Serenus, Dido und die anderen Reisenden, welche den Hafen von Alexandria das erste Mal erreichten, standen an der Reeling und staunten mehr oder minder offen. Vor allem der große Leuchtturm vom Pharos, ein Weltwunder, verschlug den meisten Betrachtern den Atem.
Mit großem Aufwand und Geschrei am Hafen legte das Schiff an und Serenus wappnete sich an Land zu gehen. Durch Mitreisende war er vor aufdringlichen Fremdenführern gewarnt worden, welche einen nur auszunehmen gedachten. Aufgrund der gemachten Kontakte an Bord würde man ihm aber direkt am Hafenkai einem fürsorglichen und ortskundigem Verwandten, auch ein Ben Levi, besorgen, welcher ihn sicher zur Villa Flavia Alexandriae geleiten würde.
Zur Überraschung von Serenus begann dann zwar das teilweise Entladen des Schiffes, aber die Reisenden gingen nicht von Bord. Dafür marschierten Soldaten, römische Legionäre, am Kai auf.
Verdammt! Mist! Möge Iuppiters Blitz seinen Papa, nein noch besser diese Hexe Epicharis auf der Latrine treffen!
Wie hatte die Familie so schnell rausgefunden wohin er unterwegs war? Und wieso war die Nachricht von seiner Ankunft schneller da als er? Daß da gerade Soldaten vor dem Schiff aufmarschierten konnte nur auf Befehl von Papa oder Onkel Senator Felix erfolgen. Oder reichte Omas Macht etwa bis nach Aegyptus? Serenus schaute auf der anderen Seite des Schiffes über die Reeling ins Wasser. Sonderlich einladend sah das Wasser im Hafenbecken aber nicht aus. Was da so alles drin schwamm? Ob er da wirklich einen Fluchtversuch wagen und über Bord springen sollte?
Dann stürmten die Soldaten unter Führung eines Optios an Bord und widmeten sich den Passagieren und der restlichen Ladung. Andere durchsuchten die bereits entladene Fracht auf dem Kai.
Dann zeigte plötzlich der Kapitän des Schiffes in Richtung Serenus, nachdem er sich mit dem Optio unterhalten hatte, welcher eine Liste in der Hand hatte und in eine gewisse Hektik ausgebrochen war. Der Wind trug in dem lauten Getöse um ihn herum deutlich das Wort „Gens Flavia“ herüber. Das war es dann wohl. Serenus schnippste mit den Finger um seinen Begleitern zu signalisieren, dass sie sein Leben so teuer wie möglich verkaufen sollten. Vom Sprung über Bord hatte er bei „so dreckigem Wasser“ Abstand genommen. Der Optio rannte aber von Bord und kam mit einem Centurio wieder. Dann unterhielten sich beide mit dem Kapitän. Langsam kamen der Kapitän und der Centurio zu ihm. Der Centurio schien mit einem Blick auf die Leibwächter zu erfassen, dass er kurz davor war das Deck voll zu bluten und blieb stehen. Er rief einen kurzen Befehl und schon war die Gruppe von Serenus von mindestens 100 Legionären (der aufmerksame Betrachter der Szene sah nur 14) umzingelt.
Eine befehlsgewohnte Stimme donnerte über das Deck.
„Salve! Ich wünsche Flavius Serenus zu sprechen. Mir liegen keine Informationen über die erlaubte Einreise eines römischen Senators nach Alexandria in Aegyptus vor. Und ich rate von jedem Widerstand gegen uns ab!“
Die Leibwächter traten einen kleinen Schritt zur Seite und erlaubten so einen Blick auf Serenus, dessen trotziges Gesicht deutlich sagte, dass er sehr wohl gewillt war Widerstand gegen eine Verhaftung zu leisten.
