Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Gleich zwei Frauen waren mir nun als discipula bestimmt worden - wenn mich nicht alles täuschte, hatte ich diesen 'Glücksfall' Valerius Victor zu verdanken, der sehr wohl wusste, dass mir praktische Arbeit mehr lag als das dauernde Opfern alleine - und so hatte ich mich an jenem Tag, an dem ich auch die zweite Frau kennenlernen würde, recht früh auf den Weg zum Tempel gemacht, manierlich in blütenweißer toga hergerichtet, das Haar ordentlich frisiert und die Wangen frisch rasiert, um einen entsprechenden Eindruck zu hinterlassen - man diente den Göttern nicht mit dem Aussehen eines absoluten Schlampers. Den Namen der jungen Dame hatte man mir zwar nicht mitgeteilt, aber es würde im Tempel sicherlich nicht allzu viele herumstehende junge Frauen geben, die auf einen Priester warteten, bei einem jungen Mann wäre die Sache gleich etwas komplizierter geworden.
    Wie es in Rom gerne einmal vorkam, hatte mich eine Menge aufgehalten, die eifrig die Rede irgendeines Politikers diskutierte, der heute auf dem forum seine Meinung zum Besten gegeben hatte - und so hatte ich mehr Verspätung, als mir recht sein konnte, musste mich den Rest des Weges mehr beeilen als sonst.


    Dass mich dann nicht nur eine junge Frau erwarten würde, sondern es gleich zwei waren, hatte ich nicht gedacht, aber es war ganz praktisch, den Unterricht für Octavia Severa hatte ich ein bisschen später gelegt, aber so mussten wir nicht warten. Den letzten Satz der mir erstaunlicherweise von Aristides' Feier noch her bekannten jungen Frau hatte ich gerade noch mitbekommen und musste insgeheim schmunzeln. Venus also, anscheinend hatte der Kult der schönen Göttin noch immer viele Anhängerinnen unter den besser gestellten Frauen Roms, nun, warum nicht. Die Grundlagen würde sie aber genauso lernen müssen wie jede andere discipula auch.
    "Salve ... ich nehme doch an, dass auch Du wegen des Unterrichts da bist, Claudia Dolabella?" An ihren Namen erinnerte ich mich sehr gut, man traf schließlich nicht jeden Tag jemanden auf einer Feier, der inmitten von Verwandten komplett die Übersicht verloren hatte. Auch Octavia Severa nickte ich freundlich zu, während mein nicht still zu bekommender Hinterkopf mich ausführlich auf ihre schlichte Kleidung hinwies, die leider ihre Reize mehr betonte, als es jeglicher Zierrat hätte tun können.

    Aus einiger Entfernung hatte ich den abgerissen wirkenden Kerl mit dem Aussehen eines Süchtigen beobachtet, denn immer wieder schlichen sich Bettler in Mars' Hallen, um Opfergaben zu stehlen oder die Opfernden zu belästigen, wenn ihnen der Wein zu sehr zu Kopf gestiegen war - nicht zuletzt die Aufgabe, solche Leute alsbald wieder aus dem Tempel zu entfernen, war die Aufgabe der Priester des Mars. Zumindest die derjenigen Marspriester, die noch fähig waren, ihr gladius zu sehen, wenn sie an sich herabblickten. Aber der Kerl schien weder Leute belästigen zu wollen - als er ging, hatte ich mich schon wieder abgewendet, nur um ihn wenig später ohne Sandalen und mit Opfergaben zurückkehren zu sehen. Er musste wirklich am Ende sein, wenn er sein Schuhwerk gegen Opfergaben eintauschen musste, aber was wollte ich sagen? Ich hatte zu meinen schlechteren Zeiten den Opferwein immer aus dem Weinkeller der Familie geklaut.


    Auf sein Gebet war ich zugegebenermaßen neugierig, und blieb in der Nähe, nicht zu nahe, damit er sich nicht gestört fühlte, aber nahe genug, um einen Teil der normal laut gesprochenen Worte zu vernehmen. Anscheinend war er mir in gewisser Weise ähnlich, ein Tunichtgut ohne wirkliches Ziel im Leben - ich wünschte, ich hätte das Flüstern auch verstehen können, aber wenn er der Ansicht war, dass dies wirklich nur ihn und Mars etwas anging, dann mochte er leise sprechen. Das Opfer vollzog er zumindest korrekt, sodass es da nichts zu beanstanden gab, und so wie ich Mars kennengelernt hatte, würde Er auch auf die Bitte dieses Mannes reagieren - waren es nicht gerade die Ziellosen, diejenigen, die um Hilfe baten, wenn sie selbst nicht mehr weiter kamen, die Seiner Aufmerksamkeit am ehesten würdig waren? So verharrte ich schweigend neben der Säule, neben der ich Stellung bezogen hatte, und wartete ab, ob er vielleicht noch die Hilfe eines Priesters in Anspruch nehmen wollte, so er denn mit seinem Gebet fertig sein würde.

    Ihre nüchterne Zusammenfassung ließ mich auflachen, dann schüttelte ich den Kopf und vertrieb damit die Erinnerung an Orestillas lügnerisches Lächeln aus meinem Kopf. "Nun, schlecht würde ich es nicht nennen, denn es bietet einem doch auch vieles, wenn man die Dinge nur sehen will, die sich vor den Augen ausbreiten und nur darauf warten, angenommen zu werden. Manchmal ist es nicht leicht, und man muss vieles tun, um seinen Weg zu machen, manchmal stellt es einen vor schwierige Hindernisse. Aber generell schlecht ist es nicht, denn dann gäbe es so kleine Freuden, wie zum Beispiel mit Dir durch diesen Garten zu schlendern, niemals."


    Ich ließ mich gern mitziehen, auf den kurz geschnittenen Rasen, der von einigen höheren Hecken eingesäumt war, die sich mit Rosenrabatten mischten. Wer auch immer diesen Garten geplant hatte, verstand zweifelsohne sein Handwerk, dachte ich und musste über ihren neuerlichen Einfall schmunzeln. "Nun, ich wäre schon damit zufrieden, ein Patrizier mit einer klugen und witzigen Frau zu sein, der seine Zeit mit Philosophie und Literatur verbringen kann, vielleicht irgendwann Kinder hat, denen er beim Aufwachsen zusehen kann - mehr wünsche ich mir eigentlich nicht. Und wer möchtest Du gerne sein? Ich hoffe, dass Du jetzt nicht Amazonenkönigin oder etwas in der Richtung sagst."


