Beiträge von Prudentia Aquilia

    Mit Aquilia war es stets das gleiche Spiel. Sie mochte wohlerzogen, ordentlich und fleißig sein, doch an Pünktlichkeit und an dem Gefühl für Zeit mangelte es ihr grundlegend. So kam es, dass sie des Abends erst auf ihr ZImmer hochgegangen war. Das Haar war zerzaust, die Wangen gerötet und leicht mit dunklem Straßenstaub überzogen. Nicht sehr edel. Während sie allerdings so am Fenster stand, erschien hinter ihr ein Sklave und machte sie auf das Familienessen aufmerksam, dass stattfand und erschreckte sie ein wenig damit. Das Haus war so groß und leer, dass sie der neuen Prudentia noch nicht über den Weg gelaufen war, denn nach draußen führte dieser ohnehin immer über den Balkon. So ging sie etwas verwirrt über das 'Familienessen' in Richtung Triclinium. Es kam zwar bisher vor, dass sie im kleinen Kreis aßen, aber das wurde meistens schon entschieden vorher beschlossen, da Prudentius Balbus viel mit seiner Arbeit zu tun hatte. Also kam es meistens so, dass jeder für sich aß und die Gespräche untereinander etwas gesonders gehalten wurde. Wenn die Zeit ihrer beiden Verwandten es überhaupt zuließ, wenngleich sie beide immer bemüht waren.
    So also, nichtsahnend, trat sie in das Speisezimmer mit leicht verschmutzten, geröteten Wangen, schlichter, staubiger Tunika und wirrem Haar. Man hätte sie für eine schwer ackernder Sklavin halten können. Sie hatte sich keine Zeit zum Waschen genommen, denn vor Commodus und Balbus hatte sie sich immer noch relativ jungenhaft benehmen dürfen. So halt, wie sie war. Dann aber wanderte ihr Blick zu der fremden Person und auch, wenn sie es nicht böse oder abwertend meinte, so zogen sich doch ihre Augenbrauen zusammen, um danach in die Höhe zu wandern.
    >Salve. Ich hoffe, ich komme nicht allzu sehr zu spät.< grüßte sie dennoch mit ihrer gewohnt frischen und freundlichen Art, nickte der jungen Unbekannten zu und setzte sich, sittlich wie es war, in einen Korbsessel. Hier war sie nicht sehr männlich, auch wenn sie den Unterschied nicht recht kannte. Sie setzte sich aus anderem Grund in den Korbsessel, als es Römerinnen häufig taten: Sie fand es zum Essen einfach viel bequemer und so fiel ihr nur die Hälfte des Essens runter. Als sie saß warf sie noch ein höfliches Lächeln in die Runde, ihres schmutigen Auftretens noch gar nicht gewahr geworden. Und, ebenso typisch für ihr unbekümmertes und wohl noch naives Gemüt, vergaß sie sich vorzustellen.

    Sie konnte nicht vermeiden dass sich ihre linke Augenbraue um ein leichtes Maß anhob, während sie seine Worte genauer in Augenschein nahm. Sie kannte nicht die Gegend, die zwischen Rom und der Colonia Agrippina lag und wusste nicht, was für einen Transport vonnöten war. Aber sie sollte einen solchen organisieren. Nach kurzer Verzögerung erhob sich auch die zweite Augenbraue um ein kleines Stück. Erst als sie ihrer Mimik gewahr wurde, glätteten sich ihre Gesichtszüge wieder und sie versuchte sich in Überzeugung.
    >Aber... Dir ist doch sicher bewusst, dass ich nicht den leisesten Hauch einer Ahnung habe, wie man das macht, oder? Ich meine, ich kann die Leute auf den Wagen zusammenhalten und für das Wohl des Viehs sorgen, wenn ich dabei bin. Aber wie soll ich das Ganze von hier aus steuern?< Dieses Mal beließ sie es bei einer sinnvollen und knappen Äußerung ihrer Gedanken und legte das große Fragezeichen eher in ihren hilflosen Blick.

    Wieder trat eine unkontrollierte Reaktion auf, denn sie hob ihre Hand und begann, sich am Hiinterkopf zu kratzen, blieb dabei aber in leicht seitlicher Lage noch am Ohr orientiert. Was er da für sie vorgesehen hatte, schien in dem Maße, welches ihr bewusst war, äußerst verantwortungsvoll zu sein. Und noch dazu zeitraubend und weitläufig. Ist doch hervorragend! - ging es ihr durch den Kopf. Somit würde sie einen sinnvollen Zeitvertreib haben. Und mit dieser Arbeit hätte sie vielleicht sogar die Möglichkeit, sich diversen gesellschaftlichen Veranstaltungen fernzuhallten, zu denen Commodus sicher geladen würde. Immerhin wurde er in ein neues, sehr ehrenhaftes Amt berufen - Consul. Sogar den Namen hatte sie sich dieses Mal merken können, ohne dabei aber den wirklichen Status und seine Aufgaben zu kennen.
    >Um welche handelt es sich denn? Welcher Zeitaufwand ist erforderlich?< Für Jemanden, der ihre Abneigung gegenüber den gutbürgerlichen Gepflogenheiten kannte, wo Commodus zweifelsohne drunter fiel, war zu deutlich die Frage 'Rettet die Arbeit mich vor der totalen Romanisierung?' herauszuhören. Wenngleich sie eher dem Unterbewusstsein entsprang.

