Beiträge von Flavia Epicharis

    „Woanders..? Oh. Oh, nein nein“, erwiderte Epicharis rasch und schüttelte amüsiert den Kopf. Sie war sich nicht ganz sicher, ob Aristides sich einen Spaß mit ihr erlaubte oder wirklich nicht argwöhnte, worauf ihre Worte gezielt hatten. Konnte es denn wirklich sein, dass er nicht von Nero wusste? Nein, der Gedanke war zu absurd, um tatsächlich zu sein. Kein Römer kannte Nero nicht. Andererseits hatte Aristides auch in anderen Situationen bereits Leichtigkeit gezeigt, als Allgemeinbildung anbelangte… Als Lectrix der Acta Diurna würde sie es natürlich nicht auf Dauer dabei belassen können. Nachdenklich sog sie die Unterlippe zwischen die Zähne und musterte Aristides. Dann fiel ihr ein, dass sie noch gar nicht weiter gesprochen hatte, und schnell holte sie ebendies nach. „Ich meinte den großen Brand vor vierzig Jahren“, erklärte sie ihm und vermied dabei tunlichst den Namen eines ihrer Vorfahren. Sie bogen nun um eine Häuserecke herum, und ein kleiner Windhauch trieb ihnen unangenehme Gerüche in die Sänfte. Epicharis verzog das Gesicht und wandte es naserümpfend zur Seite, doch schon bald hatten die flinken Träger das Gefährt aus dem Mief getragen und sie konnten alle wieder freier atmen.


    Epicharis, die leicht naiv glaubte, dass Aristides sich gern damit brüstete, den Feinden zum Wohle des Imperiums getrotzt und sie getötet zu haben, bemerkte bestürzt mit der ihr in dieser Hinsicht feinsinnigen Art, dass es ihrem Verlobten nicht behagte, über die Parther und den Krieg zu sprechen. So bisssie sich verstohlen auf die Zunge, entschuldigte sich jedoch nicht für ihre Annahme, um nicht noch mehr Salz in die Wunde zu streuen. Stattdessen wandte sie sich flüchtig um und suchte Fiona und Minna zu erspähen, die hoffentlich etwas Gutes – und Gesundes! – eingepackt hatten. Sie entdeckte Fionas roten Haarschopf irgendwo bei Hannibal, und mit einem vielsagenden Schmunzeln auf dem geschwungenen Lippen wandte sie sich wieder um und lauschte Aristides’ Worten, ohne jedoch selbst etwas von ihren Gedanken preiszugeben. Die beiden gaben ein nettes Pärchen ab. Vielleicht, dachte Epicharis bei sich, würde sie Aristides später dazu bringen können, seinen Sklaven unmissverständlich klarzumachen, dass Epicharis sich ein Sklaven Kind wünschte, dass mit ihrem eigenen würde aufwachsen können. Nachwuchs mit Hanni teils Intellekt und Auftreten und mit Fionas Pfiffigkeit oder Minnas sanftem Gemüt erschien ihr gar durchaus angemessen. Vorerst allerdings galt es, auch Zeit zu halten, und das war leichter dahin gesagt als getan – besonders, wenn es nach Serenus ging.


    „Hundert!“ Platzte Epicharis dann kurz darauf heraus, ihre Aufmerksamkeit nun wieder uneingeschränkt ihrem Verlobten schenkend, und zwar mit entsetzt geweiteten Augen und einem fragenden Ausdruck auf dem Antlitz. Nur langsam fiel die Entrüstung von ihr ab, und schließlich schüttelte sie unverstehend den Kopf. „Wie kann dieser.. Schá dar nur seinen ehelichen Pflichten nachkommen“, murmelte sie und zuckte mit den Schultern. Forschend taxierte sie Aristides. Er wirkte nicht so, als gefiel ihm der Gedanke an so viele Frauen. Das war eigentlich ein gutes Zeichen, beschied Epicharis, und so schenkte sie ihm nun ein freudiges Lächeln, das sich in ein Strahlen verwandelte, als ein Sklave verkündete, dass sie nun angekommen seien. Es war doch schneller gegangen als sie gedacht hatte. „Wir sind da“, wiederholte sie unnötigerweise, um ihrem Elan hierunter Ausdruck zu verleihen. Dann drückte sie alles Titels noch schnell einen flüchtigen Kuss auf die Wange und stieg als erster aus der Sänfte aus. Dem Sklaven, der ihr seine Hand helfend reichte, schenkte sie nur eine Deutung ins Innere der flavischen Sänfte, dann wartete sie bis man auch Aristides hinaus geholfen und ihm seine Stützen gereicht hatte.


    Dies atmete Epicharis die frische Luft hier am Rande des Gartens ein, von dem nichts mehr verriet, dass gute vierzig Jahre zuvor nicht ein Stein mehr auf dem andern gelegen hatte. Neros Brand hatte auch sein Gutes gehabt, denn der Boden war danach sehr fruchtbar gewesen und hatte es vielen Pflanzen erleichtert, hier wieder Fuß zu fassen und gut anzuwachsen. „Herrlich, nicht?“ Fragte Epicharis ins Blaue hinein und grinste ihren Verlobten an. „Sag einmal, Marcus, wie hast du dir eigentlich alles Weitere vorgestellt?“ Fragte sie ihn geradeheraus, direkt nachdem sie sich bei ihm untergehakt hatte, so gut es möglich war, ohne ihn beim Humpeln zu behindern. Natürlich meinte sie die Hochzeit, und sie konnte nur hoffen, dass er nicht schon wieder auf dem Schlauch stand.

    "Ach was. Und selbst wenn, wäre das doch gar nicht schlimm, schließlich haben wir alle Zeit der Welt", erwiderte Epicharis fröhlich. Selbst ohne dass sie sein ganzes Gewicht stützen musste, war ihr Verlobter doch recht schwer, und Epicharis war froh, dass sie ihren Ausflug in einer Sänfte machen würden. Aufmerksam betrachtete sie ihn dabei, wie er nach den Krücken griff und kurz damit herum hantierte, ehe er sich langsam in Bewegung setzte und an ihrer Seite der Tür entgegen strebte.


    Sie hatten kaum die Porta passiert, da schien das Blau des Himmels mit den goldenen Strahlen der Sonne um die Wette zu funkeln. Weißer Marmor glitzerte im hellen Licht der Frühlingssonne mit den ersten Schweißtropfen der wartenden Sklaven um die Wette. Doch Epicharis hatte für all dies kein Auge - vielmehr hatte sie Aristides den Blick zugewandt und betrachtete sein müde wirkendes Antlitz in hellerem Licht. Während seiner Abwesenheit, so erschien es ihr, waren einige Falten hinzugekommen. Sein Gesicht wirkte wettergegerbt und erinnerte sie absurderweise an Leder. Mit zusammen gekniffenen Augen blickte Epicharis nun wieder nach vorn und musterte die flavische Sänfte. Ein sanftes Lächeln umspielte ihre Mundwinkel, als sie jenen einen Tag zurück dachte, an dem Aristides sie damals hatte abholen lassen, um sie in dem Tiergarten zu überraschen. Geduldig wartete sie, bis ihr Verlobter sich mit einiger Hilfe in die Sänfte gewuchtet hatte. Ein wenig Mitleid hatte sie schon mit ihm, andererseits hätte er sich wohl leichter bewegen können, wäre da etwas weniger auf seinen Hüften gewesen. Befriedigt dachte sie an die Anweisungen, die sie den beiden Sklavinnen bezüglich des mitzunehmenden Essens erteilt hatte. Als Aristides ließ sich wohl gebettet hatte und seine Frage stellte, legte Epicharis, welche immer noch vor der Sänfte stand, den Kopf schief und machte ein verschmitztes Gesicht. "Nicht direkt, nein. Eigentlich gehören sie Vater, aber ich mag sie, und Vater hat ohnehin kaum Aufgaben für die beiden. Er merkt sicher nicht einmal, dass sie uns begleiten." Dass Aristides ernsthaft vermutet hatte, eine ihrer Freundinnen würde einen so außergewöhnlichen Namen tragen, daran dachte Epicharis nicht einmal. Ein flüchtiger Blick über ihre Schulter verriet ihr, dass Hannibal, Fiona und Minna bereits herannahten, und so verschwendete die junge Claudierin keine Zeit mehr, sondern stieg ebenfalls in die Sänfte.


