Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    Ad
    Lucius Octavius Detritus
    Casa Octavia
    Roma - Italia


    Ab
    Caius Flavius Aquilius
    Villa Flavia Felix
    Roma - Italia


    C' Flavius Aquilius quaestoris consulum Octavio Detrito s.d.


    So Deine Anfrage wegen eines Malerbetriebes, welcher im Projekt 'Ulpianum' diverse Aufträge zu erledigen hätte, noch von Bestand ist, wäre ich daran sehr interessiert. Bitte nenne mir Zeitpunkt und Ort für ein Gespräch ob dieses Auftrages, sodass wir die genaueren Modalitäten abklären können.


    Vale,
    Caius Flavius Aquilius

    ANTE DIEM IV NON IUN DCCCLVII A.U.C. (2.6.2007/104 n.Chr.)

    Es geschah selten, dass sich Frauen in den Tempel des Mars Ultor, des rächenden Mars begaben, aber es geschah - und wie jedes Mal wirden sie von den Tempeldienern, -schülern und auch den Priestern verstohlen beobachtet, immerhin waren jene Männer, die sich dem Dienst an Mars verschrieben hatten, meist auch besonders Seinem Lebenswandel nahe, und damit waren Frauen vielleicht noch ein bisschen interessanter als sie es sonst ohnehin waren. Dass wir Priester uns gegenseitig immer wieder die Frauen zulosten und der Gewinner eine Runde Wein für alle lassen mussten, der eine besonders gut aussehende Besucherin betreuen durfte, wussten jene, die den Tempel aufsuchten, glücklicherweise nicht. Und mit noch etwas mehr Glück würden sie es auch nie erfahren. Dass diese junge und auch gutaussehende Frau ausgerechnet meine Namen nannte, enthob mich der Pflicht zum Weinbezahlen und trug mir einige neidische Blicke ein - sicher, wir kümmerten uns gern um die Soldaten, Familienväter, jungen Männer und jeden, der Mars aufsuchte, um zu beten, zu opfern und zu bitten, aber Frauen waren eben immer etwas besonderes und würden es auch bleiben.


    So zupfte ich also meine blütenweiße toga zurecht - zum Tempeldienst achtete ich immer sehr auf korrektes Aussehen - und ging aus dem Schatten einer der mächtigen, das Dach stützenden Säulen auf sie zu. Wie ein Priester mochte ich wohl auf den ersten Blick nicht wirken, für einen Römer war ich sehr hoch gewachsen, das blonde, kurz geschnittene Haar war durch meinen Aufenthalt am Meer noch mehr ausgebleicht und hell wie das eines Germanen, ich war braungebrannt und auf meinen Armen zeigten sich noch junge Narben, die von Kämpfen künden mochten - zudem, neben den meisten doch eher älteren und schon von den guten Opfergaben dick gewordenen Priestern war ich einer derjenigen, die mit einer athletischen Figur glänzen konnten. Als ich auf sie zuschritt, beglückwünschte ich mich zur offensichtlichen Gunst Mars' - dass er mir eine Frau mit so faszinierenden Augen schickte, musste ein Geschenk sein, auch wenn ich mich gerade fragte, womit ich es mir verdient hatte - und lächelte sie freundlich an. "Salve, junge Dame, ich bin der, den Du suchst. Was kann ich für Dich tun?"

    Ich brauche Dich, flüsterten meine Gedanken, flüsterte mein innerstes Sein, das, was ich war, was ich immer sein würde. Ich brauche Dich, Manius, ich will niemanden außer Dir, weisst Du denn nicht, dass ich überall das suche, was mir Deine Augen versprechen, und ich es nirgends finden kann? Aber ich sprach die Worte nicht aus, verbarg sie tief in meinem Inneren, verschloss sie dort, damit er sie niemals hören würde. Als ich mich für das Leben entschieden hatte, war auch die Entscheidung gefallen, diese Worte nicht auszusprechen, ihnen ein eisernes Band meines Willens umzulegen, um sie zu zähmen und zum Schweigen zu bringen, damit es für mich und ihn nicht schwerer werden würde, als es war. Und doch, in Augenblicken wie diesen war es fast unmöghlich zu schweigen, es zu schlucken, die Bitterkeit, nicht sprechen zu dürfen, schnürte mir die Kehle zu und ich vermochte es nicht einmal, sein 'Ja' zu beantworten, ich nickte ihm nur zu und wandte mich langsam um, langsam genug, dass er mich jederzeit zurückhalten konnte, wenn er es nur wollte, hoffend, er würde es tun, ahnend, dass er schweigen würde wie ich. Dafür kannte ich ihn zu gut, fühlte zu tief, um nicht doch immer wieder diese irrationale, sinnlose Hoffnung zu hegen, und sie doch immer wieder selbst zu zerstören.


    Jeder Schritt schmerzte, zeigte mir, wie frisch die Wunde unserer Liebe in mir noch war, und als sich der dunkelhölzerne Türrahmen wie eine Faust näherte, die nach meinem Herzen griff, hätte ich vor Zorn und Frustration schreien mögen, doch blieb ich still. Wäre ich doch niemals in diese meine Haut geboren worden, wäre ich sein Sklave, hätte ich ihn lieben dürfen, ihm ganz gehörenn dürfen, doch wir waren uns ebenbürtig, belauert von der Gesellschaft, beobachtet von jedermann, und damit so unfrei wie jene, die einen Ring um den Hals trugen, um ihren Stand zu offenbaren. Als mich der Flur verschluckte, atmete ich tief durch, und noch immer hoffte ich, auf nur ein einziges Wort, nur eines, das mir zeigte, dass auch er ... litt. War das die eigentliche Bedeutung von Liebe? Zu leiden?

