Beiträge von Caius Flavius Aquilius

    "Äöhm." Mein Gesicht musste in diesen Augenblicken Bände gesprochen haben, denn irgendwie war ich davon ausgegangen, dass er sich im Tempel befunden hatte. War ich zu nervös gewesen und hatte mich nicht genug umgesehen? Verdammt! Das war jetzt einfach richtig peinlich, und zwar von vorn bis hinten. Ob Nefertiri noch ein paar von den Keksen übrig hatte? Bei ihrer Neigung zu Naschereien hätte es mich nicht gewundert, wenn sich unter dem Tuch im Korb der Opfergaben zufällig noch der ein oder andere Keks befunden hätte.
    Wahrscheinlich lachte sich der Septemvir innerlich gerade über den dämlichen Flavier tot, der sich nicht seiner Anwesenheit vergewissert hatte, bevor er mit dem Opfer begann, aber da musste ich jetzt durch. Wenn ich schon untergehen sollte, dann wenigstens stehend, sagte ich mir und räusperte mich knapp.


    "Ähm. Ich ähm habe schon geopfert. Aber ... ich kann es auch nochmals machen. Irgendwie muss mir vollkommen entgangen sein, dass Du noch nicht da warst," mein verlegenes Lächeln mochte wohl die Nervosität verraten und ich hoffte, dass ihm das Erklärung genug war und er mich nicht sofort auflaufen lassen würde - das Recht dazu hatte er zweifellos.

    So günstig sah das nun doch nicht alles aus, und ich fragte mich kurz, ob es schon bei der ersten Sitzung mit vielen neuen Mitgliedern zu einem Streit kommen würde - was ich Gracchus nicht wünschen würde, schätzte ich seine Motive doch ehrenhaft ein, als er sich aufstellen ließ. So neigte ich mich leicht in die Richtung des Claudius Vesuvianus und meinte mit etwas gedämpft klingende Stimme:


    "Warum stellst Du Dich nicht auch zur Wahl? Gerade als Soldat wärst Du doch sicher eine gute Wahl, die Versammlung derjenigen Salier anzuführen, die sich dem Dienst an Mars Gradivus verschrieben haben - und ich bin mir sicher, dass auch Du eine gute Figur machen würdest. Mein Vetter ist sehr um den Marskult besorgt, begann er doch seine Priesterlaufbahn im Dienst des höchsten Feldherrn - aber ich könnte mir vorstellen, dass er sich der Kandidatur eines Soldaten nicht verschließen würde." Nach einer kurzen Pause fügte ich mit einem Schmunzeln nach: "Ich könnte es auch direkter formulieren: Entweder Du stellst Dich oder ich schlage Dich vor, mir gefällt der Gedanke nämlich."

    Es fehlte nicht viel und ich hätte die eigentlich handwerklich recht hübsche porta der Casa Artoria mit den Resten meines Mittagessen beschmutzt, so elend fühlte ich mich gerade, und der misstrauische Blick aus dem erleuchteten Inneren des Hauses gab mir fast den Rest. Eigentlich wollte ich mich nur in irgendeine Ecke setzen und hingebungsvoll kotzen, aber noch konnte ich meinen Magen im Griff eiserner patrizischer Selbstbeherrschung (und der Tatsache, ausschweifende Saufgelage mit hohe Erbrechwahrscheinlichkeit gewöhnt zu sein) halten. Ich stemmte meine Hand an die sauber gekalkte Aussenwand der Casa, einen Schmutzfleck dort hinterlassend, aber das wieder zu reinigen würde nicht mein Problem sein.


    "Caius Flavius Aquilius ..." presste ich meinen Namen über die blutverkrusteten Lippen hervor, der metallische Geschmack in meinem Mund mischte sich abermals mit dem dringenden Bedürfnis, mich kopfüber irgendwo zu erleichtern. Wenn ich die Kerle erwischen würde, die mich so hemmungslos verprügelt hatten, dann würden sie ihr blaues Wunder erleben, das schwor ich mir in diesem Augenblick.
    "Ich bin zu dieser Feier eingeladen - von Artoria Medeia und Artorius Corvinus, genau wie meine Vettern ... Flavius Milo, Flavius Aristides ... Flavius Gracchus ," fügte ich mühsam hinzu und hoffte inständig, dass einer der drei anwesend war, um meinen Namen und mein Aussehen zu bezeugen. Irgend etwas feuchtwarmes rann meine Stirn entlang herunter, über die Wange hinab, und ich war mir irgendwie sicher, dass ich gerade keine allzu gute Figur abgab, versuchte mich zu einer (schmerzvollen) aufrechten Haltung zu zwingen, um zumindest irgendwie noch einigermaßen eindrucksvoll und flavisch zu wirken.

    Diesmal war es nicht Sciurus, der die lästige Arbeit an der porta der Villa Flavia übernehmen musste, sondern ein älterer und mindestens so misstrauisch blickender Mann, dessen graumeliertes Haar sehr kurz geschnitten war und ihm einen militärischen Anstrich verlieh.
    "Was willst Du?" bellte ihr der ianitor knapp entgegen und betrachtete die Sklavin missbilligend, als wollte er sie allein schon dafür strafen, dass sie ihn dazu gezwungen hatte, aufzustehen und zur Tür zu gehen, um ihr zu öffnen.