    Die flavischen Farben fanden sich auch im Inneren der Sänfte wieder. Dunkelrote Kissen mit goldenen Troddeln sorgten dafür, dass Flavius und Claudia weich und angenehm lagerten. Der Sichtschutz glitt nun ebenfalls wieder an seinen Platz zurück, und verbarg das ungleiche Paar vor allzu neugierigen Blicken. Epicharis wandte sich Aristides zu, dessen gesundes Bein sie wie zufällig mit ihrem Bein berührte. Das Ambiente mutete nun geheimnisvoll an, und Epicharis versank gern einen Augenblick in Träumereien. "Gern!" erwiderte sie und blinzelte ihn an. Sie wusste um die Lage der Gärten und auch um deren Geschichte, und als ihre Hand nun die von Aristides suchte, sie fand und sich hinein schob, fragte sie ihn: "Fragst du dich nicht manchmal auch, ob sie vor dem Brand noch schöner gewesen sind als heute?" Das Ziel ihres kleinen Ausflugs war den tragenden Sklaven schnell mitgeteilt, und ohne dass Epicharis doch einen Blick auf die drei Sklaven hätte werfen können, setzte sich die Sänfte bereits in Bewegung. Es war schwer, gut ausgebildete Träger in Rom zu bekommen, solche, die nicht ständig aus dem Takt gerieten oder gar stolperten. Bei dieser Gruppe aber hatte Epicharis nichts auszusetzen, und so schwankte die flavische Sänfte allmählich ihrem Ziel entgegen. Die Leibwächter sorgten dafür, dass sie auf ihrem Weg nicht in einen größeren Tumult gelangte, und die anderen Sklaven folgten mit Sicherheit. Epicharis kuschelte sich an ihren weichen Verlobten, streichelte geistesabwesend hier und da über seine Haut und genoss einfach das Gefühl, sorgenfrei und glücklich zu sein. "Erzähl mir von den Kämpfen", bat sie ihn, den Kopf an seine Schulter gebettet. "Hast du vielen Parthern das Leben genommen? Wie sehen die eigentlich aus?", fragte sie ihn verdutzt, just in dem Moment, als ihr der Gedanke in den Sinn kam.

    Genau diese Toga war es, die Epicharis nun, da sie Aristides ein weiteres Mal eingehend beobachtete, auffiel. Vermutlich würde sie seine Bewegung noch weiter einschränken, mehr noch als dies die Krücken ohnehin schon taten. Zudem wäre ein Römer, der in seiner Toga im Gras saß sicherlich ein seltener Anblick in Rom. Doch ihn selbst schien dies nicht zu stören, im Gegenteil, er wirkte regelrecht begeistert - besonders, als Epicharis die Häppchen erwähnte. Noch war sich der Flavier allerdings nicht darüber im Klaren, welcher Art die Naschereien sein würden, die ihn später beim Picknick erwarteten. "Sehr gut! Dann werde ich mich beeilen", erwiderte Epicharis lächelnd und wandte sich ab, um einige Anweisungen zu erteilen. Als sie sich erst einige Schritte von Aristides entfernt hatte, schien ihr noch etwas einzufallen, und sie wandte sich um, kam zu ihm zurück und küsste ihn spontan auf seine Nasenspitze. Erst dann - und nachdem sie ihm doch ein Lächeln geschenkt hatte - huschte sie vollends hinfort.


    Schnell waren Fiona und Minna gefunden, nach Nordwin hatte sie schicken lassen, und schon war Epicharis dabei, Anweisungen zu erteilen. "... aber achtet darauf, dass ihr nur Geflügel eingepackt. Am besten, ich fange jetzt schon damit an, ein wenig auf Aristides' Figur zu achten. Er selbst scheint bisher nicht so genau zu nehmen. Deswegen lasst ihr auch die in Honig eingelegten Naschereien besser weg und nehmt stattdessen Obst und Nüsse und sowas, ich bin mir sicher, ihr werdet schon das ein oder andere finden. Und beeilt euch bitte - wir werden ihn schonmal in die Sänfte verfrachten..." Ein eindringlicher Blick folgte, gepaart mit einem enthusiastischen Lächeln - überhaupt schien Epicharis seit der Ankunft ihres Verlobten nur noch zu lächeln. Auch sonst war sie natürlich nie ein Kind von Traurigkeit gewesen, manche behaupteten gar, sie sei eine unverbesserliche Optimistin, die selbst in den verdrossensten Situationen noch etwas Gutes fand. Das ging sogar soweit, dass sie sich auf ein Leben mit Aristides' Sohn freute, und das selbst nach der Aktion mit der Ratte. Sie war der Ansicht, dass der Junge mit fortschreitendem Alter sich bessern und verstehen lernen würde, was er mit solcherlei Dingen auslöste.


    Das dauerte wahrhaftig nicht lange, bis Epicharis wieder ins Atrium zurückkam. Sie steuerte sogleich Aristides an und verkündete, dass sie nicht lange würden warten müssen. "Wir können ruhig schon nach draußen gehen. Minna, Fiona und Nordwin kommen sicher gleich. Sie bringen auch den Korb mit. Hannibal, kennst du die zwei Mädels schon?" sagte Epicharis und zwinkerte Hannibal vielsagend zu. Sie wusste schließlich nicht, dass es vergebende Liebesmüh war. Und so hielt sie Aristides eine Hand hin, um ihm beim Aufstehen zu helfen und ihn anschließend zu der parat stehenden Sänfte zu begleiten.

    So souverän und selbstsicher wie Lucilla fühlte sich Epicharis bei weitem nicht. Entweder, so überlegte die junge Claudia, hatte Lucilla schon sehr viele Male geopfert, oder aber sie war schon einmal selbst Sacerdos gewesen. Prüfend sah sie daher Lucilla von der Seite an, als sie sich ebenfalls rechtsrum von der großen Statue des Mars abwandte und an ihrer Seite, gefolgt von den Sklaven und den schweinchentragenden Helfern des Tempels hinaus ging. Wie sie es schafften, ihre Kleider so sauber zu halten, fragte sie sich, immerhin war die Farbe, mit der die Schweinchen angetan waren, alles andere als abriebfest.


    Während Lucilla ihr kleines Schweinchen für sein Schicksal rüstete, betrachtete Epicharis sie ganz genau. Jeder Handgriff saß und jedes Wort war angemessen und erschien ihr fast wie eingeübt. In diesem Moment hatte sie großen Respekt vor der kleinen Lucilla, die man zu späterer Zeit sicher als Powerfrau bezeichnet hätte. Duldsam lauschte sie den Worten, fügte in Gedanken ihre eigenen, ganz persönlichen Bitten an und betrachtete schließlich, wie das kleine Schweinchen dem Messer in den geübten Händen des auserwählten Opferdieners zum Opfer fiel. Schnell sickerte das Blut aus der Wunde am Hals, und Epicharis fragte sich versonnen, wieviel Blut so ein kleines Schweinchen doch hatte. Erst, als Lucillas Ferkelchen ganz und gar mausetot war, besprenkelte sich ihr Tierchen mit der Salzlauge. Man gab ihr nun auch ein Opfermesser, mit dem sie die Binden vom Schweinchen strich und ihm über den Rücken fuhr. Sagen wollte sie nichts weiter, Lucillas Gebet war überaus treffend gewesen und hatte bereits alles beinhaltet, was auch Epicharis wichtig gewesen war.


    Sie gab dem Helfer das Messer zurück. "Agone?" fragte der junge Mann vor ihr. "Age!" erwiderte Epicharis, wie es das Procedere erforderte. Der Mann nickte und zog dem erschrockenen Schweinchen das Messer durch die Kehle. Der Schnitt war ein wenig breiter als der bei Lucillas Schweinchen, weswegen das kleine Tierchen auch ein bisschen schneller ausblutete als sein Vorgänger. Nachdenklich blickte Epicharis auf das helle Schweinchenblut herunter, das sich sammelte und glucksend in der dafür vorgesehenen Öffnung versickerte.

