Beiträge von Quartus Flavius Lucullus

    "Bei den Göttern!" entfuhr es mir. Weder jugendlich schien er mir, noch sprühte er Tugend aus. "Wie kommt es dann, das du dich nun den Göttern zuwendest, wenn du sie bis jetzt verpöhnt hast?"


    Etwas Argwöhnisches war in meiner Stimme zu hören und jener tat gut daran sich zu erklären. Bevor ich es mir anders überlegte und ihn hinaus scheuchen ließ. Den Göttern nie geopfert 'Pah'... meine Miene konnte nicht versteinerter sein, als sie war.

    Zwischen den Opferungen, die im Dezember gar täglich geordert wurden - Wohl aus dem Grund heraus, das einige Römer da dachten was vergessen zu haben - schritt ich zwischen den Tempeln umher, um mir erstens frische Luft zu verschaffen und zweitens die Beine zu vertreten. Zu lange und zu oft mußte man nämlich angewurzelt da stehen und verharren.


    Als ich um die zwölfte Säule gewandelt war, erblickten die Augen einen Mann, der scheinbar weder wußte, was er hier wollte, noch wo er hin sollte. So überlegte ich eine Weile, doch letztlich konnte ich den Armen da nicht stehen lassen. Schließlich war das Jahr bald vorüber.


    "Salve Bürger..." Eine Musterung folgte "... sollte man dir Hilfe anbieten?"

    "Du magst dich vielleicht wundern, aber ich fühle mich in der Heimat ganz gut. Natürlich sind Reisen auch wichtig, aber ich sehe sie eher als Nebensächlichkeit. Vorerst ist es meine Pflicht den Riten unserer Vorfahren zu dienen und die Tugenden zu verteidigen, die uns groß gemacht haben. Da ich damit mehrere Jahrhunderte zu tun haben werde, wenn ich mir den allgemeinen Verfall betrachte, wird Alexandria wohl noch etwas warten müssen."


    Ich leerte den Becher und stellte ihn schließlich ab. Beunruhigt ruhten meine Augen auf ihr.

    Ein Fest der Ernte, der Bauern und Hirten fand sein Ende am Fluss Tiber. Ein Opferplatz war in direkter Nachbarschaft zu diesem eingerichtet worden und die Priesterschaften gingen ihren Handlungen nach.


    Es wurde geopfert. Ich selbst erfüllte die Wünsche der Bürger, ihr Gut den Opfergaben beizumengen. Es gab Brot, Gerste, Weizen, Hafer, verschiedenste Kuchen und Plätzchen. Heute würde es ein naturelles Opfer geben. Sie zogen es zu diesem Fest jenem blutigen mit Opfertieren vor und trotzdem wurde es als ein großes Ereignis zelebriert. So stellte man die Statue des Tiberius an den Opfertisch, gab die verschiedensten Kreationen auf jenen und versalbte jene Gaben mit gewichtigen und ehrbaren Worten, die den Gott in seiner Güte bestätigen sollten, ihn ehrten und Dank für die stille Season des dahin rauschenden Flusses aussprachen. Sie erhofften sich natürlich auch im Frühjahr eine gemilderte Flut. Wenn es in den Bergen taute und der Tiber oft das vierfache seiner Größe erreichte.


    Ich war in Reichweite der Fackeln, denn es würde mir heute die Ehre zu teil werden. Das Opfermahl zu entzünden und damit in die Bahnen des Tiberius zu leiten. Doch zuvor trug man den schon reichlich gedeckten Tisch noch edle Spezialitäten aus dem weit entfernten Osten auf und sparte auch mit Opferweihrauch nicht.


    In der Zwischenzeit holte man vier gut gefüllte Holzeimer voll Flusswasser, es würde später das Opfermahl durch lautes Zischen beenden.