    Je mehr ich von der abenteuerlichen und sicher von vorn bis hinten erstunkenen und erlogenen Geschichte des Sklavenhändlers erfuhr, desto übler wurde mir. Der Germane schien mir ein recht stattliches, wenngleich hungriges Exemplar eines Sklaven zu sein, und die Götter mochten allein wissen, wie mein Vetter Aristides wirklich an diesen Prachtburschen geraten war - ich würde ihn wohl irgendwann eingehender darüber befragen müssen. Das allerdings dräuendere Problem befand sich vor mir und stank wie ein Parfumladen, dessen Essenzen ungefähr drei Jahre alt und in der Sonne gelagert worden waren, um dann ranzig zu werden.


    Während meine Gedanken vornehmlich um die Überlegung kreisten, aus welcher Kloake der Sklavenhändler herausgestiegen war, um mir meinen Tag zu vermiesen, kehrte wieder eine gewisse Stille im Raum ein - es hatte ihn schon vorher verunsichert, vielleicht würde es auch dieses Mal klappen. Eine kleine Peitsche, deren Striemen ihm ins Gesicht geschlagen wurden, könnten entscheidende positive Punkte seiner Erscheinung hinzufügen, und wenn nicht das, dann zumindest zu meiner Befriedigung über die Situation beitragen.


    "Er sieht aus wie halb verhungert und schlecht gepflegt, und das ist allein Dir zur Last zu legen, dem er anvertraut wurde! Keine Widerrede!" Damit erhob ich mich zum ersten Mal seit Beginn dieses Gesprächs und blickte auf den deutlich kleineren Sklavenhändler herunter - manchmal war eine stattliche Körpergröße einfach nur ein Vorteil, auch wenn es bedeutete, deutlich längere Togen und Tuniken zu brauchen als der Normalrömer. "Im Brief meines Vetters steht absolut nichts von einer finanziellen Vereinbarung mit Dir, und da ich nicht die Absicht habe, für mein Eigentum einen schlechtgekleideten, stinkenden Lügner wie Dich auch noch zu belohnen, dass er es mir in beschädigtem Zustand übergibt, solltest Du Dir Deine Möglichkeiten sehr gut überlegen. Entweder ... Du verlässt diese Villa auf dem schnellsten Wege, ohne dass Du Dir weiterhin meinen Zorn und damit den Zorn der gens Flavia zuziehst, oder aber ... Du verlangst weiterhin eine ungerechtfertigte Bezahlung und lernst mich von einer Seite kennen, die Du Dir in deinen kühnsten Träumen nicht ausgemalt hast."


    Ich zischte ihm die Worte entgegen, als wollte ich ihn damit erdolchen - und ich ließ ihn auch das volle Ausmaß meines Ärgers spüren. Das Aller-allerletzte, was ich an diesem Tag sehen, hören oder mitbekommen wollte, war ein schmieriger Wicht wie dieser, der mir meine Zeit stahl, und sei es für einen attraktiven, wenngleich derzeit nicht ganz makellosen Sklaven, den mir mein Vetter schickte. Mein Blick fiel auf seine ausgestreckte Hand, und in meinen Augen stand die pure Lust, sie ihm mit meinem Obstmesser - oder vielleicht einem noch stumpferen Gegenstand - abzuhacken. Einfach nur, um mich besser danach zu fühlen. Ob er wohl die Gerüchte über angeblichen Wahnsinn in der flavischen Familie kannte? Ich hatte diese immer für höchst amüsant gehalten ...

    "Dann lass uns doch gleich hinaus gehen," sagte ich frohgemut, anscheinend war er guter Laune, was besseres konnte man sich als Prüfling auch nicht wünschen als ein gut gelaunter Prüfer. Mein Voropfer hatte mir selbst gefallen, zumindest die Kekse waren lecker gewesen - ich hatte es mir nicht nehmen lassen, einen zu probieren, man sollte einem Gott ja nichts ungenießbares vorlegen. So wandte ich mich in Richtung des Tempelausgangs und wartete auf meinen Prüfer.


    "Wie hat Dir mein Gebet gefallen? Ich habe es absichtlich ein bisschen allgemein gehalten, für ein privates Opfer und Bitten für die Familie habe ich ja immernoch Zeit, wenn es die Deine nicht beansprucht ..." Hoffentlich musste ich ihm die Würmer nicht dauernd aus der Nase ziehen.