    Amüsiert kicherte Epicharis über den lustigen Versprecher Aristides', zog die Nase kraus und beugte sich vor, um Aristides einen übermütigen Kuss auf die Nasenspitze zu setzen. "Carpe diem, mein Lieber. Aber du hast Recht, genau das werden wir tun." Schließlich hatte sie gleich damit begonnen. Wer verbrachte so ein Wiedersehen nicht gern damit, sich ganz und gar auf den Partner zu konzentrieren? Im Übrigen empfand sie die kleinen Fehlerchen, die er machte, als nicht gravierend oder gar blamabel. Vielmehr erfrischend wirkte seine Art auf sie, erheiternd und ablenkend.


    Epicharis hatte bereits bei der Abreise der Legionen bemerkt, wie viel Aristides dieser Talisman bedeuten musste. Umso verständlicher war es nun, dass er ihn nach all der langen Zeit genau betrachten wollte - so glaubte sie, und deswegen hielt sie inne und saß ganz still. Vielleicht war ihr Vorgehen bezüglich des Kusses auch etwas zu dreist, doch wenn er es tatsächlich als solches betrachtete, so ließ sich Aristides nicht groß anmerken, dass es ihn störte. Im nächsten Moment schon, als der Kuss im Ausklingen inbegriffen war, schämte sich Epicharis zugegebenermaßen ein wenig wegen ihres forschen Vorgehens. Über die aufkeimende Peinlichkeit hinweg half ihr jedoch Aristides' Geste. Wie zärtlich er den Anhängern nahm, ihn in seiner hohlen Hand barg, nicht weit entfernt von ihrer sich im Rhythmus des Lebens hebenden und senkenden Brust. Flüchtig konzentrierten sich alle Schmetterlinge ihres Körpers auf jene Stelle, an der er seine Finger sie dabei streiften, was sie verwirrt zur Kenntnis nahm. Das unsichere Lächeln, das er damit auslöste, wandelte sich auch schon wieder in ein erfreutes, kaum dass er sie bat, auch weiterhin auf das ihm so wichtige Schmuckstück acht zu geben. Natürlich nickte sie nun, blickte doch schon etwas geehrt zu ihm auf und ließ ihn das Schmuckstück erneut auf ihre Haut betten. Es war seltsam mit Aristides. Er schien so gar nicht wie die anderen Männer zu sein, die Wert darauf legten, möglichst hart und standhaft zu sein, ehrenvoll und angesehen – und die darob ihre Gefühle unterdrückten, sofern sie denn noch welche besaßen. Aristides schien sich nicht viel aus Standhaftigkeit und großem Ansehen zu machen – was einerseits außergewöhnlich und zudem recht nett war, bestimmte Punkte betreffend jedoch dringend geändert werden musste (ebenso wie sein Bauchumfang) – vielmehr schien er einfach nur er selbst sein zu wollen, und das imponierte ihr. Auch, wenn es da sicherlich nach ihrer Hochzeit noch Punkte ergeben würden, wo sie ihn in die richtigen Bahnen würde leiten müssen. Doch noch informierte sie sich nicht direkt über seine politischen Ambitionen, dazu blieb noch genug Zeit.


    Vorerst schmunzelte sie über den zweiten Kosenamen, den er ihr angedeihen ließ, übersah großzügig eine erneute Berührung seiner rauen Finger und stand dann voller Tatendrang auf. So stehend blickte sie auf ihren sitzenden Verlobten, erfrischend lächelnd, und überlegte sich, worauf sie nun Lust hatte. Nachdenklich kniff sie die Augen zusammen und sog die Unterlippe ein. Wieso nur kamen ihr ausgerechnet die Thermen in den Sinn, wo sie ohnehin nicht zusammen würden hingehen können? Und…wo sie zudem deutlich weniger Kleidung tragen würden…wenn überhaupt? Leichte Röte überzog Epicharis’ Wangen ob dieser verwegenen Gedanken. Beinahe erschrocken war sie von sich selbst und senkte den Blick auf Aristides’ Bein, was sie auf einen anderen Gedanken brachte. „Hm, wir werden uns etwas ausdenken müssen, das dein Bein nicht zu sehr in Anspruch nimmt“, sagte sie, legte einen Finger über ihre Lippen und dachte weiter nach. Ein Spaziergang war somit hinfällig, und gleichsam ein Bummel über die Märkte oder der Besuch des Gartens, in dem alles angefangen hatte. In allen Fällen würde Aristides laufen müssen. Nur wohin sonst? Dann plötzlich fiel ihr etwas ein. „Ah, ich weiß, was wir machen könnten. Es ist so schön draußen, lass uns irgendwo hingehen, wo wir sitzen und uns unterhalten können. Ich könnte ein paar Dinge zum Naschen einpacken lassen, und wir machen uns mit der Sänfte auf den Weg, dann musst du nicht laufen. Vielleicht gehen wir zum Esquilin, was meinst du?“ Epicharis hatte die Hände in die Hüften gestemmt und lächelte den sonnenbeschienenen Aristides vor sich an. Frische Luft würde ihm sicher gut tun, entschied sie, und es gab noch so viel zu erzählen. Angefangen beim Krieg und endend bei den Planungen zur Hochzeit…

    Es war Aristides auch nicht weiter übel zu nehmen, dass er diese wirren Verwandtschaftsbeziehungen nicht entknoten konnte. Vermutlich vermochte dies niemand außer den Beteiligten oder jenen, die sich eingehender damit beschäftigten. Da Epicharis in den vergangenen Monaten sehr viel Zeit gehabt hatte, hatte sie sich eingehend mit der Thematik beschäftigt. Bei Aristides' Versprecher wirkte sich kurz ihres sorgfältig in Form gebrachte Augenbraue. Sie hatte sehr wohl verstanden, was ihr Verlobter so eben zu sagen im Begriff gewesen war. Gerade noch rechtzeitig hatte er sich gerettet, so dass Epicharis ihrerseits nicht weiter darauf eingehen, und es dabei beließ. Schließlich hörte er ihr wenigstens zu, unterbrach sie nicht und schien im Großen und Ganzen recht aufmerksam.


    Während und auch nach des Kusses, als Epicharis wohlbehütet in Aristides' Arm lag, kroch ihr allmählich ein Duft in die Nase, der ebenso unmerklich wie penetrant war. Sie konnte nicht einordnen, wonach es duftete - oder woher der Geruch stammte. Fakt war, dass sie diese feine Nuance, die den Mann an ihrer Seite umgab, wahrnahm. Und die Wahrnehmung dessen stieß in ihr auf eine bisher unerkannte Seite, die Sie in jenem Moment nur zu gern näher ergründet hätte. Doch da war der Kuss bereits vorbei und das Atrium drängte sich mit all seiner Kraft zurück in ihrer beider Bewusstsein, auch wenn Epicharis für den Moment Noch die warme Geborgenheit an Aristides' Seite genoss. Von ihrem Blickwinkel aus betrachtete sie sein mit winzigen Stoppeln bedecktes Kinn. Daran, dass sie womöglich gestört werden konnten, verschwendete Epicharis nicht einen einzigen Gedanken. Zu sehr war sie auf die Anwesenheit ihres Verlobten fixiert, auf seine Ausstrahlung und seinen Geruch, als dass sie an etwas anderes als diesen glücklichen Moment hätte denken wollen. Seine Geste, mit der er den Kopf an ihren bettete, ihren Schopf küsste und sich dann wieder an sie lehnte, machte sie glücklich und ließ sie diesen Tag als den besten seit langer, langer Zeit in ihrem Gedächtnis festhalten. Nie hätte sie es für möglich gehalten, trotz einer arrangierten Verbindung so etwas genießen zu können und zu dürfen. Es hätte sie weitaus schlimmer treffen können als mit Aristides, den sie lieben gelernt hatte. Vielleicht hatte sie ihm in den vergangenen Monaten so einiges an charmanten Dingen angedichtet, einfach weil sie glauben wollte, dass er des Nachts mit ihrer geliehenen Palla in seinem einsamen, kalten Zelt saß und an sie dachte. Weil sie sich vorstellte, dass er im Tross mit seinen Soldaten ritt und abwesend erschien, weil er sie vor Augen hatte und hoffte, schnell nach Rom zurückkehren zu können. In diesem Punkt war Epicharis schlichtweg romantisch veranlagt und bedingt dadurch leicht naiv. Nie im Leben hätte sie von ihrem Verlobten angenommen, dass er sich aus purer Langeweile mit irgendwelchen billigen Dirnen amüsierte, und weil allein die Vorstellung vollkommen absurd war, argwöhnte sie solch dunklen Machenschaften auch nicht. Seine Hände schienen pure Wärme abzustrahlen, unter der sie sich um ein Haar sogar wohlig geräkelt hatte – doch lag sie hier nicht in ihrem behüteten, gewärmten Bett, sondern befand sich an der Seite des Mannes, der sie noch früh genug räkelnd sehen würde. Und ja, trotzdem dass Epicharis Aristides schätzte wie keinen anderen, verspürte sie doch Furcht vor der besonderen Nacht, welche die Hochzeit mit sich bringen würde. Sie hatte sich fest vorgenommen, Lucilla als einzige ihr näher bekannte Frau zu fragen, auf was sie sich gefasst machen musste. Und bei dieser Gelegenheit wollte sie ihr noch eine weitere Frage stellen, doch die gehörte ebenso wenig hierher wie die vorangegangenen Gedanken.


