Beiträge von Flavia Arrecina

    Sie versuchte etwas vertrautes bei Hannibal zu finden und meinte etwas in seinen Augen zu sehen was ihr bekannt vor kam, aber sie erkannte ihn nicht, fühlte nur eine gewisse Vertrautheit. Vielleicht hätte sie das ihrem Vater sagen sollen, aber dieser war mit den vielen fremden Leuten wieder beschäftigt, so dass sie alleine fast mit Hannibal da saß. Sie hatte den Sinn dieses Festes nicht wirklich verstanden, aber das musste sie auch nicht. Verwundert blickte sie Hannibal an, als dieser von einem Geschenk sprach und einen kleinen Korb bringen ließ. Kindliche Neugier stieg in dem jungen Mädchen auf, auch wenn sie ein wenig Angst hatte. Ihre Augen wurden einen Moment größer als sie den kleinen Welpen erblickte der, als würde er sie kennen, sofort auf ihren Schoß purzelte und seine Schnauze ihr entgegenstreckte. Was hätte sie auch anderes machen sollen, ausser den kleinen in ihre Arme zu schließen. Das erste mal seit dem sie hier war konnte man ein Lächeln auf ihren Lippen erkennen und ihre Finger strichen über das Fell des kleinen Knäuls. „Danke er ist süß,“ sagte sie leise und immer noch in einer nie dagewesenen zurückhaltenden Art die keiner von ihr kannte.


    Ihr Gesicht wurde wohl nur überraschter als ein weiterer Mann mit einem kleinen Beutelchen ankam. Er hatte ihn ihr gegeben und sie schaute den Mann einen Moment lang an und konnte bei ihm aber nichts vertrautes sehen wie bei Hannibal. Es machte sie irgendwann noch irre, das wusste sie. Irgendwann würde sie durchdrehen wenn sie nicht endlich wieder ihr Gedächtnis wieder hätte. Wie lange konnte ein Mensch denn das aushalten? Sicher keine Ewigkeit. „Ich danke auch dir. Bona Saturnalia,“ flüsterte sie auch hier und begann, eine Hand auf dem Rücken des kleinen Argos liegen, das Beutelchen zu öffnen und die wundervollen Schmuckstücke zu Tage zu bringen. Sie waren wundervoll und welches Mädchen hätte sich nicht über sie gefreut. „Vielen Dank,“ kam es noch einmal flüsternd über ihre Lippen.


    Nun war es wieder ihr kleiner Bruder, der ihr so fremd wie alle anderen war, der sie ansprach und sie aus ihren gedanken riss. „Ich weiß nicht was es für einer ist, aber er ist süß, ich denke das ist die Hauptsache und er scheint ein ganz lieber zu sein.“ Wieder dieses leichte Lächeln auf ihren Lippen.


    Doch irgendwann glitt ihr Blick trotz der vielen Ablenkungen wieder zu der Person der sie hier wohl am meisten vertraute auch wenn es für alle Anwesenden niemals nachvollziehbar sein würde. Sie schaute wieder Rutger an und verfing sich in seinen Blicken. Ihre Augen sprachen mit ihm, denn im großen und ganzen war sie meilenweit von ihm entfernt. Ihr Herz brannte danach endlich mit ihm alleine zu sein, ihm Fragen zu stellen und auch endlich zu umarmen. Es war eine scherzende Sehnsucht die das junge Mädchen in sich spürte und immer noch dieser Hilferuf, dass man sie doch hier erlöste und endlich fort von dieser grotesken Vorstellung brachte.


    Die fremde Frau, Flavia Leontia, riss sie förmlich mit ihren Gedanken von Rutger weg und Arrecina schaute sie etwas abwesend an. Nichte? Sie war ihre Tante? Langsam wurden die ganzen Begegnungen für das Mädchen immer schlimmer und sie musste ihre Augen einen Moment schließen, würde sie doch sonst gleich wirklich anfangen zu schreien. „Bona Saturnalia…..Tante,“ versuchte sie das Spiel aller mitzuspielen und nahm das Geschenk von ihr entgegen und reichte ihr dafür den kleinen Argos. „Er heißt Argos,“ sagte sie und hob den kleinen Welpen ihr entgegen. Langsam öffnete Arrecina dann die Schatulle und beförderte einen wunderschönen Elfenbeinkamm zu Tage. Ihre Augen strahlten dabei auch wenn sie die Traurigkeit nicht überspielen konnte. „Danke Tante er ist wunderschön, danke.“


    Dieses Spiel strengte sie immer mehr und mehr an. Es schien ja nicht jeder zu wissen was mit ihr los war und das machte sie immer fertiger. Wieder ging ihr Blick zu Rutger und was würde sie nicht jetzt dafür geben den Platz zu tauschen und sich neben ihn zu setzen. Den kleinen Wirbel um den komischen Vogel hatte sie gar nicht wirklich mitbekommen hing sie doch so sehr in ihren Gedanken fest.

    Erschrocken sah sie auf die zerbrochenen Teile auf dem Boden und dann das entsetzte Gesicht dieser Frau an. Ihr Herz überschlug sich wie auch ihre Gedanken und sie wusste nicht was besser war, zu warten oder wegzurennen. Wie erstarrt sah sie nach unten, sah was diese Frau machte, sah das Blut welches zwischen ihren Fingern hervorquoll und wie sie sich mit den kleinen Scherben durch das Gesicht fuhr. Eindeutig war sie verrückt und das was Lavinia sehen musste war ein einziger Alptraum der kein Ende nehmen wollte. Ihr blieb fast die Luft zum atmen weg, als würde diese Frau sich allem bemächtigen.


