Beiträge von Quartus Flavius Lucullus

    Schlüssige Gründe? Seit wann...? Felix hatte seine Gedanken und ich die Meinen. Mir fiel dazu sofort etwas ein.


    "So wie wir die Götter ehren, so nähren wir sie auch. Ihre Launen passen sich unserer Huldigung an. Unsere Gebiete sind weit ausgedehnt worden, immer mehr Siedler fordern den Schutz der Götter. Reichlicher denn je muß die Ernte sein. Wir dienen mit Freude und Stolz ihnen und wir täten gut daran sie mit römischen Korn zu nähren. Dazu benötigen sie in den Städten bessere Tempel. Größere Tempelanlagen. Wenn nicht wir, wer dann kümmert sich darum, das ihnen diese Gebäude gewidmet werden. Rom ist gut zu den Göttern. Gerüchte und Meldungen besagen über die Provinzen etwas anderes. Ein Grund die Speicher mehr zu füllen. Doch braucht mehr Korn auch mehr Grund. Mehr Speicher mehr Parzellen und neue Tempel festen Boden.


    Unser Volk nähren wir ja gern aus provinzialen Korn. Nicht nur einmal wurde es dem Machthaber zum Verhängnis, wenn Aegyptus beliebt uns zu spotten, dann haben wir schnell zuwenig Getreide in den Speichern. Wer außer uns kann dem Kaiser eine Sicherheit garantieren. Wer außer uns den Patriziergentes steht so uneingeschränkt hinter der Macht des Kaiserhauses."


    Ein Blick, ein Auge, dann wußte ich was kommt.


    "Jeder sagt es, jeder denkt es zu machen, doch wer außer uns hat es bewiesen, das es der Wahrheit entspricht?"


    Ein ungläubiges Kopfschütteln später.


    "Ich denke es einschätzen zu können. Iulianus versucht es all seinen Untergebenen Recht zu machen. Sicher dem inneren Friede Willen. Wenn man es sanfter ausdrücken würde, käme ein patriarisches Vorkaufsrecht dabei heraus. Wir sollten an die Zukunft denken und daran, das Rom immer fremder wird."

    Den Blick erwiderte ich.


    "Dann einfacher... in Italien fällt dem Staat Land zu. Familien sterben aus, Erben fehlen, Bankrotte stehen an, Straftäter werden enteignet. Dieses Land sollte in patriarischen Gefilden verteilt werden. Zuviel unseres herrlichen Landes wird von Plebejes bewirtschaftet und gehortet.


    Natürlich nur, so der Staat anstrebt es überhaupt zu veräußern. Man könnte dafür sorgen, wenn man am richtigen Platz sitzt, das jene Quadranten nur an Patrizier angeboten werden."


    Besser noch an Flavier, aber so weit würde es nie kommen, leider.


    "Was fehlt ist ein Gesetz, das dies regelt. Wenn es mal soweit ist, steht man besser mit Einem da. Ohne Es verlieren sich die letzten Hektar mütterliche Erde im Winde."

    Ich sah zum Glück nicht viele Menschen während des Tages. Auch in der Nacht war ich mehr allein als zusammen mit Römern. Das hatte den Vorteil, das ich den Blick des Patrons nicht einordnen konnte. Sonst wäre mir sicher eine Bemerkung heraus gerutscht.


    "Salve Felix, ich möchte nicht lange herum reden. Gekommen bin ich, um dich als unseren Vertreter im Senat und vor dem Imperator zu motivieren."


    Ansich war mir der Senat derweil ziemlich schnuppe, zuviele Plebejer machten sich darin breit.


    "Es ist nötig den Stand, unseren Stand zu neuer Macht zu führen. Man sagte mir, du ständest ganz gut zu Iulianus. Für uns sollte es möglich sein gewisse Anwesen, die aus erblichen Sphären frei werden, weil es keine Nachkommen gibt oder Grundstücke aus staatlicher Zwangsrekruterung zu erwerben. Nicht jede Quadratmeile sollte an diese Pleibejes fallen."