    Was hierher gehörte, ja geradezu zwingend erforderlich war, war seine Versicherung, sie nicht wieder so lang allein zu lassen. Ganz gleich, ob er dieses Versprechen würde einhalten können oder nicht, sowohl die Situation als auch Epicharis’ Gewissen verlangte diese Worte aus seinem Munde, der Beruhigung wegen. Was zählte, war dass er versuchen würde, sein Versprechen zu halten. Dahingehend beruhigt, seufzte die Claudierin ein zweites Mal tief und kuschelte sich regelrecht an Aristides heran. Auch sie fand in dieser Situation keine Worte; sie waren ebenso überflüssig wie jeder Zweifel, den sie auch gehegt haben mochte ob seiner Wiederkehr. Schließlich war es Aristides, der die einvernehmliche Stille durchbrach. Er nannte sie seinen kleinen Stern, was ihre Augen augenblicklich sternengleich vor Freude funkeln ließ. Epicharis war nach tanzen zumute, sie wollte umherspringen und lauthals lachen, sich mit Aristides im Kreis drehen und ihn nie wieder hergeben, denn seine Ankunft bedeutete gleichsam, dass sie bald ihr Elternhaus verlassen würde, der seltsamen Stimmung entfliehen und alle Gedanken daran verbannen konnte. Doch natürlich konnte sie sich nicht so gebärden, immerhin war sie kein Kind mehr, und schon Gracchus hatte ein wenig befremdlich reagiert, als sie ihrem Übermut Luft gemacht hatte. „Du meinst… Jetzt gleich?“ fragte sie ihn gleichermaßen begeistert wie atemlos und überrascht. Ob er mit seinem Bein überhaupt vieles würde unternehmen können? „Nichts würde ich lieber tun, Marcus“, bestätigte sie hocherfreut und strahlte mit der Sonne um die Wette.


    Seine schönen, braunen Augen - und vor allem den ebenso schalkhaften wie liebevollen Ausdruck darin, während er sie so musterte - prägte sie sich gut ein, wie es bereits bei ihrer Verabschiedung damals ebenfalls getan hatte. Nun wieder daran erinnert, lehnte sie sich ein wenig zurück und bettete ihre Hand auf ihr Dekollettée, wo sie den Anhänger trug, den er ihr zurückgelassen hatte. Sie sah darauf herab, schmunzelte flüchtig und nahm ihn dann behutsam zwischen die Finger. „Möchtest du ihn jetzt zurück haben? Ich habe gut darauf acht gegeben, er hat nicht einen Kratzer abbekommen“, sagte sie und konnte dem Drang nicht widerstehen, sich vorzubeugen und seine zarten Lippen zu küssen. Auf die flüchtige Berührung folgte eine zweite, längere, und schließlich eine dritte, die an Leidenschaft von Epicharis’ Seite aus nicht geringer bemessen war als der erste Kuss. Mit dem Unterschied, dass sie Aristides dieses Mal ansah, seine kleinen Fältchen um die Augen, das rehfellfarbene Braun seiner Iris und den gebräunten Ton seiner Haut.

    Epicharis hatte zudem gar nicht gemerkt, dass Aristides errötet war. Und wenn sie es bemerkt hätte, hätte sie nicht einordnen können, was die Ursache dafür gewesen war. Seinem Bein hingegen schien es ihr nun wieder etwas besser zu gehen, immerhin schien jeglicher Schmerz vergessen und Aristides wirkte fast wieder wie jener Mann, der Epicharis damals in den Garten entführt hatte, um um ihre Hand anzuhalten. Die Sonne, die durch das Dach das Atrium flutete, vermochte zwar noch nicht die Menschen draußen zu wärmen, doch im geschützten Raum genossen, sorgte sie dafür, dass sich der Stoff der Kleidung allmählich erwärmte und den Träger derselben träge machte. Versonnen blinzelte Epicharis daher im Licht der Sonne, schloss kurzweilig die Augen und erinnerte sich an jenen wunderbaren Tag, an dem sie die flavische Sänfte damals zuhause abgeholt hatte. Beim Genuss der wärmenden Strahlen schlich sich urplötzlich etwas an ihre Wange heran, berührte sie sanft und kroch dann weiter. Als Epicharis Aristides das nächste Mal ansah, blitzten ihre Augen schalkhaft, und der Blick aus ihnen war geheimnisumwoben. Die darauf folgende, plötzliche Nähe zu Aristides raubte ihr Kurz den Atem. Sie stockte, hielt ihn an und blickte dann leicht schräg zu Aristides hinauf, um dessen Gesichtsausdruck zu ergründen. Er selbst jedoch sprach ganz normal weiter, und spannte Epicharis sogleich mit einer Frage ein - was sie nun von Aristides' Nähe doch etwas ablenkte. “Deandra? Mein Vater hat sie adoptiert - das macht sie dann wohl zu meiner Schwester... Sie war vorher eine Aurelia. Und Corvinus war vorher ihr Bruder, aber nicht leiblich, weil sie bei den Aureliern auch nur adoptiert war. Deswegen war diese Verlobungsgeschichte auch nicht anstößig, eben wegen der fehlenden Blutverwandtschaft. Aber so ganz steige ich da auch nicht durch, wenn ich ehrlich bin. Im Grunde war die ganze Angelegenheit jetzt ohnehin umsonst." Epicharis hob die Schultern blickte ratlos. " Ja, Aurelius Corvinus. Ich glaube, er war damals auch in Mantua dabei. Bei dem Fest, du weißt schon?" Menecrates hatte schließlich damals einen kleinen Empfang gegeben anlässlich Epicharis' Rückkehr aus Spanien. Diese kleine Feier hatte gleichzeitig einen anderen Grund gehabt: man hatte sich erhofft, einen geeigneten Ehemann ausfindig zu machen - und das schien nun gelungen. "Das kann ich dir auch nicht sagen. Niemand spricht darüber. Aber wenn du mich fragst, ich vermute, dass es an der Deandras seltsamer Veränderung liegt." Epicharis kniff die Augen etwas zusammen und nickte mehrmals hintereinander leicht, ganz so, als würde sie nachdenken. Sie berücksichtigte dabei nicht, dass Aristides ja ein Mann war, frisch aus dem Krieg zurückgekehrt, sozusagen. Er würde sich wohl am wenigsten für Klatschgeschichten interessieren. Und so holte sie munter wieder Luft und fuhr fort: " Ja, doch. Er ist der seit langer Zeit jüngste amtierende Septemvir und gerade frisch zum Quaestor gewählt worden. In Rom ist er weitaus bekannter als Vater." Und das wollte schon was heißen, immerhin war Menecrates Senator.