    Es war einer dieser Momente, wo sie kurz nachdenken musste, wie sie zu reagieren hatte. Sie hatte schon immer etwas mehr über ihr Handeln nachgedacht, als es in raschen Situationen vonnöten war, doch seit von ihrem Benehmen sogar etwas mehr als ein Lachen oder Weinen des Gesprächspartners abhängig war, handelte sie kaum noch intuitiv. Und so kam sie jetzt zu dem Schluss, dass ein übertriebener Freudeschrei nicht angemessen war, aber ein bescheidenes Nicken nicht genug der Dankbarkeit ausdrückte. Doh wo lag das Mittelmaß?
    >Oh! Wirklich? Was denn?< antwortete sie letztlich, wobei sie ihren Ausstoß beinahe theatralisch empfand. Aber vielleicht merkte ihr Gegenüber ja nichts davon. Zumindest die Freude, die sich in ihrem Gesicht abzeichnete, zeigte Freude. Ihre Gesichtszüge hatte sie ohnehin noch nie besonders gut kontrollieren können.

    Als sie ihr Lächeln beinahe maskenhaft aufrechterhalten hatte, nahm sie die Aufforderung zum Platznehmen wahr und folgte dieser auch gleich, ihre Gesichtszüge normalisierend. Sie strich ihre feine Tunika glatt, die hoffentlich nicht im Geringsten unter ihren Übungen gelitten hatte und schenkte dann ihre volle Aufmerksamkeit dem geliebten Verwandten.
    >Ja genau. Ich möchte dir damit ja wirklich nicht in den Ohren liegen, aber so interessant die Stadt auch sein mag, so langweilig wird sie auch über einen längeren Zeitraum. Weißt du, ich weiß kaum mehr wie ich mir die Tage vertreiben soll, wenn ich nicht langsam etwas... Mh. Nunja.< beendete sie ihren Redeschwall mehr oder weniger abrupt, als sie bemerkte, dass sie etwas mehr als nötig redete. Aber in ihr war das Bedürfnis aufgekommen, zu rechtfertigen warum sie ihn so oft darauf ansprach. Wie oft sie das allerdings getan hatte, war ihr selber nicht bewusst. Zwar machten die wärmer werdenden Tage viele Menschen träge und auch Aquilia hatte etwas von ihrem Bewegungsdrang eingebüßt, doch im Großen und Ganzen gesehen wurde es ihr schon nach kurzer Zeit des Nachdenkens langweilig. Früher hatte sie immer etwas zu tun gehabt. Sie hatte ihren Vater beim Handel unterstützt, war mit den einheimischen Jungen und Mädchen durch die Gegend getollt oder hatte den Haushalt besorgt. Doch hier wurde ihr jegliche Arbeit abgenommen oder verboten. Vielleicht kämen ihr die fragwürdigen Aktionen gar nicht in den Sinn, wenn sie mehr Beschäftigung hätte. In Gedanken über diese hervorragende Argumentation frohlockend, wartete sie nur auf den Zeitpunkt sie vorzubringen.

    Als sie vor der Tür stehen blieb, atmete sie noch einmal tief durch. Um ihre Fassung bemüht blickte sie starr auf den Boden, während der leicht rötliche Hauch auf ihren Wangen nicht abnahm. Es war wieder ihr ganz gewöhnliches Glück gewesen, was sie von einer unglücklichen Situation in die nächste gestürzt hatte. Prudentia hatte nicht daran gedacht, dass Commodus vielleicht in seinem Officium sitzen könnte und hatte wieder eine ihrer Turnübungen auf der Überdachung verübt. Genauer gesagt, hatte sie sich auf das Geländer gesetzt und sich nach hinten gelehnt, um mehr oder weniger kopfüber zu hängen. Der Winkel bei den Knien stellte indes ihren einzigen Halt dar. Dieser wäre allerdings beinahe dahin gewesen, als sie die Stimme des Sklaven hörte, der wohl etwas irritiert nach ihrem Namen fragte.
    Allerdings hatte sie sich galant wieder auf das Geländer gesetzt und mit vor Anstrengung errötetem Kopf nach dem Urheber dieser Störung zu sehen. Als dieser ausrichten ließ, dass ihr Onkel sie im nebenan befindlichen Officium erwartete, wurden ihre Wangen durch Verlegenheit eingefärbt. Sie war wirklich unachtsam gewesen und Gefahr gelaufen, erwischt zu werden. Dass ihre Übungen insgesamt nicht ungefährlich waren, ließ sie dabei außer Acht.
    Und nun stand sie also da und wartete auf etwas Unbestimmtes. Vielleicht, dass sich ihr Herzschlag wieder normalisierte. Dann allerdings unterbrach sie sämtliche Verzögerung und trat direkt in das Officium von Commodus ein. Mit einem gezierten Lächeln, wie es ihr zueigen war, sah sie ihm entgegen. Der ungewollte, aber wahrlich ehrliche Liebreiz lag wieder in ihren zierlichen Zügen.
    >Du hast mich hergebeten?< begann sie beinahe wie ein Fremder, der von seinem Arbeitgeber hergerufen wurde.

