Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Für einen sehr, sehr kurzen Augenblick fragte ich mich, ob ich wirklich heiraten wollte. Potentiell eine leidenschaftliche Frau zu erwischen war ein Glücksfall, und irgendwie schienen alle Frauen in so einigen Momenten sehr kompliziert zu sein, selbst Claudia Antonia, die ich bisher für recht verträglich gehalten hatte. Vielleicht wäre es doch besser, würde ich mein Leben als den Künsten hingegebener, einsamer Liebhaber von Männern fristen, es schien doch so einige Probleme zu vermeiden. Allerdings, wenn ich bedachte, wie katastrophal die letzten Begegnungen mit Gracchus verlaufen waren ... innerlich seufzte ich und riss mich zusammen. "Ich bin gleich wieder zurück!" Eindeutig, diesen zwischen Mord in den Augen und Zucker auf den Lippen schwebenden Gesichtsausdruck brachten nur Patrizierinnen fertig, meine Mutter hatte genau diesen Ausdruck bis zur Perfektion beherrscht und meinen Vater damit nicht nur einmal in den Wahnsinn getrieben.


    Ich eilte in Richtung der Villa, als ob mein Leben davon abhinge, und gelangte schließlich in den Korridor, der zu meinem cubiculum führte, ohne auch nur einen Sklaven gesehen zu haben, so weit, so gut. Doch kurz bevor ich in meinen Raum einbiegen konnte, tappte mir die größte Schwatzbase der Villa entgegen, eine dicke Nubierin, deren Ausmaße auch für drei Sklavinnen locker gereicht hätten, mit einem Korb Wäsche unter dem Arm, die mich mit großen Agen anblickte. Da half nur eins - die Flucht nach vorn. Ich herrschte sie im besten 'gleich gibt's die Peitsche!'-Ton an: "Wer von euch nachlässigen Schwätzern hat schon wieder vergessen, nach dem Gießen der Pflanzen die Pfützen von den Wegen zu trocknen? Wegen euch bin ich in den Brunnen gefallen! Geh zum vilicus und sag ihm, wenn das bis heute abend nicht bereinigt ist, werdet ihr merken, was Zorn bedeutet!" Die Lippen zu einer antwort geöffnet, starrte sie mich ungläubig an, aber ich winkte nur herrisch, sodass sie sich gleich wieder umdrehte und in die entgegengesetzte Richtung davon eilte - einem wütenden Patrizier trat nun einmal niemand gern entgegen.


    Schnell eilte ich in mein cubiculum und nahm einen der bodenlangen, weinroten Mäntel aus meiner Kleidungstruhe für den Sommer, die für kühlere Abende gedacht waren, um dann den Rückweg anzutreten - anscheinend hatte mein gespielter Zorn gewirkt, ich hörte in der Entfernung einen zornigen Ruf männlicher Natur und konnte ungehindert zurück in den Garten gehen, hinter die Hecke, wo ich Claudia Antonia zurückgelassen hatte, um ihr dann den Mantel in die Hand zu drücken - vielleicht würde das ihre Laune wieder ein wenig heben.

    "Äh ...?!"


    Es gab nicht wirklich viel, das mich überraschen konnte, aber heute hatte sie es glatt zum zweiten Mal geschafft. Erst der Kuss, und jetzt diese Bemerkung, die ich so wenig einordnen konnte wie das Ausmaß ihrer Panik, die sie im Augenblick offenbarte. Was sie wohl denken mochte? Allzu angenehme Gedanken schienen es nicht zu sein, wenn man ihren Blick dabei bedachte, und ich hatte das dumpfe Gefühl, dass ich wahrscheinlich nicht einmal ganz wissen wollte, was in ihrem Kopf so vor sich ging.
    "Wie sollen wir Dich denn sonst in einigermaßen sittsamem Zustand wieder ins Haus bekommen? Willst Du lieber triefend nass herumlaufen?" Irritiert blinzelte ich mehrmals, dass eine Frau es ablehnte, dass ich mich um ihren Ruf sorgte, war mir auch noch nie passiert. "Aber wenn Du einen anderen Vorschlag hast, bin ich gern bereit, ihn anzuhören und danach zu handeln, sollte er sich als besser und praktikabler erweisen als mein Angebot, Dir schnell einen Umhang zu bringen."


    ... Frauen!!!

    Als sie davon zog - was diese Frau mit einem Mal für einen Stechschritt entwickeln konnte, war ausgesprochen erstaunlich! - eilte ich ihr gezwungenermaßen hinterher, und war um weitere Worte ziemlich verlegen. Höchstwahrscheinlich hätte Mars in derselben Situation mit einer panischen Venus anders gehandelt, aber ich war eben nur ein Mensch und kein Gott, und mir fiel im Moment nicht viel mehr ein als ihr möglichst schnell trockene Sachen zu besorgen, damit sie nicht krank wurde. Oder noch Schlimmeres - ich wollte mir das alles gar nicht ausmalen müssen. Der Garten flog geradezu an uns vorbei, und die langsamen, gemächlich gegangenen Schritte von zuvor schienen von uns abgleiten zu wollen, als müsste die angenehme Erinnerung an diesen Sommertag gleichsam im dunklen Strudel ihrer jäh emporgeschossenen Angst vergehen. Nichts war in Ordnung, soviel war sicher, spätestens wenn Frauen diesen Satz benutzten, war die Welt kurz vor einem sicheren Einsturz.