    Eigentlich hat er Epicharis noch mehr dazu sagen wollen, doch dass Aristides sie so aufmerksam beobachtete, irritierte sie, und so hielt sie inne und tat es ihm gleich. Erneut berührte er sie und versetzte damit die Schmetterlinge in ihrem Inneren abermals in Aufruhr. Das Lächeln, welches ihre Mundwinkel nun umspielte, war hauchzart und spiegelte wider, was sie empfand. Unter seinem durchdringenden Blick sah sie verlegen beiseite. Und als er das schmeichelhafte Kompliment aussprach, schlug sie schamhaft die Lider nieder. Bei ihrem nächsten, zittrigen Atemzug war Aristides’ Geruch viel intensiver, und noch ehe sie seine Lippen spürte, wunderte sich Epicharis flüchtig darüber, dass sein Kinn und die Oberlippe ein wenig kratzten. Köstlich mutete diese Kosung an, wie Ambrosia und Nektar zugleich, und hatten Epicharis’ Lider eben noch eine Winzigkeit von Unsicherheit geprägt geflattert, so waren sie nun locker geschlossen und ihr ganzer Körper seltsam losgelöst. Nicht zum ersten Mal verspürte sie das eigentümliche Prickeln im Nacken, welches ihr den Rücken hinabkroch. Schon auf dem Turm, damals in Mantua, hatte dieses Gefühl Besitz ergriffen von ihr. Damals hatte sie sich noch darüber gewundert, doch heute wusste sie, was es bedeutete – woran nicht zuletzt das Studium eines bestimmten Besuches schuld war. Vorsichtig legte sie ihre Linke auf Aristides’ togabedeckte Brust, neigte den Kopf um eine Kleinigkeit und erwiderte den sinnlichen Kuss ihres Verlobten. Epicharis hatte noch nicht oft geküsst, weswegen sie eigentlich Bedenken hatte, es richtig zu machen. Doch in diesem Moment schien ihr Kopf wie leergefegt von allen Gedanken. Nur die Schmetterlinge in ihrem Bauch waren noch da, und noch viel tiefer in ihrem Inneren loderte dieses geheimnisvolle Etwas, das sie so gern erkunden wollte, ohne zu wissen, wie sie es anstellen sollte.


    Epicharis war es, die sich nach einer unendlich anmutenden Zeit schließlich sanft löste, noch ein wenig näher rutschte und ohne Rücksicht auf Aristides’ schicke Togafalten den Kopf in die Beuge zwischen Hals und Schulter legte, wo sie tief und zufrieden seufzte. „Geh nicht mehr fort, Marcus. Ich möchte bei dir bleiben“, sagte sie leise. „Vrsprichst du mir das?“

    Zitat

    Original von Marcus Didius Falco
    In einem irrst du dich aber ganz sicher, wenn du denkst es wären "Einzelne", denen diese Entwicklung nicht gefällt. Die meisten von denen haben aber allerdings entweder schon resigniert oder bereits ihre Konsequenzen gezogen.


    Eine recht schwammige Aussage, findest du nicht? Woher willst du denn wissen, wer warum gegangen ist?


    Ich für meinen Teil spiele gern eine Frauen ID. Ich habe auch nie etwas gegen die Annäherung des Spiels an die Antike gesagt. Es ist meiner Meinung nach sinnvoll und gut so, dass z.B. Frauen aus der aktiven Politik ausgeschlossen werden. Was ich gar nicht begreifen kann, sind zwei Dinge:
    1) Die ständige Nörgelei seitens einiger weniger, die entweder nicht genug Ideen haben, eine Frau zu spielen (sieht man vom "Markteinkaufspotential" mal ab) oder die ohnehin an allem etwas auszusetzen haben.
    2) Die indirekte Ausgrenzung weiblicher IDs im Bezug auf den Cultus Deorum (das Beispiel wurde ja bereits genannt).


    Eine weibliche ID unterscheidet sich nur im Karrierepunkt von einer männlichen. Arbeiten kann eine Frau im IR auch, nur sind die Bereiche nicht so breit gefächert wie für die Männer. Aber ist das wirklich so tragisch? Meiner Meinung nach nicht. Frauen haben schließlich genug anderes, das ausgespielt werden kann. Und Intrigen spinnen kann man durchaus. ;)


    Mein Tipp ist daher: Macht mal eine Umfrage, bei der man nur mit seiner Haupt-ID abstimmen kann, zum Thema Frauen: Wie viele Frauenspielerinnen gibt es tatsächlich (mit Sicherheit mehr als Männer!) und wie viele von ihnen sind mit der gegenwärtigen Situation unzufrieden. Danach seid ihr schlauer und müsst euch nicht seitenweise verbal rumprügeln.

    Erschrocken nahm Epicharis hastig die Hand fort. Sie glaubte nicht, dass Aristides als starker römischer Centurio ihr Schmerzen vorspielen würde, zudem lebte sie noch ganz in dem Irrglauben, dass rechtschaffende Männer keinesfalls wehleidig waren sondern viel eher "echte Kerle", die sich lieber die Zunge abbissen, statt vor Schmerz zu stöhnen. Deswegen löste der halb unterdrückte Schmerzenslaut ihres Verlobten auch augenblicklich die Fürsorglichkeit in der jungen Frau aus, und sie sah ihn äußerst mitleidig an und zog einen besorgten Mund. "Mein tapferer, lieber, mutiger Streiter Roms", säuselte sie liebevoll an seinem Kinn vorbei und strich ihm über die Wange. Im nächsten Moment schon kroch ein Getier mit vielen tausend kleinen Füßen ihren Rücken hinauf. Das Gefühl war zugleich angenehm wie fremdartig, obwohl es von Arisitdes' Fingern herrührte, deren Zärtlichkeit sich Epicharis viel zu lange herbeigewünscht hatte. Verstohlen beobachtete sie ihn. Man sagte schließlich, dass die meisten Männer etwas ganz Bestimmtes dachten, wenn sie zärtlich zu einer Frau waren. Aber sie konnte nichts Auffälliges feststellen. "Es freut mich, dass du gleich hergekommen bist. Das mit deinem Bein aber trotzdem nicht schön. Ich hoffe, dass du bald wieder ganz gesund bist. Ein wenig Pflege, und alles wird gut. Du wirst sehen. Und wenn ich etwas für dich tun kann, damit es dir besser geht, dann sag es ruhig", erwiderte Epicharis und hob den Kopf, damit Arisitdes ihr Lächeln sehen konnte.


    Die Lider der verwischten Augen schlossen sich für eine Weile genießerisch, und kein Wort drang über Epicharis' Lippen, während Aristides sie zärtlich koste. Mehr und mehr revidierte sie ihren eigenen Entschluss, nicht wagen zu dürfen, was so verführerisch war nach all diesen vielen Monaten. Ein beinahe unmerklicher Seufzer drang über ihre Lippen, bevor sie sich schließlich dazu bewegen konnte, die Augen wieder zu öffnen. Aristides' Bemerkung pber die Acta half allerdings dabei, denn kaum waren die Lider aufgeschlagen, manifestierte sich ein skeptischer Ausdruck auf Epicharis' Gesicht. Dass er kurz darauf versuchte, seinen Fuß aus dem Fettnapf zu ziehen, quittierte die Claudierin zuerst mit einem verwegenen Schmunzeln, das sich postwendend in ein heiteres Lachen verwandelte. Genau das war die Art, die sie an Aristides so mochte und die Gracchus schlichtweg fehlte. Gracchus wäre aber auch gar nicht erst dieser fatal anmutende Fehler unterlaufen. "Es hat sie ja letztenendes alles zum Gute aufgeklärt", tat sie den Fehler ab und beruhigte somit Aristides, dessen zerknirschte Miene sie als Besorgnis interpretierte. "Du bist am Leben und sitzt direkt neben mir, etwas lädiert zwar, aber am leben. Nur das ist wichtig. Und ich hätte mir ja gleich denken können, dass man einen Flavier nicht so leicht klein bekommt. Noch dazu, wenn er so...stattlich ist wie du", fügte sie an und konnte nur mit Mühe ein Schmunzeln unterbinden.


    Wie gebannt hing Epicharis hernach an seinen Lippen, als er von Parthien erzählte. Zuerst nur wenige Worte verlor er, dann - wohl auf ihren fragenden Blick hin - ging er ins Detail. Die parthischen Menschen mussten sehr sonderbar sein, wenn sie neben der Erschaffung von wunderschönen Städten solch ein kriegerisches Volk waren. Und immerhin, das durfte man neben all der Wiedersehensfreude nicht vergessen, hatten sie den Kaiser auf dem Gewissen. "Ich hätte das gern einmal mit eigenen Augen gesehen", sagte Epicharis. "Wo es mir schon nicht vergönnt war, Ägypten zu bereisen. Zuerst das Fieber, dann war einfach keine Zeit und schließlich wurde es mir untersagt." Epicharis hob eine Schulter und blickte bedauernd drein. "Vielleicht...als Hochzeitsreise", schlug sie schließlich vor und errötete, kaum dass sie es gesagt hatte. Sie räusperte sich und war froh, dass Aristides ein anderes Thema zur Sprache brachte.