    Wie sie gegen die Weide lehnte, hatte fast den Atem klassischer Perfektion, und ich genoss es, sie zu betrachten. Ohne dass sie es zu ahnen schien, ließ sie einen in Traumgefilde eintreten, aus denen man sich kaum befreien konnte. "Etwas, das Dir Freude bereitet, das Dich auszufüllen versteht. Vielleicht die gesamte Buchführung der Villa Flavia, wer weiss? Oder die Tätigkeit für die Acta Diurna, mit dem Schreiben? Vielleicht hast Du auch irgendwann daran Freude, Kinder zu beaufsichtigen, oder diese ganzen hausfraulichen Tätigkeiten mit Nadel und Faden, von denen wir Männer niemals etwas verstehen werden? Es gibt so vieles, was Du tun könntest, ich bin mir sicher, dass Du etwas finden wirst." Die Idee mit den Schuhen ließ mich allerdings nur schmunzeln, viel lieber betrachtete ich sie beim Nachdenken. "Wenn Du unbedingt einkaufen gehen willst, dann solltest Du mich alsbald in die Stadt begleiten - ich muss dringend ein paar Tuniken und diesen ganzen Kram kaufen, nachdem mein Hausstand noch immer in Achaia weilt."


    Ihre glaubhafte Darstellung eines fiesen Monsters ließ mich abermals lachen, auch wenn ich so tat, als würde ich vor ihr zurückschrecken. Dass sie so ausgelassen sein konnte, sprach für sie, ihr Lachen hatte einen schönen Klang. "Nun, ich fürchte, bevor ich dich des Nachts besuche, muss ich mir ein gladius zulegen," konterte ich und grinste. "So ein furchtbares Wesen kann ich schließlich hier nicht in der Villa umherlaufen lassen! Und dann sperre ich Dich bis zum nächsten Morgen in mein cubiculum."

    "Bedenke, was Du Dir wünscht, Antonia, manchmal wird es Dir vielleicht erfüllt," sagte ich bedächtig, von jähem Ernst erfüllt. "Ich habe das letzte halbe Jahr als peregrinus gelebt, ohne zu ahnen, wer ich bin, und ich sage Dir, das Leben dieser Menschen besteht aus wenigen, dadurch umso heller strahlenden Freuden - und ansonsten aus viel Arbeit, die den Körper krümmt, beständigen Schmerz verursacht und die Haut rauh macht. Vielleicht lebt man als peregrinus glücklicher, weil man wenig mehr hat, um das man sich Gedanken machen muss als die Arbeit und das nächste Mahl, und auch, dass es der Familie gut ergeht - aber könnte ich wählen, würde ich stets nur Patrizier sein wollen, denn frei ist man auch in diesem Leben nicht, die Sorgen verändern sich nur und man ist bedeutend abhängiger von allem, als man es sich vielleicht in der Ruhe eines patrizischen Lebens vorstellen kann." Gedankenverloren strich ich mit einer Hand über meinen rechten Unterarm, der die noch jungen Narben aufwies, welche dem peregrinus Aquilius zugefügt worden waren, dem Fischer, der versucht hatte, seine vermeintliche Familie zu verteidigen, dann seufzte ich doch.


    "Manchmal denken wir vielleicht zuviel, ein sicheres Zeichen dafür, dass einem etwas fehlt, das wirkliche Gedanken lohnen würde - und ich bin mir sicher, dass auch Du noch etwas finden wirst, das Dich so sehr beschäftigt, dass Du nicht nur dunkle Tage erleben wirst - bis dahin werde ich versuchen, Dir immer dann die Sonne nachzuwerfen, wenn Du sie verloren hast," schlug ich einen versöhnlicheren Ton an und lächelte wieder, mein Ausflug in die Gefilde der Fischer musste jetzt nicht unbedingt Thema werden. "Ich habe Dich leider noch nie im Mondschein gesehen, in sofern würde ich bestreiten, dass Du darin dicklich wirken kannst, so schlank und weiblich, wie Du aussiehst. Ganz sicher hast Du Dich darin nur getäuscht," ich zwinkerte ihr leicht zu und schmunzelte dann. "Auch an den sonnigen Tagen werde ich Dich gern begrüßen, denn ich hoffe doch, dass Dir die Regenschauer lange fern bleiben werden."

    "Jeder Tag sollte viel ausmachen, Antonia, denn man weiss nie, wann die Götter beschließen, die eigenen Tage enden zu lassen," gab ich lächelnd zu bedenken, und letztendlich war dies die Philosophie, die mich bisher hatte recht gut leben lassen. Die Philosophie, mit der ich meinen ausbezahlten Erbteil in Achaia durchgebracht hatte und viele sonnige Stunden hatte sehen dürfen - dieselbe, die mich nun den Nachmittag in der Sonne und in ihrer Gesellschaft genießen ließ. "Und missen möchte ich ihn nicht, um nichts in dieser Welt. Es ist selten genug, dass man ein unverhofftes Geschenk bekommt, und manchmal sind dies die besten aller Geschenke, denn sie erinnern einen daran, dass man das Leben vielleicht planen, aber niemals gänzlich vorhersehen kann." Der Vergleich mit Gracchus ließ meine Gedanken wieder wandern, waren wir denn wirklich so verschieden? Wohl eher darin, wie wir mit dem umgingen, was uns mitgegeben worden war, denn ich hatte immer irgendwie gut gelebt, ohne mir Sorgen zu machen, ohne zu planen, während Gracchus' Leben doch eher einer bestimmten Richtung zu folgen schien, die ihm vieles an Sorgen, aber auch an Ehre eingebracht hatte.