    Lavinia stolperte noch einige Schritte nach hinten und berührte fast die Wand die drohend ihre Finger nach ihr ausstreckte und warf dann den Kopf auf die Seite weil sie erwartete, dass die Türen auffflogen und irgendwer, wer auch immer, reinstürmen würde um sie zu fassen. "Nein," flüsterte sie wieder, sah Olivia an und wich ihren Händen aus die nach ihr greifen wollten. Es kam ihr aber auch ganz kurz in den Sinn, dass Olivia ihr nichts tun wollte oder würde, doch sie wollte es nicht auf die Spitze treiben und ihr Glück rausfordern.


    So schnell sie es schaffte wirbelte sie herum und rannte auf die Tür zu immer noch mit dem Gefühl, dass dort etwas lauern musste, doch schnell hatte sie diese geöffnet und rannte in den Gang hinaus. Sie kannte sich nicht aus und wusste auch den Weg nicht mehr der zu dem Zimmer von Rutger führte also wandte sie sich einfach nach rechts und hoffte nicht in eine Falle zu laufen oder irgendwem zu begegnen. Ihre Füße taten einen schnellen Schritt nach dem anderen aber diese Gände schienen nie ein Ende nehmen zu wollen.

    Sie musste ihr Herz unter Kontrolle bringen bevor es zersprang, aber das war nicht leicht denn mittlerweile hatte sie Angst vor dieser Frau. Sie war dem Wahnsinn verfallen ein anderes Wort hatte sie nicht für diese Frau, sie war wahnsinnig und verlangte von ihr Dinge die sie nicht machen konnte. Lavinia war zwar auf den Kopf gefallen aber daran würde sie sich bestimmt erinnern können wenn sie ein Medium war. Immer mehr wich sie vor dieser Frau zurück deren Worte in ihrem Kopf schallten und sich tief in sie bohrten. Ihre Stimme war in ihren Ohren so schneidend, als würden sie versuchen jede Sehne in ihrem Körper zu durchtrennen.
    “Du verstehst nicht. Ich kann das nicht und was du da vor hast kann nicht gehen und es ist einfach nur Wahnsinn. Riesiger Wahnsinn!“
    Lavinia wagte es nicht ihre Hand zu ergreifen und zog sie zu ihrer Brust zurück, Hauptsache nicht anfassen.


    Ihr Blick fiel auf diese Flöte und sie wollte sie nicht sehen, wollte auch diese Frau und dieses Haus nicht mehr sehen. Es begann sich in ihrem Kopf zu drehen, immer schneller und schneller und Schmerzen brachen durch eine Wand aus Nebel. “NEIN!“ schrie sie und schlug nach der Hand der Frau in der sie die Flöte hatte, dann packte sie diese Flöte und schmiß sie auf den Boden wo es ein lautes klirrendes Geräusch gab. “Lass mich zufrieden!“ Arrecina ließ es nicht zu, dass sie ihre Hand zu fassen bekam und ging noch einen Schritt nach hinten.

    Er war stur, das hatte sie schon bemerkt, auch wenn sie sich nicht erinnerte. Er war stur und verschloss sich vor der Wahrheit. War Rutger denn nichts wert nur weil er ein Sklave war? Er hatte ihr doch das Leben gerettet, ohne ihn hätte sie nicht überleben können und ausserdem war da noch so viel mehr. Sie wusste es und sie wollte ihn so viele Dinge Fragen, die nur Rutger wissen konnte und ganz sicher wollte sie niemanden bei sich haben. Sie musste Rutger einfach noch vieles sagen und wollte vieles wissen, warum vertraute ihr Vater ihr nicht? Was sollte geschehen wenn sie beide zusammen in einem abgeschlossenen Raum waren wo keiner raus konnte? Immer noch versuchte sie ihn mit ihren Blicken zu überzeugen aber sie sah, dass sie wenig erreichen würde, was sie trauriger stimmte als sie schon war.


    “Am liebsten wäre mir noch heute Vater. Vertrau mir doch bitte einfach. Ich glaube er ist der einzige der mir meine Fragen beantworten kann,“ sagte sie leise und etwas resegnierend. “Ich werde es versuchen Vater und werde neben dir bleiben.“ Arrecina ließ sich ihre Tränen trocknen und hielt neue zurück, denn sie spürte wie mehr kommen wollten, viel mehr, aber sie wollte nicht das schwache Mädchen vor ihm sein. Wenn sie eines genau wusste dann, dass sie sich verändert hatte, auch wenn sie keine Ahnung hatte wie sie früher gewesen war. Mit ziemlich schlimmen Herzklopfen ließ sie sich nach oben ziehen und dann zu den anderen führen. Bildete sie es sich ein oder spürte sie wirklich die Blicke auf sich? Fest hielt sie seine Hand oder umgekehrt, aber auch jeden Fall klammerte sie sich schon fast an seine Hand. Keines der Gesichter war ihr wirklich bekannt. Sicher hatte sie welche davon heute schon gesehen aber das Vertraute fehlte ihr und das machte ihr Angst.