    "Mir geht es blendend, seitdem ich weiß, dass du heim zurück bist", entgegnete sie zu allererst und lächelte breit. "Ich habe in all der Zeit kaum Sinnvolleres gemacht, als die Zeit zu vergeuden und Unmengen an Geld auszugeben. Das heißt... Naja, die Tunica Recta ist annähernd fertig, das kann man sicher als sinnvoll betrachten." Epicharis schmunzelte und legte ihre Hand vorsichtig in Aristides Nacken. Wie warm seine Haut doch war, wie flaumig die kurzen Haare dort! Ein sanftes Streicheln setzte ein, als Epicharis fortfuhr. "Sonst hat sich hier kaum etwas verändert. Von Vater schrieb ich dir bereits, das hat sich nicht gebessert. Du kennst seinen Starrsinn nicht, wenn er sich eine Meinung gebildet hat, ist es ganz gleich, was man tut oder sagt oder wie man etwas meint." Sie seufzte ergeben und ließ die Hand wieder sinken. "Deandra lässt sich auch nicht mehr blicken und wenn, ist sie so kühl wie germanischer Schnee. Diese Sache mit Aurelius Corvinus scheint ihr Herz zu Stein gewandelt zu haben. Vater zürnt ihm deswegen - hast du überhaupt davon erfahren? Der Aurelier hat die Verlobung gelöst, einfach so. Wenn Deandra sich ihm gegenüber so verhalten hat wie mir gegenüber, kann ich ihn verstehen. Allerdings hat das nicht gerade dazu beigetragen, dass sich meine Familie gut mit seiner versteht. Da scheint Krieg zu herrschen, was man so aus dem Senat hört. Einerseits traurig, andererseits bin ich gespannt, wohin das führen wird. Ich vermute ehrlich gesagt, dass Corvinus am längeren Hebel sitzt. Du kennst ihn doch?" Während sie sprach, kam deutliches Interesse am politischen Geschehen Epicharis' zu Tage. Noch wusste sie nicht, was ihr Verlobter davon hielt, aber das würde sie wohl gleich herausfinden...

    Der Schalk sprühte förmlich aus Epicharis' Augen, als sie Gracchus aus ihrer Umarmung löste und ihn anblickte. Allzu deutlich war ihm anzusehen, dass ihm diese Art der Zuneigungsbekundung nicht gerade zusagte, doch wenn Epicharis ehrlich mit sich selbst war, machte es ihr genau deswegen solchen Spaß, Gracchus zu zeigen, dass sie ihn mochte. Selbstverständlich resultierte das keinesfalls aus der Ursache, die der Flavier vermutete - Gracchus wäre Epicharis ohnehin zu mürbe und zu steif gewesen - sondern einzig in ihrer Art und ihrem Lebensgefühl. Gracchus würde das über kurz oder lang wohl selbst noch merken, denn wenn Epicharis erst einmal in der Villa Flavia wohnte, würden sie sich zwangsläufig öfter über den Weg laufen, und das bedeutete, dass Gracchus noch viele Male in prekäre Situationen kommen sollte.


    Mit strahlenden, kohleumrandeten Augen lächelte sie ihn an, als er zu stammeln begann. Hatte es das schon einmal gegeben! Der sonst so unnahbar wirkende Gracchus verhaspelte sich und schien sich sogar noch dafür zu schämen! Wenn sie Aristides sah, würde sie ihm erzählen, was für eine ausgesprochen süße Seele seinem Vetter innewohnte. Er mochte sich ja noch so viel Mühe geben, ernst und ehrfurchtgebietend und grave zu wirken, doch solche kleinen Situationen wie diese hier zeigten doch ganz deutlich, dass auch in Gracchus ein wenig Unbeschwertheit steckte. Epicharis dachte an den Tag, an dem er ihr von der Fehlmeldung in der Acta berichtet hatte. Gracchus war witzig gewesen. Das hatte die Claudierin nicht vergessen. Sie würde ihn schon noch hinter dem dunklen Vorhang hervorzerren, und zwar ohne sich dabei sonderlich zu verstellen. Beinahe liebevoll musterte sie seine Gesichtszüge, ein marginales Schmunzeln umspielte ihre Lippen.


    "Du mutest dir zuviel zu, lieber Gracchus. Zu den zahlreichen Stunden in Senat und Collegium werden mit dem Aedilat noch viele weitere hinzukommen", gab sie zu bedenken. Wie es Epicharis' Art war, strich sie eine widerspenstige Togafalte auf seiner Schulter glatt, legte gekonnt eine zweite in ihre angestammte Bahn zurück und zwinkerte ihm schließlich zu. Dann folgte sie seinem Blick, nahm das Pergament wieder an sich und rollte es sorgsam mit verschmitztem Seitenblick auf den schmulenden Flavier wieder zusammen. "Größtenteils", erwiderte sie und deutete mit der Schriftrolle den kiesbestreuten Weg entlang, ehe sie selbst weiterging. Minna und Fione würden ganz bestimmt folgen. "Der Bote berichtete mir, dass die Legionen auf dem Heimweg seien. Weißt du vielleicht mehr? Marcus hat nichts Derartiges geschrieben."


    Sonnenstrahlen durchbrachen knospenbesetzte Zweige und malten eigentümliche Muster auf den Weg, den Flavius und Claudia gemächlich beschritten. Hie und da war ein Vogel zu hören, zu sehen oder beides, und eine Amsel zerrte links des Weges einen fetten Wurm aus dem grünenden Boden. "Wie geht es dir dieser Tage?" erkundigte sich Epicharis interessiert und wandte den Kopf Gracchus zu. Die schreckliche Vestalinnentragödie hatte auch sie erreicht, und sie wusste ebenso um Leontia, die sie sehr gern gemocht hatte.

    Bei jedem anderen hätte sie sich geschämt, so reagiert zu haben, bei Aristides allerdings tat sie es nicht, was wohl auch nur allzu verständlich war, angesichts ihrer Verbindung und der Umstände des Wiedersehens. Bei anderen hätte sie sich auch ganz gewiss nicht die Blöße gegeben, derart stürmisch zu reagieren. Epicharis genoss die zärtliche Geste des Scheitelkusses, seufzte tief und blinzelte auch noch die letzten glitzernden Tränen fort, während sie an Aristides' Seite zu der bequemen Sitzgruppe ging. Aufmerksam beobachtete sie ihn von der Seite her, ganz so, als glaubte sie, er würde verschwinden, sobald sie den Blick abwendete. Dass das Hüpfgehen ihm zu schaffen machte, war unübersehbar, und umso mehr freute es sie, dass er sich auf den Weg hierher gemacht hatte statt ihr jemanden zu schicken, der sie abholte. Auch, wenn sie dieser Tage nur ungern in diesem Hause weilte. Das Kompliment verfehlte seine Wirkung nicht, grazil schlug sie die verwischten Augen nieder und sah schamerfüllt zu Boden.