    Sie genoss einfach die warmen Sonnenstrahlen, die ihr zartes Haupt sacht einhüllten. Die Strahlen umgossen sie beinahe wie Wasser. Wie jenes Wasser nahe Bonnas. Dort war ein kleiner See, in welchem sie während heißer Sommernächte gerne ihre kleinen Runden schwamm. Schwimmen konnte sie ziemlich gut und sie tat es auch gerne. Hier in Rom fehlte ihr die gesamte Unbeschwertheit. Bei jedem Schritt, den sie tat, musste sie auf eine vernünftige Haltung achten und auch darauf, dass ihr der lästige Stoff nicht verrutschte. Immer fühlte sie sich beobachtet und zu ihren geliebten kleinen Schandtaten ließ sie sich überhaupt nicht mehr verleiten. Nur innerhalb der eigenen vier Wände, doch außerhalb konnte jedes Handeln eine Folge nach sich ziehen. Und Folgen musste sie ihres Onkels zuliebe auf jeden Fall vermeiden. Sollte sie zumindest. Aber wollte sie das?
    Das Funkeln ihrer Augen war fast verräterisch, als sie diese wieder aufschlug. Vielleicht konnte sie ja einfach wieder zu ihren alten Gewohnheiten zurückfinden. Der Schabernack musste ja nur ein winzig kleiner sein und wenn sie sich nun nicht erwischen ließ? Sicherlich, das war leichter gesagt, als getan. Aber wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Sie war nun einmal keine 'echte' Römerin und wurde auch niemals als solche erzogen. Wer hatte sie schon Benehmen gelehrt? Und ein Kind war sie gewissermaßen ja auch noch. Niemand hatte ihr genaue Richtlinien vorgeschrieben, also musste sie sich auch an keine halten. Gut, vielleicht war ihr Verhalten gerade deshalb falsch, weil sie sich dessen bewusst war. Aber sollte sie erwischt werden, wusste diese Person wiederum nicht, dass sie bewusst Schindluder trieb. Ach, warum dachte sie überhaupt solange über Recht und Unrecht nach. Das hatte sie doch früher auch nicht getan. Sie wandte sich vom schönen Anblick des blauen Himmels ab und ging grinsend wieder zurück in ihr Zimmer.
    Dort öffnete sie mit einer flüssigen Bewegung ihre Kleidertruhe und nahm gleich die oben aufliegende, weiße Tunika heraus. Das Nachtgewand war schnell ausgezogen und das Untergewand übergestreift. Eine rasche Katzenwäsche an der Wasserschale und schon konnte es in die frische Tunika gehen. Ihr Haar bürstete sie grob durch, doch die wilde Lockenpracht war ohnehin kaum zu bändigen. Sie griff sich ein rotes Band und hielt es mit den Zähnen fest, während sie mit ihren Händen die Haare nach hinten legte und sie mühselig fest hielt. In dieser Masse war es gar nicht so einfach. Die Schleife war dann allerdings wieder leichter gebunden, da sie erst einmal das Band mehrmals um das gehaltene Haar wickelte und dann erleichtert loslassen konnte. Schminken? Das tat Aquilia nie allein und wenn sie um Hilfe ersuchte, dann nur zu ganz besonderen Anlässen. Eine Strähne hatte sich allerdings wieder aus seiner Bändigung gelöst und fiel ihr wieder, sich ringelnd, ins Gesicht. Sie nahm es schulternzuckend zur Kenntnis. Das sollte ihr jetzt auch egal sein. Sie selbst war sich auch gar nicht bewusst, dass ihr zurückgebundenes Haar das zierliche Gesicht stark betonte und die Strähne, neckisch wie sie da hing, ihr ein sehr frisches und junges Aussehen gab. Eingeübt griff sie nach einem Goldreif, streifte ihn sich übers Handgelenk und eilte aus dem Zimmer hinaus. Hier würde sie direkt mit ihrem Schabernack beginnen.
    Sie setzte einen Fuß voran um auf das Geländer zu kommen und zog ihr anderes Bein samt Körper hinterher. Als sie dann zum Sitzen gab, blickte sie sich achtsam um, ob ihr auch niemand heimlich zusah. Vor Allem die Nachbarn würden sich gewiss mit Freuden das Maul zerreißen. Ihr selbst war das zwar herzlich egal, aber sie musste Commodus ja nicht noch zusätzlich belasten. Sie drehte sich herum, bis sie Kniete und suchte mit einem Fuß sacht die kleine Nische in der Mauer. Hierin stützte sie sich ab und ließ ihren Körper sacht hinab gleiten. Nun kam der schwierigere Part. Mit dem anderen Fuß suchte sie angestrengt die Säule und als sie diese hatte, ließ sie sich los. Kurz fiel sie haltlos hinab, ehe sie mit der Gewandtheit einer Katze die Säule mit Beinen und Armen umklammerte und sacht daran hinabkletterte. Unten angekommen klopfte sie sich den Schmutz von Tunika und Händen und stahl sich aus dem Hof hinaus - in Richtung Abenteuer. Eines würde sich sicherlich auftreiben lassen.