    Dem einzigen dem sie vertraute war der Sklave den sie kurz anblickte, Rutger! Sie warf ihm einen fast flehenden Blick zu, wie als würde sie sagen befreie mich hiervon, mache das wahr was du gesagt hast und dann musste sie ihren Blick auch schon wieder abwenden und setzte sich auf den Platz den ihr Vater ihr zuwies. Vorsichtig faltete sie ihre Hände in ihrem Schoß zusammen und besah sich den Mann, den er ihr vorstellte. “Freut mich dich kennen zu lernen,“ sagte sie auch wenn es sich dämlich anhören mochte. Entschuldigend blickte sie Hannibal an.

    Mit großen Augen hatte sie zwischen der Sklavin und der Herrin hin und her geblickt und nur gehofft, dass sie die Strafe fallen lassen würde, denn es war doch wirklich nicht mehr als nur ein kleines Missgeschick was auch der Hausherrin passieren könnte, nein eigentlich jedem und sie dann bestrafen war ja dann etwas viel. Doch zu ihrer Überraschung lenkte sie doch recht schnell ein und sie lächelte Olivia an und blickte dann sogleich auch wieder zu der älteren Frau. Sie mochte es nicht so von ihr angesprochen zu werden, aber sie wagte es auch nicht sich dagegen aufzulehnen. Etwas hatte diese Frau an sich was ihr Respekt vor ihr einflösste.


    „Ich bin was?“ Wieder musste sie aufpassen, dass sie den Wein nicht fallen ließ und stellte den Kelch wieder auf dem Tisch ab ohne davon getrunken zu haben. Ihre Worte wollten nicht wirklich zu ihr durchdringen und es klang einfach unglaublich. Sie war doch kein Medium, sie war doch nur ein junges Mädchen. Verdammt warum konnte sie sich nicht mehr erinnern? Sie hatte eine fürchterliche Gänsehaut auf den Armen und langsam schlich sie höher und höher bis sie sich in ihrem Nacken ausbreitete und ihre Härchen aufstellen ließ. „Ich bin niemals ein Medium. Du verwechselst mich sicher mit jemanden, aber ich bin die falsche,“ flüsterte sie.


    Sie musste einfach verrückt sein, ja genau. Lavinia sah die alte Frau an. Sie erlaubte sich doch bestimmt nur einen Scherz, aber dafür sah sie auch wieder viel zu ernst aus. Sie versuchte den Worten zu folgen, aber ihr Kopf schien bald zerspringen zu wollen und sie wusste nicht wie lange sie das noch aushalten würde, hier zu sitzen und sich das alles anzuhören. Das Blut rauschte in ihren Ohren und einen Moment versank sie förmlich in diesem Geräusch. Der Hund allerdings holte sie wieder in das schreckliche Hier zurück und sie schreckte zusammen. Einige Haarsträhnen flatterten in dem Wind der hineindrang und sie spürte wie ihr sogar einige Regentropfen ins Gesicht stoben und dann, dann erstarrte sie zu einer Salzsäule, als sie die Worte, so leise und doch so laut, von Olivia vernahm. Arrecinas Gesicht erstarrte und sie sah sie aus erschrockenen Augen an und der inner Drang wegzurennen war groß. Tot? Er war tot, sie sollte ein Medium sein, bei den Göttern sie musste hier weg. Wo waren sie gelandet, was war mit Rutger?


    Ihr Herz schlug immer schneller und schneller und als dann noch die Geräusche und dann der Schrei oder die Schreie lauter wurden kamen ihr fast die Tränen vor Panik. Alles ging wieder viel zu schnell, sie wollte weg und doch saß sie noch auf dem Stuhl und blickte auf einmal diese knochige Hand an, als wäre die Frau selber schon von den Toten auferstanden. „Nein, nein, nein…….Du bist des Wahnsinns,“ flüsterte sie und stand mit einem Ruck auf, dass der Stuhl auf dem sie gesessen hatte nach hinten fiel und sie einen Schritt auf die Seite tat. Hauptsache sie konnte genügend Abstand zwischen sie und die Frau bringen. Die Regentropfen die sie abbekommen hatte liefen ihr an der Seite ihres zarten Gesichtes hinab als würde sie weinen.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    „Cinilla, Sonnenschein, das macht doch nichts. Du mußt nichts tun, um mir zu gefallen damit. Die Menschen dort drin sind Deine Familie, Arrecina. Sie werden Dich nicht bedrängen oder Dir schaden wollen!“


    „Mein Sonnenschein, das werde ich tun. Bei Iuppiter und allen Göttern, ich verspreche es Dir. Wir werden den Fluch brechen und Du kannst Dich dann wieder erinnern. Mach Dir keine Sorgen.“


    „Warum willst Du den Germanen alleine sprechen, Arrecina? Er hat Dich entführt und Dir all das Schlimme angetan, weswegen Du Dich nicht mehr an uns erinnerst.“



    War sie denn jemals schon so verzweifelt gewesen wie jetzt? Sie hatte keine Ahnung und wusste nur, dass sie sich an Angst erinnern konnte. Fürchterliche Angst die sie gespürt hatte als sie mit Rutger zusammen weg war, aber es war nicht die Angst vor diesem Mann sondern die Angst was alles geschehen war und über was sie mit niemandem sprechen wollte, nicht einmal mit ihrem Vater. Sie würde mit Rutger reden und sie wollte nicht, dass man ihn wegen ihr schlecht behandelte. Nein das wollte sie auf keinem Fall. Er hatte ihr das Leben gerettet und sie würde alles tun um das seinige zu retten und wenn sie ihm dafür zu einer erneuten Flucht verhelfen müsste. Arrecina würde es tun, das wusste sie tief in ihrem Herzen. Ihr Vater sprach von einem Fluch, doch er hatte doch keine Ahnung, aber wie sollte sie ihm etwas erklären was sie selber nicht wusste, was sie selber nicht verstehen konnte?


