Standort: eine Stadt zwischen Roma und Capua
Es dauerte nicht lange, bis der Wagen schließlich hielt und von draußen eine Stimme ertönte, die sagte, dass wir beim ersten Zwischenstopp angekommen waren. Nachdem Taurus nach draußen ging und sich kurz umschaute, nickte er mir leicht zu und so trug es auch mich auf die Straße. Es war im Vergleich zu Rom eine kleine Stadt, nein, eine winzige Stadt. Im Vergleich zu Rom war jede Stadt klein. Die Sonne schien auf die Pflastersteine der Straßen, die von einer wuselnden Mengen Bürgern und Nichtbürgern benutzt wurden. Wir hatten uns eine denkbar ungünstige Zeit der Ankunft ausgesucht. Denn wenn die Sonne im Zenit steht, ist allerlei auf den Märkten und Straßen los, so wie hier. Aber ich war das von meinem geliebten Rom ja doch schon gewöhnt und schlimmer konnte es hier keinesfalls sein.
“Du kannst dich in einer Taverna niederlassen, wir sind zurück, wenn der Schatten dieses Schildes den Stand dort berührt.“ Ich zeigte flüchtig mit der Hand auf besagtes Schild. Nein, länger würde es nicht dauern und länger wollte ich auch nicht hier bleiben, in einem so ... ländlichen Ort.
“Taurus, folge mir!“ Wieder nickte der Sklave nur stumm und folgte mir dann durch die Straßen und Gasse der Stadt dorthin, wo ich die mansio vermutete. Die Stadt war doch so klein, wieso war sie trotz allem so unübersichtlich und chaotisch? Man sollte mal mit einem Stadtarchitekten darüber reden ... wenn man ihn denn finden konnte.
Nach kurzer Zeit erreichten wir die Curia der Stadt, wo uns ein Scriba auch direkt zur mansio leitete, die nicht weit davon lag, schließlich musste sie nahe am Eingang liegen, man wollte ja nicht für jeden Brief durch dutzende Gänge marschieren und so erreichten wir recht einfach das Officium. Ein kurzer Handwink von mir und Taurus klopfte zweimal gegen die Tür, worauf sich eine junge, weibliche Stimme aus dem Inneren meldete und uns hereinbat. Ohne zu zögern betraten wir den Rau und schon gleich stiegen einige Erinnerungen an Rom hoch. Das war wohl der einzige Ort, der ungefähr genauso aussah, wie in der urbs aeterna.
“Salve Bürger, was kann ich für dich tun?“ fragte die Frau höflich und mein Blick wanderte von den Wänden und der Einrichtung zu ihr und verharrte einige Augenblicke bei ihr. Sie sah gar nicht mal so schlecht aus, schien jung zu sein und hatte Benehmen. Alles Dinge, die ich guthieß, aber wieso bei Iuppiter saß sie in diesem Officium? Sie konnte doch mit Sicherheit einiges ... mehr erreichen.
“Hallo? Wie kann ich denn helfen? Möchtest du einen Brief verschicken? Also wir haben verschiedene Versandarten und ...“
Leicht fragend schaute ich sie an. Schaute ich sie so lange an, dass sie mir nun schon erklären wollte, welche Versandarten es gab? Ich musste mich ernsthaft ein wenig zusammenreißen, auch wenn sie nicht hier war.
“Nein, nein. Das kenne ich zu genüge. Ich suche den Stationarius oder den Vorsteher hier. Wo kann ich ihn finden?“
“Den Stationarius, oder den Vorsteher? Nun, wen kann ich denn melden?“ fragte sie mit leicht säuselnder Stimme und ihr Blick verriet so einiges. Viel zu viel für meinen Geschmack ... zumindest war ich heute nicht wirklich in der Stimmung auf so etwas, auch wenn ich nach der langen Reise die ein oder andere Ablenkung brauchen könnte, aber ich hatte mir ja etwas vorgenommen...
“Du kannst den Praefectus Vehiculorum der Regio Italia, Caius Sergius Curio, melden!“
Mit großen Augen schaute mich die Hübsche an, denn anscheinend wurde ihr nun klar, dass sie mit ihrem Vorgesetzten rumflirten wollt. Sie schluckte kurz, ehe sie antwortete:
“Der Praefectus ... also ... ähm, derzeitiger Vorsteher hier bin ich ...“
Sie? Sie war Vorsteherin hier? Auch das noch ... “Du? Naja in Ordnung. Ich mache eine Kontrollreise durch Italia, um die Lage der mansiones einschätzen zu können und mir ein allgemeines Bild meines neuen 'Arbeitsplatzes' zu machen. Wenn du also der Vorsteher, oder die Vorsteherin hier bist, werde ich mit dir reden müssen. Hier gibt es sicherlich scribae, oder ähnliches, die den Posten hier solange halten? Hast du ein eigenes Officium?“
“Ähm ... ja natürlich, ich werde sofort einen scriba rufen, und nein, ein eigenes Officium habe ich nicht. Wir können uns aber weiter hinten im Raum unterhalten, da sind wir vorerst ungestört.“ erwiderte sie wieder mit einem kleinen Zwinkern und schaute dann zu Taurus. Obwohl sie nichts sagte, stand die Frage, was mit ihm solange sei, offen im Raum und jeder hier wusste, was gemeint war.