    Als die Villa in Sichtweite auftauchte und wir nur noch durch eine hohe Hecke von irgendwelchen peinlichen Fragen und Blicken getrennt waren, bedeutete ich ihr, im Schatten der Hecke eine der Bänke als Sitzplatz zu wählen und meinte, in der Hoffnung, einen einigermaßen beruhigenden Ton anzuschlagen: "Warte Du einen Moment hier, ich hole Dir einen Umhang, damit Du nicht so nass ins Haus zurückkehren musst - ist das in Deinem Interesse?" Was man über mich sagen würde, war mir herzlich egal, aber so, wie sie sich bisher verhalten hatte, war es doch recht offenkundig, dass ihr die Meinung anderer weit mehr bedeutete, als die üble Nachrede anderer mir jemals bedeuten würde.

    Wieder war einer jener Sommertage, an denen man in Rom das starke Gefühl bekam, das Pflaster würde versuchen, jene, die darauf liefen, auf kleiner Flamme zu garen. Glücklicherweise hatten findige Menschen einst die cabatinae erfunden, und so blieb mir das Schicksal gegarter Füße erspart, aber wenn man in Toga und Tunika gleichermaßen unterwegs war, fühlte man sich doch sehr schnell wie ein Brotlaib im Backofen. Der Vormittag im Tempel war schnell vorübergegangen, und da sich meine Lust auf ein weiteres Gespräch mit meinen in Ehren ergrauten Kollegen über deren Zipperlein und Krankheiten in sehr engen Grenzen hielt, hatte ich den Tempel für meine Pause verlassen und mich auf den Weg gemacht, in einer der kleinen Garküchen etwas zu erstehen, was mir bis zum Abend den Magen füllen sollte. Als ich über den Vorplatz des Marstempels ging, hätte ich gut und gerne mindestens zwanzig Sklaven gebraucht, die mir frische Luft zufächelten, und eigentlich war die Vorstellung, mich jetzt kurz bis Kopf unter Wasser in einen Brunnen zu setzen, ebenso reizvoll wie angenehm, vor allem, wenn man meine letzte Brunnenepisode bedachte*, aber es wäre meinem ansehen als Priester wohl kaum wirkllich dienlich gewesen.


    So schritt ich etwas eiliger aus, um diesen Wegabschnitt der fiesesten Wärme schnell hinter mich zu bringen, als eine durchaus bekannte Silhouette vor mir auftauchte, die wohl dasselbe Ziel hatte wie ich. Sicher, wir waren uns nicht direkt vorgestellt worden, aber als Priester kannte man die meisten Kollegen zumindest vom Sehen, wenn es hohe Festtage hab, und diese Priesterin hatte ich mir vor allem wegen des weichen Schwungs ihrer Nackenlinie eingeprägt, die ich während irgendeiner ausgesprochen langweiligen Zeremonie hatte eingehen betrachten können. Vielleicht war jetzt auch die Gelegenheit gekommen, zumindest ein paar kollegiale Worte zu wechseln.
    "Salve, Decima Valeria!" Ich holte die wenigen Schritte bis zu ihr auf und lächelte sie freundlich an, wohl wissend, dass mir ebenso dünne, winzige Schweißperlen auf der Stirn stehen mussten wie den meisten anderen Menschen um diese Tageszeit auch. "Bist Du auch unterwegs, um Dir eine Erfrischung zu gönnen?" Ich ging davon aus, dass sie mich erkannte - so dämlich, zu dieser Tages- und Jahreszeit freiwillig eine toga zu tragen, waren nur Priester oder Senatoren, und ich hatte sicherlich keinen Purpurstreifen an meiner Kleidung.

    Wenn ich mir sie recht betrachtete, schien sie gerade unter einer durchaus verständlichen Nach-Kuss-Panik zu leiden, zumindest war das Flackern ihrer Augen ein recht untrügliches Zeichen dafür. Anscheinend war sie wirklich ohne Erfahrung bei dem Spiel mit der Leidenschaft, auch wenn das für eine Patrizierin recht ungewöhnlich war, und jetzt galt es vor allem, Schadensbegrenzung zu betreiben und ihr klar zu machen, dass ein einziger, kleiner Kuss, den ohnehin niemand hatte sehen können, sicherlich kein Weltuntergang war.
    "Antonia, hör mir zu, ja?" versuchte ich ihre Aufmerksamkeit wieder auf mich zu lenken. "Und schau nicht auf den Boden dabei, denn es gibt nichts, dessen Du Dich hier in irgendeiner Form schämen müsstest." Wieder lächelte ich, in der Hoffnung, dass es sie ein wenig entspannen würde, auch wenn ich irgendwie das Gefühl hatte, dass im Moment wohl alles falsch war, was ich tun konnte, ausser die Zeit zurückzudrehen.


    "Es war ein - zugegebenermaßen schöner - Kuss und ich sehe ihn als ein Geschenk, das eine Freundin einem Freund gemacht hat, ein Geschenk, das wir zwischen uns bewahren werden und auch allein zwischen uns bleiben wird. Bist Du damit einverstanden? Ein solches Geschenk ist doch etwas schönes und sollte nicht zu Ärger und schlechten Gedanken führen müssen, und wir haben uns doch heute vorgenommen, den Tag zu genießen, der so schön ist, in einem so schönen Garten." Herrjeh, ich kam mir schon fast vor, als müsste ich ein durchgegangenes Pferd beruhigen, und wahrscheinlich wäre es mir bei einem Pferd auch deutlich leichter gefallen - irgend etwas in mir sagte mir, dass es mit einer Karotte bei Antonia leider nicht getan sein würde.