    Als endlich die Zeit gekommen, die Gesänge verstummt und die Worte verhallt waren, zündelte die Fackel in meiner Hand das Mahl an. Nicht nur das trockene Korn, sondern auch das reichlich aufgetragene Olivenöl trugen zu einer raschen Ausbreitung der Flammen bei. Wenig später erklang das feine Zupfen intrumentaler Köstlichkeiten, die dem Mahl den gewünschten Rahmen gaben. Die Menge hindes hüllte sich in Schweigen und auch die Priester, die Flames und all jene die dem Opfer von Seiten des Cultus beiwohnten bewahrten eine drückende Ruhe.


    Als das Zeichen erhoben wurde: die Hand des Flamen schnellte in die Lüfte und ein Schrei der Befreiung wisch ihm aus der Seele, löschten die Wasserschwelle das brotelnde Mahl mit einem lauten unverkennbaren Zischen. Das Mahl war beendet und die Reste würden schon bald den Tiber hinab schwimmen, bis in den Schoß der Gottheit.


    Noch einmal wurde der Platz on Gesängen erhellt, bevor ein letzter Tanz der Teilnehmer im Dreivierteltakt das Opferessen beschloss.

    Nicht in den Becher blickte ich, sondern in ihr strahlend schönes Gesicht. Doch meine Augen wurden von ihren Worten trüblich und so mußte ich mich erklären.


    "Nicht ich kann dir verzeihen, denn es steht mir nicht zu. Die Gabe hast du genommen, als du das Meer überquert hast. Sicher bist du im Hafen eingelaufen und trotzdem fandest du keine Zeit den Göttern dafür zu danken. Ich werde in meinem nächsten rituellen Dienst ein gutes Wort für dich einlegen und eine Opfergabe in deinem Namen überreichen."


    Irgendwie hatte ich das Gefühl, das meine Schwester auch demnächst keine Zeit oder Lust finden würde und so wollte ich ihr einen Dienst erweisen. Zu selten belohnten jene die Götter, welche sie ignorierten und ich wußte nur zu gut, wie schwer ein Versäumnis wog.


    "Schon bald werden die Saturnalien gefeiert. Ich denke da bekommst du einen gewissen Einblick in die Tempel. Du wirst doch daran teilnehmen?"


    Es gab ja die Sitte, das die Herren dabei ihren Sklaven dienten, doch in einer flavischen Villa sollte es beim besten Willen nicht soweit kommen. Vielleicht konnten sie am Mahl teilnehmen. Zumindest einige höhergestellte von ihnen.


    "Wenn du etwas länger in Rom bist, wirst du auch meine Worte verstehen lernen. Wir alle bilden uns aus Respekt vor den Tugenden, den Ahnen und dem Romanum. Trotzdem ändern sich die Zeiten sehr rasch und es wird wichtig ein Gleichgewicht zurückzuholen. Aber es ist müßig von Politik zu sprechen... wie ist es dir in Alexandria ergangen. Erzähle mir mehr von dieser sagenumworbenen Stadt."

    Wenn sich die Römer im Feste üben, stehen sie meist in Heerschaaren an den Straßen und jubeln dekorativen Wägen zu. Sie eilen die Straßen entlang und hoffen die besten Augenblicke nicht zu verpassen. Mit Freude und Ehrbietung nehmen sie an den Ritualen vor den Opferplätzen teil und erhoffen sich nicht zuletzt einen Bissen vom Braten abzubekommen. Doch bis es soweit ist, vollführen die Kultgemeinschaften einen langen und beschwerlichen Alltag, der nur eins zum Ziele hat, nämlich mit den Festlichkeiten den Göttern gerecht zu werden.


    Vor vier Tagen begannen vor den Toren der Stadt die Faunalia. Für jene die es nicht wissen, sei geschrieben, das es sich um eine Art Erntedankfest handelt. Faunus wird gedankt, bekannt auch als der Wolfsgott. Beschützer der Äcker, der Saat, der reichlichen Ernte, des Viehs und natürlich jener Männer und Frauen, die die Böden bestellen und das liebe Vieh weiden.


    Wie kann man jenem Gott nun am besten Dank sagen? Ein Opfer sollte es sein und seine Lieblingsspeise, nämlich ein kräftiger Ziegenbock aufgetischt werden. Da jenes Festmahl am Besten auf einer naturellen Grundlage zelebriert werden sollte, wählte man wie jedes Jahr eine Lichtung vor der Stadt.


