Beiträge von Lucius Flavius Serenus

    Serenus hatte die Zeit in Alexandria und in Baiae durchaus für seine Bildung genutzt und intensiv studiert. Lediglich sein griechischer Dialekt war geblieben, aber laut griechischem Hauslehrer im akzeptablen Bereich, wenn er deutlich sprach. Er hatte zwar etliche Hauslehrer verschlissen und mindestens ein Hauslehrer hatte sich wieder freiwillig von der Klippe gestürzt, aber Oma Agrippina hatte ihm klar gemacht, dass ein zukünftiger Augustus gebildet sein musste, damit ihn seine Untergebenen nicht für dumm verkaufen konnten. Ein Augustus musste schlauer sein als all seine Untertanen, denn nur so war er stark und blieb an der Macht. Es war allerdings schwer schlauer als Onkel Gracchus und Onkel Furianus zu sein. Dazu kam der Umstand, dass er einige Hauslehrer bekommen hatte, welche den Unterrichtsstoff nicht total trocken vermittelten. Jetzt blieb mal abzuwarten, was für eine Mumie Onkel Gracchus als Hauslehrer besorgt hatte. Serenus hatte da gewisse Bedenken, denn sein Onkel war etwas antiquiert in deinem Maßstab.


    Er betrat mit seinem Materialien und Dido und Nero den Raum, setzte sich hin und wartete auf den Hauslehrer. Dido würde natürlich mit unterrichtet werden. Als seine Leibsklavin war schließlich eine gewisse Bildung erwünscht. Nero dagegen legte sich mitten in den Raum und war scheinbar wenig später eingeschlafen, obgleich sich seine Ohren immer mal wieder lauschend aufstellten.

    Serenus, Dido und Nero standen vor der Tür des Arbeitszimmers. Die Sonne war gerade aufgegangen, aber Sesterzen schliefen angeblich nie. Da Serenus ohnehin ein Frühaufsteher war passte die Tageszeit so gut wie jede andere um sich mit Onkel Gracchus über monetäre Angelegenheiten zu unterhalten.


    Je früher war ohnehin desto besser, denn Serenus war für seine Verhältnisse nahezu pleite. Das Flucht- und Notfallgeld tastete er nie an. Das Taschengeld von Papa war seit Beginn des Parthienfeldzuges nicht mehr gezahlt worden und von Lieblingsonkel Nummer 2, Onkel Furianus, war schon seit Monaten nicht mehr angekommen. Lieblingsonkel Gracchus investierte laut Oma Agrippina Serenus Taschengeld im dreimonatigen Rhythmus in neue Grundstücke. Blieb Oma als Taschengeldquelle und die hatte Serenus, warum auch immer, in den letzten Monaten sehr kurz gehalten. Gut er hatte seine „Sklave Gaius Ausgaben“ und die Acta erhalten. Ebenso jede gewünschte Schriftrolle und auch seine Rennwagen und Gespanne waren unterhalten worden. Aber ansonsten hatte er nur wenige Sesterzen gesehen. Nicht, daß man so etwas als kleiner Patrizier in Baiae gebraucht hätte. da bezahlte man mit seinem guten Namen und dem Abdruck des Siegelringes und die Rechnungen kamen später in die Villa zu Oma.


    Serenus klopfte bestimmt an.


    KLOPF KLOPF KLOPF


    RUMMS!


    Nero, der gewaltige und schwere Molocherkampfhund prallte mit seinem Gewicht gegen die geschlossene Tür, welche im Rahmen erzitterte und schaute sein Herrchen verwundert an. Bislang war es immer so gelaufen, dass Serenus geklopft hatte und noch vor dem „Herein“ im Zimmer gestanden hatte. Serenus tätschelte den Kopf des Hundes.


    „Tschuldigung Kumpel, aber wir probieren ab sofort eine neue Taktik aus. Wir schleimen Onkel Gracchus an, wickeln ihn ein und rupfen ihn ordentlich. Und er wird sich dabei gut und wichtig fühlen.“ und wartete auf das „Herein“ seines Onkels.

    Serenus saß erschöpft an seinem Schreibtisch in seinem Cubiculum und wartete gespannt auf Didos Bericht, während er einige Obststücken verschnabulierte und etwas Honigwasser trank. Auf dem Tisch lagen zwei dicke, geschlossene Ledermappen und es stand ein mittelgroßer, verschlossener Bastkorb darauf, an dem ein Zettel mit dem Wort DIDO hing und in dem sich ab und an etwas zu bewegen schien.


    Einige anstrengende Stunden lagen hinter ihm und Dido, in denen Serenus eine ausgesprochen unpatrizische Sklavenhaltung an den Tag gelegt und mit diesen Hand in Hand gearbeitet hatte.
    Einige Sklaven, die Serenus normalerweise ebenso wenig wahr nahm wie sonstige Einrichtungsgegenstände in der Villa, waren hin und her gewuselt um das Gepäck aus Baiae auszupacken, welches in Regalen und Kisten wieder abgelegt worden war. Serenus und Dido hatten dabei Wert darauf gelegt zu wissen, wo sie was davon wieder finden konnten. Serenus legte einen großen Wert auf Selbstständigkeit. Vermutlich war er auch der einzige männliche Patrizier in der Villa, der sich seine Sandalen selbst binden konnte. Serenus hatte dabei vor allem jene Kisten und Bündel ausgepackt, die Sklaven nichts angingen, wie zum Beispiel seine wertvolle „Sklave Gaius ist der Beste“-Sammlung oder die Waffen (diverse Messer und Dolche, Papas Gladius, Steinschleuder, Caesti) und die Totenmaske seiner Mutter. Ein paar weitere Bündel warteten noch auf dem Bett seiner Aufmerksamkeit. Aber jetzt war erst einmal eine Pause angesagt. Die Berge von neuer Kleidung für ihn und Dido hatten natürlich eine ganz andere Folter mit sich gebracht: „Dominus, probiere bitte das hier mal noch an, ob das noch passt.“ und „Dido, schlüpfe hier mal noch rein.“ Die gesamte alte Kleidung, welche sich noch hier befunden hatte, wurde durchprobiert und sehr vieles aussortiert. Diesen Kraftakt hatte Serenus lieber direkt hinter sich gebracht. Hoffentlich war jetzt erst mal wieder Ruhe.


    Nero hatte das Ganze in seinem riesigen Hundekörbchen auf seiner Kuscheldecke verpennt. Er schien, warum auch immer, heute total schläfrig zu sein.


    Serenus lehnte sich zurück und lauschte Didos Worten.

    Ein Sklave kündete den Anwesenden Familienmitgliedern mit lauter Stimme die Ankunft von Lucius Flavius Serenus an. Im selben Augenblick schepperte irgendwo in unmittelbarer Nähe eine Vase. Wütendes Gebell und Katzenfauchen war zu hören. Nur Herzschläge später sprinteten 3 Hauskatzen durch den Raum und suchten ihr Heil in der Flucht. Der Katzen folgte mit beängstigender Geschwindigkeit der gewaltige und wütend bellende Molocherkampfhund von Serenus, welcher auch noch an einer Leine einen vor Angst jammernden Sklaven hinter sich über den Boden schleifte. Jener hatte das Pech, dass er es wohl nicht wagte die Leine vor Schreck loszulassen, obgleich er mit seinem Gewicht das kräftige Ungetüm nur unmerklich verlangsamte. Dann stoppte der Hund, wedelte beim Anblick von Flavius Gracchus kurz mit dem Schwanz, knurrte Flavius Aquilius dagegen kurz an und setzte seinen Weg fort. Katzen, Hund und ein sich aufrappelnder Sklave verschwanden aus dem Raum in einen Gang.