    Prolog: Es war wahrlich kein besonderer Tag. Ich bin am Morgen aufgewacht und etwas liegen geblieben. Ich verspürte keinen Hunger, nur Sehnsucht nach meinem guten, alten Bonna. Jenen Ort, an welchem ich meinen Vater - die Götter haben ihn seelig - zurückgelassen habe. Und so hing ich meinen Gedanken nach. Wie mochte das Wetter wohl in Germanien sein? Diese Umstellung war einfach ungewohnt für mich und warf so ziemlich mein gesamtes Weltbild durcheinander. Aber jetzt dürfte ungefähr der Schnee tauen, wenn nicht gar die Blümchen ihre bunten Köpfe zur Sonne streckten...


    Ein Sonnenstrahl war es leider nicht, welcher Aquilia weckte. Das Schlafzimmer, welches vom Wohnzimmer getrennt war, hatte kein Fenster und war eigentlich mitten im Haus. Dafür war das Wohnzimmer vom Sonnenlicht durchflutet. Und daran dachte sie auch, als sie die Beine über den Bettrand schwang und sich elegant auf die Beine stellte. Sie konnte morgens immer sehr gut aufstehen und war schnell auf den Beinen. Und in den seltensten Fällen war sie noch müde. Das war noch nicht immer so gewesen. Als sie unbequem nächtigte und noch arbeiten musste, hatte sie meistens sehr schlecht geschlafen und war dementsprechend gelaunt. Sie ahnte noch nicht, dass es auch in Rom zu unschönen Nächten kommen würde, wenn sie wie wild im Bett um sich strampelte, nur um eine kühle Lage in der Hitze zu finden. Nein, noch kannte sie die Hölle, welche Vinicius ihr schon prophezeite, nicht. Sie strich das dünne Nachtgewand glatt und drehte sich einmal um sich selbst. Es war einer jener Tage, an welchen sie sich ungemein wohl fühlte. Mit einem fröhlichen Lächeln legte sie ihre Decke ordentlich zusammen, schüttelte das Kissen grob und entschwand dem dunklen Schlafzimmer mit fliegendem Schritt, um ins normale Wohnzimmer zu fliegen.
    Strahlender Sonnenschein empfing sie, welcher sich durch das Öffnen ihrer Tür nur noch verstärkte. Nur ihr eigenes Strahlen vermochte das der Sonne vielleicht noch zu schlagen. Sie ging mit leichten Schritten aus ihrem Zimmer hinaus und lehnte sich an die Brüstung des Überganges. Commodus hatte ihr ein wundervolles Zimmer ausgesucht. Kaum nämlich, dass sie ihr Zimmer verließ, fand sie sich der freien Luft ausgesetzt. Ihr Zimmer lag etwas abgelegen und man musste ein paar Schritte draußen tun, um hierher zu gelangen. War sie ganz abenteuerlustig - und das war das junge Mädchen für gewöhnlich, kletterte sie sogar am Balkon hinab. Vorher musste sie natürlich alle Seiten absichern, um sicherzustellen, dass Commodus sie nicht beobachtete. Er wäre sicher nicht angetan davon, aber sie war sich sicher: Wenn er sie mal erwischte, würde er sie lediglich amüsiert anschmunzeln. Sie machte ihm ja nie Ärger, der wirklich schädlich war. Weder ihrer Gesundheit, noch dem familiären Ruf, der ja noch recht gut war.
    Sie schloss, so an die Brüstung gelehnt, genießerisch die Augen und sog die Luft tief ein. Grundsätzlich war sie in Rom wirklich schrecklich, aber unter ihr befand sich Garten und dieser ließ sie aufatmen. In Germanien war die Luft eigentlich immer gut gewesen, wenn sie sich nicht gerade auf einer Kuhweide befand. Aber selbst den Duft der Kühe vermisste sie mittlerweile. Sie würde Commodus bald einmal fragen, ob sie nicht eine kleine Reise durch das hiesige Land machen durfte. Solange diese Reise nicht auf einem Pferd stattfand. Sie hatte Scheu vor Pferden, diese großen Dinger waren ihr noch nie geheuer gewesen. Länger als fünf Minuten hatte sie noch keines dieser Tiere getragen.