    Die Bürger tanzten den rituellen Tanz, jeder bekam die Möglichkeit seine Gaben dem Faunus zu widmen und nachdem es ein dickes Mahl, nämlich jenen Ziegenbock für den Gott gegeben hatte, waren die drei Tage Festlichkeit dahin gerauscht wie der Tiber durch Rom.


    Alle Jahre wieder zog dann ein zünftig geschmückter Zug aus Ochsenkarren und Eselkutschen. Dekoriert mit Blütenkränzen und Weihrauchzweigchen in die Stadt ein, um am Ufer des Tibers die abschließende Tiberinalia zu feiern.
    Denn was ist ein Acker ohne Wasser, die Saat ohne Regen, der Bauer ohne Quell?


    Der Tag des Flussgottes Tiberinus und der Erdgöttin Gaia trat nun auch ich in Erscheinung. In bester Kleidung mit angemessener Kappe und geduldigen Schritt folgte ich dem Flamen in einer Reihe, die aus mehreren Priestern bestand. Die Köpfe gesenkt, näherten wir uns dem Ort, wo das Opfer dargebracht werden sollte.

    Zitat

    Original von Flavia Minervina
    Überrascht von der schönen überschweniglichen Begrüßung, die Minervina hier in Rom schon sehr vermisst hatte, lachte sie ihren Bruder an.


    "Danke für dein Kompliment, mein Bruder. Natürlch werde ich länger hier bleiben. Mein Wunsch ist es hier etwas für meine Bildung zu tun... in Ägypten ist es zwar wunderbar, aber die besten Schulen gibt es meiner Ansicht immernoch in Rom.


    Wie geht es dir? Du musst mir so viel erzählen... ich war schon ewig nicht mehr hier bei euch!"


    Eine ganze Weile beobachtete ich die Züge jener Frau, die vor vielen Jahren als meine Schwester das Licht der Welt erblickt hatte und nun zurück in Rom war. Wenn Vater noch leben würde, so dachte ich, würde er eine angemessene Beschäftigung für sie finden. Immer im Hintergrund zu stehen und zu agieren war für die meisten Frauen nicht leicht. Doch unser Stand legte es ihnen auf und so nickte ich bei ihren Worten über die Bildung.


    "Es gibt sie nur in Rom da hast du Recht, auch wenn es viele Fremde anders sehen und mit ihren Zungen verbreiten. Du solltest vorallem den Cursus Res Vulgares an der Schola Atheniensis belegen. Deine Stimme bei den Wahlen zum Cursus Honorum könnte irgendwann das Zünglein an der Waage für oder gegen einen von den Flavern bedeuten."


    Da sie immernoch im Atrium verweilten, blickte ich mich nach einer Sitzgelegenheit um und zeigte schließlich auf eine Korbstuhlgruppe vor dem Brunneneinlass in der Mitte des Raumes.


    "Setzen wir uns doch!"


    Ein Sklave erschien und wartete auf Arbeit.


    "Minervina ich muß sagen, das es mir recht gut geht. Die Arbeit in den Tempeln geht mir sehr leicht von der Hand, auch wenn sie manchertags recht öde scheint. Trotzdem habe ich begriffen, das es in Rom sehr anders ist, als am Lago Larius. Ich möchte meine Kindheit dort oben nicht missen, aber ich sehe auch eine prächtige Zukunft in Rom. Die Türen sind geöffnet und wir Flavier brauchen nur die richtige betreten, um an alte Interessen anzuknüpfen und Werte zu schaffen, die auch in tausend Jahren noch die Geschichtsbücher füllen."


    Ich ließ sich einen stark verdünnten Falerner einschenken und wartete, ob seine Schwester ebenfalls etwas mochte.

    Sehr erschöpft vom Tageswerk hatte ich mich in die Villa tragen lassen. Schon auf dem Weg durchfuhren mich Schauer von Müdigkeit und nur schwer konnte ich meine Augen offen halten. Erst am Mercatus angekommen, drängte der Lärm, das bewegte Leben meine Schläfrigkeit zurück, hier in der Villa würde sie wie weggeblasen werden. Doch das wußte ich natürlich noch nicht.