    "Meine Erfahrungen haben mich nur anderes gelehrt als die seinen ihn, das dürfte der größte Unterschied sein, der wohl zwischen allen Menschen in dieser Weise besteht," überlegte ich und schob dann dieses schmerzliche Thema mit einem energischen Gedanken beiseite. Als sie sich bedankte, blickte ich zu Boden, denn das hatte ich nicht wirklich erwartet - nur um umso schneller wieder mit dem Blick zurückzukehren, ihr ein offenes Lächeln zugedenkend. "Manchmal muss einem nur jemand zeigen, dass die Sonne immer scheint, auch wenn man es selbst nicht sehen kann oder will - mehr habe ich nicht getan. Und Du gefällst mir in der Sonne sehr, sie steht Dir ausgesprochen gut." Ihre Finger auf den meinen wirkten vertraut, vertrauensvoll - und es tat gut, dieses Gefühl einige Momente lang genießen zu dürfen, ebenso wie das Echo der Berührung ihres Körpers, welches in meinem Inneren länger widerhallte als es ihre Bewegung tun konnte. "Es soll nicht der letzte Nachmittag in der Sonne gewesen sein, das verspreche ich Dir."

    Ein wenig wunderte mich ihre Ergebenheit in die Entscheidungen ihres Vaters schon, aber letztlich war dies eine sehr seltene Eigenschaft, die bei einer Patrizierin wohl noch höher geachtet werden mochte als bei allen anderen - die wenigsten fügten sich gerne in eine Ehe mit einem Unbekannten, und so war es nicht ungewöhnlich, dass sich patrizische Ehepartner schnell aus dem Weg gingen, wenn es einmal Erben gab und die Verpflichtungen erfüllt waren.
    "Mit Aristides hast Du sicherlich einen guten Mann gefunden, auch wenn Du nicht viel von ihm haben wirst, so Du ihn nicht in den Krieg begleitest wie viele andere Ehefrauen von Offizieren," bemerkte ich, während wir die Treppen erklommen - sie hatte mein Angebot angenommen und ich konnte mich damit schmücken, dass sie an meiner Seite ging, meinen Arm akzeptiert hatte. Nicht wenige Tempelbesucher warfen uns einen neugierigen Blick zu, aber ich schwieg dazu und schmunzelte nur still vor mich hin, mochten sie doch denken, was sie wollten, immerhin waren wir beide wohl bald verwandt, und einer Verwandten zu helfen, war nicht verboten.


    Fast beneidete ich Mars darum, dass sie seinen Zeh berührte, aber auch meinem Gott sollte schließlich das Vergnügen ihrer Gesellschaft zuteil werden können, nach all den verfetteten Matronen war sie wirklich ein ausgesprochen erfrischender und angenehmer Anblick. "Im Augenblick sind es viele, die um ihre Verwandten und Geliebten fürchten, wir haben einiges mehr zu tun als sonst - aber auch in den ruhigeren Zeiten herrscht hier ein stetiger Besucherstrom, der Vater Mars um seine Beistand bittet - was ich bei den meisten jungen Männern auch für eine sehr kluge Entscheidung halte, sobald sie in den Krieg ziehen oder etwas ähnlich wichtiges tun." Kurz blickte ich zu Ihm hinauf und stellte fest, dass Er bald wieder einmal gesäubert werden musste - die Tempeldiener überließen den Priestern gern diese Aufgabe, und die wenigsten meiner schon dicklich von den vielen Opferkeksen gewordenen Priesterkollegen drückten sich gerne davor, auf Leitern steigen zu müssen. "Willst Du ein Gebet sprechen? Ansonsten sollten wir für andere Besucher Raum zum opfern lassen," meinte ich lächelnd mit einem kurzen Blick zu den anwesenden anderen Menschen.

    "Möge Mars Deinen Waffenarm führen, Tiberius Helvetius Marcellus," sprach ich, als er sich entfernte, und am Eingang des Tempels stehenbleibend, blickte ich dem aufrecht gehenden jungen Mann noch eine ganze Weile lang gedankenverloren nach, bis er in der Menge verschwunden war und mein Blick ihm nicht mehr folgen konnte. Vielleicht würde er aus dem Krieg lebendig zurückkehren, und wir würden unser Gespräch eines Tages fortsetzen, um Erfahrungen und Eindrücke reicher. Dann wandte ich mich ab, dem Inneren zustrebend, um meinen Aufgaben weiter nachzugehen.

    "Sie wird so oder so verblühen, Antonia, das ist der Lauf der Dinge," erwiederte ich und trat langsam an ihre Seite, um die Rosenranken nun ebenso zu betrachten und vielleicht noch einen vagen Hauch ihres Duftes zu erahnen. "Ob ich sie nun heute breche oder ob sie morgen beginnt zu verwelken, ich habe dem natürlichen Prozess nur einige Tage gestohlen - aber sie hat Dich erfreut, und vielleicht ist das eine sinnvollere Existenz, als hier hinten im Garten den Augen so vieler verborgen zu bleiben. Und wenn es Dich zum Lächeln bringen sollte, würde ich alle hier brechen und Dir nachtragen, für einen Moment der Freude, die im Leben ohnehin selten genug sind. Rosen kann man ersetzen, aber die Möglichkeiten, einem anderen Menschen Freude zu schenken, werden Tag für Tag weniger, je länger man lebt." Ja, ich sah es wirklich so, und da war es mir auch gleich, wie lange Flavius Felix wohl an der perfekten Rose gezüchtet haben mochte. Die Freude eines anderen Menschen war mir mehr wert als irgendeine Blüte oder ein sonstiges Ding.


    "Warum sollte ich schweigen, wenn es Dich doch erfreut, was ich sage? Muss ich blind werden, um Dir nicht mehr ein Kompliment zu machen? Du magst vermählt sein, Antonia, aber deswegen bist Du lange nicht aus der Welt, und sicherlich gehörst Du deswegen nicht zu den Menschen, denen man keine Freude machen darf. Jeder Mensch hat ein Recht darauf, sich freuen zu dürfen, ein wenig Sonne im Leben spüren zu dürfen, und ich fürchte fast, Du hast in der letzten Zeit wenig Sonne gesehen. Wenn ich davon ein wenig zurückgeben kann, so wird es mir sicherlich niemand verdenken, auch nicht Dein Gemahl. Die einzige Person, die mir verbieten darf zu sprechen bist Du, und selbst dann werden meine Augen immer spiegeln, was Du bist und dass ich Dich schätze." Sachte hatte ich ihre Hand ergriffen und drückte sie ermutigend - sie traurig zu sehen gefiel mir nicht, selbst wenn ich selbst vielleicht bedrückt sein mochte, ich hätte es mir nie nehmen lassen, sie zum Lächeln zu bringen.