    Ich hörte das Räuspern hinter mir und war im ersten Moment beruhigt. Er war also da und ich konnte zum nächsten Teil des Ganzen übergehen. Erleichtert betrachtete ich den aufsteigenden Rauch und fühlte mich ein wenig befreiter von der Last, die auf meinen Schultern gelegen hatte - mit nun zwei Priestern in der Familie wäre es auch zu peinlich gewesen, durchzufallen. Aber noch war die Hürde nicht genommen. Einige Momente lang noch blieb mein Blick auf den Opfergaben liegen - hoffentlich war der Wein angemessen gewesen, aber er stammte schließlich auch aus dem Privatvorrat meines Vetters Flavius Felix, so schlecht konnte er also nicht sein - dann wandte ich mich von der mensa ab und schritt auf den Septemvir zu, gemessen natürlich, um im ansonsten stillen Tempel keinen Lärm zu verursachen.


    "Salve, Valerius Victor!" begrüßte ich ihn und nickte ihm freundlich zu, seinen Richtspruch über das Voropfer erwartend. Hoffentlich war er zufrieden, zumindest roch es gerade wirklich gut nach meinem nicht ganz billig gewesenen Aloeholz.

    Der große Tag war gekommen und ich hatte in der Nacht vorher nicht allzu gut geschlafen. Die Übung an den Ferkeln war letztendlich doch noch irgendwie erträglich gewesen, auch wenn einige der Sklaven im Haushalt der Villa Flavia lange Gesichter gemacht hatten, als sie die Sauerei gesehen hatten, die ich ihnen zum Aufwischen hinterlassen hatte - aber da mussten sie durch, wofür hatte man sie denn, wenn nicht, um die unangenehmen kleinen Probleme lösen zu lassen, die sich ab und an auftaten?


    Nefertiri war mir bis zum Tempel gefolgt, um den Korb mit dem Ferkel und den anderen Opfergaben zu tragen, und als wir uns dem Tempel des Mars näherten, schluckte ich meine Nervosität zumindest halbwegs herunter. Es konnte ja auch nicht angehen, dass ein Priester zittrige Hände hatte - so hoffte ich einfach darauf, dass mich da Voropfer ein wenig beruhigen konnte. Meine kleine kluge Ägypterin hatte dem Ferkel ein wenig Baldrian mit in sein Futter gemischt, und so verhielt sich das prächtige, fette Tierchen ausgesprochen ruhig. Sie blieb im Eingangsbereich des Tempels stehen und ich nahm die Opfergaben für das Voropfer mit mir, eine Amphore guten Falerner, frisch aus dem Flavischen Weinkeller geklaut, frische Dinkelkekse, die ich in der culina hatte backen lassen und dazu Aloeholz für das Räucherwerk.


    Ich schritt auf die Statue zu, deren hoheitsvolle Haltung mir einen leichten Schauer über den Rücken jagte. Normalerweise fühlte ich mich hier vertraut, an einem Ort, der mich empfing, aber heute spürte ich einen gewissen Druck, eine Ahnung eines möglichen Versagens mindestens ebenso stark wie den Wunsch, mich und meine Familie nicht zu blamieren. Langsam zog ich einen Zipfel meiner Toga über den Kopf und trat zur mensa heran, um meine Opfergaben dort abzulegen - den Wein und die Dinkelkekse, bevor ich zur Räucherschale trat und auf die glühende Kohle, die ein Tempelsklave gebracht hatte, mein Aloeholz verteilte und wartete, bis der Rauch empor stieg und die Beine der Marsstatue umspielte. Für einen Moment lang konnte man meinen, wir wären alleine im Tempel, doch ahnte ich, dass mein Beobachter, der Semptemvir, irgendwo im Hintergrund stand und mir sehr genau zusah, was ich tat. Es kam mir vor, als hätte ich einen riesigen Klumpen im Hals stecken, aber ich räusperte mich und begann mein Gebet mit kräftiger, hallender Stimme.


    "O Mars, Beschützer, Krieger, mächtigster aller Kämpfer, Erster unter jenen, die Waffen tragen, gnadenloser Rächer, Siegbringer und Vater des römischen Volkes. Ich rufe Dich an, schütze Dein Volk, das an vielen Orten gegen Feinde kämpfen muss, die inneren wie auch die äusseren. Schenke unserem göttlichen Kaiser die Kraft und Weisheit, seine Bürde mit Würde und den richtigen Entscheidungen zu tragen, schenke Deine Stärke auch den gewählten Magistraten und Senatoren, auf dass das römische Reich und Volk in Glanz erstrahlen, wie es uns die Ahnen hinterlassen haben." Zugegeben, es war ein ziemlich anspruchsvolles Gebet, aber ich wollte bei meiner Prüfung nichts persönliches erbitten - dafür konnte ich schließlich jederzeit opfern, wenn mir danach war. Und ein bisschen Kraft und Weisheit für die derzeitigen Politiker konnte schließlich nicht schaden.


    Mit nun endlich wieder ruhig gewordenen Händen öffnete ich die Amphore und goss den Wein in die dafür bestimmte Schale, bevor ich diese wieder auf der mensa abstellte und schweigend nun den nach oben aufsteigenden Rauch betrachtete, dessen würzig-sanfter Duft das Tempelinnere auszufüllen begann. Der erste Teil der Prüfung war damit beendet, der zweite würde folgen, sobald ich das Gefühl hatte, nicht mehr mit wackeligen Knien unterwegs zu sein.

