„Serenus überholte den gesichtslosen Fahrer der Veneta und drängte ihn an die Außenmauer der Rennbahn ab. Unter dem Jubel der Tausenden und Abertausenden Zuschauer zersplitterte die Quadriga der Veneta beim Kontakt mit der Mauer. Serenus, Fahrer der Russata, holte das Letzte aus seinen vier Pferden raus. Die Ziellinie kam näher und näher …“ als ihn Didos Stimme aus dem Schlaf riss.
Huch! Offensichtlich war man schon da. Eben war man doch noch im Hafen von Ostia. Serenus streckte sich, gähnte ausgiebig und stieg dann patrizisch gemessenen Schrittes aus der Sänfte.
Derweil hatte auch sein Kampfhund Nero Didos Anwesenheit entdeckt. Der riesige Hund sprang bellend und schwanzwedelnd um Dido herum und zeigte ein freundliches Verhalten, dass er Sklaven gegenüber quasi nie an der Tag legte. Und der Ianitor schaffte es mit langjähriger Routine einen Überblick über das Chaos zu gewinnen und binnen weniger Herzschläge das gesamte auflaufende Inventar an Mensch, Tier und Frachtgut durch die Porta zu schleusen, während Senator Cornelius in seiner Sänfte darüber grübelte, ob er der Gens Flavia diesen Ianitor nicht abkaufen sollte. Vor seiner Porta klappte das nie so gut. Da tat er stets gut daran erst einmal in der Villa zu verschwinden und die nächste Stunde nichts mehr vom Tumult an der Porta mit zu bekommen.
Serenus stellte sich neben Dido uns musterte diese mit kritischem Blick. Und atmete erleichtert auf. Uff! Dido war mindestens 4 Zentimeter kleiner als er und damit weniger gewachsen als er selbst. Ein freundliches Lächeln zauberte sich auf sein Gesicht. Als Patrizier galt es eine gewisse Haltung und Würde zu bewahren, aber ein freundliches Lächeln war erlaubt. Zumal Dido ja seine Leibsklavin war. Und wehe den Bewohnern der Villa, wenn man sie nicht gut behandelt oder gefüttert hatte. Etwas dünn sah sie ja aus. Hoffentlich hatte man ihr keine „Du bist klein, hässlich und viel zu dick “-Komplexe eingeredet. Oma Agrippina achtete sehr oft penibel auf das Gewicht einiger männlicher Bade- und Massagesklaven von ihr selbst. Serenus achtete auf sie etwas nicht. Als sein Hund Nero unlängst versehentlich die dicke Gunhilda aus Lutetia ins Wasserbecken der Therme stuppste hatte es einen lustigen Platscher bis fast zur Decke gegeben. Und dicke Leute waren meistens gut gelaunt.
„Ah, Dido. Wie ich sehe geht es Dir gut. Sobald ich mich bei meiner Familie zurück gemeldet habe setzen wir uns in meinem Cubiculum zusammen und du erstattest mir einen umfassenden Bericht über die aktuellen Geschehnisse in der Villa. Halt Dinge über die ich Bescheid wissen sollte. Wer alles da ist, was es Neues gibt, wer mit wem Streit hat und wer alles zu wem gehört. Und ich möchte wissen, wie es Dir in meiner Abwesenheit ergangen ist und wie man dich behandelt hat. Gib der Küche Anweisung, dass mein Frühstück heute sehr bescheiden ausgefallen ist, ich aber später nur einige leichten Kleinigkeiten zu mir nehmen möchte. Und in der nächsten Zeit sollten Meeresfrüchte auf meinem Speiseplan nur sporadisch auftauchen. Und dann packen wir noch einige Geschenke und viele mitgebrachte Sachen aus. Ich habe auch einiges für dich dabei.“
Da Baiae am Meer gelegen war gehörten Fisch und Meeresfrüchte selbst in einem patrizischen Haushalt zum festen Speiseplan. Während man in Roma nach Hummer, Muscheln, Austern, Langusten und frischem Fisch geradezu gierte, erfreute sich Serenus als Besucher aus Baiae eher die ersten Tage und Wochen einer Kost, die nicht aus dem Wasser stammte. In Roma gab es eindeutig öfters Fleisch als in Baiae, wenn kein Besuch da war den man mit frischem Meeresgetier beeindrucken musste. Mit Fleisch war Oma Agrippina auf Serenus Speiseplan stets sehr geizig. Wenn gab es meistens Wild und Lamm, aber selten Rind, Schwein, Huhn und Stallhase.
