"Ich weiss es noch nicht ... wenn er mein einziger Erbe sein sollte, dann wohl schon, es hängt davon ab, ob ich heirate oder nicht," meinte ich und atmete tief ein. Der Gedanke war noch immer ein wenig beängstigend, ein Kind zu haben, ein lebendiges Wesen, das irgendwann höchstwahrscheinlich alle meine schlechten Eigenschaften aufweisen würde und Orestillas warmes Lächeln. "Zumindest habe ich dafür gesorgt, dass er und seine Mutter ein gutes Auskommen haben und sich über nichts Sorgen werden machen müssen."
Einen Fischereibetrieb hatte ich gekauft, den Orestilla nun leitete, gerade einmal zwei Stunden des Weges von Rom entfernt, in der Nähe von Ostia - und die Fische, die dort verkauft wurden, waren gute Ware. Ich konnte sie jederzeit besuchen, aber ich fürchtete mich davor, ich wollte die Frau, die mich mit einer so großen Lüge hatte leben lassen, einstweilen nicht sehen. Auch, weil ich ahnte, dass etwas an dem Leben mit ihr mir fehlte, die Vertrautheit, die Nähe, das Teilen der Stunden voller harter Arbeit ... auch ich musste Gedanken vertreiben und lachte umso lieber über die Vorstellung des platschnassen Senators Aquilius. "Ich glaube, ich würde im Senat zumindest der auffälligste Senator werden, wenngleich nicht der eifrigste," meinte ich schmunzelnd und schüttelte den Kopf. Ihr Lachen machte mir selbst die Vorstellung, eines Tages wirklich im Senat zu sitzen, leichter, seltsam genug.
"Zu anspruchsvoll zu sein führt einen selten ins Glück - ich denke, wenn man zuviel will, wird man viel eher enttäuscht als wenn man seine Ansprüche auf einem realistischen Maß hält," überlegte ich und wurde dann überrascht, als sie lachte. War es denn für sie so ungewöhnlich, dass ein Mann die Zeit mit seiner Frau verbrachte ...? Aber im gleichen Moment beantwortete ich mir die Frage selbst - sie war Gracchus' Frau, und ich war mir ziemlich sicher, dass Gracchus jede Gelegenheit nutzte, ihr fern zu bleiben, ausser, es war unbedingt notwendig. Er würde wohl nie wirklich Gefallen an Frauen finden, ebenso, wie ich wohl niemals einen Menschen ausser ihm finden würde, den ich lieben durfte, ohne vergeblich zu hoffen. "Natürlich meine ich das ernst," ich versuchte überzeugend zu klingen, auch wenn ich es mit einem Mal nicht mehr war.
"Manche Männer schätzen die gemeinsam geteilte Leidenschaft mehr als andere, es ist eine Frage der Vorlieben - manche lesen gern, andere nicht, ein dritter schätzt die Mathematik, ein vierter gar nicht. Aber es geht nicht nur um die Leidenschaft alleine, sondern auch um gemeinsam verbrachte Stunden, in denen man sich unterhält oder einfach still nebeneinander liegt, um sich Nähe zu schenken." Alles, was mir Orestilla geschenkt hatte, die einfache peregrina mit dem warmen Lächeln. Die Lügnerin Orestilla. "Ich denke, Gracchus kann sich glücklich schätzen, nun doch nicht imperator werden zu müssen," versuchte ich das Ganze wieder auf die scherzhafte Ebene zu lenken. "Wobei ich ehrlich gesagt nie die Kaiserin heiraten wollte, sie war mir immer schon zu alt - auch wenn das nicht sehr charmant ist." Ich drückte ihre Hand sacht und zog sie weiter, tiefer in den hortus hinein, zwischen die tiefhängenden Äste der Weiden, die vor vielen Jahren dort gepflanzt worden waren und die Geräusche der villa vollkommen abzuschirmen wussten.