    Die Einladung zum Weinfest der Artorier war für mich eine willkommene Gelegenheit, ein wenig gesellschaftliches Leben zu pflegen und gleichzeitig eine größere Menge Wein auf Kosten anderer zu konsumieren. Ich kannte zwar niemanden aus dieser Familie, aber wenn nun einmal alle Flavier eingeladen waren, konnte man das auch ausnutzen, und ich wollte schließlich nicht dauernd darauf angewiesen sein, dass ich selbst irgendwo in Rom passende Leute kennenlernte. Da mein neuer Sklavenbesitz Rutger unauffindbar gewesen war, hatte ich mich selbst auf den Weg gemacht, ohne Begleitung - ich war mir ziemlich sicher, Gracchus oder Milo auf dem Fest anzutreffen und würde einfach mit einem der beiden spätnachts zurückkehren, um die Gefahr irgendeiner Straßenräuberbande zu minimieren. Dass allerdings auch schon der frühe Abend gefährlich war, lernte ich an diesem Tag in unangenehmer Weise kennen. Ich hatte mich angemessen von Nefertiri herrichten lassen - eine dunkelrote Tunika mit goldverbrämtem Saum, deren Länge einer Festlichkeit angemessen war, eine weiße Toga, aber nicht zu weiß, und natürlich ein gesalbter Leib samt ordentlicher Frisur, das musste und sollte einem römischen Mann reichen.


    Gerade dies aber schien goldliebenden Römern aus der Subura oder woher auch immer sie stammen mochten, ins Auge gefallen sein - als ich das Wohnviertel verließ, in dem die Villa Flavia Felix ihren Platz gefunden hatte, um dem beschriebenen Weg zur Casa Artoria zu folgen, waren mir diese Kerle wohl eine ganze Weile lang gefolgt, um mich an einer einsamen Straßenecke abzufangen. Natürlich war die Straßenecke nicht wirklich einsam gewesen, aber die umliegend wohnenden Leute hatten es vorgezogen, nicht in die Schwierigkeiten eines Patriziers hineingezogen zu werden, und so stand ich alleine vor vier berufsmäßigen Schlägern, die von mir etwas haben wollten, was ich nicht besaß - einen prall gefüllten Geldbeutel. Wer nahm schon Geld zu einem Fest mit? Die darauf folgende Prügelei war unangenehm gewesen - und sie hatten es auch geschafft, mir von der Seite einen über den Schädel zu ziehen, sodass ich mit einem ordentlichen Schmerz im Kopf irgendwann neben einem Abfallhaufen voller Kohlblätter wieder wach wurde.


    Zumindest hatte man mir meine Tunika und Toga gelassen, auch wenn ich nun eher aussehen mochte, als sei ich von einem Elefanten niedergetrampelt worden - mir fehlte auch nur der einzige Ring, den ich getragen hatte, sie mussten mich durchsucht und festgestellt haben, dass ich nichts bei mir hatte, was sie hatten haben wollen. Stöhnend rappelte ich mich auf, Rom und alles, was mit Rom zu tun hatte, wieder einmal verfluchend - ich schmeckte Blut in meinem Mund und hätte im Augenblick am liebsten meine Hände um die Kehlen der verdammten Bastarde gelegt, die mir das angetan hatten. Dennoch, ich wusste auch, dass ich froh sein konnte, dass ich überlebt hatte und sie mich nicht einfach in dieser Gasse abgemurkst hatten. Da ich weitaus näher an der Casa Artoria als an der heimatlichen Villa war, beschloss ich, den Weg dorthin fortzusetzen und hoffte, dass Gracchus dort sein würde, um meinen Namen zu bestätigen - als ich an die Porta des Hauses klopfte, wurde mir schon wieder schwarz vor Augen und ich hatte meine liebe Mühe, mich aufrecht zu halten.

    Die beiden waren da ungleichste Paar der Saison, zumindest hatte ich selten ein solches Schmuckstück wie meinen zukünftigen Sklaven gemeinsam mit einem solchen widerwärtigen Ding wie dem Sklavenhändler gesehen, nicht einmal auf den Sklavenmärkten Athens, auf denen die absonderlichsten Abartigkeiten des Orients ihren Platz und natürlich auch Käufer fanden. Es musste wohl ein Streich der Götter sein, dass mir das Geschenk des Aristides von einer solchen optischen Zumutung überbracht wurde, aber da musste ich nun durch. Hieß es nicht, dass die Belohnung ohne Anstrengung vorher nichts wert war? So taxierte ich den schmierigen Sklavenhändler schweigend und ebenso seine 'Ware'. Als seine Duftwolke zu mir herüber driftete, gelang es mir nur mit absolut stoischer Selbstbeherrschung, nicht lauthals zu würgen - dass man ein offensichtlich nicht billiges Parfum oder Körperöl damit so verunstalten konnte, dass man anscheinend wie ein Wasserfall schwitzte und danach nicht in die Therme ging, war mir ein Ding der Unverständlichkeit.