    Ich hatte einen Stuhl erreicht. Recht bequem, wie ich bemerkte, als ich mich gesetzt hatte.
    "Außerdem bin ich gekommen, um nach deiner Meinung zu fragen. Später..."


    Mit gefestigten, vielleicht verbitterten Blick schaute ich Felix an. Die Zeiten hatten sich derart zum Schlechten für unseren Stand geändert, das man einfach angefressen sein mußte, wenn man nicht ein göttliches Gemüt hatte.

    Die Tage wurden wieder länger und ich hatte heute den Dienst im Hellen beendet. Dazu lief ich mal nicht über den Markt und kam so auch noch mit den letzten Sonnenstrahlen in der Villa Flavia an. Meine Erkundung, ob der Hausherr im Objekt war, blieb positiv und so machte ich mich auf, meinen Patron aufzusuchen.


    Mit zaghafter Hand klopfte ich an dessen Arbeitszimmer im Anwesen.

    Während die Umzüge in den vielen Festtagsstätten einkehrten, kamen immer mehr Gläubige zum Tempel des Quirinus geströmt. Nach den offiziellen Umzügen war ein großes, blutiges Ofer geplant, das an einem so wichtigen Tag vom Flamen selbst abgehalten wurde.


    Meine Aufgabe war dabei bescheidener. Ich stand auf einem kleinen Podest und lockte die Zuhörer, Bürger und Römer heran, auf das sie dem großen Mahl mit Freuden zusehen konnten. In diesem Jahr war es mir wichtig die Traditionen ins Gedächtnis zurückzurufen und so formte ich Silben, die jene Tugenden besonders verlangten...


    "Mein Blick
    wandert hinauf
    In die unendlichen Weiten
    Des Gestirns
    Schmerzhaft die Erinnerung
    Zu sehen
    Wie nichtig und klein
    Ist doch unser aller Sein"


    Ein kurzer Vers, der für Aufmerksamkeit sorgte, zu lauschen und vorallem näher zu treten. Derweil waren die Vorbereitungen fast abgeschlossen. In der Glut des ewigen Feuers räkelten sich bereits die ersten Weihrauchblättchen.


    Während Rom in den letzten Monaten eher stagnierte, nahm eine Zahl von Männern zu, die sich um des öffentlichen Friedens nicht all zu sehr scherten. So ging ich mit meiner nächsten Werbung darauf ein:


    Ein Ungeziefer ruht
    In Staub und trocknem Schlamme
    Verborgen, wie die Flamme
    In leichter Asche tut.
    Ein Regen, Windeshauch
    Erweckt das schlimme Leben,
    Und aus dem Nichts erheben
    Sich Seuche, Glut und Rauch.
    Aus dunkler Höhle fährt
    Ein Schächer, um zu schweifen,
    Nach Beute möcht’ er greifen
    Und findet bessern Wert:
    Er findet einen Streit
    Um nichts, ein irres Wissen,
    Ein Banner, das zerrissen,
    Ein Volk in Zwietracht.
    Er findet, wo er geht,
    Die Leere dürft’ger Zeiten,
    Da kann er schamlos schreiten,
    Nun wird er ein Poet;
    Auf einen Kehricht stellt
    Er seine Schelmenfüße
    Und zischelt seine Grüße
    In die verblüffte Welt.
    Gehüllt in Niedertracht
    Gleichwie in eine Wolke,
    Ein Lügner vor dem Volke,
    Ragt bald er groß an Macht
    Mit seiner Helfer Zahl,
    Die hoch und niedrig stehend,
    Gelegenheit erspähend,
    Sich bieten seiner Wahl.
    Sie teilen aus sein Wort,
    Wie einst die Gottesboten
    Getan mit den fünf Broten,
    Das klecket fort und fort!
    Erst log allein der Hund,
    Nun lügen über tausend;
    Und wie ein Sturm erbrausend,
    So wuchert jetzt sein Schund.
    Hoch schießt empor die Saat,
    Verwandelt sind die Lande,
    Die Menge lebt in Schande
    Und lacht der Schofeltat!
    Jetzt hat sich auch erwahrt,
    Was erstlich war erfunden:
    Die Guten sind verschwunden,
    Die Schlechten stehn geschart!
    Wenn einstmals diese Not
    Lang wie ein Eis gebrochen,
    Dann wird davon gesprochen,
    Wie von dem schwarzen Tod
    Und einen Strohmann baun
    Die Kinder auf der Heide
    Zu brennen Lust aus Leide
    Und Licht aus altem Grau’n.