    Serenus betrat lachend den Raum, während er einen Umhang aus Leopardenfell auszog und einem Sklaven kommentarlos zuwarf. Dieser besaß die Geistesgegenwart den Umhang zu fangen und so sein Weiterleben zu sichern. Seine grün gefärbten Sandalen aus edelstem Gazellenlederer harmonisierten mit seiner moosgrünen Seidentunika und dem grünlichen Krokodilledergürtel. Hinter Serenus kam Dido, seine kleine Leibsklavin in den Raum.


    „Salve liebe Familie! Es ist schön wieder hier zu sein. Wie ich sehe hat sich die Einrichtung nicht verändert.“


    Innerlich schwirrten andere Gedanken durch den Kopf von Serenus: Jetzt kommt endlich mal wieder etwas Leben in dieses Mausoleum. Die Inneneinrichtung ja immer noch recht „deplorabel traditionell“. In Baiae hatte Oma gerade erst wieder alles komplett neu eingerichtet und streichen lassen. Bunte Wände, neue Mosaiken und Fresken hier und da.


    „Grüße von Oma Agrippina an alle, insbesondere an dich Onkel Gracchus. Ich soll Dir ausrichten, dass sie dich noch stets in guter Erinnerung hat.“


    Serenus musterte höflich die Anwesenden. Da war der böse Onkel Aquilius, welcher den letzten Platz in der Liste der Lieblingsonkel belegte. Lieblingsonkel Gracchus, oha, hatte der das letzte Mal nicht besser ausgesehen? Er wirkte irgendwie etwas gestresst und sah gar nicht gut aus? Onkel Lucullus fehlte, der war sicher mal wieder krank. Tante Antonia, uiui, deren Hintern war aber dick geworden. Und zwei weitere Besucher, die er noch nicht kannte.

    „Serenus überholte den gesichtslosen Fahrer der Veneta und drängte ihn an die Außenmauer der Rennbahn ab. Unter dem Jubel der Tausenden und Abertausenden Zuschauer zersplitterte die Quadriga der Veneta beim Kontakt mit der Mauer. Serenus, Fahrer der Russata, holte das Letzte aus seinen vier Pferden raus. Die Ziellinie kam näher und näher …“ als ihn Didos Stimme aus dem Schlaf riss.


    Huch! Offensichtlich war man schon da. Eben war man doch noch im Hafen von Ostia. Serenus streckte sich, gähnte ausgiebig und stieg dann patrizisch gemessenen Schrittes aus der Sänfte.


    Derweil hatte auch sein Kampfhund Nero Didos Anwesenheit entdeckt. Der riesige Hund sprang bellend und schwanzwedelnd um Dido herum und zeigte ein freundliches Verhalten, dass er Sklaven gegenüber quasi nie an der Tag legte. Und der Ianitor schaffte es mit langjähriger Routine einen Überblick über das Chaos zu gewinnen und binnen weniger Herzschläge das gesamte auflaufende Inventar an Mensch, Tier und Frachtgut durch die Porta zu schleusen, während Senator Cornelius in seiner Sänfte darüber grübelte, ob er der Gens Flavia diesen Ianitor nicht abkaufen sollte. Vor seiner Porta klappte das nie so gut. Da tat er stets gut daran erst einmal in der Villa zu verschwinden und die nächste Stunde nichts mehr vom Tumult an der Porta mit zu bekommen.


    Serenus stellte sich neben Dido uns musterte diese mit kritischem Blick. Und atmete erleichtert auf. Uff! Dido war mindestens 4 Zentimeter kleiner als er und damit weniger gewachsen als er selbst. Ein freundliches Lächeln zauberte sich auf sein Gesicht. Als Patrizier galt es eine gewisse Haltung und Würde zu bewahren, aber ein freundliches Lächeln war erlaubt. Zumal Dido ja seine Leibsklavin war. Und wehe den Bewohnern der Villa, wenn man sie nicht gut behandelt oder gefüttert hatte. Etwas dünn sah sie ja aus. Hoffentlich hatte man ihr keine „Du bist klein, hässlich und viel zu dick “-Komplexe eingeredet. Oma Agrippina achtete sehr oft penibel auf das Gewicht einiger männlicher Bade- und Massagesklaven von ihr selbst. Serenus achtete auf sie etwas nicht. Als sein Hund Nero unlängst versehentlich die dicke Gunhilda aus Lutetia ins Wasserbecken der Therme stuppste hatte es einen lustigen Platscher bis fast zur Decke gegeben. Und dicke Leute waren meistens gut gelaunt.


    „Ah, Dido. Wie ich sehe geht es Dir gut. Sobald ich mich bei meiner Familie zurück gemeldet habe setzen wir uns in meinem Cubiculum zusammen und du erstattest mir einen umfassenden Bericht über die aktuellen Geschehnisse in der Villa. Halt Dinge über die ich Bescheid wissen sollte. Wer alles da ist, was es Neues gibt, wer mit wem Streit hat und wer alles zu wem gehört. Und ich möchte wissen, wie es Dir in meiner Abwesenheit ergangen ist und wie man dich behandelt hat. Gib der Küche Anweisung, dass mein Frühstück heute sehr bescheiden ausgefallen ist, ich aber später nur einige leichten Kleinigkeiten zu mir nehmen möchte. Und in der nächsten Zeit sollten Meeresfrüchte auf meinem Speiseplan nur sporadisch auftauchen. Und dann packen wir noch einige Geschenke und viele mitgebrachte Sachen aus. Ich habe auch einiges für dich dabei.“


    Da Baiae am Meer gelegen war gehörten Fisch und Meeresfrüchte selbst in einem patrizischen Haushalt zum festen Speiseplan. Während man in Roma nach Hummer, Muscheln, Austern, Langusten und frischem Fisch geradezu gierte, erfreute sich Serenus als Besucher aus Baiae eher die ersten Tage und Wochen einer Kost, die nicht aus dem Wasser stammte. In Roma gab es eindeutig öfters Fleisch als in Baiae, wenn kein Besuch da war den man mit frischem Meeresgetier beeindrucken musste. Mit Fleisch war Oma Agrippina auf Serenus Speiseplan stets sehr geizig. Wenn gab es meistens Wild und Lamm, aber selten Rind, Schwein, Huhn und Stallhase.


    Dann pfiff er nach seinem riesigen Kampfhund Nero, welcher zwischenzeitlich hier und da schnüffelte und da und dort das Bein hob um die ein oder andere Mauer und Säule zu markieren.