    Der Sklave fand deutlich mehr meine Aufmerksamkeit, als aufmüpfig hatte mir ihn mein Vetter beschrieben, und die Peitschenspuren an seinem wohlgestalteten Körper sprachen deutlich davon, dass dies der Wahrheit zu entsprechen schien - oder aber sein schmieriger Begleiter machte gern und häufig Gebrauch von der Peitsche, auch wenn dies nicht notwendig war. Dass er so viele Schorfspuren aufwies, gefiel mir nicht besonders, es sprach nicht gerade für die Sorgfalt des Händlers, dass er so behandelt worden war.


    "Es wundert mich," ergriff ich nach einer wirklich langen Zeit des Schweigens, die auf den öligen Syagrius hoffentlich einen demoralisierenden Wert gehabt hatte, schließlich das Wort, in einer schneidenden und sicher nicht angenehmen Form. "... dass Du trotz der vielfältigen Gefahren, die angeblich euren Weg beschwert haben, noch bedeutend besser aussiehst als mein Eigentum. Da drängt sich doch der Gedanke auf, dass es Dir an Sorgfalt und der richtigen Hand für den Besitz anderer mangelt, werter Syagrius." Das Wort erhielt eine Betonung, die im Normalfall auch für besonders widerwärtige Würmer oder sonstiges Geschmeiß ausgereicht hätte - und noch immer hatte ich mich weder erhoben noch nennenswert geregt, als sei ich der pater familias und er ein säumiges Mitglied der Familie.


    "Vornehmlich sehe ich nur eines: Dass Du Deinen Schwur nicht eingehalten hast, ihn in angemessenem Zustand zu überbringen, denn ein schlecht ernährter, verletzter Sklave mit so vielen Spuren jüngster Bestrafungen am Leib ist deutlich weniger wert als Deine bezifferten dreihundert Sestzerzen." Noch immer maß mein Blick den Sklavenhändler, dann glitt er zu dem jungen Mann hinüber. Dass er gelitten hatte, war offensichtlich, zumindest die Verletzungen an den Kettengliedstellen hätten vermieden werdern können, hätte man ihn sorgfältiger gefesselt - und meine Miene verdüsterte sich gleich noch ein klein wenig mehr.

    Dass er nicht reiten konnte, überraschte mich nun doch - aber es würde für ein Vorhaben wie das unsere keine wirkliche Hinderung darstellen, dessen war ich mir sicher. Immerhin hatten wir gesunde Füße zur Not, und ich überlegte auch gleich eine andere Lösung dafür, dass er sicher nicht alleine auf einem Pferd würde sitzen wollen.
    "Ich könnte es Dich beizeiten lehren, wenn Du möchtest - die Freiheit, die man auf dem Rücken eines galloppierenden Pferdes gewinnt, ist unschätzbar und ich empfände es als ausgesprochen schade, würde sie Dir niemals zuteil werden ..." meinte ich etwas gedehnt und betrachtete ihn eingehender. Es würde auch bedeuten, einen Teil meiner und seiner Freizeit gemeinsam zu verbringen, etwas, das ich im Augenblick gleichermaßen ersehnte und fürchtete. Was würde wohl geschehen, wenn wir, aller Beobachtung ledig, auf einer einsamen Weise mit einigen Pferden unterwegs sein würden?


    Langsam schluckte ich und zog den Atem ein, bevor ich meine Gedanken fortführte. "Was den Ausflug angeht, könnten wir uns einen entsprechend kräftgen Kaltblüter mieten, der uns beide zu tragen weiss - wenn wir nicht zuviel Gepäck dabei haben und nicht galloppieren, wird es dem Tier nichts ausmachen, uns beide zu tragen, und Du kämst zu einem Ausritt, ohne Dir Gedanken darüber machen zu müssen, dass Du gleich herunter fällst. Vorausgesetzt, es würde Dir nichts ausmachen, Dich an mir festhalten zu müssen, wenn wir unterwegs sind. Mit einem Pferd ist man einfach schneller in der Landschaft, und mehrere Tage nur per pedes die Umgebung zu erkunden ist auch nicht so ganz das, was ich mir unter Erholung vorstelle." Und ich wollte abends auch nicht zu müde sein, denn wer müde war, ließ sich unter Umständen viel zu leicht verlocken, irgendwelche Dinge zu tun, die man vielleicht besser nicht getan hätte. Allzu leicht wollte ich es nicht haben oder mich in seine zugegebenermaßen anregenden Hände begeben.

    Zitat

    Original von Herius Claudius Vesuvianus
    Der Centurio musste unwillkürlich grinsen.


    "Was hast du denn gegen das ältere Semester? Schlechte Erfahrungen gemacht?"


    "Nein, das nicht, aber es ist doch immer eine Sache, sich mit gleichaltrigen zu unterhalten, und eine andere, mit Männern in gesetzterem Alter umgehen zu müssen - die Themen sind oftmals verschiedenartig und ich gestehe, ich habe es lieber ein wenig gemischt," gab ich zu und unterdrückte den Impuls, den Worten meine eigentlichen Gedanken anzufügen - dass Männer ab eines gewissen Alters zumeist halsstarrig und stur wurden, wenn man mit ihnen diskutierte.


