Das war alles so undurchsichtig. Es gab keinerlei Gründe, wieso jemand solche Bekanntmachungen veröffentlichte, wenn es nicht aus Frust war. Ein Angestellter des Cursus Publicus, der bei einer Beförderung übergangen worden war, käme vielleicht in Frage, aber wer sollte das sein? Es gab so viele Angestellte, da konnte man ja nicht jeden einzelnen überprüfen. Hoffentlich würde Avarus mit den Urbanern oder den Prätorianern reden, die kannten sich wenigstens mit derlei Dingen aus. Ich war Verwalter der Post in Italia und keiner, der sich auf die Jagd nach dem Verbrechen machte.
Nervös fuhr ich mit dem meinem Zeigefinger halb geistesabwesend über den Kelchrand. Sämtlich Tropfen auf diesem Rand waren bereits vom Finger aufgenommen worden und hatten sich wohl verabschiedet. Ich überlegte allerdings doch, wer es sein könnte. Vielleicht kannte ich jemanden, der in Frage kam, diese Tat vollzogen zu haben. Er musste schließlich möglichst schnell gestoppt werden, damit so etwas nicht ein weiteres Mal passierte und erst Recht in der Curia eine wilde Rauferei ausbrechen würde. Macro ... nein, Carinus ... auch nicht, Otho, Valens, Lucanus ... nein die waren eigentlich auch zufrieden ... Clemens, Donatus, Turianus ... nein – oder Moment! Donatus, Porcius Donatus! Er war meine Vertretung während meiner Abwesenheit, aber seit dem hatte ich ihn nicht mehr gesehen und er hatte auch gehofft, durch diesen Auftrag vielleicht befördert zu werden. Das ging natürlich schlecht, wenn er nicht auffindbar war, aber es käme zumindest in Frage.
“Carinus!“ rief ich und wenig später kam der eifrige Scriba aus dem Nebenzimmer geeilt und legte mir einige Tabulae auf den Tisch, die ich aber vorerst nicht beachtete.
“Was gibt's?“
“Du erinnerst dich an diesen Donatus?“
“Ja ... flüchtig. Er hat sich wegen Krankheit beurlauben lassen, gerade als du zurück gekommen bist.“
“Ahja? Interessant ... du weißt nicht zufällig seine Adresse auswendig?“
“Nein, aber ich könnte neben an schauen, dort haben wir ja auch die Personalakten!“
“Oh ja, stimmt. Schau bitte nach und wenn du eine Adresse hast, schreibe mir sie auf und bringe sie mir!“
Der Scriba nickte nur und verließ wieder den Raum durch eine der beiden Türen im Officium, um in seinem Arbeitsraum – oder dem, wo er auch arbeitete – die geforderten Informationen heraus zu suchen, während ich mich an die Tabulae machte, die er mir brachte...