    Serenus erkundigte sich bei Acanthus wer gerade von der Familie im Hause anwesend war, winkte seine Leibsklavin Dido hinter sich her (bevor der erste erwachsene Sklave sie zum Gepäckträger degradieren konnte) und machte sich auf zur Familie.


    Kaum war Serenus im Innern der Villa verschwunden zückte Lupus Crassus mehrere Wachstafeln aus einem Lederbeutel und ließ sich die Ablieferung von Serenus nebst Gepäck und Getier schriftlich (!) bestätigen. Außerdem händigte er ein Bündel Briefe aus, worunter auch Ernährungsanweisungen für die Küche hinsichtlich Serenus waren. Flavia Agrippina trug somit Sorge, dass die Spinat- und Gerstenbreitage auch in Roma weiterhin gesichert waren. Derweil strömten aus den Schatten und Türen ameisengleich weitere gesichtslose Sklaven herbei und machten sich an die Mammutaufgabe binnen kürzester Zeit die mitgebrachten Tiere zu versorgen und die Unmenge an Gepäck zu entladen und an seinen Bestimmungsort zu transportieren. Beschriftungen auf den Kisten, Bündeln und Packen ( wie zum Beispiel Ziegenfutter, Kleidung, Geld, Waffen, Sklave Gaius, Büsten, Statue, Rüstung, Rennkleidung, Schriftrollen, Neros Körbchen, neue Kleidung Dido, Didos Hund, Kissen, Decken, Spielsachen, Musikgeräte, Spielkleidung, Saatgut, Schösslinge, Angelausrüstung, Sklavenbestrafungsinstrumente, Totenmaske von Mama, Giftphiole für Claudia Epicharis, Schmuck und Edelsteine, Spielsachen, Kleidung, Spielsachen, Spielsachen, Kleidung, Süßigkeiten, Kleidung, Schuhwerk, Teppiche, Kuscheldecke, Felle, Kinderwiege als Geschenk für Flavius Gracchus, diverse weitere Geschenke etc.), sowie eine genau Inventarliste halfen den Scribas die Sklaven in die richtigen Räumlichkeiten zu lotsen.
    Schnell wurde ersichtlich, dass man auf weitere Räumlichkeiten ausweichen musste, denn obgleich Serenus das größte Zimmer der ganzen Villa bewohnte (inklusive einem riesigen begehbaren Wandschrank, welcher seiner Leibsklavin Dido als Zimmer diente) zeichnete sich im gut verpacktem Zustand Platzmangel ab. Und so wurde ein Teil des Gepäcks erst einmal dezent in den leerstehenden Räumlichkeiten von Senator Flavius Felix und Flavia Minervina eingelagert, während die Kisten mit dem Vermerk „Karten & Schriftrollen“ in Serenus altem Arbeitszimmer (der Bibliothek) landeten. Entweder hatte Serenus die Bibliothek in Baiae geplündert oder Flavia Agrippina hatte aus Aegyptus weitere unzählige Abschriften und Originale für Serenus besorgt. Als bald stapelte sich einiges in der Bibliothek.


    Mit der Geschwindigkeit eines Falken im Sturzflug verbreitete sich die Anwesenheit von Serenus und Nero unter den sklavischen Bewohnern und wenigen Freien des Anwesens. Und schon bald eilten unzählige Sklaven zwischen jenen Gängen und Räumen der Villa, welche zu den bekannten Wirbelwindschneisen von Serenus gehörten, und einem speziellen Raum im Keller hin und her. Routiniert und still wurden erlesene Statuen, Büsten und teure Vasen gegen perfekte Kopien ausgetauscht. Die wertvollen Originale verschwanden in den Räumlichkeiten von Flavius Gracchus und dem Kellerraum.
    Senator Flavius Felix mochte alt und senil und auch nicht mehr in der Villa anwesend sein, aber seine schriftlichen Anweisungen waren immer noch gültig und zeugten von enormer geistiger Brillianz, die man in etwa wie folgt zusammen fassen konnte.


    Spielendes Kind in der Villa = zwangsläufig kaputter Hausrat = teuer.


    Alles wertvolle Austauschen = Kopien = billig im Kaputtfall.


    Besuch in der Villa = Originale wieder aus Keller wegen Repräsentation UND Kind im Keller einsperren oder aus der Villa aussperren.


    Anweisung bewährte sich schon bei Milo und Furianus! Ergo auch bei Serenus!

    Diesmal verlief die Anreise des inzwischen 11 Jahre alten Lucius Flavius Serenus zur Villa Flavia für
    Lupus Crassus, Führer der besten Leibwächtervermittlung von ganz Baiae, ausgesprochen friedlich. Überhaupt war die Reise von Baiae nach Roma wider Erwarten angenehm gewesen.


    Mit Serenus waren 5 weitere patrizische Kinder aus Baiae nach Roma gereist, was an Bord des Schiffes für Kurzweil gesorgt hatte. Erfreulicherweise hatten die Kinder Kurzweil untereinander ohne das Schiff zu versenken oder die Begleitmannschaft in den Selbstmord zu treiben. Nachdem der Kapitän des Schiffes, mit Rückendeckung von Senator Cornelius (welcher ebenfalls mit an Bord war), gedroht hatte den jungen Flavius Serenus und seinen Freund Cornelius Cicero (den Sohn des zuvor genannten Senators) bei den Sklaven an die Ruderbänke zu ketten und ihre "Sklave Gaius ist der Beste"-Sammlungen über Bord zu werfen waren die Kinder so lieb und artig gewesen, dass Lupus sich zeitweilig fragte, ob das noch dieselben Monster waren, die in Baiae eingeschifft worden waren.


    Gleich würde sein Auftrag an der Porta der Villa Flavia enden. Er betete zu den Göttern, dass der junge Dominus so lange noch schlief. Ein Geschenk der Götter war es nämlich gewesen, daß Serenus kurz nach dem Aufbruch in Ostia eingeschlafen war und so den ganzen letzten Reiseabschnitt verpennt hatte. Nun ja, eine Prise Schlafmohn in den Frühstücksfruchtsaft spielte natürlich auch eine klitzekleine Rolle.


    Lupus Crassus drehte sich zu seinen Stellvertreter Rusticalus um, welcher ihm mit der achtköpfigen Vorhut folgte, die den Sänften- und Gepäckkarrentross anführte.


    Zuerst kam die repräsentative Einsitzer-Sänfte von Senator Cornelius, den er anschließend noch 3 Anwesen weiter eskortieren würde. Dann folgte die Sänfte von Flavius Serenus, wiederum gefolgt von der großen Sänfte von Senator Cornelius mit dessen Leibsklavin und den restlichen Kindern. Dazwischen immer wieder Leibwächter, Sklaven, Ersatzträger.


    Den Sänften folgten unzählige Ochsenkarren voller Gepäck und ein Heer von Sklaven und Lasterträgern. Und dabei handelte es sich angeblich nur um das Handgepäck der anreisenden Patrizier. Die Nachhut seiner eigenen Leute konnte er schon gar nicht mehr am Ende des Zuges erkennen. Er erinnerte sich vage, dass Dominus Flavius das letzte Mal mit nur 2 Ochsengespannen, etwa 5 Tonnen Gepäck, 1 Ziegenrennwagen und 1 Ziege angekommen war. Und 1 riesigen Hund.


