ich durfte nicht, es wäre falsch gewesen, so unendlich falsch, wie alles falsch war, das ich an diesem Abend getan hatte. Ich hätte ihn nicht berühren dürfen, nicht einmal anblicken, weil ich nur zu gut wusste, was es auslösen würde, was es auslösen musste, und doch war mir nur zu sehr bewusst, dass ich in jedem Augenblick genauso wieder gehandelt hätte, wie ich es getan hatte, instinktiv, nach dem Menschen drängend, den ich so verzweifelt liebte, und nicht lieben durfte. Noch immer brannte die Berührung seiner Finger auf meiner Haut, dort, wo er mich gepackt hatte, aber es war nicht angenehm, es schmerzte wie das Feuer, an dem man sich einmal zu oft verbrannt hatte, und doch immer wieder verbrennen würde, weil es so heiß, so einladend war.


    Ich merkte nicht, dass mir die Tränen, die ich lange nicht geweint, immer in mein Innerstes zurückgedrängt hatte, über die Wangen liefen, sich mit dem Dampf mischten, der hier noch immer herrschte, aber auch dies konnte ich nicht verhindern oder ändern - es war einfach da, und mein Körper war einfach da, und irgendwo, irgendwo war auch mein Innerstes, das sich im neuerlichen Schmerz der Zurückweisung wand und zitterte. Meine Augen sahen ihn auf der Treppe sitzen, leicht wippend, in sich zusammengesunken, wie ich mich zusammengesunken fühlte, kraftlos, ohne Stärke, ohne innere Freude, ohne den Halt, den ich gebraucht hätte, den ich gehofft hatte, irgendwann zu finden ... und mein Körper handelte, glitt durch das warme Wasser hin zu ihm, und einer meiner Arme legte sich um seinen zitternden Körper, ohne das Verlangen auszulösen, das ich wenige Augenblicke früher noch empfunden hatte. Meine Wange legte sich an seinen Nacken, und ich weinte schweigend, wie auch er schweigend dort saß, in seiner Gedankenwelt verloren. Warum .. warum hast Du nur auf Iuppiter geschworen? War das die einzige Möglichkeit, Dich zu schützen?


    Und doch, es war noch da. Es ließ sich einfach nicht zerstören, nicht zerfetzen. Ama te. Es brannte tief in mir genau wie der Schmerz brannte, aber noch war ich nicht genug ausgebrannt, um nichts mehr zu empfinden. Noch nicht.
    "Per Iovem lapidem ..." flüsterten meine Lippen, und auch ich leistete einen Schwur. Den einzigen, den ich vielleicht leisten konnte, ohne Weihrauch, ohne Opferkekse, aber ein Schwur. Er würde ihn gehört haben, dessen war ich mir sicher.

    Ich betrachtete sie einfach, vielleicht eingehender als jemals zuvor. Wie sie mit klaren Worten und trotzdem humorvoll unser Gespräch zusammenfasste, auf meine Worte einging und lachte, gefiel mir ungemein. Wahrscheinlich wäre eine Frau für mich mit ihren Geistesgaben nahe an der Perfektion, überlegte ich wehmütig und seufzte innerlich. Dass sie ausgerechnet Manius' Frau sein musste, dass sie überhaupt verheiratet sein musste - es war klar, in solchen Dingen hatte ich das Glück nicht wirklich gepachtet. Dass sie dann als ihren Traum Vestalin nannte, überraschte mich indes doch sehr - diese Sehnsucht nach einer Hinwendung an Höheres hätte ich nicht vermutet, aber ich muss gestehen, sie überraschte mich angenehm. Doch die genüsslich in der Sonne liegende Katze lenkte mich wieder ab, und ich musste unwillkürlich lachen. "Wer würde sich nicht ein solches sorgenfreies Leben wünschen? Allerdings, es würden so viele Freuden fehlen. Spaziergänge mit einer schönen und klugen Frau beispielsweise, die Genüsse der Literatur, gutes Essen, die gemeinsam geteilte Leidenschaft, die Freude an einem Bad nach einem heißen Tag ... was erlebt eine Katze Vergleichbares?"