    Im Grunde war es mir egal geworden, ob die Welt ausserhalb dieses Beckens noch existierte. In diesem Augenblick hätten die Wisigoten samt der Parther und der Germanen über Rom herfallen können, und ich hätte nichts getan, um sie daran zu hindern oder überhaupt Notiz von der Welt zu nehmen, denn meine Welt befand sich in meinen Armen, und nur dort war mein Geist, war mein Herz, meine Sinne waren einzig und allein auf ihn gerichtet, ihn, der mir Sonne, Sterne und Mond zugleich geworden war.
    Und er hielt mich ebenso, in den kräftigen, warmen Armen, die ich mir so sehr ersehnt hatte, mehr als alles andere auf dieser dreckigen und verlorenen Welt, fühlte die Nähe seines Leibes wie das reine und wahre Leben in meinem Inneren, es war so richtig, dass er hier war, ich bei ihm sein durfte, und gleichzeitig wusste ich, dass es gar nicht richtig war, dass ich achten musste, was Gracchus vor den Götter geschworen hatte, dass ich hätte achten müssen, was ich ihm versprochen hatte, und doch konnte ich es nicht. Es war einfach irgendwo verloren gegangen, dieses Wollen, dieses Bezähmen meiner Sehnsucht und meiner Liebe zu ihm, ertrunken im Plätschern des Wassers, zerschmolzen in der Hitze dieses Beckens.


    Dass er ebenso sehnen musste wie ich, bewiesen seine Lippen, die einmal die meinen trafen, einmal meinen Leib, und ich bebte unter diesen Berührungen wie Blätter im Sturm beben mussten, konnte mich und ihn kaum richtig halten, so sehr riss mich der Sturm in meinem Inneren hinfort. "Ich kann nicht mehr ...aufhören," keuchte ich rauh, stieß die heiße Luft meines Atems aus, als könnte ich damit auch die Begierde ausstoßen, die seine Nähe stets in mir weckte.
    "Willst Du es wirklich, Manius, willst Du es wirklich? Ich könnte sagen, nur dieses eine Mal, nur einmal Dir gehören, Dich bei mir wissen, aber es wäre eine Lüge, ebenso, wie wenn ich sagen würde, dass ich Dich hasse. Ich werde Dich immer lieben, begehren, Manius, ich weiss es jetzt." Ein Eingeständnis einer Schwäche, und doch wollte ich mich nicht für diese Schwäche schämen, die meinen Geist mit sich hinfort nahm, mich in seinen Armen beben ließ, mich dazu brachte, mit meinen Lippen über seine Wange, die Wangenknochen zu tasten, um dieses Gefühl in mich aufzunehmen wie ein Ertrinkender. Und ich wollte ertrinken, in seinem Sein ertrinken, und am besten niemals wieder auftauchen müssen. Ich fühlte seine Lust, wie er die meine manifestiert spüren musste, als sich unsere Körper aneinander schmiegten, sollte es wirklich so falsch sein, was wir taten?

    "Damit sprichst Du ein wahres Wort gelassen aus," pflichtete ich dem jungen Mann bei, durchaus zufrieden mit seinen Worten. Es gab selten genug Menschen, die sich dessen bewusst waren, was man aus einer Niederlage und schweren Zeiten ziehen konnte, auch wenn man im Augenblick, in dem man kämpfte und versuchte, aus der Not wieder heraus zu kommen, die Dinge meistens ganz anders betrachtete. "Die Freude lag ganz auf meiner Seite," ewiederte ich seine Worte und lächelte leicht - manchmal hielt der Dienst im Tempel des Mars angenehme Überraschungen bereit und diese Bekanntschaft war eindeutig eine der angenehmeren der letzten Zeit, wenn man von den vielen Frauen absah, die derzeit den Tempel in Sorge um ihre Männer, Söhne und Brüder stürmten.
    "Caius Flavius Aquilius ist mein Name," enthüllte ich das patrizische Geheimnis und musste schmunzeln, hoffentlich gehörte er nicht zu den Leuten, die auf die Geburt zu viel gaben. "Und mit wem habe ich das Vergnügen?"

    Wenn ich ehrlich war, erschreckte mich diese Tirade aus Wut und Frustration ziemlich, hatte ich ihn doch immer für einen Mann gehalten, der zwar an seiner Tätigkeit nicht unbedingt die größte Freude fand, doch aber irgendwo davon überzeugt war, einen wertvollen Beitrag zu leisten. Nun zu sehen, dass dem keineswegs so war, ließ mich mein bisheriges Bild überdenken und überarbeiten - dass ich sicherlich niemals versuchen würde, septemvir zu werden, stand in diesem Augenblick unverbrüchlich fest. Und auch, dass ich mit meinem Ärger sicherlich so schnell auch nicht den Kaiser behelligen würde, nicht zuletzt, damit dieser nicht auf dumme Gedanken kam, wie er es bei Victor auch schon getan hatte. Letztendlich war ein Priester, der wirklich von seinem Wirken überzeugt war, der wirklich ein Mittler zwischen den Göttern und Menschen war, nicht für einen Schreibtisch geboren.
    "Ich glaube, man hat Dir mit der Berufung keinen wirklichen Gefallen getan, Valerius Victor, und ich bedauere es wirklich, dass Du nicht mehr zu Seinen aktiven Priestern zählst - ich hätte gerne an Deiner Seite einmal ein großes Opfer bestritten, wirklicher Eifer an der Sache ist inzwischen sehr selten geworden."