    Dann hatten sie die gemütlichen Korbmöbel nahe der Steinbank erreicht, Aristides setzte sich ächzend und Epicharis ließ es sich nicht nehmen, ihm den Stuhl für sein Bein zurechtzurücken. Schnell war ein Sklave damit beauftragt, eine schöne Schüssel Trauben zu holen, samt edelstem Tropfen, denn schließlich musste dieses Wiedersehen gebührend geifert werden. Flüchtig runzelte sich die claudische Stirn beim Anblick des verletzten Beines, dann trat Mitgefühl auf Epicharis' Antlitz und sie entschied sich, nicht anstandsvoll einen fernen Sessel zu wählen, sondern setzte sich direkt neben Aristides, wenn man auch erwähnen musste, dass sie einen minimalen Abstand zu ihrem Verlobten wahrte. Mitfühlend blickte sie auf den Zipfel des Verbandes hinab, der unter Toga und Tunika hervorlugte, beäugte nochmals die Krücken und wandte das Gesicht dann wieder Aristides zu, der tatsächlich zugelegt zu haben schien. Seine Worte lösten eine tiefe Zufriedenheit in ihr aus. Fast war es ihr gleichgültig, ob Rom gesiegt hatte oder nicht. Sie würde Aristides jedenfalls nicht wieder fortgehen lassen, so viel stand fest, mochte er auch noch so viel Durchsetzungsvermögen an den Tag legen. Epicharis schloss die Augen, hielt einen Moment den Atem an und stieß ihn dann erleichtert wieder aus. Nachdenklich musterte sie Aristides, erinnerte sich an den vorläufigen Abschied im Castellum der Prima und die Szene auf dem Turm, was ein flüchtiges Lächeln auf ihre Lippen zauberte. Um ein Haar hätte sie mechanisch an seine Schulter gegriffen und die Falten wieder in Ordnung gebracht, doch sie konnte sich im letzten Moment zurückhalten und tastete stattdessen vorsichtig an der centurionischen Wade. "Tut es sehr weh?" fragte sie ihn und lauschte der Entstehungsgeschichte der Wunde. Als Aristides geendet hatte, schüttelte sie erbost den Kopf. "Wie schrecklich! Da hast du so vieles überstanden und dann passiert so etwas", drückte sie ihr Mitgefühl aus und fragte vorerst nicht weiter nach, was nicht daran lag, dass der Sklave nun zurückkam und ihnen beiden köstlichsten Wein einschenkte.


    "Ich habe mich so über jeden deiner Briefe gefreut", erzählte Epicharis und ließ sich nur zu gern von ihrem Verlobten noch ein wenig näher ziehen. Sie legte ihren Kopf an seine Schultern und war glücklich. "Die Verlustmeldung in der Acta allerdings war grausam. Gracchus war auch ganz erschüttert. Ich glaube fast, er hat sich selbst die Schuld daran gegeben. Aber wie froh er war, als sich herausstellte, dass es ein Missverständnis war, und ich erst!" Epicharis hob das Kinn und strahlte Aristides von unten her an. "Und jetzt bist du zurück, ich kann es gar nicht fassen... Ich habe von Gerüchten erfahren, aber dass sie wahr sind..." Ihr Blick blieb an seinen Lippen hängen, und was sie dachte, äußerte sich in einem äußerst verlegenen Nagen auf ihrer eigenen Unterlippe. Ob sie es riskieren konnte? Durfte? Lieber doch nicht, hinterher kam noch ihr launischer Vater ins Atrium und beförderte Aristides achtkantig hinaus. Ein zitternder Seufzer entglitt den geschwungenen Lippen.


    "Und wie geht es dir, Marcus? Wie sieht Parthien aus, wie leben die Menschen dort?" Das Essen jedenfalls schien doch recht gut gewesen zu sein. "Und der Kaiser... Er ist wahrhaftig tot, nicht?" Natürlich war Epicharis bewusst, dass man nicht einen neuen Kaiser ausrufen würde, wenn der alte noch am Leben war, aber es aus erster Hand zu erfahren war schließlich etwas ganz anderes.

    Epicharis hatte heute keine Augen für Hannibals freundliche wie höfliche Gestik und Mimik. Sie betrachtete ihn nur stumm, wissbegierig und mit besorgtem Ausdruck auf ihrem Antlitz, sich vor der vielleicht folgenden Offenbarung fürchtend. Nicht nur aus diesem Grunde hasste sie den Krieg. So harrte sie angespannt der Nachricht, die, als sie kam und doch nicht kam, sie sehr verwirrte. Mit fragend gerunzelter Stirn und bereits einer entsprechenden Entgegnung auf den roten Lippen wollte sie sich an Hannibal wenden, doch die Frage blieb ihr förmlich im Halse stecken, als Hannibal auf eine Säule deutete, in deren Schatten sie nun eine Bewegung wahrnahm. Epicharis schlang ihre Arme noch ein wenig fester um ihren Körper, verbannte die Frage und beschloss, erst einmal abzuwarten, was dieses Versteckspielchen sollte. Hannibal jedenfalls schien sich zu amüsieren, während sie nicht recht wusste, was sie davon halten sollte, dass man sie derart auf die Folter spa....


    ...Epicharis erstarrte, und mit ihr auch ihre Gedanken. Stattdessen starrte sie. Sie starrte ihn an, ihren Verlobten, der ins Licht getreten war. Vielerlei Eindrücke stürmten auf sie ein, und sie war zugleich fassungslos, überrascht, entsetzt, verwundert, sprachlos und freute sich. Unwillkürlich legte sich zuerst die eine, dann auch die andere Hand auf ihr Brustbein, während sie sich bemühte, weiterzuatmen, denn das hatte sie ob der Umstände ganz vergessen. Wie festgewurzelt stand sie an Ort und Stelle, bar jeden Wortes und beinahe einen Schabernack von Serenus hier erwartend, aber nein, das alles war dann doch zu echt, und Hannibal hätte doch bestimmt nicht bei einem solchen Streich mitgewirkt. Epicharis hörte kaum auf das, was Aristides sagte, vielmehr studierte sie sein Erscheinungsbild mit einer unnatürlich stoischen Ruhe, obgleich es doch in ihrem Inneren gänzlich anders aussah. Sie bemerkte die Krücken natürlich sofort, woraufhin ihr Blick den beiden Füßen galt, die - den Göttern sei Dank! - beide noch dran waren.


    Aristides stand immer noch im hellen Licht der Sonne, die genaustens alles beschien - er hatte zugenommen, konnte das sein? - und kein Quentchen der Gestalt verschleierte. Müde sah er aus, abgekämpft, und Epicharis meinte, auch tiefe Linien des Schmerzes in seinem Gesicht erkennen zu können. Aber alles, was zählte, war nun für sie, dass er wieder da war, endlich. "Ich...Wie..?" Und so riss sie sich nach diesen wenigen Herzschlägen der Musterung los und stürmte regelrecht auf ihn zu, wehenden Haares an Hannibal vorbei, der zurecht aus der Flugschneise getreten war. Epicharis verschwendete keinen Gedanken daran, dass sie Aristides Schmerzen bereiten oder ihn gar umwerfen könnte, als sie sich an seine Brust warf, ihre Arme um seinen Hals schlang und ihn mit ihrem Ungestüm schwanken machte. Augenblicklich umgab sie sein Duft, eine Mischung aus frisch gewaschenem Stoff, Duftölen, ein wenig Schweiß und eben Aristides, und Epicharis vergrub ihren Kopf an seiner Halsbeuge und schloss die Augen, sich zum ersten Mal seit Monaten wieder geborgen fühlend. "Marcus....Marcus..." murmelte sie, eine Hand streichelte seinen Nacken und die andere hielt ihn einfach nur fest und schien ihn gar nicht mehr aus der Umklammerung fortgehen lassen zu wollen.


    Eine unendliche Ewigkeit war vergangen, irgendwo hatte sich ein Sklave geräuspert und Epicharis in die Realität zurückgeholt. Als sie sich schließlich langsam und widerstrebend von ihm löste, war ihre Schminke um die Augen herum ganz verschmiert, sie hatte geweint, doch das Lächeln auf ihrem Gesicht und das Funkeln in ihren Augen zeugten davon, dass sie es nicht aus Trauer getan hatte, sondern aus Freude. "Ich kann es gar nicht glauben... Ist das real? Ist der Krieg wirklich vorbei? Musst du nie mehr fort?" bestürmte sie ihn nun mit Fragen und fügte nach einem Blick zu einer der Stützen an: "Warum gehst du auf Krücken?" Ohne Worte deutete sie auf die sonnenbeschienene Sitzgruppe und setzte sich langsam mit Aristides dorthin in Bewegung, nicht von seiner Seite weichend. Als sie Hannibal passierten, wandte sich Epicharis um und schloss den Sklaven kurz aber herzlich in ihre Arme. "Danke, dass du ihn heil zurückgebracht hast", flüsterte sie in dem Glauben, dass Hannibal auch im Krieg an der Seite seines Herrn gewesen war.

    In Epicharis' Gemächern
    Abwesend saß Epicharis hinter ihrem Webstuhl. Dieser Tage war das Ausharren in den beengenden Gemäuern der Villa Claudia eine Qual für das dynamische Geschöpf. Das Schiffchen glitt nach rechts. Epicharis verfolgte seinen Weg mit den Augen, sah es jedoch nicht. Die Fäden tauschten ihre Plätze durch das mechanische Betätigen des Fußpedals. Das Schiffchen rutschte nach links. Epicharis seufzte und ließ nun resigniert die Hände sinken. Auch, wenn sie an einem wichtigen Stoff webte - immerhin galt es als notwendig, das Gewand für die Hochzeit, die Tunica Recta, selbst zu weben - hatte sie doch nicht den rechten Nerv dafür.