    Meine Laune war düster, um nicht zu sagen, ausgesprochen schlecht, und wie so oft an solchen Tagen hatte ich die starke Befürchtung, dass dieses gesamte Sklavengesindel der Villa Flavia Felix es irgendwie ahnte, dass man mir heute nichts recht machen würde - bis auf einige wenige Mutige gingen mir alle anderen tunlichst aus dem Weg. Ich hätte als Sklave wohl auch nicht anders gehandelt, aber im Augenblick, nach einem langen, harten Tag voller nervtötender Opfernder, einem Kollegen, der mir meine Pause am Mittag noch durch sein Geschwätz versaut hatte, mit knurrendem Magen und einem Durst auf irgendeinen Wein, Hauptsache viel und genug, um mir den bevorstehenden Abend zu versüßen, der mir wohl wieder einmal alleine bevorstand, ärgerte ich mich nicht gerade wenig über die völlige Absenz irgendeiner Bedienung.


    Wahrscheinlich hatte Felix die Haussklaven zum Rosenstreicheln eingeteilt oder irgend etwas in der Art, ich durchstreifte einen der Korridore auf der Suche nach einem Sklaven und fand niemanden, und zur culina herunterzusteigen und dort nachzufragen war ein absolut undenkbarer Prozess für einen Patrizier. Oder besser: Wenn es soweit kam, dass ich mich selbst dorthin begeben musste, dann würden in dieser Nacht die Peitschenhiebe knallen, soviel war sicher.


    Leise mit den Zähnen knirschend schritt ich durch das atrium und ließ mich auf einer der dort aufgebauten Liegen nieder - keine Speiseliege, eher ein Möbelstück zum Entspannen, genau richtig für einen unentspannten Priester mit Nackenschmerzen wie mich. Ich hob die Hände und klatschte zweimal vernehmlich, eigentlich das perfekte Zeichen, um deutlich zu machen, dass hier jemand war, der auf eiliger Bedienung bestand. Normalerweise machte ich mir über die Sklaven dieses Haushalts eher weniger Gedanken, sie waren da, sie sorgten dafür, dass alles reibungslos ablief und man sich auf die richtigen und wichtigen Dinge konzentrieren konnte, und ansonsten gab es andere Themen, die meinen Kopf beschäftigten, vor allem derzeit.


    Stöhnend rieb ich mir den schmerzenden Nacken, irgendwie musste ich heute ein gutes Maß an Zugluft abbekommen haben, die mit der Hitze des Tages gepaart ihre Spuren hinterlassen hatte. Nicht zum ersten Mal vermisste ich meine kleine Nefertiri sehr, die sich um derlei Bedürfnisse immer sofort gekümmert hatte, doch auf meinen Brief nach Achaia, zu einem der Besitztümer meines Familienzweiges, an dem sie nun eigentlich angekommen sein müsste, hatte es noch keine Antwort gegeben. Hoffentlich war ihr nichts zugestoßen .. nicht zuletzt, weil ich sie irgendwie mochte und auch nicht die rechte Lust hatte, mich auf einen neuen Leibsklaven einstellen zu müssen.


    Überhaupt war es heute sehr still in der Villa - Felix war wohl ausgegangen, Furianus desgleichen, und alle anderen waren ohnehin ausgeflogen oder auf Reisen. An Gracchus' Absenz wollte ich gar nicht erst denken, es macht die dumpfe Wut in meinem Inneren nur größer, mich daran zu erinnern, wie sagenhaft wieder einmal alles zwischen uns schief gelaufen war. Seufzend ließ ich mich zurücksinken und verdrängte alle Gedanken an ihn in irgendeine dunkle Ecke meines Kopfes, während ich die Augen schloss und einfach den Geräuschen lauschte, die es hier geben musste - und als ich Schritte vernahm, leise, aber wohl in Richtung des atriums kommend, beschloss ich, nicht sofort nach der Peitsche zu greifen, sondern mir zuerst anzuhören, wieso es so hadesverflucht lange gedauert hatte, bis sich ein Sklave hatte blicken lassen.


    Sim-Off:

    Frei für jeden/jede, der mag :D Vorsicht, bissiger Marspriester!

    Manche Tage begannen bescheiden und setzten sich umso erfreulicher fort - dieser Tag schien genau zu jenen zu gehören, bei denen man anfangs am liebsten liegen geblieben wäre und dann doch noch erfährt, warum es sich gelohnt hat, sich aus der Schlafstatt zu quälen. Ich hatte vieles erwartet, mir eine Ohrfeige einzufangen, einen empörten Zornesausbruch, einen Vortrag über angemessenes Benehmen und dergleichen mehr, aber einen Kuss hatte ich nun wirklich nicht erwartet, als ich sie an mich gezogen hatte - vielleicht erhofft, aber erwartet ganz sicher nicht. Es war nur ein winziger, wenige Augenblicke dauernder Kuss, und wäre ich nicht so überrascht gewesen, hätte ich sie sicherlich bei mir behalten und die Sache angemessen weitergeführt, doch so entschlüpfte sie meinen Armen schneller, als ich sie an mich hatte ziehen können, nur noch das prickelnde Echo der Berührung ihrer Lippen auf den meinen, das so sehr nach mehr schmeckte, dass ich instinktiv einen meiner Ellenbogen über einer heiklen Region meines Körpers plazierte, sicher war sicher.