„Ich bin Flavius Serenus, Sohn des Tribunus Flavius Aristides, Neffe des mächtigsten Senators von Roma, Flavius Felix. Und ich bin kein Senator… noch nicht!“
Augenblicklich schien beim Anblick von Serenus die Anspannung von dem Centurio und den Soldaten abzufallen. Nur ein Kind, wenn auch von patrizischer Abstammung. Zum Glück kein Senator, was für Wirbel gesorgt hätte. Der Tag war gerettet, der Papyrusaufwand hielt sich damit in Grenzen. Der Centurio warf dem unaufmerksamen Optio und dem grinsenden Kapitän einen bitterbösen Blick zu. Die Aufregung hätte man auch reduzieren können, wenn er gleich gewusst hätte, dass der Flavier auf der Passagierliste ein kleiner Junge war, der hier entweder Verwandte besuchen oder studieren sollte.
„Gut! Dann möge der „zukünftige Senator“ zur formmellen „Personenkontrolle“ beim Praefectus des Hafens meinem Optio folgen. Zusammen mit seiner Begleitung und seinem Gepäck. Nur eine Formalität. …Bitte.“
Das letzte Wort verwendete der Centurio wohl nicht so oft, denn es kam etwas ungewohnt über seine Lippen. Zum Glück kam er so als einer der Ersten von Bord und sah sich plötzlich in Begleitung der Sklaven, der Sänfte und des wenigen Gepäcks am Ende einer endlos langen Schlange für die Personenkontrolle.
„Das ist ja wohl ein schlechter Scherz. „Deplorabel“ würde mein Onkel Gracchus sagen. Ich bin Patrizier, kein gewöhnlicher Peregrinus! Man hat uns zur falschen Schlange geführt! Solche Scherze mag ich nicht. Ich werde mich bei Senator Flavius Felix und Augustus Ulpius persönlich beschweren, wenn ich beide das nächste Mal in Roma treffe, wo ich dann Klient des Augustus werden soll.“ maulte Serenus laut und hob eine Augenbraue. Er warf dem Optio einen vernichtenden Blick zu, jedoch wand sich der Optio nicht vor Scham auf dem Boden, sondern grinste nur frech.
„Oh, es geht auch schneller, allerdings kostet das einen Zuschlag von 60 Sesterzen für „wirklich wichtige Personen“. Der Statthalter legt Wert auf die Gleichbehandlung aller Reisenden, aber gegen einen entsprechenden Bearbeitungszuschlag geht es auch ganz schnell.“ entgegnete der Optio.
Dido schaltete mit einer Schlauheit, welche ihr von ihrem Vater Hannibal vererbt worden war, wandte sich an ihren Dominus.
„Dominus! Ich soll dich daran erinnern, dass du Dir im Auftrag des Senators Flavius Felix und des Rex Sacrorum Flavius Gracchus alle Studienausgaben von mehr als 30 Sesterzen quittieren lassen musst, damit diese nachgeprüft werden können.“
„Öhm, äh, ja! Na gut, ausnahmsweise können wir wohl auch nur 30 Sesterzen vertreten. Bist ja auch nur ein halber Patrizier, also noch ein Kleiner, von der Größe her meine ich.“
Serenus wurde blass im Gesicht, eine Zornesader schwoll an und er blickte den Optio mit einer Kälte an, welche jeden Sklaven der Gens Flavia hätte tot umfallen lassen. Leibwächter Elgus dagegen zog es vor 30 Sesterzen zu bezahlen, bevor es hier noch „handgreifliche diplomatische Verwicklungen“ gab und der junge Dominus den selbstmordbefehl gab den Optio tot im Hafenbecken zu entsorgen. Der Optio wäre nicht das Problem gewesen, aber im Hafen lief mindestens eine halbe Legio umher. Wie Ameisen, auf deren Bau man mit Sandalen getreten war.
Mit einem Serenus, der kurz davor war zu platzen, ging es weiter zur quasi inexistenten Warteschlange für „wirklich wichtige Reisende“.