    Wenn sie sich erinnern könnte, vielleicht würde sie Rutger dann endlich hassen können, aber sie bezweifelte es, denn er hatte sich schon zu tief in ihre Seele gefressen, aber auf eine angenehme Art und Weise und sie hatte ihn sehr gerne. "Was?" fragte sie ihn einen Moment doch etwas entsetzt und sah ihm in die Augen, da sie keine andere Wahl hatte. "Du hast doch keine Ahnung was alles geschehen ist. Er hat mir das Leben gerettet. Wie oft muss ich das denn noch sagen? Ohne ihn würde ich nicht leben und, dass ich mich nicht erinnere liegt an dem Sturz. Ich bin bei diesem Unwetter gefallen und dann erinner ich mich nicht mehr. Alles was davor war liegt hinter diesem Nebel, aber Rutger hat mir nichts angetan. Er war für mich da als ich Hilfe brauchte er wäre selber beinahe ums Leben gekommen nur um mich zu retten. BITTE glaube mir und lass mich zu ihm Vater! Ich muss mit ihm einfach sprechen und kann dir nicht sagen über was alles."
    Flehend sah sie ihren Vater an und sie meinte es sehr ernst. Sie musste zu Rutger, er war der einzige der wusste was wirklich alles geschehen war und sie wollte endlich die ganze Wahrheit wissen. Sie wollte wissen was alles vor dieser Villa geschehen war.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    Dann richtete sich Marcus auf und folgte seiner Tochter, suchte nach ihr erst im Gang ehe er sie an den Säulen ausmachen konnte. Besorgt beugte er sich zu ihr runter, wagte es immer noch nicht, sie zu vertraulich zu berühren.


    "Kleines, ist Dir nicht gut?"



    Sie hatte noch gar nicht lange gesessen an der Säule aber umso mehr Gedanken waren ihr durch den Kopf gegangen. Auch wenn Rutger in ihrer Nähe gewesen war hatte sie ihn nicht gesehen so blind war sie rausgelaufen, weil wenn sie ihn gesehen hätte wäre sie wohl stehen geblieben, denn eigentlich wollte sie ja zu ihm, etwas in ihr drängte danach ihn zu sehen um zu wissen wie es ihm ging was mit ihm war. Immer wieder massierte sie sich in kreisenden Bewegungen ihre Stirn und versuchte dieses Übelkeitsgefühl in ihr runterzubekommen, aber diese schrecklichen Flötenklänge machten sie wahnsinnig und dann stand ihr Vater da und sie schaute ihn an mit leicht geröteten Augen.


    "Es tut mir led. Ich wollte dir eine Freude machen und bei euch sein, aber ich schaffe es einfach nicht. Ich sehe die Menschen da drinne und weiß sie sind meine Familie, aber ich kenne keinen von ihnen, aber sie kennen mich, sprechen mich mit meinem Namen an und ich weiß nicht was ich machen soll." Verzweifelt sah sie ihren Vater an und spürte welch kleines Kind sie doch auf einmal war. Wenn sie gewusst hätte wie sie vor wenigen Tagen noch gewesen war, hätte sie es nicht für möglich gehalten.


    "Bitte hilf mir und mach, dass meine Gedanken wieder zurück kommen, meine Erinnerungen.......bitte." Ihre Hände wanderten wieder über ihre Augen und sie atmete tief ein um Luft zu bekommen und hatte noch eine Bitte an ihn. "Ich muss unbedingt noch einmal mit Rutger sprechen Vater. Alleine." Sie hatte es nur noch geflüstert denn um lauter zu sprechen fehlte ihr die Kraft dazu.

    Welch Ton hier angeschlagen wurde. Warum sprach man so mit seinen Bediensteten? Lavinia verstand das nicht wirklich und wusste nur, dass sie so nie mit ihrem Mitmenschen, auch nicht mit Sklaven umgehen würde. Sie hatte ja keine Ahnung, was sie schon alles in ihrem so kurzen Leben angestellt hatte mit ihren Sklaven. „Sie hat es doch sicher nicht mit Absicht getan, lass doch bitte Gnade walten heute an diesem bedeutenden Tag.“ Warum sie das sagte und warum sie es so sagte wusste sie nicht. Lavinia erhoffte einfach mit ihrem Status den sie ja wohl hatte ein wenig helfen zu können, ob es etwas brachte war eine andere Frage.
    Fragend und ängstlich und vor allem unwissend sah sie die Ältere an und erhoffte sich aus ihren Worten schlauer zu werden was sie mit der Ankunft ihres Mannes zu tun hatte. Lavinia konnte es einfach nicht verstehen.


