An
Legionarius M' Flavius Aristides
Castellum Legio IX. Hispania
Colonia Claudia Ara Agrippinensium
Provincia Germania
Vale, mein guter, alter Freund,
jetzt hat es Dich also doch zur Legio verschlagen, und ich brauchte eine Weile, um Dich ausfindig zu machen. Ausgerechnet ein Sklave im Haushalt der Flavier in Rom war es, der mir den entscheidenden Hinweis gab, und so bin ich rechtschaffen froh, wieder eine Verbindung zu Dir aufnehmen zu können. Wie weit scheint Athen doch nun entfernt, und je länger ich in meinem Cubiculum in der Villa Flavia herumsitze, desto ferner scheint es mir. Unsere Vettern Furianus und Milo, die Söhne des Secundus Flavius Felix, scheinen mir ein bisschen aus der Art geschlagen, hast Du Furianus einmal kennengelernt?
Er erinnert mich immer an diesen alten, versoffenen Philosophen auf der agora Athens, den mit dem wirren Bart, voll der guten Lehren und Weisheiten für andere, aber selbst nicht bereit, sich darauf einzulassen. Schiebe ihm dazu noch einen Besenstiel in den Arsch, und Du hast Furianus. Ich glaube nicht, dass ich mit ihm jemals zurecht kommen werde, aber leider ist er der Hausherr und ich muss wohl oder übel mit dem Gedanken leben, dass er die Geschicke des Hauses bestimmt. Das Problem hast Du glücklicherweise in der Legio nicht, und ich hoffe, dass sie nicht allzu sehr auf Dir herumtrampeln, nur weil Du Patrizier bist.
Ich hoffe wirklich, wir sehen uns mal wieder, die feuchtfröhlichen Nächte, die wir in Athen verbracht haben, fehlen mir nicht minder als die entspannenden Stunden mit Gracchus - wusstest Du, dass er auch in Rom lebt und bereits als Sacerdos den Göttern dient? Vor einigen Jahren hätten wir das alle nicht geglaubt, da war uns die Wahrheit im Wein immer die angenehmere, aber Du wirst lachen, ich habe mich auch für den Dienst an den Göttern, genauer gesagt, im Tempel des Mars, entschieden. Meine erste Prüfung dafür habe ich abgelegt und wehe, Du wünscht mir kein Glück dafür, denn dann reise ich höchstpersönlich nach Germania und trete Dir mit Anlauf in den Arsch. Aber ich kann mir Dein grinsendes Gesicht noch nur zu gut vorstellen.
Hast Du eine gute Zeit in Germania? In dieses feuchtkalte Land würden mich keine zehn Pferde bringen, und die Frauen dort sind mir viel zu grobknochig und pferdehaft. Wie hältst Du das nur aus, Aristides? Oder schließt Du im entscheidenden Moment einfach die Augen und machst, wonach die Natur verlangt? Zumindest wäre es eine verständliche Reaktion. Rom ist hingegen voll von reizvoll lächelnden Lippen, und wenn es eins gibt, was mich Athen zumindest zeitweise vergessen lässt, ist es dies.
Nefertiri ist übrigens wohlauf, ich besitze sie noch immer. Wie betrunken wir an dem Tag waren, als ich sie mit Deiner Assistenz kaufte, ich glaube immernoch, sie hat an diesem Tag befürchtet, in ein Lupanar gebracht zu werden und ist mir seitdem dankbar dafür, dass sie nur mit mir den fleischlichen Freuden fröhnen muss. Ich denke mir, solltest Du das nächste Mal in Rom einen Besuch machen, werde ich sie Dir mit Vergnügen ausleihen, sie hat seit damals doch so manches zu meiner stillen Freude dazugelernt, jede in sie investierte Sesterze war sie doppelt und dreifach wert. Aber wenn wir schon bei Sklaven sind: Furianus' Leibsklavin Nadia erzählte mir, Du hättest sie einmal davor bewahrt, dass ihr Gewalt angetan wurde?
Würdest Du mir mehr davon berichten? Ich will mich in diesem Haushalt und seinen Abgründen möglichst schnell zurechtfinden und ich fürchte, Furianus wird mir darin keine allzu große Hilfe sein, was immer ich ihn fragen werde. Das amüsanteste ist, wie man hier als hispanischer Flavier aufgenommen wird, als sei ich für das dämliche Handeln meiner näheren Verwandtschaft verantwortlich. Wäre Messalina nicht längst tot, würde ich sie wahrscheinlich für ihre Dummheit und Anmaßung eigenhändig erwürgen, das kannst Du mir glauben. Manche Frauen sollten wirklich am heimischen Herd bleiben, um keine Katastrophen hervorzurufen. Nun, es ist Vergangenheit, aber es erzürnt mich doch stets aufs Neue, ich bin fast froh, so lange in Athen geblieben zu sein, um all diese Schande versäumt zu haben. Wenngleich die Prätorianer in der Villa Flavia anscheinend eingezogen sind, am Tag nach meiner Rückkehr standen sie vor der Türe und wollten einen Anschlag untersuchen, in den angeblich ein Mitglied unseres Haushalts verwickelt gewesen sein sollte. O mores, o tempora! Wie Du siehst, ist hier allerhand geschenen und ich hoffe, sehr bald von Dir zu hören, wie es Dir in der Legio bisher ergangen ist.
Vale bene,
Dein Aquilius