    "Das lag nicht in meiner Absicht, verzeih mir..." antwortete ich ihr lächelnd und trat ein wenig näher. Gracchus' schöne Frau trieb mir immer ein Lächeln auf die Lippen, ohne dass ich genau hätte sagen können, warum das der Fall war, ich mochte sie einfach, wie man eben eine typische Sympathie niemals ganz begründen konnte. Manches Mal hatte ich mir schon gewünscht, sie wäre meine Gemahlin anstelle die meines Vetters, doch vertrieb ich diesen Gedanken stets wieder dorthin, wo er herkam, und sagte mir, dass die Dinge eben so waren, wie sie sind, und ich zumindest die Gelegenheit hatte, sie zum lächeln zu bringen, wenn ich es wollte. "Du bewunderst die Rosen des Flavius Felix? Aber ich muss Dir sagen, gegen Dein Lächeln wirken sie heute ausgesprochen blass, fast als neideten sie Dir den Sonnenschein ein wenig." Einige Schritte mehr trugen mich an ihre Seite und ich hatte nicht ihre Scheu davor, die Blüten zu berühren - ich zog ihr eine Rosenranke sanft heran, sodass sie an der vollendet geformten Blüte riechen konnte, wenn sie es wollte.


    "Ich hoffe doch, Du hast Dich in diesem Haushalt und vor allem unserer Familie inzwischen ein wenig einleben können, Antonia," fuhr ich mit dem Gedanken fort, den Impuls unterdrückend, nach der Rose auch an ihr schnuppern zu wollen, um die Süße des Duftes zu vergleichen. "Wir Flavier sind nicht immer pflegeleicht und auf die meisten Menschen dürfte das Chaos, das wir Familienleben nennen, wohl eher befremdlich wirken. Falls man unser Nebeneinanderherleben überhaupt als Familienleben bezeichnen kann ..." Ich schüttelte sachte den Kopf, als ich mich an die sponsalia von Aristides und Claudia Epicharis erinnerte, die ein ausgesprochen gutes Beispiel flavischer Verrücktheit in die Geschichte eingehen würde. Selbst Serenus war ein wahres Prachtbeispiel für die flavische Tradition, immer zuerst dem eigenen Ego folgen zu müssen. "Wenn ich Dir also Deinen Tag heute etwas erhellen kann, so sage mir nur, was ich tun soll, und ich werde es tun."

    "Geopfert wird viel, aber ausser mir gibt es genug andere, die sich eindeutig ein bisschen schneller die besten Gaben einverleiben ... in sofern bin ich immer froh über ein reichhaltiges Abendessen, wenn ich hierher zurückkehre. Und oftmals bleibt auch tagsüber einfach nicht die Zeit, sich lange beim Essen auszuruhen, gerade jetzt gilt Mars viel Aufmerksamkeit und die Arbeit potenziert sich," antwortete ich und schnippste nach dem Sklaven, der sich schon hatte entfernen wollen. Mit kurzen, knappen Worten bestellte ich für uns beide etwas zu essen, denn auch ich war noch nicht groß dazu gekommen, den Hunger des Tages zu stillen, und inzwischen wussten die Haussklaven auch, dass ich nicht gerne auf mein Essen wartete. Gemütlich nahm ich auf einer der Sitzbänke im atrium Platz und bedeutete meinem Besucher, es mir gleichzutun, wir mussten hier nicht herumstehen wie in einer Statuengalerie, hier gab es ohnehin nicht allzu viel zu sehen, jedenfalls nicht nach meiner Ansicht.


    "Hast Du schon vernommen, dass mir eine discipula zugeteilt wurde? Eine Octavierin ... im ersten Augenblick, als sie mich ansprach, dachte ich mir, sie wolle von einem Marspriester lernen, was es bedeutet, die Venus für Mars zu sein," bemerkte ich dann leicht schmunzelnd in der Erinnerung an das Gespräch mit Octavia Severa. "Die Frauen, die sich dem Dienst an den Göttern verschreiben, werden auch immer jünger, und die älteren Priesterinnen scheinen mir immer beschäftigter, wenn ich bedenke, dass ich mich nun um sie kümmern soll und nicht eine Priesterin." Kümmern und kümmern waren ohnehin zwei verschiedene Dinge, aber wer hätte das nicht besser und genauer gewusst als ein anderer Priester des Mars?

    Ich hatte gerade einige Schriftrollen geordnet - beziehungsweise von einem Sklaven ordnen lassen und diesen dabei beaufsichtigt - als mich der junge Sklave benachrichtigt hatte, dass mein Besucher vom cultus deorum eingetroffen war. Schnell scheuchte ich den Sklaven heraus, ließ die ungeliebte Arbeit liegen - erstaunlicherweise hatte sich mein Postaufkommen durch die Übernahme von Flavia Calpurnias und der Villa unseres Familienzweigs in Tarraco Betrieben enorm vervielfacht - und schritt gen atrium, um den septemvir zu begrüßen. Dass ich mir in der Villa eine Toga schenkte, würde Valerius Victor hoffentlich nachvolliehen können, ich hatte auch nicht unbedingt Lust, mich bei diesem heißen Wetter noch einwickeln zu lassen - so musste es meine dunkelrote Tunika mit den Silberstickereien an den Ärmeln tun, die glücklicherweise noch keine Weinflecken hatte, ein Zustand, von dem ich ahnte, dass er sich bald ändern würde.