    Für gewöhnlich hätte Aquilia nun eine verlegene Miene gezogen, denn ihre Frage schien ziemlich töricht zu sein. Aber als dieser Vinicier lachte, gab es ihr nicht das Gefühl, als sei es ein spöttisches Lachen. Vielmehr fühlte sie sich freundlich angelacht ob ihrer optimistischen Gedanken. So also zeigte sie nur ein ebenfalls amüsiertes Lächeln, als sie ihm antwortete.
    >In der Tat habe ich noch keinen Sommer in Rom erlebt. Aber ich denke ich werde keine große Wahl haben und ihn mir antun müssen. Auch wenn mir viel an deinem Rat liegt, Vinicius.< Welcher Vinicius das auch immer war, sie hatte sich seinen Cognomen nicht merken können. Oder besser: War das jetzt Lucianus oder Hungaricus, gar Quarto? Sie war schon stolz darauf, dass sie sich alle Namen gemerkt hatte, denn Prudentia musste sich bislang fast nur germanische Namen merken. Dass sie auch noch jeden Namen einem Gesicht zuordnen können sollte, schien ihr fast zuviel.
    >Aber vielleicht habe ich dadurch ja sogar einen Lerneffekt. Man muss ja schließlich alles mal erlebt haben, bislang warens nur die warmen Sommernächte in Germanien. Warst Du schon einmal dort?< erkundigte sie sich. Sie empfand ihren Gegenüber als angenehmen Gesprächspartner, zumindest bis jetzt. Und bevor sich Stille über die Gesellschaft legte, versuchte sie ein wenig zu sprechen. Sie wusste, dass Frauen in Rom angesehener waren, wenn sie schwiegen, doch sie selbst, als Aquilia, hatte kein Problem damit, ein wenig zu sprechen. Insgesamt war sie eher verschwiegen und sprach nicht gern, aber hier konnte sie zuliebe ihres Onkels einmal den Mund aufmachen.

    War Prudentia erschreckend ehrlich, so musste sie gestehen, dass sie das Bank zum Sterben langweilig fand. Mit ihren Gedanken war sie jedenfalls schon sehr bald woanders, auch, wenn sie sich immer wieder bemühte, sich auf die Gespräche zu konzentrieren. Sie fragte sich immer wieder, warum sich Iulius noch nicht bei ihr gemeldet hatte. Zugegebenermaßen schien er, als Tribun, was wohl irgendein militärisches Amt war, weit weg zu wohnen. Doch wo Mantua lag, wusste Aquilia nicht im Mindesten. Und doch war es enttäuschend, dass sie von ihm noch gar nichts gehört hatte, denn sie hatten viel Spaß gehabt. Gut, es war wirklich noch nicht unbedingt Zeit gewesen, um sich zu melden. Rational betrachtet, hätte er sich höchstens am selben Abend melden können und das wohl nur, wenn er auch gewusst hätte, wo die Casa Prudentia lag.
    Sie erhob ihren Kopf wieder aus den Gedanken, als der weitere Gang aufgetragen wurde. Sie hatte kaum mehr Hunger und sah auch etwas hilflos in die Runde. Sie hatte den Gesprächsfaden vollkommen verloren und auch den Bezug zu den Leuten, die hier saßen. Schweigend und sehr zaghaft kümmerte sie sich um das aufgetischte Essen. Einmal sah sie um sich, aber allgemein schien dieses bedrückte Schweigen zu herrschen. Nur dieses komische Mädchen machte eine Bemerkung, die Aquilia sehr widerstrebte. Sie erkannte so etwas immer sehr schnell und sie mochte es nicht. Sie sagte selbst immer alles gerade heraus und hatte schon Schwierigkeiten, sich gut zu benehmen, wenn in ihr Gedanken brannten, die besser unausgesprochen bleiben. Frustriert blickte sie wieder angespannt auf ihr Essen, sie hatte beschlossen sich zu benehmen und auch wenn ihr geliebter Onkel mit spitzer Zunge bedacht wurde, sich zurückzuhalten. Vielleicht hatte sie den Blick auch einfach nur missverstanden.
    >Also mir schmeckt das Essen auch sehr gut, Onkel.< bezeugte sie mit einem begleitenden, kräftigen Nicken. Warm lächelte sie Prudentius Commodus zu und sah dann noch einmal der Reihe nach zu Aelia Adria, Vinicius Hungaricus, dessen Frau und Vinicius Lucianus, wie auch der Aelia Paulina, der sie nun nicht ganz unvoreingenommen gegenüber stand. Aber artig versuchte sie sich weiterhin gut zu benehmen.
    >Wird es hier in Rom eigentlich im Sommer auch sehr warm, wie in Germanien, oder bleibt das Wetter hier immer relativ gleich?< fragte sie recht ahnungslos in die Runde. Mochte ja angehen, dass es hier immer so wie jetzt war. Germanien war insgesamt sehr kalt, aber auch dort konnten sehr hohe Temperaturen erreicht werden, sodass die Kleidung nur so klebte.