    Mit dem Alter schien bei Patriziern auch Gepäck zu wachsen. Diesmal waren es schon 5 Ochsenkarren, mindestens 15 Tonnen Gepäck, 4 Rennziegen, ein total verschrammelter Ziegenrennwagen (ein älteres Saturnaliengeschenk von Flavius Gracchus) der so oft repariert worden war, dass kaum ein Ursprungsteil noch vorhanden war und ein größerer Rennwagen, der von 2 Ponies gezogen wurde. Die absolute Kuriosität bildete aber ein leerer Käfigwagen auf kleinen Rädern, welcher für einen Löwen gedacht war, der aber erst in Roma gekauft werden sollte. Wenn man zumindest den riesigen Kampfhund des jungen Dominus während der Reise dorthin verfrachtet hätte, aber stattdessen blieb der Käfig leer. Wenigstens hatte der Köter während der Reise keinen Stress gemacht und war auch den ganzen Tag artig neben der Sänfte gelaufen. Und das obwohl man auch dem Tier eine große Portion Schlafmohn ins Futter gemischt hatte.


    Lupus schüttelte den Kopf. Diese Patrizier waren alle irre. Lupus Crassus ging zur Tür der Villa und klopfte, während hinter ihm die flavische Sänfte und das flavische Gepäck aus dem Tross ausschwenkten.


    KLOPF! KLOPF! KLOPF!

    Bitte Serenus wieder aus dem Exil nehmen und wieder freischalten. Ich beuge mich dem abgesprochenen Druck der wichtigsten und elitärsten Spieler im IR, welche in den letzten Wochen und Tagen nichts unversucht gelassen haben um mich zu überzeugen.*


    - Man hat mir Schläge angedroht, wenn ich weiter fern bleibe.
    - Spinat und Gerstenbrei gibt es nur noch ein Mal die Woche
    - Man hat versucht mich mit Sex zu bestechen und mir eindeutige Angebote gemacht. Öhm, ja, mal Hannibal fragen was er damit genau auf sich hat. So toll sah Claudia Epicharis* ja nicht aus und ich finde das Thema wird eindeutig überbewertet.
    - Mein Taschengeld wurde erhöht. Onkel Furianus will mir auch das Taschengeld der letzten Wochen nachzahlen, ebenso die restliche Familie.
    - Mein Vater ist bereit seinem Alleinerben jeden Wunsch zu erfüllen.
    - Sogar Onkel Aquilius sehnt sich nach mir und braucht einen Vorwand um aus der Villa Flavia auszuziehen, so daß ich auch sein Zimmer kriegen kann.
    - Onkel Gracchus will mit mir zu den nächsten Gladiatorenkämpfen gehen und auch diesmal einen Fanschal der Russata bei den nächsten Rennen tragen.
    - Selbst die weiblichen Vertreter der Gens Claudia betteln darum von mir erniedrigt und gestresst zu werden.
    - Oma meint, daß es günstig ist die Frage des übernächsten Augustus vor Ort in Roma zu klären.
    - Und da war doch noch was mit einem kleinen Löwen und dem Abfackeln der Villa Claudia, damit wir dann der bösen obdachlosen Stiefmutter in spe, Claudia Epicharis, die Villenporta vor der Nase zuschlagen und die Verlobung auflösen können.
    - Onkel Gracchus will Papa mit der runzeligen verwitweten Augusta verkuppeln, damit wir mal frisches Blut rein kriegen, was sicher lustig wird. Zumal die ja auch alle Staatsgeheimnisse vom verstorbenen Augustus kennt, welche Männer ihren Ehefrauen im Bett verraten sollen. Wobei ich mich frage, warum die sich nicht einfacher wie wir Flavier über solche Sachen beim Abendessen unterhalten.
    - Und der arme alte Onkel Senator Felix hat erlaubt, daß ein Teil seiner Rosen meinem kleinen Gemüsegarten weichen darf, damit ich einen patrizischen Bezug zu den Früchten und Erträgen der Erde und des Landes bekomme. Oder so was in der Art, weil Onkel Gracchus und Oma noch meine vielen Grundstücke verwalten und ich die kaiserlich-flavische Landvilla bei Alexandria erst von Onkel Gracchus bekomme, wenn ich etwas älter geworden bin.
    - Und ich kriege einen kleinen Löwen! Das hat man mir bei Juppiters Bart, Mars großen Füssen, Junos mächtiger Oberweite und Venus dickem Hintern (der Tante Antonia so ähnlich im Umfang ist) geschworen.


    Serenus


    *simoff: Claudia Epicharis: also dein aufgeführter Striptease am Wochenende war schon ein hammerhartes Argument und die von mir schnell mit dem Handy geschossenen Bilder sind sogar größten Teils was geworden. Natürlich hat er auf Serenus weniger Wirkung gehabt. :D

    Bitte meine Wenigkeit in Exilium setzen.


    Serenus ist ein witziger, aktiver Charakter und obgleich meine Kreativität zu meiner Linken und die Muse zu meiner Rechten laufen, so ist mein Gemüt derzeit doch in zu destruktiv-depressiver Stimmung, als daß ich in der Villa und in Roma aktiv sein möchte. Es erscheint mir angebracht diese Stimmung und Energien in anderen Bereichen zu kanalisieren, obgleich Claudia Epicharis und Tante Antonia es verdient hätten sie zu spüren.



    @Senator Vinicius Hungaricus: Unter Bezugnahme auf einen Passus in unserer letzten Unterhaltung möchte ich anmerken: Wenn er, Senator Vinicius, sich mit der Rückkehr da mal nicht täuscht. Konsequenz im Handeln unterscheidet uns Menschen vom gemeinen Tier, welches bettelnd zum Napf zurück gekrochen kommt und seine Prinzipien vergisst. Und als Flavier stehe ich über den Menschen, denn in mir fließt das Blut der falvischen Kaiser, was er natürlich als Mensch niederer Abstammung nicht nachvollziehen kann.

    Sim-Off:

    (Spielt zeitlich nach dem Gespräch mit Hannibal im Garten (Hortus | Serenus und Hannibal: Eine traurige Nachricht) und unmittelbar nach der letzten Ausgabe der Acta)


    Serenus hatte aufmerksam seine neuste Acta gelesen, während der Rest der Villa so langsam erwachte. Die Sklaven waren schon lange auf den Beinen, aber längst noch nicht alle Mitglieder der Familie.


    Und er selbst hatte sich auf dem Forum heute die neuste Ausgabe von „Sklave Gaius ist der Beste“ gesichert. Diese erschien immer zeitgleich mit der Acta. Aufgrund der Intervention von Sciurus im Namen von Onkel Gracchus, welcher wohl versuchte durch Einschleimen bei Serenus die Position des Lieblingsonkels zurück zu bekommen, war der Passus, der auf Serenus lag, wieder deutlichst gelockert worden. So war es mit der kleinen Sänfte zusammen mit Dido, Nero und einer kopfstarken Eskorte ganz früh zum Forum gegangen, wo er seine Ausgabe erstanden und etwas soziale Kontakte mit anderen Sammlern gepflegt hatte, während zwei Sklaven Abschriften der neu ausgehängten Acta angefertigt hatten.