    Dass sie bei der Nennung von Kinderbeaufsichtigung stiller wurde, ließ mich innerlich fast die Hand an die Stirn klatschen, natürlich, wie dämlich war doch diese Idee gewesen, immerhin mühten sich die beiden redlich daran, einen Erben zu bekommen, und hatten bisher wenig Erfolg gehabt. "Nuuun ..." nahm ich gedehnt den Monster-Gedanken wieder auf. "Sagen wir, ich wüsste das ein oder andere, mit dem ich selbst ein grünhäutiges Monster beschäftigen könnte, damit es in meinem cubiculum bleibt und nicht blutsaufend durch den Rest der villa rennt." Ich zwinkerte ihr verschmitzt zu und neigte mich verschwörerisch zu ihr hin, leiser nun flüsternd: "Dir diese Dinge aber alle zu nennen hieße, recht anstößige Details einer wohlerzogenen jungen Frau zu sagen, und ich will Dich schließlich nicht der Gefahr aussetzen, erröten zu müssen." Vielleicht würde diese kleine wohlgesetzte Provokation sie auch wieder ablenken?

    "Ähm ja. ..er ist mein Vetter, wenn ich nicht irre - es gibt hier so viele Flavier, langsam verliere ich wirklich die Übersicht, mit wem ich wie verwandt bin. Am ehesten sollte ich wohl von jedem Mann hier sagen, er sei mein Vetter, irgendwie stimmt es bei jedem ein wenig," erwiederte ich grinsend und verdrängte die Tatsache schnell, dass ich mich an Lucullus' Gesicht nicht erinnerte - ein weiteres Überbleibsel meines Fiebers und der langen, unfreiwilligen Zeit als Fischer. Seinen Namen hatte ich war nun mehrfach von Gracchus vernommen, aber sehr viel mehr als die Tatsache, dass er wie ich sacerdos war, blieb nicht in meinem Gedächtnis hängen. "Wahrscheinlich gibt es bald keine Ecke mehr in Roma, in der man nicht auf irgendeinen Flavier stößt, meine Vettern sind ziemlich begeistert dabei, sich Nachkommen zu schaffen, und selbst ich werde demnächst Vater."


    Warum ich das erzählte, wusste ich nicht genau, vielleicht hatte mir der ein die Zunge gelöst, vielleicht wollte ich auch einfach ein anderes Thema einschlagen als das allmähliche Verkommen unserer Staatsreligion, das für keinen sacerdos ein angenehmes war. "Hast Du eigentlich Frau und Kinder? Ich werde mir wohl bald eine Frau suchen müssen, und das ist eine wirklich heikle Sache," meinte ich mit einem Seufzen und kippte noch einen Schluck Wein nach.

    Gemächlich stieg der Rauch im Tempelinneren auf und für einige Momente lang folgte ich mit dem Blick jenen dünnen Rauchfahnen, die das Haupt der Marsstatue umspielten, um sich dann im Luftzug aufzulösen. Ein Augenblick, den ich auch bei den Opfern anderer immer als sehr beruhigend und entspannend empfand, denn wenn sich jetzt nichts nachteiliges ereignete, bedeutete es schon, dass Mars die Opfergabe zumindest nicht kategorisch zurückwies. Alles weitere würde sich zeigen müssen. Dann allerdings hatte ich den Eindruck, dass mich jemand recht eingehend musterte - und als ich diesem Eindruck folgte, stand am Ende der gedanklich gezogenen Linie mit Blicken eben jener junge Mann von eben, dessen abgerissene Erscheinung nicht wirklich zu seiner doch aufrecht wirkenden Haltung passte. Ein Besuch beim Barbier und ein Bad würden ihm sicher auch nicht schlecht tun, überlegte ich, aber in seinem Blick lag etwas, das mich neugierig machte. Versuchte er etwa ... nein, ich musste mich getäuscht haben, er hatte nur geblinzelt. Oder litt ich inzwischen derzeit an der Sache mit meiner persönlichen nemesis, dass ich zwanghaft in Blicken anderer etwas zu finden suchte, was ich mir so sehr von einem bestimmten Menschen wünschte?


    Aber er lächelte und sprach mich an, also mussten die Gedanken der Realität weichen, so erwiederte ich das Lächeln und meinte dann in ermunterndem Tonfall: "Sofern Er Dir kein Zeichen der Abweisung gesandt hat - und ich konnte keines entdecken - wird Er das Opfer sicher angenommen haben. Vielleicht gefällt es Vater Mars auch, Dir ein eindeutigeres Zeichen zu schicken, aber ich bin mir sicher, wenn Er dies tut, wirst Du es auch als ein solches erkennen, ohne dass Du jemanden darob befragen müsstest." Ich machte eine kleine Pause, blickte nochmals an ihm herab und meinte dann, etwas leiser: "Hast Du vielleicht Hunger? Ich habe sehr wohl bemerkt, dass Du Deine Sandalen für das Opfer verkauft haben musst, und ohne Speise soll niemand das Haus dvon Roms Beschützer verlassen müssen, der etwas für ihn wichtiges opfert."