    Als sie ihre Entschuldigung stammelte, hätte ich die Situation am liebsten durch ein Lachen entspannt, aber ich war mir sicher, dass dies nichts besser gemacht hätte, eher schlimmer - und so stemmte ich mich langsam aus dem Wasser, welches in Strömen nun an mir herunter lief und eine hübsche, fast perfekt oval geformte Pfütze auf dem Boden hinterließ.
    "Es gibt nichts, wofür Du Dich entschuldigen müsstest, Antonia, mich trifft vielmehr die Schuld, ich hätte Dir nicht so nahe treten dürfen," erwiederte ich mit ernster Stimme und trat hinter sie, ohne sie zu berühren - sie wäre wohl nur noch nasser geworden.


    "Und ich denke, wir sollten uns jetzt erst einmal trockene Sachen besorgen, was meinst Du? So können wir schlecht in die Villa zurückkehren, ohne dass morgen gleich halb Rom darüber klatscht - auch wenn es sicherlich interessant wäre, welche Erklärungen sich die Leute ausdenken, wieso wir so nass geworden sind." Sanft berührte ich sie am Ellenbogen und versuchte, sie mir zumindest halb zuzudrehen, um sie anblicken zu können - mein Blick blieb dabei zumindest die meiste Zeit auf ihr Gesicht gerichtet, ihre Augen, und mein Lächeln hätte nicht harmloser und freundlicher sein können als in diesem Moment.

    Zitat

    Original von Herius Claudius Vesuvianus
    Nach einer entsprechend wirkungsvollen Pause erklang ein "Herein!" Die Brote waren fortgeräumt, die Krümel auf dem Boden geschleudert, der Mund leer. Es konnte losgehen.


    Ich hatte augenscheinlich Glück, es war jemand anwesend - so mancher römischer Beamter nahm es leider mit seinen Officienzeiten nicht allzu genau, aber hier schien ich an jemanden geraten zu sein, der die Sesterzen aus des Kaisers Kasse auch wirklich verdiente. Die Tür öffnend, trat ich mit wenigen Schritten ein, ließ kurz meinen Blick durch den Raum schweifen und blickte schließlich den Beamten freundlich an.
    "Salve! Mein Name ist Caius Flavius Aquilius und ich habe dasselbe Anliegen wie schätzungsweise alle anderen Besucher auch - ich möchte Grundstücke erwerben, die meinen bisherigen Landbesitz in der Gegend um Ostia erweitern können, sollten allerdings auch Parzellen in Hispania, in der Nähe Tarracos zu erwerben sein, sind diese ebenso von Interesse."

    Der Vormittag war mir die angenehmste Zeit des Tages, denn seit die Legio Prima gegen die Parther gezogen war, hatten wir endlich wieder ein wenig Luft, uns um die Dinge zu kümmern, die seit dem letzten Ansturm Opferwilliger liegengeblieben waren. Unter anderem Opfergaben zu sortieren, die nicht aus verderblichen Waren bestanden, discipuli auszubilden und dergleichen mehr - ich hatte bei alledem neben der Ausbildung der beiden jungen Frauen eindeutig das beste Los gezogen, denn ich hatte ausser den beiden discipulae nur den einfachen Tempeldienst zu erledigen, wohl, weil meine Kollegen glaubten, zwei junge Frauen zu bändigen sei aufreibend genug.


    Gemächlich hatte ich einem vergreisten Patrizier zugesehen, wie er für seine Söhne opferte und hatte gerade die Kekse, die er auf dem Altar hinterlassen hatte, weggeräumt, als sich ein neuer 'Kunde' in das Innere des Tempels begab und sich suchend umblickte. Mit der Zeit bekam man als Priester ein gewisses Gespür dafür, wer Hilfe suchte und wer lieber alleine sein Gespräch mit Mars führte, und ich vermutete angesichts des Blicks dieses Mannes, dass er wohl zur ersteren Gruppe zählen mochte.


    Dass er zudem noch ausgesucht erlesen gekleidet war, das Erkennungszeichen der Patrizier um den Fußknöchel trug und ausserdem ein angenehmer Anblick für's Auge war, bestärkte mich noch in meinem Entschluss, mich seiner ein wenig anzunehmen, ich kannte ihn zwar nicht, aber es war immer von Vorteil, anderen Patriziern angenehm in Erinnerung zu bleiben. Gemessen schritt ich auf ihn zu, der Ordentlichkeit meiner Erscheinung mit makellos weißer Toga, ebenso weißer Tunika und sauber rasiertem wie frisiertem Kopf gewiss. "Salve! Kann ich Dir in irgendeiner Form behilflich sein?" grüßte ich ihn freundlich, durch meine Worte deutlich machend, dass ich sicher jemand war, der ihm würde helfen können.