    "Salve, Valerius Victor," begrüßte ich ihn und trat auf ihn zu, dem Sklaven, der ihm eingeschenkt hatte, zunickend, auf dass ich auch ein Getränk erhalten würde - ungemischt, hier in der Villa panschten sie nur zu gern den guten Wein zu einer flachbrüstigen rotgefärbten Wassermasse, was es zu verhindern galt. "Es freut mich, dass Du so schnell Zeit gefunden hast - kann ich Dir etwas anbieten? Essen? Oder wollen wir unser Gespräch einfach nur mit einem guten Wein versüßen?" Auch wenn ich den Wein mochte, ohne Grundlage dafür würden wir sicher bald kotzend im Garten enden, zumindest hatte ich diese Erfahrung nicht nur einmal gemacht.

    Zitat

    Original von Decima Valeria
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    Jetzt ist wieder viel Platz für Liebesbriefe, Bestechungsgelder und ähnlich erfreuliche Dinge ... ;)

    Heute morgen hatte ich zufällig zur Werbung auf RTL II noch die Glotze laufen und da waren dann doch erstaunliche Bilder zu sehen - wohlbekannte Gestalten in noch bekannterem Rahmen reihten sich da aneinander: Für den Sommer ist HBO Rome also im deutschen Fernsehen zu erwarten und somit auch für all jene, die weder auf DVD noch auf dem Rechner bisher das Vergnügen hatten :D


    Ob das ein Vorstoß in Richtung 'mehr gute Serien' ist? Mehr Geschichtsinteresse? Ich freu mich jedenfalls, dass sie mal was Gescheites eingekauft haben anstatt dem Mist, der da immer so läuft.

    "Ich wundere mich, dass immer weniger junge Römer sich überhaupt für den Dienst im cultus deorum entscheiden - sicherlich, die legio hat viele Vorzüge und ist eine Stütze des Reiches, die wir nicht entbehren können, doch was wäre die legio ohne das Kriegsglück, was wäre ohne unser Volk ohne die Aufmerksamkeit der Götter, die uns vor Schlimmem bewahren und jene schützen, die uns lieb und teuer sind?" Ich ließ das Thema mit ihrer Tante lieber ruhen, denn wenn sie es von sich aus nicht selbst verfolgen wollte, dann mochte sie vielleicht diese Gesprächswendung nicht oder aber es verbanden sich Erinnerungen damit, an die sie nicht tasten wollte - nichts, was ich nicht verstanden hätte. Ich folgte ihr gemessenen Schritts die Treppe hinauf und reichte ihr die geöffnete Hand, ohne sie zu berühren, sollte sie Hilfe brauchen, die Stufen empor zu steigen, konnte sie meinen Arm in Anspruch nehmen, wollte sie es nicht, dann hatte ich nichts verloren. Schon bevor wir das Gebäude betraten, fühlte ich mich auf eine seltsame Weise zuhause, wie ich es immer tat, wenn ich Mars in seinem Heim besuchte. Hier war ich eher zuhause als an jedem anderen Ort im Imperium - und man mochte es meiner Miene vielleicht auch ablesehen, dass ich mich hier wohler fühlte.


    "Es dürften wohl einige Risse mehr in den Wänden sein," meinte ich schmunzelnd auf ihre Bemerkung hin. "Wir suchen immernoch einen fähigen Architekten, der sich dieser Aufgabe gewachsen fühlt, aber mir scheint, den Wissenden in Rom fehlt es am nötigen Mut, eine Schande ist das." Das ärgerte mich wirklich, denn im Reden waren die meisten Römer immer größer als im Tun gewesen - nicht, dass ich eine allzu große Ausnahme gewesen wäre, aber wenigstens die Götter sollte man nicht vernachlässigen, wenn man sich einigermaßen ernst nahm. Schon eröffnete sich im kühlen Tempelinneren die durch ihre Präsenz raumfüllende Statue des bärtigen Mars, angetan mit den Insignien seines Kriegertums, prächtig anzusehen wie stets - und für mich wie jedes Mal ehrfurchtgebietend.

    Es war ein ausgesprochen schöner Tag, die Vöglein zwitscherten munter vor sich hin, fast kaum eine Wolke traute sich, den strahlend blauen Himmel mit verräterischen weißen Flecken zu bedecken, und halb Rom schien bester Laune zu sein - mit einer Ausnahme: Mir. Gutes Wetter war schön, und meinetwegen sollten die Römer auch ihre Freude haben, aber die morgendliche Post hatte mir die Laune derart vermiest, dass ich irgend etwas brauchte, um mich abzureagieren. Unangenehmerweise weilte Nefertiri immernoch in Achaia, zumindest vermutete ich das, sie war mir vermeintlich nachgereist, während ich mit Fieber ganz in der Nähe weilte, ohne zu wissen, wer ich war - und nun wartete ich darauf, dass meine kleine Bettgefährtin wieder zurückkehrte, die entsprechenden Anweisungen hatte ich per Post getroffen. Aber ausser langweiligen Berichten von meinen Gütern und ähnlich wenig anregenden tabulae waren nichts dabei gewesen, was mich hätte aufheitern können. Seit Tagen fühlte ich mich ruhelos und fand weder in der Villa noch außerhalb irgend etwas, was mir ein wenig Entspannung hätte verschaffen können.