    Der Platz füllte sich merklich. Zwar hoffte ich das die Stadtteilbewohner meine Worte deuten konnten, doch sicher war ich keineswegs. Nicht nur der Bürger trat zu dieser Zeit an die Pforten der Tempel, denn gab es ein feines Opfer, gab es auch was zu holen. Dann wenn der Gott gespeist hatte, erhofften sich die Meisten heir ein gutes Stück Fleisch, das jeden Mann und jede Frau samt Kinderschaar wieder über einige Tage mit gutem Tischmahl brachte.


    Noch einen Gedanken zur Ehr und das Opfer würde vor Schaulustigen stattfinden können. Ob es was half den römisch Städtern Moral zu predigen? Wer wußte das schon, ich auf keinen Fall, dazu lebte ich meine Tage zu zurück gezogen...


    Wenn du nach Ehre strebst, die dir die Welt soll geben,
    So mußt du, statt dir selbst, ihr zu Gefallen leben.
    Nicht leben in der Tat, nur leben auf den Schein;
    Nicht was du selber willst, was sie will, mußt du sein.


    Wenn du nach Reichtum strebst, nach welchem alle streben,
    mußt du darum in Kampf mit allen dich begeben;
    Was andre haben, mußt du dir verloren achten,
    Und was du haben willst, zu rauben ihnen trachten.


    Und wenn du gar zugleich geehrt willst sein und reich,
    So mußt du sein der Welt ein Freund und Feind zugleich;
    Mußt stehlen ihren Schatz und stehlen ihre Gunst;
    Das ist die mißlichste und undankbarste Kunst.


    Darum rat' ich: Laß die Welt, wen sie will ehren, ehren,
    Und ihren Sold, wer ihn begehren will, begehren.
    Sich selbst in Ehren und sich selber reich zu halten,
    Ist Mannes Würd' und Kraft, derselben sollst du walten.



    Die Aufgabe war getan, die Fläche vollgefüllt und so begab ich mich mit einem zufriedenen Nicken zu den anderen Priestern, um die Feinheiten des Flamen bei der Opferung ganz nah zu sehen, aufzunehmen und im Geiste zu sichern. 8)

    Wie durch ein göttliches Wunder ging es mit meiner Gesundheit in den letzten Tagen rasch aufwärts. Schon vor drei Tagen hatte ich das Bett verlassen und den Sonnenschein im Garten der Villa Flavia genossen. Doch so sehr mir diese Ruhe auch gut tat, so dringlich war die Aufgabe meinen Gott gebührend zu ehren. Da gab es einfach keine Krankheit.


    Wenig Zeit für viel zu erledigende Dinge. Eine Handvoll Priester und eine Weitere jener Jungen die es mal werden wollten, stand mir zur Seite. Sie schufteten wirklich hart. Dienten mit Freude und Tatendrang und schafften das, was ich in meinem Zustand sonst nie vollbracht hätte...


    Erst fern, dann immer näher, lauter, melodisch und durch einfache Instrumente unterstützt drang der Gesang der Salier an das Ohr der Römer. Ein langer Festzug durchströhmte an diesem Tag die Straßen des Quirinaldistriktes. Ich hatte mich etwas weiter hinten eingereiht. Dort wo sich die Grenze zwischen den Tänzern und Läufern befand. Zwar war es mir eine Freude den Saliern in ihren archaischen Rüstungen beim Tanz zuzusehen, doch so stark fühlte ich mich dann doch noch nicht.