    An jedem anderen Tag hätte ich wohl für die reizvolle nubische (beziehungsweise halbnubische) Schönheit in der Sklavenkavalkade einen Blick übrig gehabt, und sicherlich nicht nur einen Blick alleine, doch heute war mein Magen übersäuert, ich fühlte mich verkatert bis in die Zehenspitzen und ich hätte, um es plebejisch auszudrücken, wohl einfach nur kotzen können angesichts des widerlichen Geschehens, das noch vor mir lag. Die Worte, die er nun sprach, konnte ich kaum vernehmen, auch wenn ihr Sinn sich in mein Innerstes meisselten, als müssten sie im Marmor meiner Empfindungen für alle Ewigkeiten bestehen, länger, als mein eigenes Leben währen würde. Hätte er doch anders gehandelt! Hätte er nicht die größten aller Dummheiten begangen, die man als Sklave begehen konnte, und wir müssten nicht hier sein. Doch nun durfte es kein Zaudern geben, kein Zagen, keinen Blick zurück, wenigstens ich musste handeln wie ein Patrizier, auch wenn der kleine Teil des plebejischen Aquilius, des Fischers, der ich für ein halbes Jahr gewesen war, am liebsten auf das Meer hinausgefahren wäre, um all diesen Dingen hier zu entfliehen. Der Patrizier Aquilius durfte nicht fliehen.


    "Feuer ..." sagte ich langsam. "Auch wir verbrennen unsere Toten." Seltsam, nach dieser langen Zeit eine Gemeinsamkeit zu entdecken, und glücklicherweise war es ein Wunsch, der sich erfüllen lassen würde, ohne dass es Gerede geben würde. Für eine längere Zeit sagte ich nichts, weil ich es nicht konnte, innerhalb weniger Augenblicke würde aus dem lebendigen Körper dieses Mannes nichts als eine schlaffe Erinnerung seiner Lebenskraft werden, und es war mein Wort ... ich blinzelte, kniff die Augen zusammen und vertrieb das Mitgefühl aus meinem Inneren. "Du wirst den Weg in Deine Heimat sicher finden, wenn Du die letzte Reise antrittst."


    Es war seltsam, einem Todgeweihten Hoffnung zu spenden, auch wenn er an unsere Götter nicht glaubte und nie glauben würde. Aber ich wusste auch, wieviel wenige Worte verändern konnten, wenn sie ernst gemeint waren. Dann nickte ich Rutger zu und trat zurück, um den Sklaven das Feld zu überlassen, die das Kreuz in seine Richtung schoben. Der Sklave mit den Nägeln näherte sich ebenso, und ein vierter Sklave begann die harte Arbeit, Rutgers Leib auf dem Kreuz festzubinden - Nägel waren eine Sache, aber sicher ist sicher. Selbst im Tod überließen wir Römer selten etwas dem Zufall. Ein milder Wind kam auf und trug den süßen Duft irgendwelcher Feldblumen mit sich, die kaum erblüht sein mochten und es doch verstanden, dieser Szenerie etwas surreales zu verleihen. Wärst Du nur nicht geflohen, dachte ich und schwieg. Wärst Du nur nicht geflohen.

    Ich konnte nicht anders - auch wenn es mich wirklich ärgerte, dass ich nach meiner Ankündigung, mit Wasser umgehen zu können, gleich in selbiges geklatscht war- ich musste ebenso lachen, als ich sie lachen hörte, dafür war ihr Lachen einfach zu ansteckend. Nicht zuletzt, weil ich mich vor meinem inneren Auge sehen musste, und höchstwahrscheinlich hätte ich, wäre jemand anders so elegant im Brunnen gelandet, ganz genauso gelacht wie Claudia Antonia.


    "Ich bin wenigstens selbst reingerutscht, Du hast mich nicht einmal gestoßen - und vom Wasser wegbleiben ist keine besondere Kunst, werte Claudierin," versetzte ich im gespielt beleidigten Ton und rümpfte meine patrizische Nase über ihre absolut unpatrizische Heiterkeit. Allerdings gelang es mir nicht lange, dieses Spiel durchzuhalten, dafür sah sie viel zu reizend aus, sie so lachen zu sehen entschädigte mich bei weitem dafür, bis auf die Haut nass zu sein. Selbst das Lendentuch musste inzwischen triefen und ich dankte den Göttern dafür, dass ich mich in der letzten Zeit regelmäßig zum Training hatte aufraffen können.


    Den Kopf schieflegend, blickte ich auf ihre ausgestreckte Hand, und den diabolischen Plan, welcher in meinem Inneren innerhalb kürzester Zeit reifte, setzte ich dann auch gleich gekonnt um - ich griff ihre Hand, tat kurz so, als wollte ich mich erheben, nur um sie, als ich mir sicher war, genug Kraft aus dem halb liegenden Punkt aus aufbringen zu können, an mich zu ziehen, ins Wasser und auch auf meine Brust herauf. Zumindest würde sie nicht komplett in der Nässe, sondern in meinen Armen landen ...

    Wieder wurde ich gut nass, und in der Hitze des Tages so erfrischt zu werden, tat einfach nur gut - ich hätte mich wohl auch noch selbst komplett in das Innere des Brunnens gelegt, wäre ich früher auf diese Idee gekommen - und natürlich, wäre Antonia nicht bei mir gewesen, an und für sich war ich normalerweise nicht der erste, der sich mit weit ausgebreiteten Armen der Peinlichkeit entgegenwarf. Aber jetzt gab es an diesem kindlichen Spaß nichts peinliches mehr zu entdecken, immerhin machte sie mit und sie schien Spaß dabei zu haben - was wollte man mehr? Mein Vater hatte irgendwann im ziemlich betrunkenen Zustand gesagt, dass der direkteste Weg in das Herz einer Frau über das Lachen führte, wobei sich mir auch eröffnet hatte, wieso die Ehe meiner Eltern eher ungünstig verlaufen war - meine Eltern hatten einfach nicht denselben Humor gehabt.