    So trugen mich die Sklaven stehtig voran und setzten die Sänfte vor der Türe sanft ab. Ein Sklave bildete eine Fußtreppe, was mir das Entgleiten deutlich erleichterte. Zwei bewaffnete Diener schirmten dann den Weg bis zum Haus ab und öffneten schließlich die große Tür.


    Ich bewegte mich eher langsam auf das Atrium zu und legte meine Augen auf einen ansehnlichen Körper. Deren Konturen mir etwas, wenn auch wenig vertraut schienen. Gerade zum Zeitpunkt, als gesprochenes Wort den Raum drchfloss war ich in Reichweite und konnte es nicht glauben. Doch ich sah sie...


    "Schwester!" ertönte meine Stimme. Ohne auf Furianus Rücksicht zu nehmen, eilte ich auf sie zu, nahm sie in den Arm und setzte sie wieder auf dem edlen Boden ab. "Du hier? Wo kommst du her?" In jenem Moment fiel mir auf, das Furianus neben uns stand und ich trat einen Schritt zurück, nicht ohne die Hände von Minervina zu greifen. "Du bist eine wunderschöne Frau geworden. Ich hoffe du wirst länger bleiben?"


    Natürlich mußte sie das, was für eine Frage. Ich sah mich zu Furianus um und nickte ihm zu. Wahrscheinlich brauchte er eine Bestätigung, das sie, das Minervina keine Hochstablerin war.

    Wochen über Monate konnte die Arbeit in den Tempeln eintönig wirken und dem Priester nur schwer von der Hand gehen. Aber es gab auch Lichtblicke. Feste zum Beispiel. Ein großes Opfer vor großer Menge oder eine Gebetsstunde vor Versammlungen. Dann gab es Studien die den Alltag abwechslungsreich machen konnten. Aber auch Stunden der Lehre halfen über triste, sich immer wiederholende Rituale hinweg.


    Heute war so ein Tag. Der Flamen hatte mich aus der Leere gerissen und in die Lehre genommen. Ein sehr alter Mann war er. Die Erfahrung mit der er zu Werke schritt, ließ mich immer wieder erschaudern und doch fühlte ich mich in seiner Nähe wohler als bei sonst einem Priester.


    Sextus Iulius Maxentius war streng in seiner Ausübung, noch fester hielt er mich in seinen Klauen und warf schwere Vorwürfe mir entgegen, wenn ich die Tabula nicht beachtete oder Fehler zu offensichtlich beging. Doch mit den Monaten im Dienste des Quirinal kamen auch Fehler im rituellen Handeln immer weniger vor.


    Der alte Mann lehrte mich Dinge, die man in der Priesterschaft wohl nur unter vorgehaltener Hand ausgesprochen hätte, ihm aber im Gesamtbild der Horizonte wichtig schienen. So lernte ich Sternenbilder zu lesen, die Mythologie der Griechen zu begreifen oder Tierkreiszeichen zu deuten. Natürlich auch alles wissens, wie unwissenswertes über Quirintalis, die Salier und jene Waffen und ihre Geschichten unten in den Grotten.


    Meine Zeit in der Villa Flavia beschränkte sich oftmals nur auf ein karges Frühstück, ein Abendmahl. Vielmehr "wohnte" ich bei ihm. Maxentius, den nur wenige so nennen durften, zeigte mir die Künste der Alchemie, schwarze Magie und Hexenwesen. Er war der festen Überzeugung, das nur ein Priester der beide Horizonte gesehen hatte, wußte wo seine Gebeine stehen würden.


    Schon zum ersten Besuch in seiner kleinen Kammer auf dem Tempelberg mußte ich einen Schwur leisten. Damals verstand ich nicht warum, später als ich einmal den Aedilen auf dem Markt zusah, wie sie die Zelte der Wahrsager und "Giftmischer" räumten, verstand ich es etwas mehr. Heute wußte ich das es zwar wichtig war die Lehren und Schriften zu kennen, aber es unser Geheimnis bleiben mußte. Nur wenige konnten mit den Riten leben und danach handeln. Daneben zeitgleich den Schriften zweifelhafter Gelehrter Glauben schenken und trotzdem nicht dem allgemeinen Verfall folgen.