    Da ein Festzug vor den Tempeln üblicherweise zum Stehen kam, reihte ich mich aus und trat auf die Stufen des Quirinustempels zu. Dieser Zug aber war anders, er war urrömisch. Eine über hunderte von Jahren verwurzelte Tradition und ein Fest das nicht nur den Quirinal mit Leben, mit Musik und mit Tanz erfüllte, sondern ganz Rom.


    So zogen die Spieler, die Tänzer, die Sänger, die freudig lachenden Menschen weiter, um Rom zu durchqueren. Sich mit anderen Umzügen zu treffen, zu feiern und sich daran zu freuen, das heute die Quirinalia stattfand. Ich schaute ihnen noch eine Weile nach, blickte dann zur Anderen Seite der Straße, denn es hörte sich so an, als käme der nächste Stadtteil mit seinem Aufgebot an Tänzern und Sängern in Reichweite.


    Die Statue des Gottes war nach draußen gerückt worden, er konnte sich dem ganzen Schauspiel als Geehrter nicht nur im Ton sondern auch im Blicke widmen. So wie es mir gefiel, so hoffte ich, das auch Quirinus daran Gefallen finden würde...

    Wenn ich die Tage in den Tempeln bei der Arbeit verbrachte, dann flogen sie nur so dahin. Hier auf meinem Lager jedoch schlichen sie sich durch die Zeit und so versuchte ich, nachdem sich das Fieber etwas gelegt hatte, mehr zu schlafen. Nur wenige unfreundliche Träume striffen mich noch in der Nacht. Am Tage langweilte ich mich oft. Konnte nur teilweise reden oder ergab mich den Versuchen des Medikus.


    Die wenigen Besuche versuchte ich mit Fragerei zum längeren Bleiben zu bewegen. Nur sehr selten gelang dies wirklich. Denn wer kam schon gern an ein Krankenlager?! Mein Bruder hatte sich noch nicht wieder gezeigt. Aber ich hoffte einfach, das er das Opfer hatte ausgeführt. Eine Besserung war zudem in Sicht, ich spürte sie. So mußte es einfach geglückt sein....


    Ab und an kam Minervina. Mal sah ich sie, mal spürte ich ihre Anwesendheit und immer war ich mir bewußt, das sie für ihren Bruder da war.

    Ein schwaches Lächeln kommentierten die Worte des jungen Serenus. Mit einem Nicken hatte ich Gracchus zugestimmt und wartete bis ein aufmerksamer Sklave das Gesicht rein wischte. Meine Augen blickten zwischen gequält und entspannt. Mal war es ein Schmerz der durch den Leib fuhr. Mal ein Zucken das den Kopf durchpflügte. Dann wieder Ruhe, doch das allgemeine Schwitzen blieb immer.


    Als die Beiden meine Gemächer verlassen hatten, versuchte ich etwas zu schlafen. Trotz das ich Angst hatte vor den Träumen. Mit der Hand suchte ich im Laken. Nach einer Weile lehnte ich mich entspannt, so möglich das ging, zurück. Die kleine hölzerne Puppe war noch da. Ihre Schutzgeister mochten mich nicht retten können. Aber der beste aller Priester war auf dem Weg und ich würde nicht aufhören ihnen zu danken, wenn sie mich aus diesem Alptraum weckten.


    Die Stunden verstrichen nur langsam. In der Einsamkeit blieb mir nicht viel zur Auswahl. So drückte ich den Kopf ins Kissen. Döste, schlief mal einen Moment, beobachtete die Sklaven bei ihrer Arbeit mich zu trocknen und zu kühlen und freute mich über jeden Flavier der den Weg zu mir fand. So war auch meine Schwester ab und zu an meinem Bett. Was konnte einen Menschen nicht besser in der weltlichen Sphäre behalten, als der Rückhalt der eigenen Familie.