    So ging ich im Garten der Villa umher und versuchte, mich wenigstens ein wenig durch das laufen abzulenken, wenn es schon meine Post und die Schriftrollen, die ich noch lesen wollte, nicht schafften. Eigentlich hätte ich mit Manius sprechen wollen, aber einerseits wollte ich ihm weder zur Last fallen, andererseits war es ausgesprochen zwiespältig, ihn überhaupt zu sehen. Einen Menschen zu lieben und ihm nicht nahe sein zu dürfen war auf Dauer einfach nur die schmerzvollste Art der Folter, die man sich vorstellen konnte, dieses gladius schmerzte tiefer und heftiger, als es jede Schnittwunde jemals gekonnt hätte. Als ich um eine Ecke bog, wurde mein Schritt automatisch langsamer, denn zumindest von hinten bot sich mir ein atemberaubender Anblick - nichts konnte mich leichter und schneller ablenken als eine attraktive weibliche Figur. Noch ahnte ich nicht, zu wem sie gehören mochte oder was diese Frau in den Garten geführt hatte, und so betrachtete ich sie einige Augenblicke lang durchaus genüsslich, bevor ich mich räusperte.

    Nachdem die Ohnmächtige sicher auf einer Liege gebettet lag und sich Sklaven um sie bemühten, wäre es ungemein unschicklich gewesen, noch länger bei ihr zu verweilen - und so wenig Freude ich auch an diesen offiziellen Anlässen zu empfinden fähig war, ich wusste doch sehr genau, wo mein Platz war, und dieser lag sicher nicht bei unangenehm auftretenden Gästen. Serenus hatte der Familie heute genug Schande - wenngleich amüsante Schande! - bereitet, man musste es schließlich nicht weiter potenzieren. Epicharis hatte sich erstaunlich gut gehalten, was für die sich anbahnende Verbindung sprach, sie würde sicherlich Aristides' Art genügend Ruhe entgegen halten können, um nicht bei jeder Sauftour gleich an die Decke zu gehen, wie es einige andere überkandidelte Patrizierinnen sicher getan hätten. Ich stellte mir die Frage, was ich nun tun sollte, und glücklicherweise konnte ich bei einem Sklaven einen neuen Weinbecher samt Inhalt ergattern, was mich zur ursprünglichen Überlegung zurückführte, mich möglichst schnell und unauffällig zu betrinken.


    Da Arrecina in der guten Gesellschaft von Manius und einigen anderen Herren stand und sich anscheinend abzulenken wusste, blickte ich mich kurzerhand selbst wieder um, um vielleicht jemanden zu entdecken, der einen Gesprächspartner suchte - oder vielleicht auch eine gelangweilte Gästegattin, der es nach einem Lächeln verlangte, immerhin musste ich als Familienmitglied auch für die Unterhaltung jener mit sorgen, die zu uns kamen. Ja, an manchen Tagen war ich wirklich ein ausgesprochen gnädiger Mann - bei dem Gedanken schmunzelnd nahm ich einen Schluck aus meinem Becher und begann zu flanieren.

    Ich nickte langsam, und irgend etwas in seinen Worten stimmte mich traurig. War es der Tonfall, oder war es die Tatsache, dass ich genau wusste, wie es um uns beide stand und uns doch in diesem Augenblick eine selbstgeschaffene Kluft trennte, die nicht zu überwinden war? Nichts hätte ich lieber getan, als ihn noch einmal mir nahe zu fühlen, aber ich stand wie festgewurzelt und blickte hinaus, im Garten mit meinem Blick nach irgendeinem Sinn in meinem Leben suchend, der niemals dort auftauchen würde.


    "Ein ganzer Patrizier werden," wiederholte ich ihn nachdenklich und seufzte dann leise. Es klang seltsam leer, und ich wusste in diesem Augenblick, dass ich wohl nie diesem Bild entsprechen würde, welches man gemeinhin von einem Patrizier zu haben schien, das Vorbild, der starke, aufrechte, durch nichts zu erschütternde Mann, die aufrechte Säule und Stütze eines Staates ... dafür zweifelte ich viel zu sehr an den Menschen. Und warum brachte er ausgerechnet das zur Sprache? Etwas sein zu sollen, was man nicht wirklich sein konnte? Er war doch selbst auf seine Weise ein Wanderer zwischen den Welten, zwischen dem Zwang der Pflicht und dem Wunsch, so sein zu dürfen, wie man empfand.


    "Vielleicht hast Du Recht." Mit einem Mal wollte ich alleine sein, alleine mit meinen Gedanken, mit meiner Erinnerung und den tausend Lücken in meinem Kopf, die sich vielleicht irgendwann wieder mit Gesichtern und Begebenheiten füllen würden, vielleicht niemals wieder. Es würde niemals wieder so sein, wie es gewesen war, unsere Unschuld hatten wir längst verloren, und an meinen Schmerz, den Wunsch zu sterben, erinnerte ich mich noch viel zu gut. "Manius, ich habe Dich lange genug von Deiner Arbeit abgehalten - ich sollte mich wohl ein wenig ausruhen, langsam fühle ich mich doch erschöpfter, als ich es gedacht hätte." Ich wandte den Kopf langsam wieder in seine Richtung, blickte ihn eher flüchtig als zu direkt an, fast, als müsste ich fürchten, was ich in seinen Augen lesen könnte.