    Ich nahm einen Schluck Wein, und garnierte den vollmundigen Geschmack mit einem Stück Käse, bevor ich fortfuhr. "Es klingt vielleicht seltsam, aber seit ich zurück bin, scheinen mir viele der Tempel leer, auch wenn es viele Priester gibt. Wirklichen Eifer, wirkliche Überzeugung von dem, was wir tun, ist selten, oder selten geworden, und vielleicht ist es das, was die Menschen spüren, wenn sie diesem Christenschwachsinn huldigen oder was es sonst noch so alles gibt." Wieder folgte ein Schluck Wein, und ich blickte in seine Richtung, sinnierend und vielleicht auch für einen Moment lang bedauernd. Es war schade, dass wir uns nicht früher hatten einmal aussprechen können, und ich bedauerte die verlorene Zeit.

    Mehr musste ich nicht hören in diesem Augenblick, sie wusste, was sie wollte, und ich war derjenige, den sie augenscheinlich haben wollte, ich wollte sie ebenso, seit ich sie wieder getroffen hatte - war es nicht erst gestern gewesen, dass sie als Kind durch die Welt gegangen war, und heute betrachtete sie alles als Frau? Sie roch so gut, so süß, wie ein Geschenk, das sich allein für meine Hände nun bereitgelegt hatte, ich musste es nur erkunden, ertasten - sanft ließ ich die Tunika zu Boden gleiten, die sie gerade abgelegt hatte, und betrachtete ihren schlanken, biegsamen Leib, als hätte ich zuvor lange keine Frau so eindrücklich gesehen wie sie. Nur noch ihr Brusttuch und das Lendentuch mochten Schlimmeres verhindern, aber es hinderte mich nicht daran, meine Wange an die weiche Haut ihres Bauches zu schmiegen, mit den Lippen vorsichtig und behutsam jede Rundung ihrer Rippen zu erkunden, ohne das Brusttuch indes zu berühren. Dass sie mich dabei ebenso berührte, machte es mir nur schwerer, mich auf das zu konzentrieren, was meine Sinne wahrnahmen, die vollends von ihrer Gegenwart erfüllt waren - sodass sie leicht ertasten mochte, was mein Lendentuch ausfüllte und sich gegen dieses Einzwängen vehement stemmte.


    "Du schmeckst so wundervoll," murmelte ich in ihre Haut, sandte neue Schauer heißer Atemluft über ihren Bauch und spielte schließlich mit der Zunge neckend in ihrem Bauchnabel, nahm mir alle Zeit, ihren Leib zu erkunden, ihre Sinne mit meinen Fingerkuppen zu befeuern. Vage Spuren mochten diese Finger hinterlassen, ich sah auch, dass sie auf meine Berührungen reagierte, wie ich auf die ihren - ich konnte nur hoffen, dass sie mir mein Lendentuch noch eine Weile lassen würde, verhinderte es doch noch, dass ich zu schnell auf ein gewisses Ziel hin strebte, ihre Finger waren aufpeitschend genug. Ich blickte zu ihr auf, in ihr Gesicht, auch auf meine Wangen musste sich eine verräterische Röte geschlichen haben, und ich wusste, dass mir der Schweiß auf der Stirn stand, so heiß war es mir geworden. Ich hätte sie sofort und auf der Stelle nehmen können, mit diesem Blick in ihren Augen, aber noch mahnte ich mich zu grundlegender Geduld.

    Warum nur wurde ich den Gedanken nicht los, dass sie nur halb so viel von dem wusste, von dem sie sprach? Sicher, ich lachte über ihren Scherz und schüttelte übertrieben den Kopf, als würde ich wirklich ihre Worte in Zweifel ziehen, aber irgend etwas sagte mir, dass die tatsächliche Wahrheit hinter diesen Worten eine ganz andere war. Wie es sich für eine Patrizierin gehörte, war sie sicherlich unberührt in die Ehe gegangen - oder zumindest mit rudimentärem Wissen darüber, wie man einen Mann befriedigte - aber racchus konnte ihr kaum mehr über die körperliche Liebe zwischen Mann und Frau beigebracht haben, als er selbst wusste, und das mochte nicht allzu viel sein, wenn man vom grundlegenden Prinzip absah. Aber vielleicht täuschte ich mich auch nur, vielleicht wünschte ich es mir sogar, dass ihr eine gewisse Erfahrung fehlte, nichts war köstlicher, als eine Frau langsam aber sicher in die Geheimnisse der gegenseitigen Lustbereitung einzuweihen. Und jetzt dachte ich schon wieder an etwas, woran ich gar nicht denken sollte - innerlich seufzte ich, froh darum, einige Übung darin zu haben, meine Gedanken zu verbergen.


    "Vielleicht habe ich noch keine Römerin getroffen, die diese Art der Komplimente mehr verdienen würde als Du, Antonia," erwiederte ich und betrachtete sie mit gewissem Genuss. Sie war wirklich vollendet schön, durch die Perfektion der Rosen war die menschliche, niemals vollkommene Perfektion ihrer Schönheit noch reizvoller, allzu viel Perfektion wirkte oft kalt und unnahbar, aber diese Frau war reizvoll, in ihr war das Leben nur zu deutlich spürbar, der Pulsschlag eines leidenschaftlichen Leibes war für mich fast körperlich. "Vielleicht mag es falsch sein, aber ich habe in meinem Leben oft irgendwelche Fehler gemacht, und die wenigsten bereut. Sage mir, dass es ein Fehler ist, Dir zu sagen, wie schön Du aussiehst, und ich fürchte, ich werde es weiterhin tun."

    Dieses vage Versteifen meines Gegenübers, als die Sprache auf die polis Athen kam, entging mir nicht, und auch nicht, dass der Redefluss meines Gegenübers tendenziell vorerst versiegt zu sein schien - aber so waren sie eben, die Achaier, kaum erinnerte man sie daran, dass ihre Zivilisation nun ein Teil eines mächtigeren imperiums war, wurden sie zugeknöpft bis unter die Barthaare. Aber ich hätte mich wohl nicht anders gefühlt, hätte man mir die Tatsache, dass mein eigenes Volk unterlegen war, bei einer Diskussion als Argument entgegen gehalten.
    "Du hast mich nicht aufgehalten, Theodorus von Corinthus, und ich würde mir manchmal wünschen, es kämen mehr Besucher mit dem Wunsch nach einer gelehrten Diskussion in den Tempel als jene, die nur Hilfe und Trost suchen. Sodenn freue ich mich darauf, Dich in der Villa Flavia begrüßen zu dürfen, wo wir unser Gespräch sicherlich gut fortsetzen können." Auch ich erhob mich, bereit, ihn hinaus zu begleiten, auch wenn ich kaum glaubte, dass man sich im Inneren dieses Tempels allzu sehr verirren konnte.