    Onkel Gracchus war wie Serenus ein Frühaufsteher und legte unmittelbar nach Erscheinen Wert auf eine ungelesene Ausgabe der Acta für sich selbst. Da es mehrfach vorgekommen war, daß sich Serenus in der Villa die neuste Ausgabe vor ihm geschnappt hatte wurden seit einiger Zeit immer zwei Abschriften angefertigt. Danach gingen sie an den Rest der Familie weiter, machten die Runde und landeten schließlich auf einem Stapel "Alt-Actas" im derzeit leer stehenden Arbeitszimmer von Onkel Furianus, der ja jetzt korrekterweise Onkel Senator Furianus hätte heißen müssen. Aber Serenus hatte sich schon zu sehr an Onkel Furianus gewöhnt.


    Mit Bestürzung hatte Serenus von der Ermordung seiner Tante Flavia Agrippina, der obersten Vestalin und damit zweitehrbarsten und zweitreinsten Frau des ganzen Imperiums, gelesen. Nach Oma als Erstplazierte, wobei die keine Vestalin war, denn es hatte auch mal einen Opa Flavius gegeben, aber an den konnte sich Serenus nicht so recht erinnern. Mit Opa Flavius verband er eine ganz frühe Kindheitserinnerung mit einem freundlich lächelnden, uralten Mann mit riesiger Nase und abstehenden Ohren.
    Eine solche frevelhafte Tat würde zweifelsohne die Götter erzürnen und schweres Unglück über die ganze Stadt bringen. Das war ein Omen der übelsten Art und man mußte kein Augur sein um jetzt zu wissen, daß etwas ganz Schlimmes passieren würde. Vermutlich würde sogar der Augustus den Feldzug in Parthia abbrechen, denn er war als Pontifex Maximus der Patron aller Vestalinnen und nun würde ein Staatsbegräbnis unter seiner Leitung anstehen.


    Allerdings interessierte all das Serenus nur zweitrangig. Eine weitere Flavia war tot. Zuerst diese hispanische Tante, Flavia Calpurnia, eine persona non grata da sie aus der hispanischen Linie stammte, aber trotzdem eine Flavia. Dann starb seine Lieblinstante Leontia, angeblich ein Schiffsunglück auf See. Dann starb seine große Schwester Arrecina. Und nun wurde Tante Agrippina ermordert. Vier Tote waren etwas viel um noch von Zufall zu sprechen. Da versuchte jemand alle weiblichen Flavier zu liquidieren. Nun waren nur noch Tante Minervina und Oma übrig. Es war an der Zeit den Schuldigen zu finden und dem Morden Einhalt zu gebieten. Und dann mit der ganzen Macht der Gens Flavia zurück zu schlagen. Da sein Vater mal wieder nicht da war, wenn man ihn als Vater mal brauchte, um die Sache zu regeln würde er sich halt an die restlichen männlichen Familienmitglieder halten: Onkel Gracchus, Onkel Aquilius und Onkel Lucullus. Wer Tieropfer durchführen konnte, der würde ja wohl auch einen Menschen töten können. Zumal, wenn es eine Frage der Ehre war und um das Überleben der eigenen Gens ging. Und die Schuldigen hatte er direkt ermittelt. Es war ja so offensichtlich.


    Serenus wies Dido an ihm Papyrus und Schreibzeug zu bringen, damit er seine Onkels zu eine konspirativen Sitzung einladen konnte. Und sie sollte ihm seinen edelsteinverzierten Meuchlerdolch aus Aegyptus bringen, den er dort erstanden hatte. Für das nun Kommende war das Beste gerade gut genug und sein Dolch war aus einem besonderen Metall welches „Damaststahl“ genannt wurde und aus einer Stadt namens Damaskus stammte. Damit sollte man sogar problemlos durch die Rüstung eines Soldaten stechen können.

    "Ja, ich habe Zeit. Es dauert etwas bis der Ersatzrennwagen vorgefahren und eine neue Rennziege eingespannt ist. Es gibt Tage da klappt einfach gar nichts. Zuerst bekommt meine beste Rennziege Durchfall. Dann geht die Achse kaputt. Und Dido ist auch nur schlecht gelaunt, weil mein Kumpel Cornelius Cicero sie so geärgert hat. Bei seinen drei dicken und dummen Schwestern und seiner Halbschwester Perenna kriegt er den Mund nie auf. Und bei Dido will er dann seinen Frust abbauen. Ich überlege ernsthaft, ob ich Dido beim Rennen nicht mit dem Ersatzwagen mitfahren lasse. Schließlich bestreiten wir das Rennen nach troianischen Regeln und da ist das Geschlecht des Lenkers nicht festgelegt. Es ist nur geregelt, daß pro gens maximal zwei Rennwägen starten dürfen. Gehen wir dorthin.“


    Serenus deutete mit der Hand in Richtung Rosensträucher von Onkel Senator Felix, in deren Mitte es eine Marmorbank gab. Dann gab er Nero mit einer Handgeste zu verstehen, daß er weiterhin am Ziegenstall Platz machen konnte. Der riesigen Hund schien das nicht unangenehm zu sein, denn so konnte er sich weiterhin mit Hingabe einem gigantischen Wildschweinknochen widmen, den es heute von seinem Herrchen gegeben hatte. Den Knochen für den Hund, den Rest des Wildschweins für die Familie. In der Acta hatte ein Wildgericht gestanden und laut Dido bereitete die Küche heute Wildschwein für alle zu.

    Serenus betrat das Atrium, gefolgt von Hannibal, Dido und Nero, welcher zuvor wohl von Serenus genau instruiert worden war und später von Dido, an der Leine geführt, mit den ganzen Sklaven am Schluss folgen würde.
    Inmitten all seiner Onkels war Serenus im Fall der Fälle solange gut aufgehoben, bis Hannibal mit einem Dolch oder Nero da wären.


    Auf Grund des Traueranlasses trug Serenus ein Paar schwarze Guccius-Stiefel, sowie eine schwarze Tunika von Ottius Cernus, welche ein warmes Innenfutter aus grau gefärbtem Wollstoff hatte. Darüber trug er einen mittellangen schwarzen Kapuzenumhang von Armanicus, welcher innen mit dickem purpurnem Wollstoff gefüttert war. Das war zwar eigentlich die Herbst-Winter-Kollektion und weniger eine Beerdigungsgewandung, aber an diesem recht kühlen und tristen Tag mußte man Kompromisse machen. Denn laut Hannibal würde es später noch einen Wolkenbruch geben. Hannibal hatte ein gutes Gespür für Wetterveränderungen. Daher hatte er bei den Kindern auf den Umhang bestanden und diese würden zumindest trocken bleiben.
    Didos und Hannibals Gewandungen unterschieden sich von Serenus Gewandung nur in der Farbe. Sie waren durchgehend mausgrau gekleidet. Im Gegensatz zu den anderen Sklaven der Gens Flavia legte Serenus bei “seinen” Sklaven wert darauf, daß sie mehr zum Anziehen besaßen und seinem patrizischen Status gerecht wurden.


