"Letztendlich ist es wie bei den Tieren, Marcus," ohne zu merken, dass ich nun seinen Vornamen gebrauchte und nicht den cognomen, führte ich meinen Gedankengang sinnierend fort, nicht ohne mich einige Momente lang von der Erinnerung an Priscas Lächeln treiben zu lassen.
"Egal, wie gut oder schlecht es um die Familie steht, wenn wir uns nicht darum bemühen, stetig frisches Blut in die Familie zu bringen, degenerieren wir genauso wie die kaiserliche Linie der Iulier und Claudier, und dass mit denen gegen Ende ihrer Herrschaftszeit nicht mehr viel anzufangen war, dürfte auf der Hand liegen." Nicht zuletzt war die Schwäche dieser beiden ehrwürdigen, alten und zutiefst in innere Verschwägerung verstrickten gentes ein Grund gewesen, der es den Flaviern erleichtert hatte, zur höchsten Macht im Reich zu gelangen. "Wenn wir dauernd aus derselben Familie Frauen nehmen,wird es uns irgendwann nicht besser ergehen als ihnen, und dem sollten wir vorzubeugen wissen. Furianus wird eine Tiberierin heiraten, ich eine Aurelierin, wenn alles so läuft, wie es laufen soll - und ihr beiden habt euch Claudierinnen erwählt. Wenn uns die Götter wohlgesonnen sind, werden wir für diese Voraussicht eines Tages den Dank unserer Enkel ernten, die mit wachem Geist und ruhigem Herzen die Geschicke des Reiches mitbestimmen werden." Dann wischte ich dieses zugegebenermaßen ernste Thema mit einem kurzen Wink weg.
Es war auch ein bisschen zu theoretisch für ein Mittagessen unter eng befreundeten Verwandten, die Zeit, sich Sorgen zu machen, blieb immernoch irgendwann anders. Gerade dass Gracchus sich noch ein Päckchen mehr an Sorgen auflud, wollte ich vermeiden, er nahm ohnehin die meisten Ereignisse viel zu schwer.
"Warum teilt ihr euch die Verantwortung für das Vermögen nicht einfach? Es umfasst genügend Werte und Immobilien für zwei, und ihr habt dann beide nicht die gesamte Arbeit zu erledigen - stimmt euch über die wichtigsten Punkte ab, die weniger wichtigen liegen in den Händen eines fähigen Verwalters und schon ist die Sache erledigt." Zu Gracchus Worten nickend, als er Stratons Position erwähnte, fügte ich noch hinzu:
"Er schätzt Ordnung über alles - ein Wunder, dass er in meinem Haushalt noch nicht durchgedreht ist - und wenn es in den Abrechnungen Tücken geben sollte, ist ein zusätzliches Paar Augen sicher nicht verkehrt. Sagt es mir einfach, solltet ihr einen weiteren Rechner brauchen, dann schicke ich ihn zu dem, der ihn benötigt." Wahrscheinlich würde mein Sklave in seiner unnachahmlichen Art wortlos sein Missfallen an der Situation zum Ausdruck bringen, wie ich ihn kannte - aber das war dann schließlich nicht mein Problem.
Ein gestopftes Ei und ein dazugehöriges Stück Brot gingen den Weg allen Essens und ich musste zugeben, dass diese taverna ihren guten Ruf zu Recht hatte: Die meisten Straßenhändler verkauften unglaublich salzige Eier, bei denen man danach nur noch das Bedürfnis hatte, einen ganzen Brunnen leer zu trinken, diese hier aber schmeckten ausgesprochen köstlich und es war mir sogar möglich, zwei verschiedene Gewürze herauszuschmecken. Vielleicht war ich auch nicht der geeignete Tester für Speisen, denn ich war, was meine Ernährung anging, deutlich anspruchsloser als die meisten anderen reichen Römer, die Zeit als Fischer hatte meine Ansprüche noch weiter herabsinken lassen. Es schmeckte, und das war gut so.
Mein Blick schweifte über meine Vettern, und ich musste unwillkürlich lächeln:
"Wir sollten versuchen, uns regelmäßig so zu treffen. Fernab der Pflichten, der villa mit irgendwelchen dort lauernden Problemen ...fernab des Ärgers."