    Zitat

    Original von Herius Claudius Vesuvianus
    "Das ist löblich. In der Legion habe ich festgestellt, dass immer weniger Soldaten gläubig sind. Das ist eine Entwicklung, die ich noch vor Jahren für unmöglich gehalten hätte."


    "Ja, das halte ich ebenso für alarmierend, dennoch, es liegt an uns, diesem Zustand Abhilfe zu schaffen. Ich hoffe, dass ich nach meiner Berufung auch die Gelegenheit haben werde, einmal Opfer für eine Legio durchzuführen und dabei den Kontakt zu den Soldaten zu finden - meist ist eine persönliche Überzeugung dann doch hilfreich." Während sich der Aurelier zu uns setzte, nickte ich meinem Vetter, als ich ihn erblickte, mit einem Lächeln zu. Dass auch er den Weg hierher gefunden hatte, nahm ich als gutes Omen - und dann begehrte der Magister schon Aufmerksamkeit, sodass sich die Lautstärke der Gespräche im Raum bis auf ein Mindestmaß herabsenkte. Als er seinen Posten zur Wahl stellte, überlegte ich einige Momente lang, ob ich mich melden sollte, aber ich verschob diese Idee auf später. Wenn ich denn erst einnmal etwas vorzuweisen hatte, dann kam eine solche Ehrenposition in Frage, nicht vorher. So nickte ich zu Gracchus' Kandidatur deutlich und stellte damit klar, dass ich ihn zu unterstützen gedachte.

    Sein zweideutiger Scherz lenkte mich einige Momente lang ab, aber glücklicherweise nicht zu lang - hatte er das erreichen wollen? Alleine der Gedanke, in einer anderen Umgebung unter ihm zu liegen, hatte etwas sehr betörendes an sich, aber diesem Gedanken durfte ich nicht nachgeben. Ich beobachtete ihn genau, wie er sich auf den Kampf vorbereitete, verglich unseren letzten Kampf in Achaia mit diesem Moment - und wurde prompt durch seinen Angriff überrascht. Ab diesem Moment waren alle Gedanken an irgendwelche Vergnügungen ausgeschaltet, ich wollte einfach nur beweisen, dass ich noch immer der Ältere war. Derjenige, der gewinnen würde. So reagierte ich instinktiv auf sein Stemmen nach links und drückte mich von der anderen Seite dagegen, fühlte, dass sich sein Körper spannte, dann kam der unvermeidliche Ruck - verdammt! Ich hatte mich narren lassen und war auf diesen verdammten alten Trick hereingefallen, den er schon vorher des öfteren gebracht hatte, meist zu meinem Nachteil.


    Ich konnte gerade noch ein Bein anwinkeln und kam halb auf dem Knie, halb auf der Seite auf, aber noch nicht auf den Schultern - diesmal begann ich meine Kraft sinnvoller einzusetzen und versuchte, Gracchus' Stand durch schiere Muskelkraft zu erschüttern, indem ich ihn zu mir zog, bis ich mir sicher war, wieder halbwegs sicher die Füße unter dem Boden zu haben. Ich fasste nach, versuchte seinen Arm zumindest halb zu drehen, dass er meinem Zug nachgeben würde müssen, wenn er den Schmerz nicht aushalten wollte, und hoffte einfach das beste. Dass er noch immer so gut trainiert schien, hatte mir einen gründlichen Strich durch die Rechnung gemacht und mir an einer Hälfte des Körpers eine Sandpanade eingetragen, als sei ich ein Stück Fleisch zur abendlichen cena. "Solange ich nicht vor Dir lande," antwortete ich mit einem Keuchen auf die Herausforderung von vorhin und suchte seinen Blick.

    Ich schien wirklich nicht der falsche Mann zu sein, denn man lud schließlich nicht irgend jemanden zur cena ein, den man nicht leiden konnte - oder besser, ich vermutete, dass die Einladung zwei Gründe hatte: Zum einen, der soldatischen Spaßbremse einen kleinen, verbalen Tritt vor das Schienbein zu geben, zum anderen, einen Gesprächspartner zu finden. Wer wäre ich denn, dass ich mich einem solchen Ansinnen verweigerte?
    "Solange er sich wirklich um Deine Sicherheit zu kümmern weiß, ist doch nichts verloren. Einen guten Kämpfer erkennt man nicht zwingend auf den ersten Blick und nur mit Muskeln ist es nicht getan. Dennoch, die Freude ist ganz auf meiner Seite und so werde ich euch sehr gerne bei einer kleinen cena Gesellschaft leisten. Ich bin noch nicht sehr lange zurück in Roma und so fehlen die gesellschaftlichen Kontakte leider noch."


    Ob der Tiberier wohl geglaubt hatte, mich durch seine Anwesenheit abschrecken zu können? Aber weit gefehlt. Als hispanischer Flavier war man deutlich mehr gewöhnt als andere Patrizier und so nahm ich diese Herausforderung nur zu gerne an. Es würde sicherlich amüsant werden, den Soldaten samt seines jungen Mündels bei einem Essen ein wenig näher beobachten zu können und Konversation zu betreiben. "An welchen Termin hattet ihr denn gedacht?"