    An
    Vibius Valerius Victor
    Septemvir
    Casa Valeria, Roma


    Salve, Valerius Victor,


    nachdem wir einander eine gute Weile nicht gesehen haben, und Du der einzige Priester unseres Gottes bist, der mir keinen Stock verschluckt zu haben scheint, würde ich gern ein Gespräch über die Zukunft mit einem guten Wein verbinden und Dich zu diesem einladen. Gerne können wir uns auch über den Weinkeller der Villa Flavia hermachen, der gehört ohnehin langsam wieder ausgedünnt - nenne mir einfach einen Dir passenden Zeitpunkt.


    Vale,
    C' Flavius Aquilius

    Ich flegelte auf einer Liege irgendwo weit hinten - und hatte schweigend und mit einem Weinbecher in der Hand zugesehen, wie alle nacheinander eingetroffen waren, flankiert von zwei Männern, die im doch etwas gesetzteren Alter waren und mir die ganze Zeit irgend etwas von Kaltbädern erzählten, die besonders gut gegen diverse Zipperlein wären, die ich, mit etwas Glück, wohl nie bekommen würde. Des Themas wegen, dem sich zu entziehen ausgesprochen unhöflich gewesen wäre, einigermaßen verzweifelt, hatte ich mein Heil im Wein gesucht und prostete Aristides aus dem hintersten Eck wehleidig zu. Noch schlimmer als alte Weiber waren alte Männer, die sich ewig lange darüber ausließen, dass sie keinen mehr hochbekamen, mir schien, als müsse diese ausgesprochen deplorable erektile Dysfunktion bald auf mich abfärben, würde ich mich nicht endgültig betrinken. Was hätte ich doch darum gegeben, neben Gracchus oder Aristides liegen zu können, aber nein, ich war natürlich zu früh erschienen und war nun unwilliger Zuhörer des Gesprächs der beiden alten Herren.


    Als Manius dann endlich die Sitzung offiziell eröffnete, war ich erleichtert, brachte es meine Liegenachbarn doch zum Verstummen, und ich hoffte, auf meiner Liege möglichst klein zu wirken, um nicht irgendwen dazu zu animieren, mich für ein Amt zu nominieren, auf das ich nicht unbedingt große Lust hatte.. wenigstens war der Wein trinkbar und es gab viel davon ... Mars würde mich schon verstehen, und so opferte ich ihm freigiebig immer wieder einen guten Schlenker aus meinem Becher auf den Boden, bevor ich selbst trank und hoffte, es möge schnell vorbei sein.

    Arrecina hatte mein ganzes Mitgefühl, aber gleichzeitig war die Situation für weder sie noch irgendjemand anderen ausser dem verlobten Paaren zu ändern - irgendwann würde sie sich mit der neuen Frau an der Seite ihres Vaters arrangieren müssen, je besser, desto besser war es für meine Nichte auf Dauer. Ich schenkte ihr einen warmen, mitfühlenden Blick, aber ich änderte nichts daran, sie bei mir zu behalten und damit zu zwingen, sich mit der jungen Frau auseinanderzusetzen, zu der wir uns gesellt hatten - sie war eine Flavierin und wie auch zu meinen Pflichten gehörte es zu ihren Pfflichten, bei einem wichtigen Anlass wie diesen den Schein aufrecht zu erhalten, egal, wie es ihr im Inneren zu gehen vermochte. Sanft drückte ich ihre Hand, ein weiteres Zeichen dessen, dass ich sie verstehen konnte, und lächelte dann der jungen Frau in unserer Nähe zu, die sich eben vorgestellt hatte.
    "Ich freue mich sehr, Dich kennenzulernen, Claudia Dolabella - und glaube mir, wenn Du erst einmal mit uns beiden hier die Runde gemacht hast, wirst Du so viele der Gäste kennengelernt haben, wie nur möglich." Ich schmunzelte verschmitzt und gab mit gutem schauspielerischen Erfolg die Miene eines Mannes zum Besten, der sich auf der Verlobung seines Vetters prächtig amüsierte.


    "Dort drüben habe ich schon den ersten Deiner Verwandten entdeckt," ich nickte in die Richtung von Herius Claudius Vesuvianus, der wie ich ein palatinischer Salier war und den ich von den Treffen her als angenehmen Gesprächspartner in Erinnerung behalten hatte. "Wollen wir ihn nicht zuerst begrüßen und dann hoffen, den Weg zum glücklichen Paar anzutreten? Bis dahin haben wir uns vielleicht auch eine kleine Schneise schlagen können, so viele Leute wollen anscheinend innerhalb kürzester Zeit gratulieren." Am liebsten wäre ich jetzt in irgendeinem Hinterzimmer mit einer großen KAraffe Falerner versackt, vielleicht noch eben mit diesen beiden reizenden jungen Frauen im Arm, und auf und unter mir, aber das kam nun nicht unbedingt in Frage, vor allem hätte ich bei meinem Glück den Tag wohl kaum überlebt. Wenn ich es recht bedachte: Eine Karaffe Falerner war kaum ausreichend, meine aufsteigende Langeweile wirklich gut zu bekämpfen, auch wenn ich für mein Leben gern mit Frauen sprach, Verlobungen, Hochzeiten und Beerdigungen hatten immer etwas an sich, das mir einen gewissen Fluchtreflex erwachsen. Wie sollte ich bloß meine eigene irgendwann anstehende Verlobung und Hochzeit überleben? Wenigstens würde mich dieser ganze Schwachsinn bei meiner Beerdigung nicht mehr stören.