    Leider konnte ich nicht viel sagen. Entweder schmerzte der Rachen so, oder er wurde von einem Kräuterknäuel eingenommen, das aller paar Augenblicke mit gewärmten Wasser übergossen wurde und seine Extrakte an den Hals abgaben. Dazu kamen Wickel an allen Gliedmaßen. Sie kühlten sie und sorgten dafür, das die Hitze im Schwall auf der Stirn austrat.


    Schon nach der nächsten Nacht, welche ich ungewohnt in längeren Schlafphasen verbracht hatte, fühlte ich mich besser. Was war geschehen? Eine Frage die mich den Vormittag beschäftigte. Immerhin mußte ich nach nunmehr über einer Woche diese Leiden ertragen. Da war es nicht sonderlich verwunderlich, das ich den Taten des Medikus nur wenig Chancen auf Erfolg einräumte.


    Leise krächzend, versuchte ich Worte zu sprechen und selbst zu hören. Doch es war bei weitem noch nicht gut. Es klang schrecklich und schon bald kam ein Sklave herein und füllte meinen Hals erneut mit diesem Kräuterding. Während das Wasser hinunter rann und ich schmerzlich schluckte, dachte ich darüber nach, was Mutti in Oberitalien bei dieser Art Krankheiten immer angeordnet hatte...


    Schwach drehte ich den Kopf zur Seite. Verschwommen nur sah ich Gracchus, der an meinem Bett stand. Dieses unheimliche Schwitzen, ließ meine Hand nach oben fahren und eine Schweißperle aus den Augen entfernen. Normal tat dies ein Sklave, der sich nun etwas zurückgezogen hatte.


    "Ich fühle mich schwach und es schmerzen die Glieder. In der nacht träume ich schlecht, am Tag schwitze ich. Wie soll ich meinen Zustand da als gut betrachten, ich hoffe der Medikus wird ein Mittel finden,das mir hilft."


    Ich drehte den Kopf wieder in die Senkrechte, das lange Muskelanhalten schmerzte mir.


    "Du kannst mir helfen Gracchus. Bring ein Opfer zur großen Mutter und hilf meine Leiden durch Gebete zu mildern."


    Mit einem sanften Ruck drehte ich mich erneut zu ihm hin. Es zeigte meinem Bruder den Willen der mich leben lassen sollte. Doch gelang es mir nicht die Gesichtszüge zu entspannen.

    Bereits den fünften Tag in Folge hatte ich den Hauptteil der Zeit damit verbracht über den Latrinen zu hängen und all jenes heraus zu bringen, das mir während dem Mahl lieb gewesen war. Jetzt aber all meine Glieder und Knochen schmerzen ließ. Der eiligst herbei gerufene Medikus konnte wenig helfen. Verabreichte mir noch mehr dieser übelartig schmeckenden Pasten. Doch das Ende gleichte dem Anfang. Immer wieder verbrachte ich meine Zeit auf diesem mamorierten Loch. Mit gebeugtem Hals, den Kopf leicht nach vorn und würgte heraus, was nicht mehr kommen konnte, weil es bereits leer war.


    Doch wenn ich mich zurück in mein Reich geschleppt hatte, dauerte es nicht lang und eiligst wurde eine Schüssel gereicht. Und das seit fünf Tagen! Dazwischen gab es wenig zu Essen, irgendein Brotbrei, keinen Wein und keine Oliven, keine Datteln oder Feigen nur eklig schmeckende Brühe mit heißem, kaum nach Minze schmeckenden Wasser.


    Wenn ich nich brach, dann schwitzte ich. Bei keiner Arbeit hatte ich es je so derb getan, doch hier zwischen den Laken mußte ich leiden. Was hatte ich bei meinen letzten Opfern nich richtig bedacht, was strafte mich ob dieser Qualen? Dachte ich darüber nach, schmerzte mir der Kopf und die Müdigkeit trieb mich in einen unruhigen, von schlimmen Träumen gebeutelten Schlaf... mochten die Götter wissen, wann Hardes und Gomorra von meiner Seele ablassen wöllten.


    Mein Willen war schwach, meine Gedanken vergeblich und mein Körper erlegen...

