Während die Umzüge in den vielen Festtagsstätten einkehrten, kamen immer mehr Gläubige zum Tempel des Quirinus geströmt. Nach den offiziellen Umzügen war ein großes, blutiges Ofer geplant, das an einem so wichtigen Tag vom Flamen selbst abgehalten wurde.
Meine Aufgabe war dabei bescheidener. Ich stand auf einem kleinen Podest und lockte die Zuhörer, Bürger und Römer heran, auf das sie dem großen Mahl mit Freuden zusehen konnten. In diesem Jahr war es mir wichtig die Traditionen ins Gedächtnis zurückzurufen und so formte ich Silben, die jene Tugenden besonders verlangten...
"Mein Blick
wandert hinauf
In die unendlichen Weiten
Des Gestirns
Schmerzhaft die Erinnerung
Zu sehen
Wie nichtig und klein
Ist doch unser aller Sein"
Ein kurzer Vers, der für Aufmerksamkeit sorgte, zu lauschen und vorallem näher zu treten. Derweil waren die Vorbereitungen fast abgeschlossen. In der Glut des ewigen Feuers räkelten sich bereits die ersten Weihrauchblättchen.
Während Rom in den letzten Monaten eher stagnierte, nahm eine Zahl von Männern zu, die sich um des öffentlichen Friedens nicht all zu sehr scherten. So ging ich mit meiner nächsten Werbung darauf ein:
Ein Ungeziefer ruht
In Staub und trocknem Schlamme
Verborgen, wie die Flamme
In leichter Asche tut.
Ein Regen, Windeshauch
Erweckt das schlimme Leben,
Und aus dem Nichts erheben
Sich Seuche, Glut und Rauch.
Aus dunkler Höhle fährt
Ein Schächer, um zu schweifen,
Nach Beute möcht’ er greifen
Und findet bessern Wert:
Er findet einen Streit
Um nichts, ein irres Wissen,
Ein Banner, das zerrissen,
Ein Volk in Zwietracht.
Er findet, wo er geht,
Die Leere dürft’ger Zeiten,
Da kann er schamlos schreiten,
Nun wird er ein Poet;
Auf einen Kehricht stellt
Er seine Schelmenfüße
Und zischelt seine Grüße
In die verblüffte Welt.
Gehüllt in Niedertracht
Gleichwie in eine Wolke,
Ein Lügner vor dem Volke,
Ragt bald er groß an Macht
Mit seiner Helfer Zahl,
Die hoch und niedrig stehend,
Gelegenheit erspähend,
Sich bieten seiner Wahl.
Sie teilen aus sein Wort,
Wie einst die Gottesboten
Getan mit den fünf Broten,
Das klecket fort und fort!
Erst log allein der Hund,
Nun lügen über tausend;
Und wie ein Sturm erbrausend,
So wuchert jetzt sein Schund.
Hoch schießt empor die Saat,
Verwandelt sind die Lande,
Die Menge lebt in Schande
Und lacht der Schofeltat!
Jetzt hat sich auch erwahrt,
Was erstlich war erfunden:
Die Guten sind verschwunden,
Die Schlechten stehn geschart!
Wenn einstmals diese Not
Lang wie ein Eis gebrochen,
Dann wird davon gesprochen,
Wie von dem schwarzen Tod
Und einen Strohmann baun
Die Kinder auf der Heide
Zu brennen Lust aus Leide
Und Licht aus altem Grau’n.
Der Platz füllte sich merklich. Zwar hoffte ich das die Stadtteilbewohner meine Worte deuten konnten, doch sicher war ich keineswegs. Nicht nur der Bürger trat zu dieser Zeit an die Pforten der Tempel, denn gab es ein feines Opfer, gab es auch was zu holen. Dann wenn der Gott gespeist hatte, erhofften sich die Meisten heir ein gutes Stück Fleisch, das jeden Mann und jede Frau samt Kinderschaar wieder über einige Tage mit gutem Tischmahl brachte.
Noch einen Gedanken zur Ehr und das Opfer würde vor Schaulustigen stattfinden können. Ob es was half den römisch Städtern Moral zu predigen? Wer wußte das schon, ich auf keinen Fall, dazu lebte ich meine Tage zu zurück gezogen...
Wenn du nach Ehre strebst, die dir die Welt soll geben,
So mußt du, statt dir selbst, ihr zu Gefallen leben.
Nicht leben in der Tat, nur leben auf den Schein;
Nicht was du selber willst, was sie will, mußt du sein.
Wenn du nach Reichtum strebst, nach welchem alle streben,
mußt du darum in Kampf mit allen dich begeben;
Was andre haben, mußt du dir verloren achten,
Und was du haben willst, zu rauben ihnen trachten.
Und wenn du gar zugleich geehrt willst sein und reich,
So mußt du sein der Welt ein Freund und Feind zugleich;
Mußt stehlen ihren Schatz und stehlen ihre Gunst;
Das ist die mißlichste und undankbarste Kunst.
Darum rat' ich: Laß die Welt, wen sie will ehren, ehren,
Und ihren Sold, wer ihn begehren will, begehren.
Sich selbst in Ehren und sich selber reich zu halten,
Ist Mannes Würd' und Kraft, derselben sollst du walten.
Die Aufgabe war getan, die Fläche vollgefüllt und so begab ich mich mit einem zufriedenen Nicken zu den anderen Priestern, um die Feinheiten des Flamen bei der Opferung ganz nah zu sehen, aufzunehmen und im Geiste zu sichern. ![Cool 8)](https://imperium-romanum.info/images/smilies/smiley104.gif)