    Ich sah eine Sandale fliegen, anscheinend war der Boden hinter ihr genauso nass wie hinter mir von unserer Wasserspritzerei, und ich fluchte leise, denn meine Sandalen rutschten inzwischen auf dem Boden ziemlich herum. Wer war auch auf die dumme Idee gekommen, hier Steinplatten zu legen, die kaum wurden sie nass, zu einer höchst schlüpfrigen Sache gerieten. Mir lief das Wasser inzwischen in dünnen Rinnsalen über den Leib, nicht nur über das Gesicht, und ich hatte gerade ausgeholt, neues Wasser auf sie zu schütten, als das Malheur auch gleich passierte - ich rutschte aus, versuchte mich am glitschig gewordenen Brunnenrand festzuhalten und - PLATSCH! - legte ich eine saubere Punktlandung im Brunneninneren hin, die mich nun vollends durchnässte und sicherlich aussehen ließ wie einen Abkömmling Neptuns. "Du hast Dich mit dem Wasser gegen mich verschworen, gib es zu!" rief ich aus und versuchte, mich wieder aufzurichten, während die Tunika nun eindeutig meine Gestalt nachmodellierte und wenig Zweifel darüber ließ, dass der Priester des Mars' seiner gewählten Gottheit zumindest in der trainierten Statur nacheiferte.

    Mars war auch ein Todbringer, dachte ich, und dennoch, alles in meinem Inneren widerstrebte diesem Gedanken, nun mit einem einzigen Wort das Leben eines Menschen auszulöschen. Er hatte gegen das Gesetz verstoßen, er war geflohen, er hatte Arrecina entführt, sie wohl auch noch zur Frau gemacht, und ihre Liebe gewonnen hatte dieser unbeugsame Germane ebenso - und doch, ein winziger Teil in meinem Inneren war zurückgeblieben, der sich fragte, ob ich es nicht ebenso getan hätte, wäre ich an seiner Stelle gewesen. Ob ich auch geflohen wäre, hätten mich Germanen als Sklaven gefangen, ob ich jede Gelegenheit genutzt hätte zu entkommen? Ich wusste es nicht, vielleicht fehlte mir auch dieser unbeugsame Wille, mein Schicksal nicht zu akzeptieren, ich hatte so vieles schon akzeptiert und akzeptieren müssen ... die Lippen kurz aufeinander pressend, hörte ich seine trotzigen Worte und atmete tief ein.


    "Sage mir, wie willst Du bestattet werden, Rutger? Gibt es einen Ritus Deines Volkes dafür?" Ich wollte diesen einstmals so starken, kräftigen Leib nicht als Rabenfutter enden sehen, und ich hatte noch weniger Verlangen danach, von einem ruhelosen, rachsüchtigen Sklavengeist auf ewig verfolgt zu werden, weil diese Barbaren irgendein besonderes Todesritus hatten, das eingehalten werden musste - eine allerletzte Ehre, ein letztes Zugeständnis daran sollte er erhalten, dass er ein Mensch war und dass ich ihn nicht nur als meinen Besitz gesehen hatte, wie man ein Möbelstück betrachtete oder ein Tier bewertete. Er war ein Krieger gewesen, und wer, wenn nicht ein Priester des Mars, musste solches respektieren? Auch ein geschlagener Feind verdiente eine gewisse Ehre, auch wenn eine Begnadigung angesichts seiner Taten und seines sturen Trotzes nicht mehr in Frage kam, ohne mich lächerlich zu machen.
    Einer der Sklaven, die ich mitzugehen geheißen hatte, nahm ein Seil aus der Kiste heraus, die für Rutgers Körper bestimmt war, und auf meinen Wink hin knüpfte er eine Schlinge, um den langsamen, qualvollen Kreuzestod mit einem schnellen Ruck vorzuziehen, wenn es soweit war.


    Zwei andere Sklaven stellten, während ein dritter die Anweisungen gab, das auf den Boden gekrachte Kreuz halb auf, und ein weiterer holte Hammer und Nägel, blieb in meiner Nähe stehen, um meine Anweisungen abzuwarten. Ich würde den Sklaven des flavischen Haushaltes eine Rede halten müssen, und gleichzeitig hätte ich alles, was ich in den letzten Tagen getrunken hatte, auf den Boden speien können, so widerlich allein war mir der Gedanke an das Kommende. Einen Mann im Kampf zu töten war die eine Sache, aber jemanden zu einer solchen Qual verurteilen war etwas ganz anderes. Etwas, dessen Entscheidung ich niemandem wünschte und wünschen würde. Nicht einmal meinem ärgsten Feind, hätte ich denn einen gehabt.

    Ihr empörtes Gesicht hätte jemand malen sollen, aber ich befürchtete insgeheim, dass spätestens in dem Moment, in dem sie um den Brunnen herum geeilt war, der Maler einen ausgesprochen nassen Überrest seines Kunstwerks hätte bewundern müssen - ich selbst bekam auch eine gute Ladung des nassen Elements ab und musste unvermittelt lachen.
    "Du vergisst, dass ich Dir ein halbes Jahr Erfahrung auf See voraus habe, Antonia, Fishcer können für gewöhnlich sehr gut mit dem Wasser umgehen, und sei es nur, nicht hineinzufallen!"