Dann pfiff er nach seinem riesigen Kampfhund Nero, welcher zwischenzeitlich hier und da schnüffelte und da und dort das Bein hob um die ein oder andere Mauer und Säule zu markieren.
Serenus erkundigte sich bei Acanthus wer gerade von der Familie im Hause anwesend war, winkte seine Leibsklavin Dido hinter sich her (bevor der erste erwachsene Sklave sie zum Gepäckträger degradieren konnte) und machte sich auf zur Familie.
Kaum war Serenus im Innern der Villa verschwunden zückte Lupus Crassus mehrere Wachstafeln aus einem Lederbeutel und ließ sich die Ablieferung von Serenus nebst Gepäck und Getier schriftlich (!) bestätigen. Außerdem händigte er ein Bündel Briefe aus, worunter auch Ernährungsanweisungen für die Küche hinsichtlich Serenus waren. Flavia Agrippina trug somit Sorge, dass die Spinat- und Gerstenbreitage auch in Roma weiterhin gesichert waren. Derweil strömten aus den Schatten und Türen ameisengleich weitere gesichtslose Sklaven herbei und machten sich an die Mammutaufgabe binnen kürzester Zeit die mitgebrachten Tiere zu versorgen und die Unmenge an Gepäck zu entladen und an seinen Bestimmungsort zu transportieren. Beschriftungen auf den Kisten, Bündeln und Packen ( wie zum Beispiel Ziegenfutter, Kleidung, Geld, Waffen, Sklave Gaius, Büsten, Statue, Rüstung, Rennkleidung, Schriftrollen, Neros Körbchen, neue Kleidung Dido, Didos Hund, Kissen, Decken, Spielsachen, Musikgeräte, Spielkleidung, Saatgut, Schösslinge, Angelausrüstung, Sklavenbestrafungsinstrumente, Totenmaske von Mama, Giftphiole für Claudia Epicharis, Schmuck und Edelsteine, Spielsachen, Kleidung, Spielsachen, Spielsachen, Kleidung, Süßigkeiten, Kleidung, Schuhwerk, Teppiche, Kuscheldecke, Felle, Kinderwiege als Geschenk für Flavius Gracchus, diverse weitere Geschenke etc.), sowie eine genau Inventarliste halfen den Scribas die Sklaven in die richtigen Räumlichkeiten zu lotsen.
Schnell wurde ersichtlich, dass man auf weitere Räumlichkeiten ausweichen musste, denn obgleich Serenus das größte Zimmer der ganzen Villa bewohnte (inklusive einem riesigen begehbaren Wandschrank, welcher seiner Leibsklavin Dido als Zimmer diente) zeichnete sich im gut verpacktem Zustand Platzmangel ab. Und so wurde ein Teil des Gepäcks erst einmal dezent in den leerstehenden Räumlichkeiten von Senator Flavius Felix und Flavia Minervina eingelagert, während die Kisten mit dem Vermerk „Karten & Schriftrollen“ in Serenus altem Arbeitszimmer (der Bibliothek) landeten. Entweder hatte Serenus die Bibliothek in Baiae geplündert oder Flavia Agrippina hatte aus Aegyptus weitere unzählige Abschriften und Originale für Serenus besorgt. Als bald stapelte sich einiges in der Bibliothek.
Mit der Geschwindigkeit eines Falken im Sturzflug verbreitete sich die Anwesenheit von Serenus und Nero unter den sklavischen Bewohnern und wenigen Freien des Anwesens. Und schon bald eilten unzählige Sklaven zwischen jenen Gängen und Räumen der Villa, welche zu den bekannten Wirbelwindschneisen von Serenus gehörten, und einem speziellen Raum im Keller hin und her. Routiniert und still wurden erlesene Statuen, Büsten und teure Vasen gegen perfekte Kopien ausgetauscht. Die wertvollen Originale verschwanden in den Räumlichkeiten von Flavius Gracchus und dem Kellerraum.
Senator Flavius Felix mochte alt und senil und auch nicht mehr in der Villa anwesend sein, aber seine schriftlichen Anweisungen waren immer noch gültig und zeugten von enormer geistiger Brillianz, die man in etwa wie folgt zusammen fassen konnte.
Spielendes Kind in der Villa = zwangsläufig kaputter Hausrat = teuer.
Alles wertvolle Austauschen = Kopien = billig im Kaputtfall.
Besuch in der Villa = Originale wieder aus Keller wegen Repräsentation UND Kind im Keller einsperren oder aus der Villa aussperren.
Anweisung bewährte sich schon bei Milo und Furianus! Ergo auch bei Serenus!