    Schweigend hatte ich die Rede meines Vetters verfolgt und weniger auf seine Worte geachtet denn auf seine Mimik, Gestik und die Reaktion seines Umfeldes. Dass er geeignet für das Amt eines Quaestors war, wusste ich ohnehin und würde ihn darin immer unterstützen, auch wenn ich ein klein wenig beleidigt war, dass er mir von diesem Wunsch, in die Politik zu gehen, nicht vorher etwas gesagt hatte. Vielleicht aber hatten wir uns in der Vergangenheit einfach zu oft verpasst, wer wusste das schon - immerhin hatte er als sacerdos publicus alle Hände voll zu tun und meine Anwesenheit in der Villa Flavia Felix hätte man in den letzten Wochen nur mit sehr viel gutem Willen als sporadisch bezeichnen können.
    Die meisten Zuhörer schienen mit seinen Worten zufrieden, auch die Zwischenfragen waren nicht boshaft oder beleidigend, sodass ich es für durchaus angemessen hielt, auf seine Wahl zu hoffen - dass ich natürlich auch laut applaudierte, um meine Zustimmung zu seiner Kandidatur zu bekunden, war selbstverständlich.


    :app:

    Dumm war Sica wirklich nicht, aber das würde mich nicht hindern, nach und nach einen Fuß in die Tür zu seinem Inneren zu schieben. Jeder Mann hatte Bedürfnisse, und irgendwann würde ich die Sicas sicher noch herausfinden, ich hatte Zeit und nicht den Zwang, eilig vorgehen zu müssen. Sollte er glauben, dass er mir nun genug geantwortet hatte - seine Handlungen würden mir offenbaren, wessen Geistes er wirklich war. Worte trogen und täuschten, Handlungen verrieten die Gedanken irgendwann immer.


    "Gut. Du kannst gehen, Sica - und zeige Nefertiri das Haus, damit sie sich nicht verirrt oder an Orte gelangt, zu denen sie nicht gehört," traf ich meine Anweisungen, nicht ohne einen gewissen Hintergedanken. Verbotene Orte zu kennen, war nicht ohne Vorteile - wenn man sie denn dann unbeobachtet besuchen konnte. Es würde mir hoffentlich ein wenig mehr über die Gepflogenheiten in diesem Haushalt verraten.

    "Ich hätte mich auch eingehend beschwert, hättest Du mich vergessen," entgegnete ich mit einem leichten Lächeln auf den Lippen. "Am Ende hätte ich Dir noch Deine Braut entführen müssen, um meinen Anspruch auf die erste Reihe bei den Gästen geltend zu machen - und natürlich auch darauf, Dich entsprechend und angemessen die ganze Zeit damit zu necken, dass Du dann kein freier Mann mehr bist."
    Wobei es bei manchen Frauen eindeutig kein Fehler war, sich ihnen anzugeloben, dachte ich bei mir und betrachtete die Claudierin wohlwollend. Einen besseren Fang hätte mein Lieblingsvetter wohl kaum machen können, sie schien alles zu haben, was eine Frau besitzen sollte, um zu gefallen.


    "Nun ja, was die Frauen Roms angeht," schob ich den zweiten Gedanken vor mir her und unterdrückte ein Seufzen. "... ich bin ja noch nicht lange hier und habe dementsprechend auch noch nicht allzu viele kennengelernt, bei denen ich sagen würde, dass sie für ein würdiges Ereignis wie eine Eheschließung eine angemessene Begleitung wäre. Immerhin ist dies ein Tag, der uns sehr stark mit unseren Ahnen verbindet, da sollte die Begleitung angemessen sein." Ausserdem wollte ich noch nicht wirklich heiraten. Zumindest noch nicht so bald, nicht so eilig - bisher hatte es einfach noch keine Frau gegeben, bei der ich spontan gesagt hätte, ich würde sie dauerhaft an meiner Seite haben wollen. Gemächlich nahm ich einen Schluck Wein und so blieb mein Blick auf Gracchus' Gesicht liegen, auf diesem so altvertrauten Lächeln, das bisweilen fast spöttisch, aber doch stets sehr aufreizend wirkte.

    Ich blickte von der Schriftrolle auf, die ich gerade studiert hatte, um in das Gesicht des Leibsklaven meines Lieblingsvetters zu sehen, die Brauen etwas erhoben. Dass ich tagsüber bei meinen Studien gestört wurde, kam nicht oft vor, kümmerte sich doch zumeist Furianus um den Besuch, und seit seiner Abreise nach Hispania hatte dies mein Vetter übernommen.
    So nahm ich den Brief entgegen und erkannte Aristides' Handschrift, dieses spillerige und des öfteren nicht ganz geübt wirkende Buchstabendkonstrukt, sofort wieder. Der Brief zumindest schien echt, was das andere anbelangte ...dreihundert Sesterzen für eine Überbringung? Deiser Kerl musste wohl träumen.