    Serenus stellte sich schweigend neben seinen “nicht mehr-Lieblingsonkel” Gracchus und hielt Ausschau nach dem Rest der Familie. Es ging sicher bald los, denn die Klageweiber stimmten sich schon mal ein.

    Serenus wandte sich an Sciurus.


    „Sciurus! Mein Onkel war offensichtlich aufgrund der ihm fehlenden Feinfühligkeit und Erfahrungen nicht in der Lage meinen Ausführungen und Bedürfnissen zu folgen. Vielleicht ist er auch taub und hört nur sich selber noch reden. Fasse ihm meine Worte noch einmal so zusammen, dass er sie versteht. Am Besten machst du ihm eine schriftliche Zusammenfassung.

    Ich gehe für meine erneute Abreise nach Alexandria packen. Sagt mir Bescheid, wann die Feierlichkeiten für meine Tante Leontia sind. Vielleicht habe ich dann ja noch eine saubere schwarze Tunika und kann vorher noch einen Eimer warmes Wasser für meine körperliche Reinheit organisieren.
    Vale Sciurus.“


    Serenus verließ schnellen Schrittes das Arbeitszimmer und ging mit Dido in Richtung seines Cubiculums. Da sein Onkel eh taub war ersparte er es sich auch von diesem zu Verabschieden.


    Auf dem Weg zu seinem Zimmer krachte eine Vase zu Boden.

    „Huch Dido! Heute bin ich aber echt ungeschickt.“


    Wenig später ging eine weitere Keramik zu Bruch.


    Es schien heute nicht der geschickteste Tag der Flavius Serenus zu sein.

    Serenus hörte sich das hochtrabende Gerede seines Onkels an. Dank seiner Studien in Alexandria, der dortigen Lehrer und den vielen Studienstunden auf den Reisen konnte er halbwegs übersetzen was sein Onkel sagte. Und sein Zorn über die Ignoranz und beschränkte Sicht seines Onkels wuchs. Wie das Magma des Vesuvs kroch es in Serenus hoch.

    „Gut, gut! Dann kommen wir mal zur Sache, aber im Gegensatz zu Dir bin ich etwas direkter. Aber keine Sorge, Sciurus übersetzt es zur Not.
    Onkel Gracchus, ich bin ein Kind! Ein Kind, das in Kürze 10 Jahre alt wird. Ich bin kein erwachsener Zwerg, sondern ein Kind, welches nie eine Mama hatte und seinen Papa so gut wie nie gesehen hat. Und um den sich hier in der Villa keiner der Erwachsenen gekümmert hat und der den Erwachsenen hier auch egal war. Eine Ausnahme bildete Tante Leontia. Ja, bei meiner Schwester Arrecina sah das anders aus. Da hat sich jeder, selbst du, zwei Arme und zwei Beine für sie ausgerissen. Aber der kleine Serenus, der ist ja egal. So egal, dass Papa es nicht einmal nötig hatte uns vorab zu sagen, dass wir eine hässliche, alte Schwiegermutter bekommen. Warum sollte sich jemand wie ich darüber Gedanken machen, welche Auswirkungen mein Handeln hat? Euch interessiere ich ja doch nicht. Habt ihr mich groß gesucht als ich weg war? Nein. Oder wie viel Zeit habt ihr denn mit mir verbracht als ich noch da war? Nein. An den Spinat- und Gerstenbreitagen war ich immer alleine beim Essen. Da hatte jeder immer Termine. Du hast es in der ganzen Zeit nur einmal mit mir zu den Wagenrennen geschafft. Ja, Serenus ist halt nicht die arme, arme Arrecina. Soviel zu Respekt und Impertinenz!


    Nun zu den Sklaven. Kein Sklave außer Dido hört mehr auf mich. Alle Sklaven verweigern meine Befehle und Anweisungen und berufen sich auf einen Passus, den mein Vater über mich verhängt hat. Der amüsiert sich weit weg in Parthia. Sie haben „strikte Anweisungen“ meinen Befehlen nicht zu folgen. Man weigert sich mir die Sänfte fertig zu machen und die Begleitmannschaft zusammen zu stellen. Morgen kommt die neuste Ausgabe von „Sklave Gaius ist der Beste“ heraus. Ich werde die Ausgabe verpassen. Papa hat dich beauftragt dich um mein körperliches und geistiges Wohl zu kümmern. Du versagst schmählich, Onkel Gracchus. Denn es ist ja nicht nur der Ausflug in die Stadt. Man weigerte sich mir ein Bad einzulassen als ich den Sklaven aufforderte. Ich habe seit drei Tagen nicht mehr gebadet und wasche mich nur mit kaltem Wasser. In die öffentlichen Thermen kann ich ja auch nicht, denn alleine und ohne Sklaven und Sänfte kann ich nicht in die Stadt. Man weigert sich mir das Frühstück oder sonstiges Essen zu bringen als ich es anordnete. Dido muß es in die Küche abholen gehen; und nur weil sie zu klein ist und die Köchin wegen ihr ein Einsehen hat tragen es zwei Sklaven in mein Cubiculum. Keiner räumt mein Zimmer auf, macht mein Bett oder meine Wäsche. Meine Sandalen werden nicht geputzt oder die Wäsche zusammen gelegt. Den Göttern sei Dank kann ich mir ja alleine die Sandalen zubinden und brauche auch keine Tonstrix. Aber die Briefe an Oma und Papa werden nicht befördert und bleiben liegen, weil ein Sklave sie nicht zur Hauspost bringen wollte. Kein Sklave hilft mir bei irgendetwas. Ein jüngstes Beispiel ist dieser Germanensklave von Onkel Aquilius. Der lungerte beim Garten faul herum, aber als ich ihn aufforderte mit beim Anlegen eines Gartenbeetes zur Hand zu gehen, da weigerte er sich unter Berufung auf den Passus. Was wenn Tante Antonia im Garten stürzt und ich einen Sklaven anweise Hilfe zu rufen und der weigert sich. Hast du Dir einmal darüber Gedanken gemacht? Nein, sicher nicht, zumal DU, Onkel Gracchus, ja Sklaven wie Sciurus hast, die deine Sandalen putzen oder Dir selbst mit einer Lampe in der Latrine leuchten. Da kann man sich gut hinter Dignitas und Gravitas verstecken und einen auf überheblich machen.“


    Serenus übergab seine Lyra an Dido und trat näher an den Schreibtisch von Onkel Graccus heran. Er fixierte seinen Onkel so böse er konnte.