    Gemächlich führte ich die beiden jungen Frauen in die bedeutete Richtung und näher noch, als ich bemerkte, dass zwei Sklaven, die recht unwohl aussahen, auf Aristides und die an diesem Tag ausgesprochen reizend aussehende Epicharis zugetreten waren, um ihnen Geschenke zu überbringen - dass sich diese als die Totenmaske von Aristides' verstorbener Frau und eine ziemlich zerrupft aussehende Ratte herausstellten, hätte ich auch nicht erwartet. Bei allem Ärger über den verzogenen Lausebengel Serenus musste ich ihm zumindest in einem Punkt innerlich gratulieren - er hatte es geschafft, dass ich mich an dieses gesichtslose Fest unter vielen gesichtslosen Festen der Vergangenheit lange erinnern würde, und sei es nur wegen der schockiert aussehenden Gäste. Doch bevor ich noch weiterdenken konnte, hörte ich ein "Oh!" in nächster Nähe, sah eine Bewegung und reagierte, wie ein jeder Mann im Angesicht einer in Ohnmacht fallenden Frau reagieren sollte: Ich löste den Arm von Arrecina und fing die umkippende Schöne auf, gerade noch rechtzeitig, bevor ihr Körper unangenehmen Kontakt mit dem Fußboden schließen konnte- Eine vage Duftwolke mit ihrem höchst persönlichen Geruch stieg mir in die Nase, ließ mich einen Moment tiefer atmen, dann hatte ich meine Sinne wieder gefunden und ich ließ mich in Richtung der Anwesenden vernehmen: "Macht Platz, ich will sie zu einer Bank bringen. Sklaven! Eine Sitzbank hierher, aber eilig!"


    Automatisch hatte meine Stimme einen gewissen Kommandoton angenommen, der einem Soldaten alle Ehre gemacht hätte - und als einige verschüchtert wirkende Sklaven eine aus edlem dunklem Holz bestehende Bank, die mit teurem Stoff bezogen und gepolstert war, gebracht hatten, legte ich meine süße Last vorsichtig darauf ab, sie noch immer haltend, um darauf zu warten, dass sie aufwachen würde. Patrizierfrauen und tote Ratten hatten sich seit jeher kaum wirklich vertragen, das bewies sich immer wieder.

    Statt einer Antwort zu seinen Worten lächelte ich einfach, da ungebrochene Vertrauen des Mannes, den ich liebte, in meien Person, war anscheinend deutlich größer, als ich es jemals geahnt hatte - es einfach so zu hören tat seltsam gut und wärmte mein Herz mehr als es jede Liebeserklärung hätte tun können. Sachte legte ich meine Hand für einen Moment auf seinen Unterarm und drückte diesen, mit einer Geste ausdrückend, was ich nicht sagen konnte und durfte, sollte nicht die Stimmung zwischen uns wieder sorgenvoll und schmerzhaft werden - und daran war mir nun wirklich nicht gelegen. Bevor die Nähe für ihn zu unangenehm werden konnte, nahm ich die Hand auch wieder fort und blickte wieder hinaus ließ mir seine Worte über eine Verbindung mit den Aureliern durch den Kopf gehen. Schlecht wäre es sicher nicht, und eine weitere Patrizierfamilie enger an unser Haus zu binden konnte von Vorteil sein, immerhin steckte genug altes Geld in dieser gens, und allzu einflusslos waren sie auch nicht. Warum also nicht, irgendeine Farce von Ehe würde ich wohl auch noch hinbekommen, wenn es schon Manius gelang, den Schein aufrecht zu erhalten.


    "Minervina ist vielleicht einfach noch zu jung für eine Ehe zum Vorteil der Familie, in diesem Alter sind sie doch alle wild auf Liebesehen und dergleichen Schwachsinniges, in sofern ... lass ihr etwas Zeit, nach der ersten oder zweiten gescheiterten Verliebtheit und einem Blick auf gut verheiratete Frauen ihres Alters wird sich das sicher wieder geben. Wa Aurelius Cicero angeht, an den erinnere ich mich durchaus, ich habe ihn glaube ich, auch ein-, zweimal auf dem forum reden gehört ... nicht auffällig, aber annehmbar. Sicher kein Familienzweig, mit dem verbunden zu sein eine Schande wäre, weil sie zu reaktionär sind oder etwas in der Art. Wenn es Dir möglich ist, etwas über sie zu erfahren, wäre ich über etwas Schützenhilfe sehr dankbar, den Rest muss ich dann wohl selbst erledigen, inzwischen wäre eine Heirat mit mir sogar vom Vermögen her nicht abzuschlagen, wenn man Calpurnias Erbe bedenkt und das, was ich bisher gespart habe." Seltsam genug, ich hatte tatsächlich gespart, und während meiner Abwesenheit hatten auch meine Betriebe, durch verlässliche Verwalter geführt, einigen Gewinn erwirtschaftet ... wenn ich bedachte, wie mittellos ich noch vor einem Jahr dagestanden hatte, war es ein Wandel von links nach rechts gewesen.

    "Nun, wie Rosen und Nelken riechst Du nicht gerade," sagte ich trocken und schmunzelte bitter. "Aber wer könnte das auch erwarten, hier unten riecht es nirgends besonders angenehm. Du brauchst vor allem ein Bad und Nahrung, dann wird sich das zum Besseren wenden." Er würde mich wohl für verrückt halten, aber auch wenn er vielleicht den größten Fehler seines Lebens mit seiner Flucht und Arrecinas Entführung gemacht hatte, ich war nie ein Freund dessen gewesen, ein menschliches Leben wie Straßendreck zu behandeln. Ich wusste, meine Verwandten würden das nicht verstehen, wahrscheinlich würde es kein einziger Römer jemals verstehen, aber es lag mir einfach nicht zu foltern, zumindest nicht auf diese Weise. Seine Reaktion auf meine Frage allerdings bewies mir, dass er nicht auch nur im Entferntesten ahnte, worauf ich hinaus wollte, aber die Germanen waren noch nie besonders geschäftstüchtig gewesen, was sich jetzt wieder einmal bewies. So viel Zeit zum Nachdenken, und mein widerspenstiger Besitz verschwendete sie mit Rachegedanken und dem Nähren seines Hasses.