    Sie ging in Deckung, was auch sehr klug war, denn nun nutzte ich die Gelegenheit, neues Wasser zu schaufeln und es in ihre Richtung zu spritzen - das Oberteil lag schon recht eng an ihrem nassen Leib an, was ich mit Freude registrierte, ohne daran zu denken, dass ich nicht minder nass aussehen musste und ich im Gegensatz zu einer wohlerzogenen Patrizierin meist nur ein recht dünnes Lendentuch trug, alles andere war bei den Spitzentemperaturen des italischen Sommers schlichtweg viel zu heiß. Nun war es an mir, mich wegzuducken und den nächsten Angriff zu erwarten, und ich überlegte, ob ich es wohl schaffen würde, um den Brunnen herum zu kommen, um sie einfach ins Wasser zu tunken - es würde zumindest die Arbeit deutlich erleichtern.

    Es hatte lange gedauert, bis ich diesen Brief wieder anfassen konnte, als müssten mich die darin verborgenen Worte schneiden und verletzen, wie das Wissen darum, dass er nun fort war und ich nicht wusste, wann er zurückkehren würde. War es mir denn auf ewig bestimmt, mich nach ihm zu sehnen, ohne Sinn und Verstand? Schweigend hatte ich den Brief, den er mir hinterlassen hatte, entknüllt und ihn unter einigen schweren Gegenständen - später suchten einige Sklaven die Vasen, die ich dafür aus dem atrium entwendet hatte, aber was kümmerte es mich? - wieder halbwegs geglättet, um abermals, zum ich weiss nicht wievielten Male, die Worte zu lesen, die seine schwungvolle Handschrift für meine Augen formten. Sorgsam rollte ich den Brief schließlich wieder zusammen und verstaute ihn ihn meiner Schatulle für private Korrespondenz, die zudem abschließbar war - kein fremdes Auge sollte diese Zeilen beschmutzen, ich wollte sie mir aufheben, bis wir uns wiedersehen würden, irgendwann, irgendwo. Und ich vermisste ihn unendlich ...



    Gruß und Heil, geliebter Vetter, sterblicher Dioskur,


    Ungern möchte ich dieses Schreiben mit der Bitte um Vergebung beginnen, doch was bleibt anderes? So bitte ich dich denn, mir zu verzeihen, den Schwur, den letzen Abend, dass dies nur geschriebene Worte sind, und doch - obgleich ich alles davon zu tiefst bedauere - sehe ich in meiner Verzweiflung keine andere Möglichkeit und ich hoffe so sehr, dass du mir dies nachsehen kannst, obgleich ich mir dessen gewahr bin, dass dies längstens mir nicht mehr zusteht.


    Wenn du diesen Brief in Händen hältst, habe ich Rom bereits verlassen. Ich erwähnte jenen unglückseligen Umstand des Quintus Tullius, doch was ich zu diesem Zeitpunkt nicht wusste war, dass unsere Base Leontia nicht nach Ravenna zu ihrem Vater reiste, wie wir alle dies glaubten, sondern ihm in meinem Namen folgte, wie sie glaubte nach Aegyptus, doch nur die Götter wissen, wohin er tatsächlich mit ihr zog und welch devastativen Gedanken er nachhängt. Sciurus konnte ihre Spuren bis nach Ostia hin ausmachen und ich sehe keine andere Möglichkeit, denn ihm zu folgen, mir selbst zu folgen, mir nachzujagen gleich einem Larven, zu welchem er mich längstens gemacht hat.


    Drei Bitten habe ich an dich, Caius, und obgleich ich mir dessen gewahr bin, dass es dererlei dreier zu viel sind, so bleibt mir nichts, als sie zu wagen und auf deine Freundschaft zu hoffen und zu vertrauen. Zuerst muss ich dich bitten, dass das Wissen um die Existenz und vor allem die Äußerlichkeit des Quintus Tullius und die Gefahr, in welcher unsere Base schwebt, einzig zwischen uns bleibt, denn niemand sonst weiß bisherig davon und vorerst muss dies so bleiben. Weiters möchte ich dich bitten, ein wenig auf meine Gattin zu achten. Vermutlich wird ihr meine Abwesenheit kaum Sorge bereiten, tut dies meine Anwesenheit doch viel eher, doch sofern es die Umstände erfordern sollten, so weiß ich, dass ich niemandem mehr ihr Wohl anvertrauen könnte als dir. Zuletzt wirst du der einzige Mensch sein, welcher ob meiner Rückkehr entscheiden kann, ob dies tatsächlich noch ich bin und sofern ich es nicht sein sollte, so bitte ich dich inständig darum, dafür Sorge zu tragen, dass auch er es nicht wird sein.


    Es drängt mich danach, dieses Schreiben mit Worten zu beenden, welche ich nicht mit Tinte fixieren kann, doch ich weiß, dass du wissen wirst, welche Worte dies sind, und ich hoffe, du bewahrst sie in deinem Herzen.


    Auf bald,
    [Blockierte Grafik: http://img180.imageshack.us/img180/8848/maniusunterschriftrj6.jpg]

    Vom Palasteingang her schritt ich durch den kühlen Korridor und nachdem ich an einigen officien vorbeigegangen war, erreichte ich denn auch die Türe mit dem bedeuteten Schildchen daneben - XIV. Mich kurz umblickend, ob es wohl einen Sklaven für eine Anmeldung gab, stellte ich fest, dass dem offensichtlich nicht so war, und hob die Hand, um an der hohen Türe kräftig zu klopfen und wartete eine Reaktion aus dem Inneren ab. Man musste den entsprechenden Amtsträger ja nicht unbedingt dabei stören, wie er sich gerade mit Schriftstücken oder wahlweise auch einer hübschen Sklavin vergnügte.