    Wie ein dunkles Band durchfrohren meine Glieder den Tag. Grausame Träume aus des Hardes Schmiede durcheilten die Gedanken der Nacht. Schweiß, Kälte und Frieren quälten mich am Tag. Wären die Götter gnädig gewesen, so nähmen sie mir das bischen was mir noch blieb. Doch meine Sinne verstumpften. Kaum ein Mittelchen konnte mir helfen, kaum eine Seele war dort wo ich sein würde und kein Arzt fühlte sich dem Druck des Bösen gewachsen, bis das heilige Siegel der Macht an einem Morgen durch Gottes Hand gebrochen wurde.


    Ohne Schmerz wachte ich auf, die Träume hatte mein Laken kaum genässt und die scheinende Sonne, nur wenig gesehen durch einen Teil des Fensters, erhellte meinen Willen zu Leben. Noch als ich die Rituale des Morgens über mich ergehen ließ, wandte ich mich in Gedanken dem Leben zu. Schloss das Tor zur Unterwelt und warf den Schlüssel in die Wogen des Neptuns. Wie lange noch konnte ich verdrängen, konnte ich dies überstehen... wann würde das unaufhaltsame mich einholen, mich überholen und dabei entgültig packen?


    Wie aus den Gedanken gerissen wachte ich erneut auf. Der Atem ging schwer. Die Ohren lauschten in den Tag. Die Luft war drückend. Nein noch war ich nicht entkommen!

    Nach dem obligatorischen ersten Jahr erreichte mich eine Nachricht. Nicht von den Göttern geschrieben, aber wenigstens mit göttlichem Inhalt. So wurde es einem neuen Priester zu teil jene Aufgaben, denen ich mich hatte widmen müssen, zu erfüllen. Mein Tagesablauf hingegen wurde nun mehr von einer hell erleuchteten Kammer bestimmt. Doch grub ich mich in Schriften, alten wie neuen Datums und umso tiefer ich vordringen konnte, umso unverständlicher drangsalierte mich das Ganze.


    Zwar verstand ich vieles nach dem zweiten, dritten Lesen, doch erfüllte sich in meinem Innersten nicht eine Art Befriedigung. So mußte ich mir Notizen machen. Schrieb vieles in Stichpunkten neu auf, verglich es mit dem im Geiste gespeicherten und verwarf nicht selten einen ganzen Tag.


    Trotz das es eine mühsame wie unliebsame Arbeit zu sein schien, bohrten die vielen Fragen auch in der Nacht nach Antworten und trieben mich am nächsten Tag zu früher Stunde zurück in jene Kammer. Wieder begann der Morgen, wie es am Abend geendet hatte und wäre mein Auftraggeber nicht immer im Dunst scheinbar zu erblicken, ich hätte mich schon längst dem Weine hingegeben...

    Zitat

    Original von Manius Flavius Gracchus


    [...]
    Gracchus wandte sich seinem Bruder zu, der ein wenig abwesend schien.
    "Lucullus, der du den Namen eines großen Genießers trägst, was ist deine Ansicht über den Genuss von Austerngetier?"
    Nachdem Gracchus das Saturnaliengeschenk für seinen Bruder hervorgeholt hatte, bemerkte er, dass sein Weinbecher bereits wieder gefüllt war. Ein wenig irritiert stellte er erst jetzt fest, dass die Becher kontinuierlich aufgefüllt wurden und er fragte sich, wie oft er schon getrunken und dies aufgrund dieser Tatsache nicht bewusst wahrgenommen haben mochte. Er reichte seinem Bruder, noch immer ein wenig verwirrt, das Geschenk hinüber. Es war ein wenig unpersönlich, doch war sein Bruder einer von jenen gewesen, für die es ihm am schwersten schien, ein Geschenk zu wählen, kannte er ihn doch kaum, wusste wenig von seinen Gedanken und Wünschen. So hatte er sich letztlich für ein äußerst fein geschmiedetes Opfermesser entschieden, um Lucullus Weg Rechnung zu tragen. Es war eingeschlagen in purpurnen Stoff, zusammengehalten von einem breiten goldenen Band.
    "Bona Saturnalia, Quartus."