    Ich hoffte mein Horizont würde der hell erscheinende Himmel über Rom bleiben.

    Mit einem langen Tag über den Studien im Refugium hatte ich gerechnet, das er sich derart ausdehnte, nicht. Doch es war noch hell, als ich die Stufen zum Tempel erklomm. Sicher warteten die Sklaven wieder vor der ewigen Halle, um dem Ritual der Salbung mit Tat zur Seite zu stehen. Wenn sie da waren, dann sicher nicht erst seit eben, denn eigentlich hatte ich sie drei Stunden früher bestellt. Sie hatten noch viel zu lernen, aber guter Hoffnung war ich trotzdem sie vorzufinden. Seit ihren letzten Ausrutschern, den Mäßigungen, die ich teils ihnen selbst verabreicht hatte, mußten sie sich langsam klar sein, das es ein Leben in Freude und Vollendung nur in Dehmut und Geduld gab.


    Natürlich behielt ich Recht. Beide Männer noch junger Jahre standen auf dem letzten Treppenabsatz und warteten mit den üblichen Arbeitsgeräten darauf hinter mir den Tempel zu betreten. In ihren Gesichtern stand Erleichterung geschrieben, als mein Kopf in ihr Blickfeld wanderte.


    Ich voran betraten wir den Tempel. Es roch üblich und ich blickte beim Laufen auf die Weihrauchreserven in den Ständern. Zwei bis drei würden aufgefüllt werden müssen, doch das konnten sie auch noch tun, wenn meine Sänfte sich bereits zur Villa Flavia bewegte.


    Wir schritten die abgenutzten Treppen hinunter. Hier wucherten die emsigen Spinnen fast täglich mit ihren Netzen den Gang zu. Er war hell erleuchtet, fast wie am Tag mußte es einem vorkommen. Trotzdem bewegten wir uns immer tiefer in den Berg. Nur die Priester und einige Sklaven wußten das es diesen Ort gab und keiner hatte das Geheimnis zweimal preis gegeben.


    Die Gittertüre war erreicht. Sie schwang mit einem Ächzen auf und gab einen mittelgroßen Raum frei. Zwei Wächter standen der Tür Gegenüber.. Priester in fein gesponnenen Mänteln. Ich nickte ihnen zu, sie kannten mich und ihre Blicke blieben unbeeindruckt. So lenkte ich den Schritt in die Mitte des Raumes, wo ein Altar wohnte. Meine Hand kletterte aus dem Tuch hervor, strich langsam und von Gemurmel, meinem Gemurmel begleitet über die heiligen Waffen der Salier. Am Schild angekommen, blieb meine Hand stehen. Ein Luftzug durchfuhr die Halle, die Fackeln flackerten auf und ich drehte mich langsam zum Eingang hin.


    Er wurde von der knochigen, kaum noch aufrecht gehenden Gestalt des Sextus Iulius Maxentius eingenommen. Und der Gehstock tockte auf den kalten Stein. Seine Augen waren bei weiten noch in der Lage den Raum, selbst in diesem Maße der Erleuchtung wahr zu nehmen, sein Geit war frischer denn je und natürlich hatte er auch die Regung seiner Lippen unter Kontrolle und so ließ er mich wissen, das es nur ihm zustand jene heiligen Reliquen zu berühren. Meine Zeit sollte kommen, seine jedoch wäre noch lange nicht vorbei.


    Totgesagte leben länger ging mir dabei durch den Kopf. In ein zwei Jahren würde man ihn herunter tragen müssen, nur damit er die Salbung noch vornehmen konnte, aber es hauchte auch den Gehalt von Amtserfüllung durch den Raum. So trat ich schweigend beiseite, legte den Kopf dehmütig nach vorn und ließ den Flamen Quirinalis zu Werke gehen. Natürlich standen die beiden Diener ihm zur Seite und ich blickte aufmerksam seinen rituellen Handlungen zu. Wo begann er, wie strich er die Paste auf, was waren seine Worte dabei... all sowas würde sich in meinem Gedächtnis fest verankern.