    Sie konnte von dem Essen nichts anrühren und ihr lief ein neuer Schauer über den Rücken als sie sehen musste wie sie eine Schnecke in den Mund schob. Leichter Ekel machte sich in ihr breit und noch mehr unverständnis. „Eine Flöte? Mein Talent? Ich kann dir nicht folgen, denn ich kann damit nichts anfangen. Bitte helfe mir doch auf die Sprünge,“bat sie die Frau und schüttelte gleichzeitig ihren Kopf wegen dem Essen. „Ich habe nicht wirklich Hunger, danke.“


    Wie hypnotisiert schaute sie auf den Wein der erneut in ihren Becher floß. Wieder kam ihr das Bild von Blut in den Sinn und wieder schauderte es ihr bei diesem Gedanken. Es musste einfach an dieser Umgebung liegen etwas anderes konnte es gar nicht sein. „Entschuldige aber ich kann deinen Worten schon wieder nicht so folgen. Verzeih bitte. Ich weiß nicht….“Lavina schloss ihre Augen und dachte nach. „Ich denke schon auch wenn ich mich nicht erinner, oder nicht wirklich, aber es ist ein Gefühl der Liebe in mir und es ist stark.“

    Arrecina kam sich einfach nur verloren vor. Verloren und fremd, dabei hätte sie diese Menschen doch alle kennen sollen. Wenn man sie ansprach versuchte sie ihre Unsicherheit zu verbegen aber sie konnte es nicht und schaffte immer nur Bruchstücke als Worte rauszubekommen. Die Frau die sie ansprach......sie wusste nicht wer sie war....es machte sie verrückt nicht zu wissen wer hier wer war. "Bona Saturnalia," flüsterte sie fast und die Worte schienen ihr einfach nur fremd über die Lippen zu kommen.
    Doch vollkommen überrempelt wurde sie erst als ein kleiner Junge auf sie zustürmte und sie umarmte als würde er das jeden Tag machen. Schwester? Ihr wurde schwindelig und murmelte bei ihm auch diese Worte von eben, schon fast mechanisch kamen sie ihr über die Lippen. Zögerlich hatten ihre Hände den Weg zu seinen Schultern gefunden gehabt und dann wurde sie auch schon mitgezogen, dass sie beinahe stolperte.


    Es behagte ihr nicht noch näher zu den anderen gezogen zu werden und doch setzte sie sich neben den Jungen und starrte auf den Boden und hörte den Worten der anderen zu. Sie sank förmlich in sich zusammen, hatte Angst und sehnte sich an einen anderen Ort, einen Ort an dem sie schon einmal gewesen war.


    Wo war er nur? wo hatten sie den Sklaven hingebracht? Sie griff sich an die Stirn und die Stimmen der anderen ballten sich zusammen und drohten sie langsam zu erdrücken. Arrecina wusste nicht wie sie das aushalten sollte, war sie doch nur wegen ihrem Vater hier her gekommen. Alle lachten und redeten durcheinander. Sie spürte die Blicke auf sich und stand dann langsam auf, unauffällig um zu gehen.


    Ihre Schritte schienen immer schneller zu werden bis sie endlich die anderen hinter sich gelassen hatte und sich ausserhalb des Saales an eine Säule lehnte. Arrecina spürte wie ihr Herz sich fast überschlug und auch wie ihr Magen sich immer weiter drehte. Sie konnte so nicht mehr weiter machen, sie musste sich wieder erinnern oder wie würde bald durchdrehen, das wusste sie. Ganz langsam sank sie an der Säule zu Boden und stützte ihre Stirn auf ihre Hände.

    Man hatte ihr gesagt was heute gefeiert wurde, eigentlich wusste sie das auch, aber sie hatte ja nicht einmal ihren eigenen Sklaven Cerco erkannt. Ein Grund mehr in ihrem Zimmer zu bleiben und sich in ein imaginäres Schneckenhaus zu verziehen. Raus kommen wollte sie eigentlich nicht und doch hatte sie die Tunika angezogen die man ihr gegeben hatte. Sie war schlicht und es machte ihr nichts aus sie zu tragen. So viel hatte sich in ihrem Leben geändert, dass sie auch in Lumpen durch die Gegend gelaufen wäre.
    Sie fürchtete sich schon ihrer Familie gegenüberzutreten, aber irgendwann musste sie es machen und auch wenn sie ihren Vater zum Teil hasste wollte sie ihm eine kleine Freue machen. In ihrer jugendlichen Naivität glaubte sie ausserdem wirklich vielleicht Rutger sehen zu können und sie wusste, dass sie es eigentlich in der Hand hatte. Sie musste ihm irgendwie helfen und wenn sie ein Spiel spielen musste.


    Langsam war sie durch die Villa gegangen in der doch recht viel los war und doch hatte sie versucht nicht aufzufallen. Sie wollte niemandem begegnen hier draussen, der sie kannte sie ihn aber nicht. Von dem Hundevorfall bekam sie nicht mit, denn sie kam etwas später und blieb zwischen Tür und Angel sozusagen stehen.


    So viele Menschen und sie hatte das Gefühl noch keinen von ihnen jemals gesehen zu haben, was ja auch irgendwie stimmte, denn im Grunde waren es alles Fremde. Schon wieder spürte sie wie ihr langsam die Luft weg blieb und deswegen trat sie auch nur unfällige drei Schritte ein um sich von den anderen fern zu halten. Ihr Blick ging umher und sie versuchte sich zu erinnern, aber jedes mal wenn es fast so weit war, verschwand alles wieder. Es war zum verzweifeln und sie tat es doch schon, verzweifeln. Vielleicht wäre es besser einfach wieder ins Zimmer zu gehen.