    Darauf einigten sie sich letztlich auch. Iulius machte sich auf den Weg, um von einem Stand ein paar Früchte einzuholen, die sie später gemeinsam verzehren wollten. Prudentia hatte zwar bekundet, dass sie keinen Hunger hatte, aber später würde sich gewiss noch ein Appetit regen, der ihr das Essen ener Frucht erlaubte. Sie lehnte sich also an eine Mauer, an welcher sie auf Iulius warten wollte. Als er sich noch einmal zu ihr umwandte, lächelte sie ihm aufmunternd zu. Dann verschwand er in der Menge und sie hob den Blick wieder gen Himmel. Das würde noch eine interessante Zeit werden, hier in Roma. Aber schon jetzt vermisste sie die Umgebung ihrer eigentlich Heimat, Germanien. Der Himmel mochte der Gleiche sein, doch die Menschen und die Pflanzen waren ganz anders.
    Dann allerdings wurde Prudentia überraschend durch einen lauten Aufruf in die Wirklichkeit zurückgeholt. Sie wandte den Blick rasch in die besagte Richtung und sah, dass ein kleiner, schmutziger Junge in der Menge war und sich zu verbergen suchte. Mutig, sie stand schon immer sehr zu den Schwachen ud Dreckigen, denn sie selbst war nicht anders gewesen, bewegte sie sich in die Gegend des Geschehens und ging auf die Männer zu. Es schienen zwei zu sein, die nach dem Kind suchten. Vermutlich hatte er einen Apfel oder so etwas gestohlen und sollte nun dafür eine Abreibung kassieren, das war es doch meistens. Sie schluckte kurz, dann allerdings tippe sie einem der beiden, dem Schmalen, auf die Schulter.
    >Wenn ihr den Jungen sucht.. der ist da entlang.< wies sie, lieblich lächelnd, ihn in eine völlig falsche Richtung. Eine gute Tat am Tag sollte ausreichend sein. Mit einem leichten Strahlen in den Augen drehte sich der Mann um. Scheinbar war er davon angetan, dass sie ihm geholfen hatte. Eine junge Frau. So wie er aussah, würde er gewiss niemals jemanden finden. Er trug gute Kleidung, doch er schielte wahnsinnig und fixierte immer einen Punkt auf seiner Nase. Außerdem war ihr sein zahnloses Lächeln aufgefallen. Und das, wo er kaum älter als sie zu sein schien. Sie rümpfte kurz die Nase, froh dass auch sie nicht mit den beiden unangenehmen Zeitgenossen mehr Zeit zubringen musste. Auch hätte sie nicht gedacht, dass es so einfach war, eine Falle zu stellen. Sie zuckte die Achseln und wandte sich wieder ab, um zum Punkt zurückzugehen, wo sie sich von Iulius getrennt hatte.
    Doch wo? Sie war nicht weit gelaufen, hatte dabei aber nicht darauf geachtet, wo sie hingegangen war. Aber den Obststand konnte sie sehen und so machte sie sich in dessen Richtung auf. Als sie dort anlangte, war noch immer kein Iulius in Sicht und resigniert ließ sie ihre Arme hinab baumeln. So weit konnte er doch nicht sein? Sie ging in eine Richtung, von der sie glaubte, dass dort der Treffounkt war und sie fand ihn auch wieder. Doch auch dort kein Iulius. Kurz bevor sie in Ratlosigkeit verfiel, musste sie leise auflachen.
    >Ich Dummerchen. Vermutlich sucht er mich genau wie ich ihn suche und wir laufen fortwährend aneinander vorbei.< Sie schüttelte amüsiert den Kopf, während sie leise mit sich sprach. Den verwirrten Blick einer älteren Dame nahm sie nicht weiter wahr. Doch auch als sie weiter auf Iulius wartete, tauchte er nicht wieder auf und recht bald hatte sie ihre Geduld verloren. Geduld war nie eine besondere Tugend von Aquilia gewesen und so machte sie sich auf den langen Heimweg. Er schien sie nicht mehr zu suchen. Sollte er sein Interesse verloren haben, konnte sie nicht viel daran ändern. Und sonst wusste er ihren Namen und würde sie jederzeit besuchen kommen.
    Im Leben sah man sich immer zweimal und gerade in diesem Falle würde sie sich über Eintreffen dieser Weisheit freuen. Sie mochte den schon etwas älteren Tribunen sehr gerne. Es war ihr gleich, dass sein Haar bald vielleicht schon graue Strähnen aufweisen würde und sein Gesicht auch nicht mehr das eines Jünglings war. In jedem Falle war er ein liebenswerter Mann gewesen und sie würde sich gerne noch einmal mit ihm unterhalten.