    „Ich bin Lucius Flavius Serenus, Sohn der Marcus Flavius Aristides. Ich bin Patrizier und in mir fließt das Blut der flavischen Kaiser. Ich bin einem Hund nicht am Schwanz abgefallen. Wenn du und Papa der Meinung seid, dass ich weniger Wert bin als der niederste Sklave in dieser Villa und sich selbst der niederträchtigste Sklave über mich stellen darf, dann gehe ich halt dorthin, wo der Pfeffer wächst. Vermutlich Germanien oder Tylus. Ich brauche euch nicht. In knapp zwei Jahren bin ich ein Mann und dann gehe ich wie Papa zur Legio und werde Soldat und ein Held. Und irgendwann komme ich mit Feuer und Gladius und vielen Soldaten zurück. Und dann wird abgerechnet. In der ganzen Geschichte der Gens Flavia wurde noch kein Patrizier so von dem eigenen Sklavenpack und der Familie in der eigenen Villa beschämt. Das verstehen du und Papa unter meiner Erziehung. Gut, die Lektion ist angekommen. Da gehe ich lieber wieder alleine nach Alexandria ins Exil und studiere dort weiter bis ich alt genug für die Legio bin. Oder ich quartiere mich bei Onkel Furianus ein. Nein, Alexandria ist vermutlich besser, denn dort bin ich für die Sklaven so etwas wie ein Gott.“


    Serenus Gesicht war krebsrot und zu einer Fratze verzerrt, eine Zornesader war auf seiner Stirn angeschwollen. Seine Stimme war mehr zu einem Zischen geworden. Seine kindliche Wut schlug die Logik um. Jetzt war alles egal. In den letzten Tagen hatte sich zu viel aufgestaut. Und schon sprudelte es weiter aus ihm heraus.


    „Du bist gemein und warst immer eifersüchtig auf mich, weil mich Tante Leontia mich viel lieber hatte als dich. Und Oma mich als nächsten Augustus haben will und nicht dich, der du noch nicht mal Senator bist. Du bist ja nur neidisch, weil ich eine schöne Kindheit, Freunde und einen Hund habe, während du dich hinter deiner Dignitas und Gravitas einmauerst und dich keiner leiden kann. Wieviele echte Freunde hast du denn? Onkel Gracchus, du bist alt, ohne jemals jung oder ein Kind gewesen zu sein.


    Und was die Bibliothek betrifft, so war das die Anweisung von Onkel Senator Felix, weil ich kein eigenes Arbeitszimmer bekam. Jetzt wird mir auch schon angelastet, was andere mich anwiesen zu tun. Dein Arbeitszimmer behalte ruhig. Ich will es nicht mehr. Nach der Trauerzeremonie für Tante Leontia verschwinde ich wieder. Und wer mich daran hindern will, der sollte besser sein als der Mann den ich auf der Strasse nach Ostia getötet habe.


    Mehr habe ich nicht mehr dazu zu sagen. Vermutlich hast du gar nichts verstanden von dem was ich gerade sagte, gehst nicht darauf ein oder flüchtest gerade in den hintersten Winkel deiner Dignitas und Gravitas.


    Sciurus, übersetze meine Worte meinem Onkel, so dass er sie versteht.“


    Serenus verschränkte die Arme vor der Brust, Zornestränen standen in seinen Augen und er machte ein bockiges Gesicht, während er auf die Reaktion seines Onkels wartete. Gleichzeitig wurde in Gedanken sein Onkel von der Position des Lieblingsonkels auf den letzten Platz verbannt. Onkel Furianus rückte auf den ersten Platz auf. Gleich nach diesem Gespräch würde er seine Sachen anfangen zu packen und diesmal würde er vor allem seine „Sklave Gaius ist der Beste“-Sammlung mitnehmen. Und vielleicht würde er die Villa niederbrennen und alle Rosen nieder trampeln, allen Statuen die Köpfe abschlagen, damit er auch erst einmal keinen Grund hatte wieder zurück zu kommen. Alles vorbei, aber vielleicht war das Schicksal als ausgestossener Philosoph gar nicht so schlecht.



    :motz:

    Gartenbau – lebe von den Früchten der Erde.


    Zuerst bog Nero der riesige Molocherhund um die Ecke, dann folgten Serenus und Dido. Beide Kinder waren in grüne Tuniken, und grüne Sandalen aus groberem Stoff gekleidet. Allerdings war ihre Spielkleidung vom besten patrizischen Schneider von Baiae maßgeschneidert worden. Serenus trug eine riesige Schriftrolle, kurze Holzpflöcke und Schnur in den Händen. Dido trug einen riesigen Korb mit Saatgut und einen Eimer zum bewässern.


    „He Sklave! Stell deinen Brei zur Seite und lungere hier nicht herum. Sonst lasse ich dich von Nero mal durch die Villa scheuchen und weise Sciurus an, dass du 4 Wochen lang nur Spinat- und Gerstenbrei bekommst. Im Schuppen solltest du Hacken, Spaten und anderes Gartengerät von Onkel Senator Felix finden. Nimm dir die Werkzeuge und komm mit. Wir legen heute einen Obst und Gemüsegarten an. Dazu noch ein Kräuterbeet. Und wenn du stark genug bist, dann nimm noch einige von diesen Brettern für ein Hochbeet mit und vergiss die Erntekörbe nicht.“

    Serenus musterte seinen Onkel Gracchus. Wie war der denn heute mies gelaunt drauf? Hatte er Ehestreit mit Tante Antonia? Oder langweilte er sich und ließ jetzt seinen Unmut an ihm aus? So etwas führte schnell zur Streichung von der Position des Lieblingsonkels und Ersetzung durch Onkel Lucullus oder Onkel Aqulius. Und dann sollte sein kleiner Hund auch aus dem Zimmer raus, aber Sciurus durfte bleiben. Dabei war sein Hund mindestens so wertvoll wie Sciurus.
    Also wenn sein Onkel ihm so doof kam, dann konnte er das auch. Und an Spinat- und Gerstenbreitagen erst recht! Er würde heute noch einige Stunden in der Villa musizieren und singen, in Hörweite von Onkel Gracchus. Das hatte er jetzt davon.

    Scheinbar gedankenverloren strichen seine Finger über die Lyra.


    *Schrumm*
    *SCHRUMM*


    Er hob eine Augenbraue und schaute seinen Onkel noch grimmiger an. Dann wandte er sich an Dido.


    „Dido, bring meinen kleinen Hund vor die Tür. Mir deuscht, dass sich mein werter Onkel in einer destruktiven Gemütsverfassung befindet und meint dies gegenüber meinem kleinen Hund kompensieren zu müssen. Deplorabel, äußerst deplorabel! Zumindest muß ich seine Artikulation so deuten, denn in der Vergangenheit hatte er mit dem Hund in seinem Arbeitszimmer keine Probleme.“


    Er wandte sich wieder an seinen Onkel. Das mit der Unsitte und dem fehlenden Respekt überging er erst einmal, denn diese taten es ja umgekehrt genauso. Jeder erwachsene Flavier meinte, dass Kinder keine Rechte und Bedürfnisse hatten. Nur Tante Leontia hatte ihn verstanden und die war jetzt tot. Und Oma kam erst in einigen Tagen in der Villa an.