    Die Salbung würde Stunden dauern...

    Während die höheren Würdenträger sich am Anfang der Prozession tumelten, hatte ich mich im guten Mittelfeld eingeordnet und schlingelte mich nun nach vorn, um vom Gastmahl ausreichend mitzubekommen. Das Wetter hatte mich fast verschreckt, doch es gab nie schlechtes Wetter, sondern nur unzweckmäßige Kleidung. So lief hinter mir ein Sklave, immer in der Lage einen Schirm aufzuspannen.


    Endlich in Sichtweite der Opfertiere angekommen, versuche ich mit geübten Auge ihre Reinheit zu erkennen. Doch erst geschlitzt, werden jene Organe frei gegeben, die den Göttern geweiht sind.


    Das Schlachtmahl könnte also beginnen...

    Ich hatte Mühe aus den Stiefeln zu kommen. Zwei Sklaven zogen heftig daran, doch wollten die Dinger einfach nicht nachgeben. Soviel war ich eigentlich garnicht gelaufen. Zwar hatte ich am frühen Morgen auf die Sänfte verzichtet, um schneller auf den Quirinal zu kommen, doch sah ich darin nicht mehr Bewegungsbemühungen als sonst.


    Wir hatten einen jener Aufsteiger im Tempel zu Gast, der sich spät dazu entschieden hatte den Göttern dafür zu danken, was sie ihm als Geschenke das ganze Leben lang gemacht hatten. Ein Lebemann, der seine Frau verloren hatte und nun Zweifel daran bekam, ob die Götter ihm noch wohlgesonnen waren. Hätte ich es einschätzen müssen, ich wäre nicht umhin gekommen meinen Daumen nach unten zu recken. Zwar scheute er in später Einsicht weder Mühen noch Gelder, doch war diese Inszenierung mehr Schaum als wirkliche Liebe an die Götter. Natürlich durften wir uns dem nicht verschließen. Der Cultus war immer knapp bei Kasse und spontane Geldgeber nötig wie je. Aber ich hätte mich übergeben können, wenn ich sah mit welcher Selbstüberschätzung jener Mann auf dem Opferplatz erschien.


    Die Götter taten gut daran mehr römische Bürger auf die Probe zu stellen, um selbst nicht in den Kreis der Sünder und Atheisten zu kommen, setzte ich alles daran, um Quirinus an diesem Nachmittag mit einem besonders reichhaltigen Opfer zufrieden zu stellen.


    Auch hier in meinem Zimmer würde ich ihn noch etwas zum Abendmahl geben, dann noch eine kurze Wäsche durch einen der Sklaven ertragen und wenig später in den Schlaf gehen...

    Wie so oft in den letzten Tagen mußte ich ihm Recht geben. Doch es schob sich kein Ausweg aus der Missere in meine Worte.


    "Es ist ein schmaler Weg, den wir gehen müssen. Die Traditionen wahren und verteidigen, am Fortschritt teilhaben und ihn formen. Ich fühle mich den Lehren unserer Väter verpflichtet und doch kann ich -können wir- sie nur retten, wenn wir uns den neuen politischen Strömungen nähern. Nicht jene werden ewig regieren, die stark sind, sondern jene die in der Lage sind sich am Besten anzupassen. Dabei müssen wir die Traditionen hoch halten und doch auf das Volk zugehen."


    Sehr schwer dachte ich und nahm noch etwas scharfe Soße mit Brot. Meine Gedanken umkreisten die gesprochenen Worte und ich konnte nicht sagen, das ich eine zündelnde Idee hatte.

    Die Hochzeitsgesellschaft hatte endlich das Heim erreicht und ich konnte mich hemmungsloser dem Weinverzehr zuwenden. Das Bett war nah. Die Gespräche würden trotzdem noch weit in den Morgen dauern und so wählte ich einen leichten Italiener mit reichlich Wasser.


