Roma, PR ID AUG DCCCLXVII A.U.C.
Dives Licino patruo magno s.d.p.
Nachdem mein letzter Brief an dich bislang noch unbeantwortet geblieben ist, hoffe ich sehr, dass es dir und selbstredend auch deiner Esquilina gut geht. Und ich bete dafür, dass es an der germanischen Grenze friedlicher ist als derzeitig hier in Roma.
Zunächst möchte ich dich beruhigen, dass die Domus Iulia - anders als in den Wirren nach dem Bürgerkrieg - glücklicherweise nicht erneut in Mitleidenschaft geraten ist. Andere Häuser, zum Beispiel die nur einen Steinwurf entfernt wohnenden Tiberier, hatten indes weit weniger Glück. Doch lass mich in Ruhe und von Beginn an berichten.
Da ich noch immer ein wenig meine Kräfte sammle, nachdem ich ein tückisches Fieber während meiner Aedilität überstand, sah ich in diesem Jahr davon ab, die Spiele des amtierenden Aedilis Curulis Flavius Scato zu visitieren. Es war wohl mein eigenes Glück. Denn den Erzählungen des alten Aglaopes zufolge waren es offenbar jene Spiele, die den Ausgangspunkt alles Folgenden darstellten. Aglaopes berichtete von einer Panik am Veranstaltungsort, und von Verletzten und gar Toten unter den Zuschauern, von in Brand gesteckten Häusern in mehreren Ecken der Stadt.
Aus der Villa Tiberia hörte er im Vorübergehen wörtlich ein 'Geschrei des Todes', das so beängstigend gewesen sein soll, dass es nur noch von dem brutalen Grauen übertroffen wurde, das Aglaopes überkam, als er einen vom Leib getrennten Kopf aus der Villa Tiberia den Mons Esquilinus hinab rollen sah. Ich muss dir gestehen, Großonkel, ich war noch nie in meinem Leben so in Sorge - und mehr noch in purer Angst. Denn noch nie in meinem Leben sah ich meine mir so teuren Kinder in einer derartig großen Gefahr. Es ist dies eine Erfahrung, die ich keinem Vater und keiner Mutter je wünsche.
Mit diesem Erlebnis im Rücken möchte ich dich abschließend um einen Gefallen bitten. Du weißt, dass ich einst mein Tribunat bei den Cohortes Urbanae absolvierte, wie du ebenso sicherlich weißt, dass ich auch in diesem Amte stets ein überzeugter Bürokrat und selten nur Soldat war. Ich habe folglich nicht die besten Beziehungen in die nicht-ritterlichen Militärränge. Gleichzeitig kann ich nach den aktuellen Geschehnissen das Leben meiner Kinder nicht länger einem unfreien Custos Corporis anvertrauen, da man munkelt, dass all diese unsäglichen Vorgänge hier auf das Konto eben einiger solcher Sklaven gehen. Licinus, kennst du womöglich über deine Kontakte im Militär jemanden hier in Roma, dem du genug vertraust, die Sicherheit von Marcus Minor und Faustina sicherzustellen?
Ich verbleibe mit den besten Grüßen aus der Urbs Aeterna und wünsche dir den Segen der unsterblichen Götter! Möge Mars über dich wachen. Vale bene!