    "Er war hier? In der Villa?" echote ich seine Worte wie ein debiler peregrinus, der in seinem Leben nichts anderes als Schmutz und Arbeit mitbekommen haben musste, denn die Erkenntnis, dass das Problem nicht irgendwo in der Stadt sich ereignet hatte, sondern tief im Herzen der flavischen Trutzburg, traf mich als Erkenntnis wie ein kräftiger Hieb direkt auf den solarplexus. "Was hat er getan? Hat er irgendeinen Schaden angerichtet?" Was konnte ein Mann anstellen, der das ebenmäßige, wundervolle Gesicht meines Vetters hatte und sich erst darüber bewusst geworden sein mochte, dass er die grenzenlose Macht eines Patriziers ausnutzen konnte?


    Und gleichzeitig wehrte sich jeder Gedanken in meinem Kopf gegen die Tatsache, nachdenken zu müssen, denn ich war ihm nah, so nahe wie schon lange nicht mehr, wir waren beide unbekleidet, und hätte ich in die Tiefen des Wassers blicken können, dann hätte ich alles an seinem Leib gesehen, was ich nur hätte sehen wollen - ich starrte ihm ins Gesicht wie ein Ertrinkender, und genau das war ich, ich ertrank in der Gegendwart seiner Nähe, seines Geruchs, der trotz des Badeöls, trotz des Wasserdampfes so deutlich wahrzunehmen war, als gäbe es sonst keinen einzigen Geruch mehr um uns herum. Als er meine Hände von seinem Körper nahm, brannten meine Finger vor Sehnsucht nach seinem Leib, und wenigstens nahm er mir nicht die letzte Möglichkeit, ihm nahe zu sein, führte meine Finger zu seinem Gesicht und ich barg ihn in meinen kräftigen, schlanken Fingern, die langsam die Spuren der harten körperlichen Arbeit als Fischer zu verlieren begonnen hatten. Durfte ich hoffen? Durfte ich von den saftigen Früchten dieses sich zu mir neigenden Baumes kosten, ohne von Iuppiters Blitz getroffen zu werden, da ich Seinen Priester begehrte und berühren wollte? Wenn die Götter gnädig waren, dann würde ich den heutigen Tag überleben, irgendwie, und vielleicht endlich einen Bruchteil jener Sehnsucht gestillt wissen, die mich noch immer nicht losließ.


    "Manius, ich .." stammelte ich, und ich wusste, dass ich den Satz nicht vollenden durfte, nicht aussprechen, was ich empfand. Wen kümmerte dieser verfluchte Quintus Tullius, mochte er die ganze verfluchte Villa ausräumen und sich hundert lupae herschleppen, er war mir egal, in diesem Moment war mir alles egal, selbst wenn mich jetzt Iuppiters Blitz getroffen hätte, ich wäre froh gestorben, in der Nähe des Menschen, den ich liebte, den ich schon so lange geliebt hatte. Manius, ich liebe Dich. Ich begehre Dich. Ich will Dich. Ich gehöre nur Dir allein. Hatte ich es laut gesprochen oder hallte mir nur der gedankliche Lärm dieser Sehnsüchte im Kopf herum? Ich wusste es nicht, blickte ihn an, als könnten mir seine Augen sagen, ob ich laut gesprochen hatte oder nicht, doch noch immer hielt ich sein Gesicht in meinen Händen, neigte mich vor, ich musste es einfach tun, wenigstens einmal noch dieses Gefühl kosten, wenn mich seine Lippen berührten. Hatte ich nicht tausend Eide geschworen, ihn unbehelligt zu lassen? Ich war nicht nur ein tausendfacher Eidbrecher, ich war schwach, und ich liebte ihn mit aller Kraft, die ein menschliches Herz aufbringen konnte, wenn es einem anderen Menschen gehörte. Und dann berührten meine Lippen die seinen, diese von der Hitze weich gewordenen, dennoch trockenen Lippen, die so sehr nach Vollkommenheit schmeckten, und nach Manius, nach dem, was niemals sein durfte und doch war, ohne dass ich es hätte verhindern können.

    Es lag den Claudiern im Blut, Affären zu leben? Der Gedanke gefiel mir irgendwie, auch wenn ich selbst sicherlich kein Claudier war und niemals sein würde, die Flavier hatten dazu schließlich auch das ein oder andere Talent. Auch wenn ich manchmal glaubte, dass jeder in unserer Familie ein klein bisschen verrückt war, oder besser, jeder seine eigene Verrücktheit kultivierte.
    "Meinst Du nicht, dass es noch ein bisschen verwerflicher wäre, statt einem Mann, der nicht Dein Gemahl ist, gleich zwei Männer mitzunehmen? Ich kann mir die Schlagzeilen der Acta auch schon recht gut dazu ausmalen: "Zügellose Claudierin unternimmt Lustreise durch die Provinzen" oder "Flavischer Frauenverführer verdirbt claudische Gemahlin seines Vetters" oder etwas in der Art," nun musste ich auch lachen, solche Schlagzeilen waren zugegebenermaßen für die Acta eher untypisch, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sich damit die Nachrichten über das Imperium ausgezeichnet würden verkaufen lassen.