    Am Tage, als man ihr Aristides' letzten Brief gebracht hatte, hatte sie sogleich Nordwin entsandt, um den Hinweis des Boten zu prüfen. Jener hatte von Gerüchten gesprochen, die Legionen seien bereits auf dem Heimweg. Doch Nordwin hatte keine brauchbaren Informationen sammeln können, und so blieb es bei Gerüchten, auf die sich das frohgemute Herz lieber nicht stürzte. Doch das war einfacher gesagt als getan. Am Ende grübelte Epicharis nämlich doch fortwährend darüber nach, ob den Gerüchten nur ein Funken der Wahrheit innewohnte. Und jetzt lehnte sie sich zurück und blickte stirnrunzelnd auf die paar wenigen Reihen, die sie dem Stoff heute hinzugefügt hatte. Da klopfte es. Erfreut über die in Aussicht stehende Ablenkung bat Epicharis den Klopfenden hinein und erfuhr von einem der Türjungen, dass man im Atrium mit einer Nachricht von Aristides auf sie wartete. Augenblicklich schnürte es ihr die Kehle wieder zu: Waren es gute oder schlechte Nachrichten? "Ich komme", war die knappe Antwort, die sie gab, während sie sich bereits erhob und um den Webstuhl herum auf die Tür zuging.


    ~~~


    Mit erwartungsvoller Miene und gerunzelter Stirn betrat Epicharis schließlich das Atrium und erblickte Hannibal, Aristides' höflichen Sklaven, der ihr gut in Erinnerung geblieben war. Ein Lächeln wollte ihr nur halbherzig gelingen, kaum dass sie Hannibals abwesende Miene sah. Was, wenn er trauerte...? Mit wild pochendem Herzen - der Krieg schien ein immerwährendes Auf und Ab - kam sie näher, die Arme um den in hellblaue Seide gekleideten Körper geschlungen. Der silberne Anhänger mit Mondstein und Saphir, welchen ihr Aristides seinerzeit zur Verwahrung gelassen hatte, rundete das Gesamtbild ab, das sie gab. "Hannibal...salve", sagte sie schließlich und blieb ein paar Schritte von ihm entfernt stehen, nur vage lächelnd. "Du...hast eine Nachricht für mich?" fügte sie mit leicht schwankender Stimme an und blickte dem Sklaven erwartungsvoll entgegen.

    "Das könnte man so betrachten, ja", erwiderte Epicharis, während sie an Priscas Seite den Tempel verließ und dem armen Senator nur noch einen flüchtigen Blick zuwarf. Misslich genug war seine Lage ohnehin, da wäre es ihr falsch vorgekommen, noch Minuten später wie ein Waschweib zu gaffen. Auch Priscas Vermutung bezüglich des Qualmauslösens ließ Epicharis überrascht eine Braue hinauf ziehen. Der Sacerdos jedoch ließ sich nicht beirren und löschte schließlich das Feuerchen, woraufhin sich eine grandiose Qualmwolke erhob und die große Junostatue in der Nase kitzelte. Camilla lief neben den beiden Damen her und trug Epicharis' Korb, welcher nun leer war.


    "Ich weiß es nicht. Warum sonst sollte Juno unsere Opfer abgelehnt haben? Dass die Priester schlampig gearbeitet haben, glaube ich nicht. Nicht bei zwei Opferschalen. Bestimmt sind die Götter noch erzürnt, weil die Sühnung derart lang auf sich warten lässt. Du weißt doch... Die Lustratio?" hakte Epicharis nach, schließlich konnte es sein, dass gerade der Durchschnitt der römischen Frauen sich weder für das Weltgeschehen noch für Politik interessierten. Und Epicharis wusste nicht, wo sie Prisca einordnen sollte.


    Epicharis wandte sich nun doch noch einmal um und sah dem Senator nach. Gerade aus dem Mund eines Pater Conscripti hätte sie nicht erwartet zu hören, was sie vernommen hatte. Bestimmt ein Tiberier, dachte sie sich und zuckte kurz mit einer Achsel. "Hm? Ahso. Naja. Das macht nichts, ich werde ohnehin noch eine ganze Weile warten müssen, bis mein Verlobter aus Parthien wiederkommt", entgegnete Epicharis und sah zu Prisca. "Er kämpft nämlich für Rom, musst du wissen." Ganz zu unterdrücken war der Stolz nicht, der dabei in ihrer Stimme mitschwang. Ein ganz sonderbares, neues Gefühl für sie. Doch es fühlte sich gut an.

    "Ja Fiona, das wäre es wirklich. Aber es ist klüger, sich erst dann zu freuen, wenn Gewissheit herrscht, anderenfalls kann die Freude nur allzu bald in Gram sich wandeln", erwiderte Epicharis und strahlte Fiona an. Doch das Lesen duldete nun keinen weiteren Aufschub mehr, und so vertiefte sich die Claudierin ganz und gar in die säuberlich geschwungenen Buchstaben auf hellem Grund. Unterbewusst wunderte sie sich natürlich schon ab und an, dass ein Mann mit Aristides' Mentalität derart feinsinnig und ansehnlich schreiben konnte, doch es zählte schließlich, dass er schrieb und nicht wie er es tat.


    Allmählich breitete sich ein Lächeln auf ihrem Gesicht aus, verschmitzer wie amüsierter Natur. Natürlich würde er ihr nicht schreiben, dass sie verlören, selbst wenn dem so war. Das allein verbot schon die Tatsache, dass er ein römischer Soldat war - schließlich gewann das Imperium stets. Ob der Stelle ihre persönliche Lage betreffend runzelte sie nur die Stirn, während die Mundwinkel flüchtig zuckten. Bald darauf jedoch wurde der Ausdruck auf ihrem Gescícht abermals abgelöst von einem strahlenden Lächeln - sie war bei der Versicherung angelangt, dass die Villa Flavia ihr stets würde offenstehen. Mit diesem Lächeln blickte sie auch hoch und blinzelte in die Sonne, als sie eine wohlklingende Stimme ihren Namen aussprechen hörte. Und ob es Zufall war oder nicht, dass er genau in jenem Moment aufgetaucht war, da Epicharis seinen Namen gelesen hatte - da stand Flavius Graccus vor ihr. Überrascht musterte Epicharis ihn und ihr Lächeln wurde sogar noch breiter, als er weitersprach. Nur kurz überlegte sie, entschied sich jedoch beinahe im selben Moment dagegen, die Förmlichkeiten wieder einer Mauer gleich zwischen ihnen beiden nach oben zu ziehen. Zwar ahnte sie, dass Gracchus es nicht schätzte, wenn man bestehenden Höflichkeitsfloskeln geizte, doch Epicharis war der Meinung, dass man nach alledem, was sie durchgemacht hatten, durchaus darauf verzichten konnte.


    "Gracchus!" sagte sie ergo, ließ seinen Nomen gentile unter den Tisch fallen und erhob sich, den Brief vorerst beiseite gelegt. Was folgte, war eine herzliche wie - vermutlich - überraschende Umarmung, die ebenso ungewöhnlich war wie.. nun, wie Epicharis' Wesen selbst. Manch einer fragte sich, wie sie bei diesem Vater sich so hatte entwickeln können, doch keinesfalls vergaß sie ob der guten Manieren und üblichen Floskeln, wenn es erforderlich war. Doch Gracchus, nun, den zählte sie inzwischen schon längst zur Familie, ob er sich dessen bewusst war oder nicht. "Das stimmt, er wäre bestens für ein paar philospophische Zeilen geeignet. Das allerdings ist ein Brief von Marcus." Es war ihr nicht möglich, das schalkhafte Blitzen ihrer Augen zu verbergen, und so suchte sie es zu überspielen, indem sie auf die Bank deutete. "Möchtest du dich vielleicht zu mir gesellen? Oder wollen wir ein Stück gemeinsam gehen?" schlug sie vor und setzte einen prüfenden Blick nach. "Ich halte dich doch nicht auf, oder doch?"