    Sie schien noch immer eine Gefangene in ihrem eigenen Körper zu sein, zumindest wollte dieses Gefühl sie nicht verlassen. Das Zimmer war so fremd wie der Rest des Hauses und die Menschen denen sie immer begegnen musste waren Personen mit Gesichtern, die man wegradiert hatte. Es war immer ein Wechselbad der Gefühle denen sie ausgesetzt war und sie war sich nie sicher wie sie sich gegenüber der anderen verhalten sollte. Sie fühlte sich zum ersten mal seit einer Ewigkeit einfach nur hilflos und zerbrechlich, einfach wie sich ein kleines Mädchen fühlte was sie noch tief in ihrem Innersten war.
    Auch hier konnte sie nicht anders und verkroch sich in ihrem Zimmer in der Hoffnung keiner würde nach ihr fragen oder etwas wissen wollen. Ihre Sorgen galten immer noch dem Sklaven. Man hatte ihr ja erzählt wer er war, was er getan hatte und warum er es getan hatte. Wenn das alles stimmte sollte sie ihn eigentlich dafür hassen, aber sie konnte es nicht, denn in ihren Gedanken war er ein ganz anderer Mensch.


    Was sollte sie also machen, wenn sie ihn doch nur so kannte? Was würde geschehen wenn sie eines Tages wieder begann sich zu erinnern? Würde sie ihn hassen? Würde sie seinen Tod fordern?


    Das waren Gedanken vor denen sie sich so fürchtete, denn sie wusste ja nicht wie sie war, wer sie war und wer die ganzen Menschen in diesem Gebäude waren. Den einzigen den sie kannte konnte sie nicht sehen. Als sie beim Fenster stand legte sie ihre Hände daran und sah nach draussen. Es war kalt, zumindest hatte es den Anschein, sie wollte nicht nach draussen. Langsam schloss sie ihre Augen und versuchte sich einige Bilder ins Gedächtnis zu rufen, doch sie sah immer wieder Rutger und was sie erlebten ab dem Zeitpunkt wo sie in diesem komischen Haus gewesen waren, doch in ihren Gedanken waren da auch immer wieder andere Menschen, aber sie waren nur kurz zu sehen und blieben nie lange, fast wie kleine Blitze die aufzuckten nur, dass es Gesichter waren.


    Leise seufzend wandte sie sich vom Fenster ab und starrte an die gegenüberliegende Wand. So leer wie diese war, so leer war auch ihr Kopf und es war zum verzweifeln.

    Sie hatte es nicht gemocht, dass man sich so um sie kümmerte als wäre sie ein kleines Kind und hin und wieder hatte sie sehr barsch auf ihre Umgebung reagiert, die Frau angemeckert die sich um sie sorgte und sie letzten Endes aus ihrem Zimmer verwiesen.
    Ihr kamen keine Informationen zu Gute die sie wissen ließen wie es Rutger ging. Ununterbrochen musste sie an ihn denken und wie er da gelegen war mit dem ganzen Blut. Sie würde es sich niemals verzeihen, dass ihm etwas geschehen sein mochte. Er musste einfach leben, denn den Tod hatte er sicher nicht verdient.


    Ihre Wunden heilten über die Tage hin, es waren aber nur die äusserlichen Wunden, denn innerlich tobte ein Sturm der Gefühle und der Gedanken und sie konnte ihn nicht aufhalten. Es waren verwirrende Bilder aus einem Leben zu dem sie keinen Bezug hatte, Bilder der vergangenen Tage und dann wieder Bilder die sie mochte, aber keine Worte für fand.


    Ruhelos war sie immer wieder in dem Zimmer hin und hergelaufen und hatte es nie verlassen. Es war ihr Wunsch gewesen, denn alles andere hatte ihr ungeheure Furcht bereitet, also war sie lieber ihre eigene Gefangene. Die war sie ja sowieso. Nervös, nachdenklich und schreckhaft war sie geworden. Sie konnte immer noch nicht verstehen, dass der Mann ihr Vater sein sollte, war sie doch vor vielen Tagen noch jemand ganz anderes. Es machte sie einfach nur fertig zu wissen, dass sie eigentlich nichts wusste.

    Stumm war sie auf dem Pfed gesessen, hatte Rutger (von dem sie nun wusste, dass er so heißen sollte) immer wieder heimlich Blicke zugeworfen. Sie machte sich Sorgen um seinen gesundheitlichen Zustand, auch wenn er es bis jetzt überstanden hatte. Warum sollte er sie denn entführt haben? Das war ein Punkt den sie einfach nicht verstehen konnte und wollte. Hatte er ihr all das in dem Zimmer nur vorgespielt? Er war so zärtlich und liebenswert gewesen, hatte sich um sie gekümmert und auch danach. Es schien als würde sie immer noch seine Lippen auf ihren spüren und dann war da dieser Mann, der behauptete ihr Vater zu sein. Es fiel ihr schwer das zu glauben, vor allem nachdem was gewesen war. Er hatte Rutger umbringen wollen ohne vorher zu fragen was überhaupt los war.


    Je näher sie diesem Gebäude kamen desto unheimlicher wurde ihr. Auf der einen Seite spürte sie ein heimisches Gefühl aber auf der anderen Seite war da dieses schwarze Loch was alles so unendlich fremd für sie machte. Zerbrechlich saß sie auf ihrem Pferd und wurde langsam zu der Villa geführt bis ihr Vater ihr hinunterhalf. Zögerlich und langsam ließ sie sich in das Innere führen. Sie meinte zu spüren wie lauter Blicke auf ihr hafteten auch wenn es vielleicht nicht der Fall war, aber es war unheimlich und am liebsten hätte sie auf der Stelle wieder kehrt gemacht und wäre davongelaufen. Ja am besten wieder in die Wildnis zurück um sich zu verstecken und nicht mehr so schnell raus zu kommen.


    Arrecinas Blick schweifte durch die Halle, aber es war wie ein leeres Blatt Pergament. Unklar und neu. "Hier lebe ich?"