    "Aber der Gedanke hätte etwas für sich, die Welt mit Dir entdecken zu fahren,"
    plauderte ich gelassen dahin und führte sie zu einem weiteren der üppig bestückten Rosenbeete, die dem Hausherrn der Villa so sehr gefielen. Dunkelrote Rosen, die doch neben Antonias Schönheit zusehends verblassten und mir den Wunsch erweckten, zu erkunden, ob ihre Haut wirklich weicher als diese ganzen Rosenblätter war. "Zumindest müsste ich mir keine Sorgen um irgendwelche Heiraten mehr machen, weil mir die heiratsfähigen jungen Römerinnen die Tür einrennen würden. Sie würden sich sagen: Wenn eine Frau wie Claudia Antonia mit diesem Mann freiwillig ihre Zeit verbringt, kann er so schlecht nicht sein!" Ich verharrte und betrachtete sie genussvoll. Die weiblichen Tugenden schien sie ungleich mehr zu verkörpern als jede andere Patrizierin, die ich bisher kennengelernt habe, hinter ihrer Unschuld lag ein Funke, der mich reizte, der versprach, dass sie einen immer wieder überraschen würde, wenn man sie nur ließe ... ach, hochgeborene Frauen würden noch eines Tages mein Verderben sein, soviel war sicher.

    Endlich wusste ich, was ich hatte wissen wollen - dass sie auf mich reagierte, und dieses zarte, höchst weibliche Erröten sagte mir mehr, als es jedes Wort hätte tun können. Es war so elegant, sie musste nichts dazu sagen, die Wangen zart gefärbt, und noch lächelte sie, wenngleich sie mich nicht anblickte, und ich war mir ziemlich sicher, dass ihr die Berührung nicht unangenehm gewesen war. Wieso ich mir so sicher war? Die meisten anderen Frauen hätten mir spätestens jetzt entweder Einhalt geboten oder mir schlichtweg eine Ohrfeige verpasst, die noch deutlicher gewesen wäre als jedes Wort. Dafür richtete sie sich ihre Tunika, blickte nicht zu mir und ich bot ihr einfach wieder den Arm, als wäre dies alles nicht geschehen. Es war so verlockend, sie in diesem Augenblick in die Arme zu schließen und mir jene Küsse zu rauben, nach denen es mich immer mehr gelüstete, aber noch hatte ich Geduld, schwer genug fiel es mir indes.


    "Ich würde, wenn ich in den Nil falle, einfach darauf vertrauen, dass Du die Krokodile tüchtig ausschimpfst und sie geknickt das Weite suchen," führte ich unsere Unterhaltung wieder auf die seichten Pfade des Scherzens zurück. "Immerhin bist Du eine Claudierin, mit der ganzen dignitas einer Patrizierin gesegnet. Die Krokodile tun mir heute schon leid, solltest Du wirklich einmal zornig auf sie sein." Der Gedanke war zugegebenermaßen ausgesprochen amüsant, auch wenn ich bezweifelte, dass es mir gegen die Krokodile helfen würde. "Doch fürchte ich, dass diese Form der Reise miteinander leider eine allzu süße Utopie bleiben muss, Claudia Antonia, denn dies wäre wohl ein sehr großes Eingeständnis dem Klatsch der Leute gegenüber. Würde es Dir wirklich gefallen, als meine Geliebte vermutet zu werden? Nicht, dass mir dieser Gedanke allzu sehr missfiele, aber ich glaube doch, dass das Gerede der Leute hier in Rom kein Ende fände." Ich machte eine Kunstpause und blickte sie dann von der Seite an. "Oder aber Du gehst dieses Risiko bewusst in Kauf, um umso leichter sündigen zu können?" Mein Ton war noch immer scherzhaft, aber ein vager Funke Ernst schwebte dann doch darin - ich war einfach zu neugierig.

    "Festnageln?" wiederholte ich das Wort und musste unwillkürlich lachen. "Ich wusste gar nicht, dass die Frauen aus dem Haus der Claudier sich auch auf handwerkliche Grausamkeiten verstehen - ich hoffe doch, es ist nicht die Form des Nagelns mit Hammer und Nagel, auf Dauer wäre das dann doch ein bisschen zu schmerzhaft." Ihre vorgeschlagene Reiseroute war auf jeden Fall anspruchsvoll und hatte irgendwie so gar nichts mit Gracchus zu tun - aber an Manius wollte ich jetzt nicht denken, jetzt, da gerade die Sonne zurückgekehrt war, Gedanken an ihn überschatteten mir so oft meine Tage, wie es eben immer jene Dinge und Menschen zu tun pflegten, die man nicht bekommen durfte und die einem niemals gehören würden.
    "Hispania muss nicht unbedingt sein, ich bin dort aufgewachsen, und glaube mir, mit der Zeit kann man eine Provinz satt bekommen, wenn die Menschen sich heillos provinziell aufführen, anstatt sich auf ihre Werte als Römer zu besinnen." Und ich hatte wenig Lust, mich an meine Jugend an jeder Ecke des Landes erinnern zu lassen, manche Dinge waren ganz gut, wenn man sie vergaß und sie irgendwo im Dunkel verloren gingen.


    "Ah nun, als Reisebegleitung würde ich Dich wohl in vielem aufhalten. Ich feiere gerne, wenn sich die Gelegenheit bietet, und das Feiern bedeutet, das Leben in allen Dingen zu genießen, sei es im Essen, im Trinken oder in der Leidenschaft ... nach solchen Festlichkeiten braucht man meist den ein oder anderen Tag, um wieder auf die Beine zu kommen, und das ist einer zügigen Reise doch zumeist abträglich," bekannte ich meine Laster und schmunzelte dabei, ahnend, dass sie das nicht zu sehr verabscheuen würde, sie schien mir lebenslustig genug, um meinen Standpunkt zu verstehen. Wie amüsant sie scherzen konnte - das war mir an jenen Abenden, an denen ich sie in Manius' Begleitung gesehen hatte, nicht aufgefallen, aber vielleicht war die Freude am Scherzen für sie auch eher etwas, das sie im privaten Rahmen übte.
    "Zur Not würde ich mir ein Seil um die Tallie binden und Dich an das andere Ende, damit Du in keinem Tempel verloren gehst - bei den Krokodilen musst Du mich dann allerdings herausziehen," gab ich den Scherz zurück und blieb am Ufer des künstlich angelegten Baches stehen, überlegend, ob wir bis zum Steg weitergehen sollten oder ob ich die günstige Gelegenheit nutzen sollte, die sich hier bot.