    "Jeder Mensch hat Träume, ob er nun Ketten trägt oder nicht, Rutger, und Deine Träume hast Du früher schon geäußert - alle Römer zu töten und dergleichen, das ist mir nicht neu. Und was Dein Germanien anbelangt, es wird nie auf diese Weise frei sein, wie Du es Dir wünscht. die Zeit der Stämme ist vorbei, ein für allemal. Vielleicht kämpfen Deine Leute noch einige Jahre, ein Jahrhundert, aber letztendlich wird die Ordnung über das Chaos siegen. Wenn es meinem Volk gelang, die halbe Welt zu beherrschen, meinst Du nicht, dass unser Weg der bessere ist? Habt Ihr Bäder, Kultur, Wissen, Kriegsmaschinen, die Mathematik die Philosophie? Nichts von allem, nichts! Dein Volk macht nichts anderes, als sich selbst gegenseitig zu dezimieren, aus irgendwelchen idiotischen Gründen, eine Blutfehde nach der anderen. Ist das die Zukunft, die Du Dir wünscht? In jedem Land kann man seine Träume verwirklichen, wenn man nur irgendwann mit Vernunft beginnt, seine Lage zu realisieren." Ich schüttelte leicht den Kopf, denn im Grunde, das wusste ich, waren meine Worte sinnlos, er würde nicht verstehen, er hatte nie verstanden.


    "Du bist ein Krieger, Rutger, und Du hast es immer vorgezogen zu kämpfen, um Deine Ziele zu erreichen. Du weisst, für Deine Taten müsste ich Dich sterben lassen, durch meine Worte auslöschen ... aber es gibt vielleicht noch die ein oder andere Alternative, die mir offen bleibt." Wenn er klug war, würde er die Gelegenheit ergreifen, wenn nicht, hatte ich nichts verloren ... man würde sehen, welcher Gott ihm nun die Zunge führen würde.

    Ihr Lächeln war reizend und ich konnte Aristides langsam aber sicher ausgesprochen gut verstehen, dass er sich für diese junge Frau entschieden hatte. Sie hätte mich wohl selbst gereizt, hätte ich sie früher kennenglernt, aber in diesem Punkt war das Schicksal wohl nicht ganz auf meiner Seite gewesen - dafür wusste ich nun, dass ich Vater werden würde und konnte auf etwa ein halbes Jahr interessante Lebenserfahrung als Fischer zurückblicken, ein Umstand, den ich ihr wohl besser nicht offenbaren würde, wer wusste schon, wie sie auf solch eine wilde Geschichte reagieren würde. War sie wohlerzogen und entsprechend weltfremd erzogen, dann würde sie sich zweifelsohne fragen, wie jemand wie ich ein eil der flavischen Dynastie sein konnte. Der Gedanke ließ lich kurz ein wenig mehr schmunzeln, und mit etwas Glück würde sie es auf ihre Worte beziehen.


    "Ich bin mir sicher, Du warst Deiner Tante Hilfe und Stütze zugleich," sagte ich lächelnd und war von diesen Worten auch ziemlich überzeugt, eine Frau, die wie sie auftrat, war garantiert genau das, wa man gerne um sich haben würde, wenn man sich langweilte und einer helfenden Hand bedurfte. Eine kluge Frau konnte einem Kranken die Stunden nicht zu lang werden lassen - vielleicht sollte ich auch einmal längere Zeit krank spielen, um mich in den Genuss ihrer Pflege zu bringen? Es kostete mich einige Mühe, nicht zu breit zu grinsen, und nahm das Thema mit meiner Arbeit schneller auf, als ich es gewollt hatte, um mich nicht zu verraten.
    "Es scheint uns ein wenig in der Familie zu liegen, niemals untätig sein zu wollen, und wer in der Politik nicht seinen Weg findet, der ist im Dienst bei den Göttern gut aufgehoben - man steht niemandem im Weg, und welche ehrenvollere Aufgabe gäbe es wohl für einen Mann, dem Staat und Volk noch zu dienen ausser als Soldat? Den meisten in unserer Familie liegt es im Blut, sich eine Aufgabe zu suchen, Untätigkeit ist nicht unsere Sache." Gemächlich schlenderte ich mit meiner reizenden Beleitung in die Richtung, aus der ich gerade gekommen war, und sonnte mich ein bisschen in dem Glanz der Blicke, die uns andere zuwarfen - eine edle Frau als Begleitung hatte man schließlich nicht alle Tage.