    Mein Blick ging durch die Reihen und nur wenige Gesichter waren so markant, das ich sie mir würde merken. Um nicht gänzlich aus dem Rahmen zu fallen, ließ ich mir vom Tischslaven eine Schale Oliven bringen und merkte schon am Geschmack, das es Flavische waren.


    Als ich so weiter schaute, fiel mir eine weitere Claudierin auf und irgendwie meldete sich der männliche Trieb in mir. Schnell nahm ich weitere herzhafte Oliven aus der Schale und versuchte meinen Blick nicht so aufdringlich wirken zu lassen.

    Ich wählte die schärfere Variante. Gehäckselte Peperoni mit Paprika und Oliven vermischt. Dabei durfte auch Knoblauch uns Ziebeln nicht fehlen. Dazu nahm ich Fischschwänze zum Tunken und Fleischbällchen zum satt werden.


    "Wenn wir in Tristheit und Selbstmitleid schwelgen, wird es mit uns noch weiter hinab gehen. Der Kaiser ist einer von uns. Es sollte in unserem Interresse liegen, das er auch wie einer von uns denkt und handelt. Dazu müssen wir uns auf der politischen Ebene wieder vermehrt behaupten. Nur so gelingt es den Pöbel dahin zurück zu treiben, wo er hergekommen ist.
    Sie mögen uns mit feinsten Handwerk verwöhnen, wir sollten ihnen dies auch lassen. Doch auf den Senatsstühlen haben sie nichts zu suchen. Was passiert, wenn man ihnen zuviel Raum läßt, sieht man an Aushängen und Lesungen der Acta. Sie vergehen sich an den Göttern und ziehen Schmutz an, wie Parasiten.


    Nein Gracchus nur wir können Rom mit unserem Geist formen. Der Pöbel hingegen wird uns aus der Hand fressen, wenn er nur genug Geld und scheinbare Macht vorgesetzt bekommt."


    Weitere herzhafte Dips nun mit besten Brot landeten getüncht in meinem Mund. Dabei dachte ich nach, was mein Bruder gesagt hatte. Natürlich war es wahr, aber wer wollte das so hinnehmen. Wenn wir soweit waren, dann würde unser Status bald so wenig Wert sein, wie das Wort eines Ausländers.

    Wenn wir uns in den Alltagtrott geben, werden wir Pleibisch hatte Vater ab und an gesagt, um seine Söhne zu neuen Ideen anzuregen. Heute war einer jener Tage wo ich es mehr spürte als sonst. Ich wollte zurück an den Lago Larius und den Festen beiwohnen, die es dort zu jeder Jahreszeit und jedem Anlass gab. Rom dagegen eröffnete sich mir als pleibische Stadt. Wenig wurde gefeiert, gesungen und getanzt. Ich fühlte mich allein gelassen in einem langen Gang, dessen Ende schwarz und unkenntlich war.


    Zwischen meinen Schriften und Lesbaren blickte ich immer wieder hinaus in den Garten und freute mich an den wenigen Flugtieren, die diese Stadt aufwies. Kein Vergleich mit der Landvilla.


    Ich entsann einen Plan, wie ich das ländliche fröhliche Leben in die Villa Flavia tragen könnte und legte mir auf Gracchus zu animieren. Doch nicht heute Abend noch. Der Tag war üblich ausgedehnt oben am Tempelberg und meine Gedanken füllten sich genügsam in den Kurzschlaf. So entschied ich mich das Bett aufzusuchen und an einem anderen Tag darüber zu sinnieren...

    Wenn man bedenkt wie aufregend das Leben in den Straßen Roms sein mußte, entfaltete sich der Tempeldienst als ruhendes Eiland in der stürmischen See. Ich war gerade dabei die Statue des Quirinalis zu überprüfen und zeigte mit ausgestrecktem Arm den Putzsklaven ihre Schwachstellen. Man mußte kein Handwerker sein, um ihre schluderischen Abschnitte zu erkennen. Das würde mir einen lockeren Nachmittag im Innenhof des Tempelareals einbringen. Zwei Stecken im Boden bildeten dort hinter verschlossenen Türen den idealen Platz um Sklaven zu lehren, was es hieß die aufgetragenen Arbeiten nur unzureichend auszuführen.