    ~ Ende~

    ...aber vergesslich war ich schon immer.


    Hoffe bei dir wird's besser :)


    Alles Gute zum Geburtstag, Iulius, altes Haus ;)


    Happy Birthday to Numi.... (Hm klingt unmelodisch, Naja weißt ja was ich meine :P)


    Auf weitere glückliche Jahre =)

    Sie musste lächeln. Aber wieder war es nur ein Lächeln, zu einem Lachen reichte es nicht. Sicher würde sie jetzt lachen können, aber ihr war einfach nur danach, sich zu freuen. Ohne dabei lautstark oder gar albern zu erscheinen. Doch war Prudentia schon eigentlich immer eher der ruhige, anmutige Mensch gewesen, der andere Menschen meistens mit Frohsinn bezaubert. Niemand würde über sie sagen können, dass sie Emotionen groß zeigte oder dass sie eitel war. Treffend wäre wohl gesagt, dass sie recht einfach gestrickt ist und völlig unkompliziert. Sie behält ihre Gefühle gerne bei sich und ist froh, wenn sie auch dort bleiben, während andere Menschen sich wünschen dass man sie wortlos ergründet. In den meisten aller Fälle meint sie auch das, was sie sagt. So auch jetzt.
    >Ich glaube, Rom liegt mir nicht. Ich mag es ganz gerne Mal lustig, aber die meisten Menschen hier wirken vergrämt und missgelaunt.< bemerkte sie und nickte dabei zu zwei streitenden Leuten hinüber. Es interessierte nicht, worüber sie stritten, aber das brauchte es schließlich auch nicht. Sie sah zu Iulius hoch, der in diesem Moment von dem breiten Platz abschwenkte und in eine schmale Gasse ging. 'Nanu?', dachte sie.
    >Ahm... also ich habe keinen Hunger, aber du kannst dir gerne etwas holen, wenn du möchtest.< erklärte sie und zwinkerte. Es war erleichternd, dass sie sich nicht mehr durch das Gewühl durchschlagen musste.

    Palast, Senat, Tempel.. All das gab es doch auch in Germanien. Nun gut, den Senat nicht, aber würde er so anders sein? Hier war doch alles aus Steinen erbaut. Natürlich, wie sollte es auch anders sein, aber irgendwo war so doch alles sehr gleich. Etwas unentschlossen bewegte sie die möglichen Ziele in ihrem Kopf hin und her. Nachdenklich wog sie ihren Kopf hin und her.
    >Sowas wie einen Park gibt es hier nicht? Irgendwas... wo man nicht auf jedem Meter Gefahr laufen muss, jemanden anzurempeln? Einen Ort wo es etwas ruhiger ist? Das wäre ohnehin erst einmal der für mich wichtigste Punkt den es hier in Rom gibt. Dann können wir seinen Besuch doch mit meinem Rundgang verbinden - so es denn einen gibt.< gab sie bescheiden ihre Meinung, gefolgt von einem dezenten Augenaufschlag, kund. Aber Grün, so es denn dort viel grün gibt, wäre sehr erstrebenswert, denn sie konnte kein Grau mehr sehen. Und vor Allem hatte sie schon jetzt die Nase von den Märkten voll, in denen man sich lautstark unterhalten musste, wenn es denn zu einer Unterhaltung kommen sollte. Sie stellte sich kurz auf die Zehenspitzen und reckte sich, um ihrem Wunsche Ausdruck zu verleihen und sah dann, mit einem verschmitzten Lächeln, wieder zu ihm auf.