    "Das Problem der Brüder, die einen anderen Weg gehen als man selbst, ja, wir beide kennen das zur Genüge," meinte ich sinnierend und betrachtete Gracchus von der Seite, ein kurzes Lächeln auf meinen Lippen. Ob er wusste, wie ausgesprochen viril sein Profil wirkte, wie anziehend diese geschwungenen Lippen, die er doch so oft zu einem eher spöttischen Lächeln kräuselte, welches so viel von dem zu beinhalten wusste, was ihn am Leben nicht gefallen konnte. Gerade jetzt war es für mich unglaublich schwer, ihn nicht einfach zu berühren, nicht einfach für einen Moment meinen Kopf an den seinen zu legen, um unsere innere Übereinstimmung durch körperliche Nähe zu vervollkommen - nicht auf der Basis des Verlangens, sondern der des Vertrauens. Aber ich wusste ebenso gut, dass er ein solches Ansinnen zurückgewiesen hätte, und versuchte, mich mit diesem Gedanken irgendwie abzufinden. "Es ist ein sehr seltsamer Gedanke, dass nach so langer Zeit die weitere Bewertung meiner Familie alleine von meinen Handlungen und meinen Entscheidungen abhängen wird. Bisher hat es sich recht gut damit gelebt, eben einer unter vielen zu sein und sich um den Rest nicht mehr zu kümmern. Aber jetzt ist der Rest verschwunden, und es hängt von mir ab, was sein wird. Ich könnte niemals heiraten und den hispanischen Zweig aussterben lassen, irgendwie amüsant, nicht wahr? Ich weiss genau, mein Vater würde aus dem orcus zurückkehren und mich verfluchen, würde ich es tun, aber ... zumindest für einen Moment lang hatte diese Vorstellung etwas sehr lustiges an sich."


    Als sich das Gespräch jedoch wieder den Frauen zuwandte, schmunzelte ich unwillkürlich. "Ach Manius, Du weisst doch genau, dass ich auch physische Vorzüge an einer Frau zu schätzen weiß. Aber wenn es darum geht, eine Frau aus edler Familie zu heiraten, muss man bisweilen doch die einen oder anderen Abstriche vornehmen - eine Frau, die mich nicht tödlich durch ihr dummes Geschwätz langweilt und deren Art mich lachen lässt, wäre mir immernoch lieber als eine Schönheit, der die Dummheit in ihrem Geplapper allzu deutlich voraus leuchtet. Ich werde wohl eine ganze Weile mit dieser Frau zubringen müssen, und wenn ich unbedingt eine schöne Frau brauchen sollte, kann ich sie mir auch für eine Nacht kaufen, in sofern ... Klugheit, ein angenehmes Wesen und vielleicht noch Geschmack und gutes Benehmen stehen bei mir höher im Kurs. Vielleicht eine Aurelierin oder eine Frau aus dem Haus der Tiberier, die Claudier sind uns inzwischen denke ich genug verbunden, als dass wir dort weiter suchen müssten, und Du weisst selbst, dass eine Plebejerin nicht in Frage kommt, auch wenn dort sicherlich die Auswahl viel größer sein dürfte und damit leichter fiele." Ich verschränkte die Arme langsam vor der Brust und sann eine Weile dem Gedanken nach, der sich mir blitzartig eröffnet hatte - zu den Aureliern hatte ich meine eigene Verbindung, vielleicht würde sich dadurch etwas eröffnen lassen.

    Warum war ich nicht längst gegangen, nein geflüchtet? Ich hätte wissen müssen, dass ich nicht stark genug war, um ihre Nähe zu ertragen, dass ich instinktiv handelte anstatt rational, und gleichzeitig schrie ein Teil in mir, dass ich einfach nehmen sollte, was sich mir hier anbot, sie wollte es, ich wollte es, und wir waren nicht nahe genug verwandt, als dass es irgendeine schreckliche Folge gehabt hätte. Eine andere Stimme in mir flüsterte leise, dass mich Aristides umbringen würde, würde er jemals davon erfahren, und auch, dass vielleicht die Welt es nicht wüsste, aber ich es immer wissen würde, was geschehen war, was geschehen würde. Doch auch diese Stimme verstummte, als ich den Kopf neigte, ihren Duft mit bebenden Nasenflügeln einsog, der mich so sehr erinnerte und der mir doch gleichzeitig neu war, als hätte ich sie niemals zuvor in meinen Armen gehalten. Ich antwortete ihr nicht, denn was hätte ich sagen sollen, ausser sie fortzuschicken, diesen süßen Anker meiner Selbst in einer Umgebung, die dem Fischer Aquilius fremd war und die dem Patrizier Aquilius eigentlich ein Heim hätte bieten sollen.


    Ihre Lippen bebten, als meine die ihren berührten, ein zaghaftes, vorsichtiges Tasten war es, mit dem ich ihren Mund erkundete, ohne ihn zu vereinnahmen, und ich fühlte, wie trocken meine eigenen Lippen sein mussten, spröde und rauh, der Mund eines Menschen, der viel an der Sonne gewesen war und die pflegenden Schönheitsmittel eines Reichen nicht benutzt hatte. Aber auch das war mir gleich, meine Arme zogen ihren Leib an den meinen, sodass ich ihre ganze Gestalt mit jedem Fingerbreit auf meiner Haut fühlen konnte, egal, ob nun Stoff dazwischen war oder auch nicht, sie schenkte mir eine Nähe, die ich nicht missen wollte, die so verlockend und angenehm war, dass diese erste Berührung ihrer Lippen für mich wirkte, als seien Stunden vergangen. Ich küsste sie, ich schmeckte sie, trank ihre Anwesenheit wie ein Verdurstender das Wasser, meine Finger pressten ihren Leib umso mehr an den meinen, ich wollte sie nicht loslassen, nicht mehr, wollte fühlen, wie ihre schlanken Finger meine Haut betasteten, und ihr Götter, wenn Mars Venus nicht widerstehen konnte, wieso musste ich es, der Sein Priester war, bei dieser Verkörperung allen Liebreizes, allen unschuldigen Verlangens schaffen?