    Während ich so also die Stellen zusammen zählte -es würde Einfluss auf Härte und Waffenwahl haben- überlegte ich bereits welcher der beiden Sklaven zuerst seinem Schicksal entgegen sehen würde. Der stämmigere von Beiden oder das zarte Fleisch des Anderen. Wahrscheinlich kam ich nicht darum dem großen, kräftigen zuerst zu bearbeiten. Im Zusehen würde der kleine schmale schon vor dem ersten Peitschenhieb brechen.


    Doch bevor ihre Stunde geschlagen hatte, mußten sie ihre Arbeit ausbessern und ich wollte dem Quirinalis noch ein Opfer darbringen. Dazu betrat ich einen kleinen Raum, der in einer Nische der Säulen untergebaut war. Es befand sich darin ein kleiner Schemel und ein reich verzierter Altar, auf welchem einige Kerzen brannten. Ich kniete vor einer kleinen Kopie des riesigen Statuenabbildes Quirinalis nieder und träufelte etwas Wein darüber. Dann fand ein Opferkuchen und einige Kekse in einer Schale Platz. Mit einigen Worten bot ich meinem Gott das Mahl an und vollführte wenig später die Übergabe durch Verbrennung.


    Noch gut eine halbe Stunde verbrachte ich bei Quirinalis und seinem Mahl, um ihm immer wieder von den Freuden und Sorgen der Menschen zu berichten. Dann erhob ich mich, erneuerte die bereits abgebrannten Kerzen und stellte zwei Weihrauchstäbchen auf. Wenig später hatte ich den Raum verlassen und bewegte mich auf meine Zuchtaufgabe zu.


    Die beiden Sklaven warteten bereits demütig im Hof. Ein Zeichen dafür, das sie ihrer Untaten wußten und Reue zeigten. Doch ich war heute nicht für Gnade aufgelegt und wählte so jene Waffe, die mit einem langen aus Ochsenhorn gefertigten Griff begann, sich in kleinen verzahnten Kettengliedern fortsetzte, die zu fünfen an der Zahl Ketten bildeten. An ihren jeweiligen Enden befanden sich kleine widerborstige Haken.


    Die Anweisung war gnadenlos, der Wille nun nicht mehr so stark, doch die Geislungshelfer um so mehr. Wenig später trug ich eine Toga voller dunkelroter Flecken und das Jammern und Flehen war auch noch im Tal vor dem Colis Quirinalis zu hören. Schon bald aber da war ich mir sicher, würde die Statue meines Gottes in höherem Glanze erstrahlen als jede andere in der Stadt.


    Ich verließ den Innenhof, um mich umzukleiden, dann wartete eine Lesung im Refugium. Der Tag hatte doch gerade erst begonnen...

    Die Arbeiten gingen gut voran. Das Ziel war auf einen morgentlichen Ritualakt gesetzt und so wie die Dinge jetzt standen, war es durchaus möglich, das wir jenen Zeitpunkt einhalten konnten.


    Während man vom Markt Körbe mit Äpfeln, Trauben, Orangen, Pfirsischen und Birnen brachte, stellten auch einige der wohlhabenden Bürger Opfergaben zurecht. Ihre Zugaben enthielten zum Beispiel Oliven, Feigen, Austern, Zander, Forellen, Sardellen, kleinere Opfertiere und auch Opferkuchen, Kekse und Gebäck.


    Ich war damit beschäftigt zwei Sklaven anzuweisen, wie man eine Girlande aufzieht, als ein weiterer Wagen den Platz befuhr und somit unsere Tätigkeit einer Pause auferlegte. Jene Männer spendeten Flüssiggut und wir eilten uns nach ihrem Eintreffen die Blumenpracht nach oben zu ziehen und sie mit Bändern zu befestigen.


    Meine Anweisungen schienen die Richtigen gewesen zu sein, denn schon bald flatterten die Kränze und Blüten, die Palmenblätter und Reben im Wind.


    Soweit war alles vorbereitet... und wer fehlte noch?