    "Die Schrift ist mir bekannt, auch der Tonfall spricht für meinen Vetter, aber ..." Wieder warf ich einen Blick auf den Brief. Von einer vereinbarten Summe war hier absolut nicht die Rede, nur von einer zu überbringenden Ware in Form eines widerspenstigen Sklaven. Innerlich stöhnend reckte ich mich in meinem Stuhl und legte meine Arbeit gänzlich beiseite - Ciceros staubtrockene Schrift De res publica würde auch später noch auf mich warten, dessen war ich mir ziemlich sicher. "... schick diesen Verrückten herein, aber Brutus soll ebenso vor der Türe warten. Es könnte sein, dass unser werter Besucher sehr schnell den Weg nach draußen antreten wird." Dreihundert Sesterzen! War ich Krösus? Erst einmal wollte ich mir den Sklaven genauer ansehen, ob er diese Summe überhaupt wert war.

    "Das klingt gut für mich," erwiederte ich und verschwieg, wie gut es sich in meinen Ohren doch anhörte, welches Echo seine Worte in mir auszulösen imstande waren. Einem heftigen Prickeln gleich wanderte die Vorfreude meine Adern entlang bis tief hinab in meine Lenden, und das Zucken unter dem stramm gebundenen Lendentuch tat sein übriges, um mir zu beweisen, wie lange ich diese verbotenen Freuden nicht gekostet hatte. Viel zu lange, alles in mir drängte sich danach, meine Lust tief in den Gefährten vorstoßen zu lassen und mir sein Keuchen ebenso wie das meine anzuhören, diese gutturalen, tiefer werdenden Laute von anwachsender, gipfelnder Begierde. Als mein Blick sich verschleierte, riss ich mich mühsam zur Ordnung und setzte mich wieder auf, die Finger in einer kleinen Wasserschale neben den Aufbauten reinigend, in welchen unser Mahl bereitet worden war.


    "Was hältst Du von einem Ausritt in Richtung Ostia? Die Landschaft soll dort recht reizvoll sein, und wenn wir Hunger haben, können wir uns im nahen Hafen versorgen," schlug ich vor, bevor meine Gedanken abermals auf Wanderschaft gehen konnten, mich wieder in eine gleichzeitig willkommene und unwillkommene Versuchung führen würden, der ich irgendwann wohl nicht mehr würde widerstehen können.
    "Oder gibt es sonst eine Stadt, oder einen Ort, den Du hier gerne bereisen würdest? Ich kenne mich zu wenig in der näheren Umgebung Roms aus, wären wir in Tarraco, meiner Heimat, wäre dies sicherlich anders." Tarraco. Allein der Name weckte eine dumpfe Sehnsucht in mir, nach den würzigen Gerüchen der Gräser, der schwülen Hitze, die sich im Sommer wie ein Mantel über das Land legte und die Menschen dazu brachte, die Arbeit nachmittags für einige Stunden ruhen zu lassen - man lebte anders in Hispania, und wie mir schien, oftmals glücklicher.

    "Natürlich," erwiederte ich leise, hob eine Hand an und legte sie unter ihr Kinn, dieses behutsam anhebend, bis sich unsere Blicke begegnen mussten, sie mir nicht ausweichen konnte. Die Röte auf ihren Wangen ließ mich schneller atmen, und ich wünschte, ich hätte alles um uns herum vergessen können, die Gasse, die Menschen, welche zu dem Wasserstand drängten, und überhaupt, dass wir uns in Rom befanden, dieser Schicksalsstadt, die ich zu hassen gelernt hatte, weit bevor ich dorthin zurückgekehrt war. Die Hitze zwischen uns beiden hätte man greifen und schneiden können, so fühlte es sich für mich an, und in einem plötzlichen Impuls griff ich nach ihr, zog sie zu mir heran und legte meine Lippen auf die ihren, diesmal nicht mehr zögernd, kostend, dieses Mal kostete ich sie vollends, schmeckte ihre Hitze, das Beben ihres Mundes gleichermaßen wie auch die Nässe, die noch vom Genuss des Wassers vorherrschte.


    Mein Körper schmiegte sich an den ihren und ich genoss jeden Zoll ihrer Nähe, dieses kurze Erzittern, ihre Hitze, obgleich es eigentlich viel zu heiss war, um sich zu berühren, und ich fühlte auch, wie mir das Blut in die Lenden schoss, ein allzu deutliches Zeichen dafür, dass mir eine Kontrolle abhanden ging, um die ich mich so bemüht hatte. Mit einem unterdrückten Laut löste ich mich von ihr, schob sie beiseite und erhob mich eilig, als müsste ich vor einer chimaira fliehen, blieb dennoch stehen und blickte zu ihr. "Komm, Nadia, wir suchen uns jetzt einen verdammten Brunnen, bevor noch irgend etwas geschieht, das Du bereuen könntest," presste ich die Worte über meine Lippen und wartete ab, dass sie sich mir zuwandte und mit mir kommen würde.