    "Ich danke Dir - und einen ruhigen Dienst noch!"
    Ich nickte dem Mann freundlich zu und blinzelte kurz, ehe ich in das bedeutend dunklere Innere des Palastes trat, dessen Kühle mich alsbald angenehm umfing.

    Als sie mir das Wasser ins Gesicht spritzte, musste ich für einen Moment lang wie ein großes Fragezeichen ausgesehen haben, denn mit so etwas rechnet man ja nicht unbedingt, wenn man mit einer Patrizierin in den hortus geht. Dass sie jedoch lachte und sich gleich wortreich zu entschuldigen suchte, brachte mich auf eine ganz und gar unanständige, jungenhafte und freche Idee. Sie wollte mit Wasser spielen? Das konnte sie haben, aber dann auch richtig. Breit grinsend sah ich sie näherkommen, das wurde für meinen Plan immer besser - und meiner Ansicht nach war es ohnehin besser, sie lachte, als wenn sie sich zu viele schwere und schmerzliche Gedanken machte. "Nungut, wie Du es Dir wünscht - traurige Gedanken sind wirklich etwas für einen anderen Tag, nicht für heute," sagte ich schmunzelnd, ließ eine Hand wie beiläufig auch ins Wasser gleiten und wischte mir mit der anderen die Wasserperlen aus dem Gesicht, als wäre nichts gewesen. Mit der Hand im Wasser allerdings schöpfte ich dasselbe, nur um es ihr mit einem Lachen ebenso entgegen zu schleudern - die Ladung, die sie nun traf, war deutlich größer als die paar Spritzer, die sie mir verpasst hatte, aber alles andere hätte doch auch keinen wirklichen Spaß gemacht.


    "Auf in die Wasserschlacht, Legionäre," rief ich und machte schon Anstalten, mit beiden Händen wieder ins Wasser zu tauchen, um den nächsten Angriff vorzubereiten. Irgendwie war mir jetzt danach zu spielen, als wären wir noch unbeschwerte Kinder ohne irgendwelche Sorgen und Nöte, und das mochte diesem sonnigen, schönen Tag auch deutlich angemessener sein als alles andere. Zudem trug sie weiße Kleidung und ein klein wenig durfte mir ja auch gegönnt sein ...

    Nicht zum ersten Mal wünschte ich, ich könnte mehr tun als nur passende Worte weben, die einen Moment festzuhalten imstande waren - wie Antonia mit einer nachlässigen und doch eleganten Geste ihre Hand durch das Wasser des Brunnens gleiten ließ, war ein Bild, das man der Nachwelt überliefern hätte müssen, gemeißelt in feinsten Marmor, alles andere wäre ihr kaum angemessen gewesen. Eingefangen für die Ewigkeit hätten vielleicht auch andere verstanden, was mich an dieser Frau bezauberte, die mich eigentlich nicht bezaubern durfte, mich nicht bezaubern sollte.
    "Was würdest Du Dir denn anders wünschen, Antonia? Manchmal genügt es doch, Wünsche auszusprechen, sie mit jemandem zu diskutieren, um einen Weg zu finden, sich diese zu erfüllen. Mir hat es oft geholfen, diskutieren zu können, wenn mir etwas wirklich am Herzen lag, und ich denke, es gibt sicherlich vieles, das an Deinem Herzen Platz finden könnte, wenn Du es nur willst. Dein Leben sollte nicht daraus bestehen, als Ehefrau treu und sittsam zuhause zu sitzen, ein wenig Genuss muss doch immer sein, damit man nicht vollkommen verkümmert."


    Dass die Ehe mit Manius sie nicht glücklich machen konnte, war mir wahrscheinlich klarer als jedem anderen Menschen auf dieser Welt, kannte ich doch den Grund dafür, und doch, ich konnte es nicht ändern, wollte es nicht ändern, aus einer irrigen, sinnlosen Hoffnung heraus. Still lächelte ich und setzte mich nun meinerseits auf den Rand des Brunnens, ihr gegenüber, um ihr nicht zu nahe zu kommen - wenn sie ein wenig Distanz wünschte, dann wollte ich ihr diesen Wunsch erfüllen.

    Angetan mit meiner besten weißen Toga - schließlich ging man nicht jeden Tag in den kaiserlichen Palast - und einer dunkelroten, goldverbrämten Tunika schritt ich geradewegs auf die Prätorianer zu, welche den Eingang des Palastes ähnlich aufmerksam bewachten wie der Hades durch den dreiköpfigen Hund Cerberus bewacht wurde. Glücklicherweise waren die Wachleute hier einköpfig und sahen auch bei weitem nicht so abschreckend aus, wie ich mir den Cerberus vorstellte. Einwandfrei als Patrizier erkennbar mochte ich durch den elfenbeinernen Halbmond sein, den ich an der üblichen Kette um das Fußgelenk trug, indes, ich stellte mich dennoch lieber vor, immerhin war ich noch nie hier gewesen.
    "Salve! Ich bin Caius Flavius Aquilius, und ich möchte diverse Grundstücke erwerben. Kannst Du mir bitte sagen, in welches Officium ich dafür gehen muss?" entbot ich dem Wachhabenden (links) meinen Gruß und lächelte freundlich.