    Er machte sie wahnsinnig, wie er sie anfasste, wie er sie nannte, wie er zu ihr war. Er war doch der Fein, der ihren Liebsten getötet hatte oder fast. Wer war dieser Kerl und warum war er hinter ihnen beiden her? Ihr Herz schmerzte immer schlimmer und sie meinte es müsse gleich zerbersten. Sie fühlte wie es sich langsam immer schlimmer ausdehnte und gleich zerspringen würde wie ein sterbender Stern am Himmel. Sie wollte wieder mit Rutger wo anders sein, wo niemand sie beide finden würde. Nur sie alleine, ganz weit weg von allen Leuten. Arrecina schüttelte so gut es ihr möglich war die Hände des fremden Mannes immer wieder von sich und wollte sicher von ihm keinen Trost haben. Dann sprang sie so schnell es ihr möglich war auf die Beine und versetzte ihrem Vater einen Stoß.


    "Elender Mistkerl. Du hast doch keine Ahnung was du getan hast. Wer bist du, dass du es wagst uns zu folgen und ihn anzugreifen? Ihn der mir die ganze Zeit das Leben rettete? Wer hat dich geschickt? Warum lasst ihr mich nicht zufrieden??"


    Wieder kullerte eine Träne ihr die Wange hinunter und dann eilte sie zu der Stelle wo der Körper von Rutger schon gefesselt lag und ließ sich neben ihn auf die Steine sinken. Sanft fassten ihre Hände nach seinem Gesicht und eine weitere Tränen kullerten ihre Wangen hinunter. "Es tut mir so leid." Ihre Worte waren mehr ein Flüstern als alles andere und dann beugte sie sich nach vorne und küsste seine Stirn und strich ihm die Haarsträhnen aus seinem Gesicht. Danach fuhren ihre Finger an seinem Gesicht entlang und immer mehr Tränen versperrten ihr die Sicht und ihre Finger verfärbten sich langsam rot von seinem Blut.

    Die Gänsehaut wollte einfach nicht verschwinden und Arrecina hatte das Glück, dass sie immer schlimmer werden würde. Nur ungerne ließ sie sich wie eine Marionette an den Tisch führen und setzte sich hin. Eine kleine Haarsträhne hatte sich gelöst und rutschte ihr nun nach vorne ins Gesicht. Das Essen was sie zu sehen bekam, so köstlich es auch scheinen mochte, ließ ihren Magen sich immer wieder drehen und sie war sich ganz sicher, dass sie nichts zu sich nehmen konnte, nicht einmal wenn man sie dazu zwang. Doch da sie nicht unhöglich erscheinen wollte hob sie ebenfalls einen Kelch der mit rotem Wein gefüllt war. Wenn man hineinblickte konnte man denken, dass es Blut sei so dunkelrot schien er. Einen Moment konnte sie auf der schillernden Oberfläche ihr Gesicht erkennen, aber es schien das Gesicht eines Kindes zu sein und nicht das einer jungen Frau. Locken tanzten um ihre Lippen und sie lachte, doch mit dem nächsten Wimpernschlag war auch das wieder vorbei und es war nur Wein.


    Arrecina trank einen kleinen Schluck und merkte, dass ein seltsamer Nebengeschmack dabei war, aber sie wollte sich keine Gedanken darum machen was es sein könnte. Sie hörte der Frau aufmerksam zu und wunderte sich über diesen seltsamen Ausdruck in ihrem Gesicht. Sie konnte sich nicht mehr an irgendwelche Briefe erinnern, aber wenn die Frau das sagte musste es ja stimmen. Schließlich war sie ja hier und das musste einen Grund haben und da klangen die Briefe logisch.


    Das Klirren holte sie abrupt zurück in das Jetzt und sie sah erschrocken aus und hatte dabei auch noch den Wein verschüttet, der sich nun wie ein Blutlache auf dem Tisch ausbreitete. Einen Moment wurde sie wieder von diesem Bild wie magisch angezogen, doch dann riss sie sich zusammen, sicher würde jemand das wegmachen gleich. "Tut mir leid," entschuldigte sie sich für ihre Unachtsamkeit. "Es freut mich zu hören, dass dein Ehemann wiederkommen wird, aber was habe ich denn damit zu tun?"

    Arrecina hatte das Gefühl, als sie das alles sehen musste ihr würde das Herz aus der Brust gerissen. Der Mund stan ihr offen und sie nahm sehr langsam ihre Hände aus dem Gesicht und starrte zu dem Mann, der Ruter eben das Gladii zwischen die Rippen gestoßen hatte. Mit weit aufgerissenen Augen sah sie diese Szene an und wollte schreien aber kein Ton wollte aus ihrem Mund dringen. Nichts, sogar ihr Herzschlag schien einfach zu schweigen und nicht mehr zu existieren. Die Farben verblassten und alles um sie herum begann sich einfach aufzulösen. Hart schluckte sie und ein Zittern ging durch ihren Körper, als wäre dieser von irgendetwas erfasst worden und nun würde sie sich auch noch in Luft auflösen. Doch die Zeit war nicht stehen geblieben, auch wenn es für sie den Anschein hatte. Sie lief weiter und doch fehlte ihr so viel. Sie wollte zu Rutger, sie wollte zu dem Menschen, der ihr beigestanden hatte nach all dem was geschehen war, nach all dem wo sie sich nicht weiter erinnern wollte. Ihre Lippe war wieder etwas aufgesprungen und begann zu bluten.