“Ah ok, Taurus wird alles mitschreiben, damit ich den Bericht für LACP anfertigen kann. Wollen wir?“ fragte ich höflich und zeigte dann in die Richtung, die sie vorschlug ohne die leichte Enttäuschung in ihren Augen weiter wahrnehmend.
“Ja, natürlich.“
Im hinteren teil des Raumes angekommen bot sie uns jeweils einen Platz an, an den wir uns setzen konnten. Mein Sklave holte schnell zwei Wachstafeln und einen Griffel aus seiner Ledertasche heraus und legte diese auf seinen Schoß, um jedes Wort mitschreiben zu können.
“Gut, fangen wir an: Als erstes hätte ich gerne einen Überblick derer, die hier arbeiten. Außerdem hätte ich gerne die Ein- und Ausnahmelisten der letzten drei Monate.“
“Natürlich ... “ Langsam stand sie auf und ging zu einem der Regale, wo sie kurz etwas suchte und dann schließlich drei Papyri hervorholte und dann wiederkam.
“Hier, bitte. Nun, wir sind hier insgesamt fünf, nein sechs, wenn man die Vertretung dazuzählt. Das wäre zum einen ich, Vinicia Verina. Ich bin die Vorsteherin, sozusagen Chefin dieser Stadt, was den Cursus Publicus angeht. Dann doch Publius Carus, Lucius Fabius Sabinus, Lucius von Achaia und Maria Clara. Die erledigen den Hauptpapierkram, wie das Ausfüllen und Ergänzen der Tabellen, Ausstellen von Quittungen und anderes. Die Tabellarii Dispoti sind ja nicht direkt bei uns angestellt. “
“Du sagest was von einer Vertretung? Ach ja, Taurus, übertrage die Abrechnungssumme bitte.“
“Ja, eine Vertretung, bei Krankheitsfällen oder wenn jemand einmal beurlaubt ist. Damit wir immer vollzählig sind, da teilweise doch ein ziemlicher Haufen Briefe ankommt.“
“Gut, wo sind diese anderen?“
“Wir haben hier Schichtarbeit, wo immer zwei pro Schicht eingeteilt sind. Das heißt, dass zwei derzeit zu hause oder sonst wo sind, während zwei, mit mir drei hier arbeiten. Einer ist gerade dabei Nachschub an Wachstafeln und Papyrus zu holen, während der andere kurz auf dem Markt ist, um Getränke zu holen. Wir müssen immer die ruhigen Phasen ausnutzen. Die sind immer Mittags, da da die meisten einkaufen sind.“
“Gut, bist du mit der Arbeit hier zufrieden? Gibt es Probleme? Hast du Wünsche?“
“Nein, Probleme gibt es nicht wirklich, aber Wünsche hätte ich: Zum einen fragen die Angestellten, ob man etwas am Gehalt drehen könnte, das würde auch sicherlich neue Werber anlocken. Es muss ja nicht viel sein, aber etwas doch schon. Und zweitens wollte ich nachfragen, ob ich vielleicht nicht ein eigenes Officium bekommen könnte?“
“Gehaltserhöhung? Das muss ich erst mit LACP regeln, das kann ich so nicht bestimmen. Und ein eigenes Officium ... ja das wäre denke ich nicht übel. Gibt es denn noch freie Räume? Dann lasse ich dir ein Schreiben an den Stadtverwalter hier?!“
“Freie Räume? Oh ja, da haben wir genug....“
[i]“Na, wenn das so ist... Taurus, du hast gehört, was zu schreiben ist.“
Der Sklave schnappte sich die leere Wachstafel und schrieb darauf in schnellen, aber ordentlichen Zügen das gewünschte Schriftstück und reichte es dann Vinicia Verina.
“So einfach? Ich mein ... das geht einfach so?“
“Warum nicht? Dafür bin ich ja Praefectus Vehiculorum geworden, damit alles gut läuft.“
“Öh, danke Praefekt.“
“Ja, keine Ursache ... das wäre denke ich auch schon alles. Ich will nicht lange hier bleiben, schließlich habe ich noch viel vor.“
Langsam erhob ich mich und war in Gedanken schon wieder beim Wagen, damit wir endlich aufbrechen können. Taurus legte den Griffel und die Wachstafel wieder in die Ledertasche und stand dann, gleichzeitig mit Vinica Verina auf.
“Vale bene, Vinica Verina. Vielleicht sieht man sich ja noch einmal...“ sprach ich mit einem schwachen Lächeln und verließ dann eilig den Raum.
“Vale bene, Sergius Curio .... das hoffe ich...“
Der Weg zurück war wesentlich einfacher und ging zügiger und der Fahrer stand am Ende sogar schon beim Wagen und hat auf uns gewartet. Stumm nickte er mir zu und mein Leibsklave und ich stiegen wieder ein ... hoffentlich waren wir nun bald in Capua!