    War sie sich der Röte auf ihren Wangen bislang nicht sicher gewesen, so war sie doch nun unabdingbar. Als hätte ein Windhauch die Farbe mit sich getragen, lag sie plötzlich in ihrem Gesicht. Seine Worte ware der Auslöser hierfür. Sie hatte beinahe befürchtet, dass er ihr etwas gestehen würde. Ja, sie hatte es wahrlich befürchtet, denn sie hätte nicht gewusst, was sie daraufhin hätte sagen sollen. Oder tun. Die Option in den Erdboden zu versinken gab es ja nunmal leider nicht.
    >Mmmmh. Ja, ich finde es heute auch sehr schön. Irgendwie... irgendwie ist es heute auch recht warn.< lenkte sie rasch ab um zu vermeiden, dass sie sinnloses Zeug redete. Dass gerade das Wetter sinnlos war, bedachte sie in diesem Moment nicht einen Atemzug lang. Auch wenn es stimmte, es war hier eindeutig wärmer als in den nördlichen Provinzen.
    >Was... wollen wir denn nun machen? Weiter.. oder?< fragte sie, sich noch immer in Verlegenheit windend. Was war denn heute nur mit ihr los, fragte sie sich. Normalerweise war sie immer recht schlagfertig. Die Gefühle! Genau, sie waren daran schuld. Immerhin hatten diese sie heute völlig übermannt. Sie selbst merkte gar nicht, dass ihr Gesicht entschlossene Züge annam, während sie ihren Gedanken nachhing.

    Sie wandte sich für ihre Antwort gar nicht erst zu ihm um, sondern nickte nur. Erstaunlicherweise war dies trotz all der dicken Locken sogar gut erkennbar. Diese hoben sich nun allerdings durch ihre schmalen Handgelenke an, damit er ihr die Kette umlegen konnte. Gut, dass sie Prudentia Aquilia war, denn sonst hätte sie wohl einen anderen Ort als besser auserkoren. Noch immer befanden sie sich mitten in der Menschenmenge, doch es war ihr völlig gleich. Dann gingen sie eben nicht mit dem Strom mit, sondern bildeten eine eigene kleine Insel. Gemeinsam.
    Noch immer fühlte sie die Hitze in ihren Wangen, wenngleich sie sich auch nicht sicher war, ob diese gerötet waren. Doch des möglicherweise leicht verklärten Lächelns in ihrem Gesicht war sie sich sehr sicher. Ebenso auch dessen, dass sie sich derzeit recht wohl fühlte und sogar glücklich war. Gab es auch nur einen Grund, um nicht froh zu sein? Sie hatte wieder Familie, hatte schon einen ersten Freund in Roma gefunden und überhaupt war ihr ganz warm ums Herz. Ein leichtes Kribbeln durchlief ihren Körper, als sie seine Hände auf ihrer Haut fühlte, während er ihr die Kette umlegte. Doch kaum dass die Berührung vorbei war, ließ sie ihr Haar wieder fallen und wandte sich zu ihm um.
    >Noch einmal vielen Dank.< wiederholte sie und ergriff bei dieser Gelegenheit gleich noch seine Hand.

    Zurückhaltend lächelte sie, als er seinen Willen bezeugte. Und auch dann noch, als er sich der Auslage zuwandte. Es war ihr beinahe unangenehm, dass er sich solchen Aufwand machte, um ihr einen kleinen Moment des Glückes zu schenken. Zugleich aber rührte es sie und sie schloss ihre Handnoch etwas fester um die Seine. Mit ihrem Daumen fuhr sie sacht seinen Handrücken entlang. Dann allerdings folgte sie seinem Blick und betrachtete auch wieder all den Schmuck. Es waren wirklich schöne Geschmeide darunter und ein Großteil mochte zwar aus Germanien stammen, war aber für ein Handwerk der Germanen deutlich zu filigran.
    Als er sich dann entschied, wandte sie ihre Aufmerksamkeit wieder zuerst Iulius zu, um anschließend das Schmuckstück zu betrachten. Sie fühlte sich etwas überrumpelt. Das war nicht nur Gold oder Silber, es war ein edler Stein. Sie kannte sich mit dergleichen nicht aus, aber dass es wertvoll war, schien deutlich. Wertvoller als alles, was sie bisher hatte. Sie musste den gemeinhin bekannten Kloß im Hals wieder angestrengt herunter schlucken. Als der Preis genannt wurde, verschloss sie ihre Ohren - und das sogar erfolgreich. Sie wollte nicht wissen, wie weit er sich für sie in den Ruin stürzte.
    >Und wie es mir gefällt! Ich... bin nur etwas überrascht... Das ist ziemlich.. teuer.< erklärte sie verwundert und wieder einmal ehrlich wie eh und je.
    >Aber wenn du sagst, es passt zu mir, dann wird es das sicher. Es ist wirklich schön.< ergänzte sie leise und ließ endlich wieder ihr schüchternes Lächeln erkennen. Sie hob ihre Hand an und etwa auf die Höhe ihres Gesichtes, um sie dann langsam nach vorne gleiten zu lassen. Ein kurzes Streichen über seine Wange und rasch zog sie ihre Hand wieder zurück. Sie spürte íhre Verlegenheit ob dieser gewagten Tat und so wandte sie rasch den Blick ab.
    >Dankeschön.< sagte sie nur leise und lächelte wieder - abgewandt von ihm, da ihr die Röte in die Wangen schoss.