    Ich versuchte den Schreck nicht sichtbar werden zu lassen, überspielte ihn mit einem Griff zum Wein. Über was hatten sie nur geredet? Doch mein Bruder erfüllte mit seinen Worten meine gedankliche Frage.


    "Austern? Nun sie waren einmal unsere liebste Leckerei, doch heute wo sie in Salzwasserbänken vor Baiae regelrecht angebaut werden, sind sie eine Speise nicht mehr nur für die reichen Leute geworden. Nichts desto trotz esse ich sie immernoch gern. Wir nehmen ja auch vom Ei, selbst wenn jene zu Hauf vom Pöbel gespeist werden."


    So wollte ich mir noch einige Austern greifen, doch hob Gracchus in jenem Moment ein Geschenk für mich vor. Ein wunderschönes Opfermesser. Selbst wenn man es als etwas unpersönlich ansehen mochte, so glänzte es im Schein.


    "Danke Manius. Mein Geschenk für dich fällt hingegen etwas kleiner aus."


    Die Schnüre um den Stoff ließ sich eine Weile nicht öffnen, der Knoten war zu fest. Doch mit dem Opfermesser dann konnte ich den Riemen lösen. Dabei fuhr ich noch einmal sanften Fingers über die Schneide. Sie war unheimlich scharf. Mit den Händen war das Gemälde, gestickt auf feinem Tuch dann schnell entrollt und ich gab es Gracchus zu Ansicht. Vielleicht erkannte er den Ort. Nein eigentlich war ich mir sicher, das er wußte, wo das war.

    Mit jeder Phase der Zeit näherte sich der Gesang. Ich mußte weg, wollte den jungen Mann aber auch nicht stehen lassen. So versuchte ich ihm die Dinge darzulegen, wie sie unter Römern bewußt waren.


    "Deine Worte sind jene eines einfältigen Mannes. Du erwartest etwas von deinem Geben, bevor du es gegeben hast. Du verpflichtest dich selbst zu geben, um zu nehmen. Du stellst dich vor die Götter als deren Gönner, doch bist nicht du es der gönnt, sondern sie. Du bist Diener, sie sind Gott. Sie mögen deine Geschenke lieben, wenn du die Richtigen erwählst, doch sie werden nicht geben, wenn du es befehlst. Sie lieben dich als Einen unter Velen, wenn du ihnen gibst. Sie sind einmalig."


    Meine Hände vollführten wichtige Unterstützung zum gesprochenen Wort.


    "Gehe hinüber in die Opferhalle, dort kannst du Weihrauchstäbchen und kleine Presente erwerben. Dort wirst du auch einen Laienpriester finden, der dich in die Sprache der Götter einweist. Wähle deine Worte immer mit bedacht. Sind sie des Tages müßig, können die Götter auch mit Bosheit antworten."


    Und zeigten ihm schließlich den Weg. Mit enem leichten gedanklichen Schütteln begab ich mich auf den Weg ins Odeon.

    Eher unbeteiligt fletzte ich auf meiner Kline. Nahm von den Austern ebenso wie vom Hühnchen und ließ mir Wein und Wasser schmecken. Trotzdem entging meinen Augen nichts. In Gedanken dachte ich an die Jahre am Lago Larius in Oberitalien. An die Feste, an die Saturnalien an soviele Freiheiten, die wir uns nehmen konnten und durften.


    Rom wandelte zu mehr Einsamkeit. Zwar konnte ich so den Göttern immer und zu jeder Stunde nah sein, doch die Erfüllung meiner Träume deckte das bei Weitem nicht ab.


    So bohrten sich meine Augen in die Olivenschale, während die Worte, Gedichte, Lieder, die Lyrik, die Erzählungen, die Menschen und Sklaven immer mehr verschwammen. Ihre Silben hallten in weiter Ferne, ihre Gesichter wurden von dunklen Schwaden umsäumt.