    „Nun, wickeln wir unser Gespräch schnellstmöglich ab, denn mir deuscht, es liegt dir heute nichts an meiner Gegenwart. Traurig, traurig. Widmen wir uns den sozialrelevanten Angelegenheiten öffentlicher Natur, welche auch meine Rückkehr bedingten: meine Lieblingstante Leontia ist tot!
    Wann findet die Beerdigung statt? Und ich darf doch davon ausgehen, dass du an nichts gespart hast und alles sich mit der Beerdigung einer Augusta messen kann? Ich würde diesen Tag, die damit verbundenen Vorbereitungen und dich als Organisator in meinen späteren Memoiren gerne in würdiger Erinnerung behalten, Onkel Gracchus.“


    Serenus hatte lange an seinen Worten vor dem Gespräch gefeilt. Obgleich Diplomatie und eine gehobene Wortwahl bei Onkel Gracchus vielleicht nicht mehr so wichtig waren. Oma hatte Serenus die hohe Kunst der Diplomatie ans Herz gelegt, aber sie selbst war böse mit Onkel Gracchus. Leute auf die Oma böse war, zu denen musste man als Flavier nicht wirklich mehr diplomatisch sein. Die gab es nicht mehr lange.
    Und in dem kommenden Gespräch mit Onkel Gracchus ging es um seine Zukunft und seine Freiheiten. Serenus würde mit Feuer, Papas Gladius, Omas Gladiatoren, Nero und seiner Lyra darum kämpfen.


    Scheinbar gedankenverloren strichen seine Finger leise und sanft über die Lyra.


    *Schrumm*
    *Schrumm*

    *Klopf*Klopf*


    Und schon stand Serenus im Zimmer. Natürlich hatte er das „Herein!“ mal wieder nicht abgewartet, wozu auch, schließlich hatte er durch Sciurus seinen Besuch angekündigt.


    Mit der Lyra in der einen Hand und einer riesigen Wachstafel voller Beschwerden in der anderen Hand ging er mit grimmiger Miene auf den Schreibtisch von seinem Lieblingsonkel zu. Seine purpurfarbene Tunika harmonierte mit seinem kurzen purpurnen Schulterumhang und den schwarzgefärbten Sandalen als Giraffenleder. Selbst seine Haare hatten einen neuen Schnitt verpasst bekommen. Natürlich war es bei der üblichen Kürzung der Spitzen geblieben.


    Es folgten wie immer seine Leibsklavin Dido (in ihren neuen Gewändern aus Baiae) und der riesige Kampfhund Nero, welcher Gracchus schwanzwedelnd begrüßte und dann artig neben Serenus Sitz machte.


    „Salve Onkel Gracchus! Mögen die Götter Dir gewogen sein. Ich hoffe es geht Dir gut. Du bist etwas blass um die Nase. Du wirst doch wohl nicht eine Erkältung bekommen? Die halbe Gens Cornelia liegt mit fiebriger Erkältung nieder. Die andere Hälfte opfert den ganzen Tag Apollo und bittet um Genesung. Obgleich eine Erkältung kein Wunder wäre. Die Fussbodenheizung scheint noch nicht an zu sein. In der Nacht war es doch schon recht kühl.


    An dieser Stelle auch Grüße von Oma Agrippina. Sie kommt wohl in einigen Tagen nach. Und ich soll dich daran erinnern, dass es da noch ein Gespräch zwischen euch fortzusetzen gilt. Mehr hat sie dazu nicht gesagt.


    Ich muß mich mit Dir einmal dringend über einige sozialrelevante Angelegenheiten öffentlicher Natur unterhalten.


    Des weiteren sind nach meiner Ankunft hier einige skandalöse Zustände durch mich aufgedeckt worden, welche in einem krassen Widerspruch zur sonstigen Eloquenz unserer Sklaven stehen. Deplorabel kann ich da nur sagen. Ich sehe mich in meiner sozialen Stellung als Patrizier gedemütigt und hinsichtlich meiner geistigen und kulturellen Gesundheit auf das Äußerste bedroht.


    Abschließend brauche ich einige liquide Mittel aus der Familienkasse für eine Fernreise, die über mein Taschengeld und meine in Aegyptus requirierten Mittel hinaus gehen. Letztere existieren übrigens nur noch in wertsteigernden literarischen Anlagen. Ich dachte so an 100.000 Sesterzen zur Bestreitung meiner Reisekosten und ich brauche eine Privatgaleere aus unseren Familienbeständen.“

    Weiter ging es zu Onkel Gracchus und Sciurus und Tante Antionia.


    Für Sciurus hatten sie so ein ägyptisches Kopftuch und einen knappen Lendenschurz aus echten Krokodilleder der Heiligen Krokodile besorgt. Mit einen Sklavendress aus Alexandria würde er sich von den anderen Sklaven direkt unterscheiden und konnte seine Stellung betonen. Dazu die passenden Krokodilleder-Sandalen von Guccius.


    Onkel Gracchus bekam von Serenus nur ein Schreiben.




    Zugangs- und Nutzungsberechtigung für mein Arbeitszimmer (ehemals Bibliothek der Villa Flavia).


    Hiermit gestatte ich, Lucius Flavius Serenus, meinem Lieblingsonkel Gracchus die mitgebrachten Abschriften aus der Bibliothek von Alexandria zu studieren und zu entleihen.


    Gezeichnet: LFS


    Serenus hatte einen ganzen Wagen voller Abschriften der originale in der großen Bibliothek von Alexandria anfertigen lassen. Das Kopieren hatte ein kleines Vermögen gekostet, aber wer wusste schon, wann man noch einmal so eine Gelegenheit bekam.


    Für Tante Antonia gab es eine riesige Amphore mit bester Stutenmilch aus der CLE-OPA-TRA-Kollektion mit garantierter Faltenreduzierung in nur 10 Tagen.


    Alles wurde dem offensichtlich gerade aufgestandenem Sciurus in die Hand gedrückt. Dann reservierte sich Serenus noch einen Termin bei seinem Lieblingsonkel nach dem Frühstück.


    Und schon gingen die Kinder weiter.

    Conflictus, der beste Gladiator der Flavia Agrippina, war nicht nur ein exzellenter Kämpfer und entsprach dem römischen Schönheitsideal eines Gladiatoren, sondern auch intelligent. Also entschied er sich dem jungen Dominus nichts von den “Anweisungen” zu erzählen. Das war dann Sache seiner Domina Flavia oder der anderen flavischen Bewohner. Conflictus sollte Serenus hier abliefern, eine erneute Flucht bis zur Ankunft seiner Domina unterbinden und möglichst verhindern, daß der junge Dominus die Villa in Schutt und Asche legte. Alle Bewohner sollten bis auf weitere Anweisungen am Leben bleiben. Und er hatte Anweisungen nur begrenzt auf Serenus zu hören. Conflictus nickte und winkte den ganzen Tross herein.


    Die Götter hatten heute wohl ein Einsehen mit den Bewohnern der Villa Flavia. Serenus und Dido gingen totmüde und ohne große Kommentare direkt ins Bett. Serenus schenkte nicht einmal den Ausgaben von “Sklave Gaius ist der Beste” einen Blick, die ihm jemand während seiner Abwesenheit aus Roma besorgt hatte.


    Die Hunde dagegen jagten ganze Nacht die flavischen Hauskatzen unermüdlich durch die Villa und den Garten. Und hoben überall ihr Beinchem um das Revier zu markieren.


    Und Senator Flavius Felix reiste im Morgengrauen ab und überließ die restliche Familie und die Villa ihrem Schicksal.