    Noch bevor sie reagieren konnte, noch bevor sie zu ihm rennen konnte, da ihre Füße es nicht zuließen stand sie immer noch wie angewurzelt stehen, kam dieser Mann auf sie zu und fasste sie an, nahm sie in die Arme und sie wusste nicht warum. In ihrem Kopf schien alles explodieren zu wollen. Tausend Bilder waren da, tausend Gesichter, tausend Gefühle und Neigungen und doch alles unbrauchbar. Wie eine Puppe so schlaff, hing sie in den Armen ihres Vaters, der für sie ein Fremder und dazu ein Feind war. Ungläubig war ihr Blick als sie diesen Namen hörte, ungläubig war ihr Blick als seine Hände sich um ihr Gesicht schlossen und noch ungläubiger wurder er als er zu sprechen begann.


    Hass glomm in ihren Augen auf, Hass und dann noch Angst davor was kommen würde. Wenn sie eine Waffe gehabt hätte sie hätte dem Mann diese in den Bauch gerammt wie er es eben getan hatte. Nicht einmal eine Träne konnte das junge Mädchen weinen so stand sie noch unter einem Schock der gar nicht mehr gehen wollte. Langsam schloß sie ihre Augen und es schien fast als würde sie jeden Moment zusammenbrechen,aber sie versuchte sich zu sammeln und atmete tief ein und aus. So viel war geschehen und sie würde auch das hier überstehen.


    "Du verdammter Bastard. Verdammter Mistkerl ..............." Schwach begann sie mit ihren Fäusten auf ihren Vater einzuschlagen und war ausser sich, bis sie schließlich auf ihre Knie sank und in Tränen ausbrach.

    Unruhig schlief sie zusammengekauert auf dem Boden und war froh endlich etwas Schlaf gefunden zu haben. Wirre Träume hatten sie die ganze Zeit eingehüllt und nicht losgelassen. Sie konnte sich noch kaum an den vorhertigen Tag erinnern und schon gar nicht an die anderen Tage davor, aber das war nun wohl auch nicht mehr von Nöten. Etwas feuchtes und ziemlich ekeliges ließ sie erwachen und im ersten Moment erschreckte sie ziemlich, als sie das Gesicht eines Hundes vor sich sah. Zwar kein gefährliches Tier und nur etwas kleines, aber doch zum erschrecken wenn man nichts ahnend die Augen öffnet und es ansehen muss. Mit einem Stechen im Kopf saß sie auf einmal und suchte Rutger. Sie wusste sofort, dass etwas geschehen war, aber nicht was, bis sie diese Steine hörte, seine Worte und noch andere Dinge. Rasch stand sie auf auch wenn sie sich wackelig fühlte und ihre Lippe schmerzte. Warum tat sie es eigentlich? Sie wusste es nicht mehr. Eiligst lief sie zu Rutger und sah in diesem Moment den Mann zu Pferde, den sie nicht kannte und ging bevor sie bei Rutger war wieder einige Schritte nach hinten zurück, aus Furcht, es könnten vielleicht welche aus diesem Haus sein.


    Sie musste mit ansehen was Rutger tat, wie er kämpfen wollte und wusste nicht was sie machen sollte. Sie hatte Angst, dass der Mann ihm etwas tun könnte, denn es hatte den Anschein, dass es so war. Ihre Augen wurden immer größer und die nackte Panik stand in ihnen. Langsam schlug sie ihre Hände vor den Mund weil sie einen Schrei unterdrücken musste. Wer war dieser Mann und der andere und überhaupt, sie war kurz vorm durchdrehen.


    "NEIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIIN!!!!!!!!!!" schrie sie so laut sie konnte und rannte nun doch wieder zu den beiden kämpfenden dazu um abzuhalten was kommen musste.

    Sie hatte dieses besondere Etwas in seinen Augen gesehen, einen Blick den sie nur zu gut kannte und den sie gerne noch etwas tiefer ergründen wollte. Vielleicht sogar tiefer als ihr zustehen würde, aber das war ihr egal. Sie waren alleine und wenn man sie nicht sah war alles andere auch einfach egal. Er hatte das Feuer der Begierde in ihr entfacht mit ein paar einfachen Worten und doch eindeutigen Gesten und er würde noch sehen was er davon hatte, denn so schnell würde er sie sicher nicht mehr los bekommen, zumindest nicht auf diesen einfachen Wegen.


    Sie hatte eine Gänsehaut und diese hätte sie ihm gerne gezeigt am besten noch hier auf der Stelle. Was gab es nur für durchtriebene Menschen auf dieser Welt, aber sie gehörte ja eindeutig auch dazu und dazu stand sie auch. Seine Einladung nahm in ihrem Kopf immer mehr Formen an und sie blickte ganz kurz zurück zu den Sklaven die sehr gut mit sich selber beschäftigt waren. So beugte sie sich zu ihm nach vorne und stellte sich auf ihre Zehenspitzen um an sein Ohr zu gelangen und ihm etwas zuzuflüstern:


    "Bist du dir sicher, dass du weißt wie hungrig ich wirklich bin? Es gab schon Frauen die fielen über einen Mann her und verschlangen ihn mit Haut und Haaren."


    Mit einem verschmitzten Lächeln zog sie ihren Kopf wieder zurück, aber vorher berührten ihre Lippen ganz ausversehen seinen Hals. Das Funkeln in ihren Augen begann langsam einem Waldbrand Konkurrenz zu machen und die Hitze die in ihr wütete war es schon.