    Ich entschied mich für zweiteres. "Du entschuldigst?" fragte ich und ließ ihr gar keine Zeit für eine Antwort, sondern nahm sie kurzerhand auf meine Arme hoch, einen Arm unter ihre Knie gelegt, den anderen um ihre Schultern, dass sie sich festhalten konnte, um dann einen großen Schritt über den Bach zu machen, bevor ich sie auf der anderen Seite nach einem genussvollen Moment körperlicher Nähe wieder herunter ließ und sie unschuldig anlächelte. "Beim Nil wird das leider nicht so leicht gehen."

    "Zumindest Londinium und die Gegend um Aquae Sulis (Bath) oder Inis Witrin (Glastonbury) sollen landschaftlich sehr reizvoll sein, nach allem, was ich bisher über Britannia gelesen habe. Wenn man sich überlegt, dass dieses Volk eine sehr alte Kultur hatte, gegen die sich die unserige erst durchsetzen musste, dürfte es sicherlich sehr interessant sein, auf deren Spuren zu wandeln, so weit es eben möglich ist," führte ich den roten Faden dieser Unterhaltung weiter und gab acht, dass sie nicht zu sehr an diesem unpraktischen Weg scheiterte, dessen Kies auch mir zwischen die cabatinae zu rutschen versuchte. Aber ich kannte den Weg, achtete einfach mehr darauf, langsam zu gehen und die Füße gut anzuheben, damit dies nicht passierte, und konnte relativ unbehelligt voranschreiten. Woran sie wohl denken mochte? Einmal mehr wünschte ich, ich könnte erahnen, was sich in ihrem Kopf ereignete, welche Bilder einer fremden Welt sie sah und was sie daran am meisten ersehnte. Ob sie frivolerweise an die kräftigen Gestalten der barbarischen Kämpfer dachte? Zumindest ich fand diese Vorstellung eines wohlgestalten Männerkörpers durchaus anregend.


    "Du ehrst mich, auch wenn ich glaube, keine halb so angenehme Reisebegleitung zu sein, wie Du es Dir vielleicht vorstellst ... lass uns doch einfach eine Reise ausmalen, Du hast mich jetzt viel zu sehr auf dieses Thema fixiert, als dass ich etwas anderes denken wollte. Was würdest Du in Aegyptus besuchen wollen, würden wir dorthin reisen, hm?" Unsere Schritte führten uns unter den Zweigen einer Weide hindurch, und schon hatten wir einen der breiteren Ausläufer des künstlichen Baches erreicht, über den sich in einiger Entfernung ein schmaler Steg wand, wenn man ihn überschreiten wollte.
    "Ich fände die Pyramiden interessant, aber auch die Tempel von Abu Simbel und Carnak, wenngleich auch der Statthalterpalast in Alexandria und die Reste der Bibliothek sicherlich faszinieren wären. Oder eine Kreuzfahrt auf dem Nil, immer Nilabwärts, bis man zu den Stromschnellen gelangt ... auch wenn das nicht weniger gefährlich wäre als der Norden Britannias."

    Gemächlich führte ich sie tiefer in den Garten hinein, nun auf einem sehr schmalen, gekiesten Weg, der uns in Richtung eines kleinen künstlich angelegten Bachs führen würde, in dem es sogar umherschwimmende Fische gab - ein idyllisches Eckchen Garten, in dem man den Lärm von Rom gut vergessen konnte und in dem um diese Zeit sicherlich kein Mensch sein würde, ebensowenig irgendwelche Skalven, denn diese waren im Haus selbst mit der Vorbereitung des Abendessens beschäftigt und natürlich auch damit, sich um die Wünsche der heimkehrenden Bewohner zu kümmern. Ob ich bei diesem Weg Hintergedanken hatte? Aber natürlich, denn ich war gerne mit ihr alleine, und wer wusste schon, wann ich die Gelegenheit wieder haben würde, mit ihr einen Nachmittag zu verbringen, ohne dass uns die Bande der Gesellschaft gewisse Schranken auferlegten.


    "Britannia? Nein, bisher noch nicht, meine Wege haben mich, genau wie Dich, bisher nur nach Hispania und Achaia geführt," erwiederte ich schmunzelnd, wieder eine Gemeinsamkeit, die wir hiermit entdecken konnten. "Aristides wird Dir sicherlich einiges von Germania erzählen können, aber soweit ich weiss, war keiner der in Rom ansässigen Flavier bisher in Britannia - ich habe wie Du auch nur Geschichten gehört. Diese blau angemalten Stammeskrieger aus dem Norden sollen sehr wild und sehr gefährlich sein," führte ich den Gedanken fort. "Wünsche Dir nicht zu sehr, dieses Volk kennenzulernen, ich glaube, sie würden eine schöne Römerin wie Dich nur zu gerne entführen und mit sich verschleppen." Es war ein Scherz, aber ich überlegte mir unwillkürlich, wie es wohl wäre, einer dieser blaugesichtigen Frauenentführer zu sein und sie mit mir zu nehmen - ein Gedanke, der mich schmunzeln ließ, bevor ich den Gedanken schnell verwarf, bevor sie mich noch dabei ertappen konnte.


    "Aber Germanien ... ich besitze einen germanischen Sklaven und ich sage Dir, ein aufsässigeres und halsstarrigeres Volk wie diese Germanen habe ich nie kennengelernt, er ist ein stetiger Unruheherd. Wenn das Land dem Volk auch nur ein wenig entspricht, ist es sicher nichts, was man bereisen sollte, wenn man lebend zurückkehren will." Sanft half ich ihr über eine Wurzel hinweg, arrangierte es so, dass sie für einen Moment meinen Körper berühren musste, und genoss das aufbrandende Prickeln auf meiner Haut, diese vage Duftwolke, die sie stets verlockend umgab ... schnell rettete ich mich in weitere Worte. "Aber sicherlich wäre eine Reise dorthin ausgesprochen abenteuerlich, ebenso nach Aegyptus oder Syria. Solltest Du eines Tages dorthin reisen, lass es mich wissen, vielleicht findet der cultus deorum für mich irgendeinen Botendienst, dass ich ganz offiziell mitreisen kann, das macht vieles für die gesamte Reisegesellschaft leichter."