    Eher monoton befriedigte ich meinen Magen und ließ meine Gedanken in fernen Sphären kreisen, wo die Nymphen zum Gabentisch riefen.

    Mein Blick wurde teilnahmslos. Ein Ausländer also der das Bürgerrecht nicht durch Geburt erhalten hatte.

    "Viele Peregrini mögen das so sehen. Ein Römer jedoch ist sich der großen Ehre bewußt den Göttern zu dienen, sie zu nähren und ihnen ein Haus auf Erden zu geben. Wer nur aus Tradition den Tempel betritt..., nun dort ist der Ausgang."


    Ich jedoch hatte keine Lust mehr mich dieses Mannes anzunehmen. Meine nächste Gesangsstunde war nah. Die Nymphen würden heute Gäste es großen Mahls sein und ich wollte meine Stimme nicht mit Worten verändern, wenn sie in einigen Augenblicken in den Strophen des Aeneas beben sollte.

    Meine Verabschiedung fiel herzlicher aus, als von ihr vielleicht erwartet...


    Wenig später begab ich mich im langen Gang durch die Gemächer der Villa. Meins war recht weit am Ende jener Ansammlungen von Räumen, Gästezimmern, Gängen und Fluren. Dort angekommen, sollte sich meine Gestalt den Göttern angemessen wandeln und wenig später würde man mich zum Quirintal tragen...

    Wie konnte ich nur so leichtsinnig einen Fremden angesprochen haben. Nun da die Situation es verlangte, mußte ich mich den Worten des Mannes widmen. Auch wenn ich widerwillig war, sich der Magen verkrampfte, oder meine Zehennägel das Weite suchten. Mit geschwächtem Atem und voller Entrüstung war ich es, der im Templum Martis Ultoris stand.


    Schon die laut gesprochenen Worte, waren nicht angemessen. So versuchte ich ruhiger zu bleiben, als mein Ich es wollte. Hiel mich fast gefühlslos an die Riten unserer Vorfahren und sprach jene belanglosen Worte aus, die ein jeder Römer in der Kinderstube lernte:


    "Nach Sitte der Römer zu leben ist keine Pflicht, sondern eine Ehre. Ebenso wie den Schutz der römischen Götter genießen zu dürfen.


    Ein Kopfschütteln konnte ich mir dahingehend nicht verkneifen.

    Eher aus Pflicht, den der Kür wegen erreichte ich die Räume wo die Saturnalien ihre Feier fanden. Schon einige Bewohner, aber auch Sklaven waren anwesend. Trotz das Letztere hier sicher nicht ihren Tanz bekamen, wie in diesen Plejberfamilien.


    So nickte ich einigen zu, gab meine Hand aber eher zaghaft raus und platzierte mich schließlich auf einer Liege. Von wo ich alles bestens übersehen konnte und zusätzlich das Lauschen nicht zu anstrengend war.

    Wo meine Gedanken zur Zeit weilten, mochte kaum jemand zu sagen. Doch hier im Raume waren sie nicht. Trotzdem nahm ich Minervinas Worte wahr und nickte sowohl bei meiner Mutter, als auch bei den Tempeln.


    "Ich habe zur Zeit nicht den Drang Rom zu verlassen. Wenn sich das ändert, wird Aegyptus sicher auf meinem Plan stehen. Bis dato aber versuche ich das zu tun, was der Familie die meiste Ehre bringen wird und zusätzlich wird man mich so oft als möglich in den Tempeln der Stadt antreffen. Zu solch einem Tage werde ich dir gerne alles zeigen, was du wissen möchtest und soweit es uns die Riten erlauben. Doch nicht heute..."


    Ein Zwinkern unterstützte meine Aussage. Die Zeit war heran und so erhob ich mich von der Liege.


    "Wenn du mich entschuldigen würdest? Wir können gerne später weiter reden, doch nun muß ich meinen Verpflichtungen nachkommen... Schwesterherz."