Beiträge von Flavia Epicharis

    Der Kutscher war zwar einiges gewohnt, nicht aber, dass man ihn nicht auf Anhieb erkannte. So stand er eine Weile verblüfft herum. In der Zeit hatte auch Epicharis die Stufen erklommen und stand nun vor der Schwelle, um in das Gesicht einer ihr ebenfalls unbekannten Sklavin zu schauen.


    "Die Herrin Claudia Epicharis wünscht eingelassen zu werden", beeilte sich der Blondschopf zu sagen, was ihm einen leicht spöttischen Blick seitens Epicharis einbrachte, die kurz darauf nickte und ins Innere der Villa deutete.


    "Richtig. Es ist nämlich kalt hier draußen."

    Erst als die Sänfte sicher stand und das Holz sich bewegte, an dem sie sich festgehalten hatte, bemerkte Epicharis, dass es eben kein Holz war, sondern die Hand eines zuvorkommenden Mannes. Ein überraschtes, aber durchaus aufrichtig dankbares Lächeln zeigte sich auf ihren Zügen, als der Fremde sie direkt ansah und ansprach. Als sie Anstalten machte, aus der Sänfte zu steigen, sprang ein Sklave ihr sogleich zur Hand und half ihr, bis sie schließlich in kostbare Stoffe gehüllt und mit angelegtem, verzierten Perlenschmuck vor ihm stand. Er war wahrhaftig groß, beinahe zwei Köpfe größer als sie selbst, aber eben nur beinahe. Eine Hand hielt die strahlend weiße Palla zusammen, die sich über die Schultern schmiegte, die in eine geschmackvolle Tunika aus Seide gekleidet waren. Beim Lächeln glänzten ihre Augen und das dunkle Haar, das in einer kunstvollen Frisur gesteckt worden und mit zwei Blüten verziert worden war. Ihre weißen Zähne und die zwei kleinen Grübchen, die sich beim Lächeln zeigten, rundeten das Bild Epicharis' ab.


    "Ich danke dir. Wärst du nicht so rasch eingeschritten, wäre vermutlich ein Malheur sondergleichen passiert. Ich stehe in deiner Schuld."

    Wie ihre Schwester nahm auf die sitzende Epicharis wohlwollend zur Kenntnis, dass Iulianus die Götter an seinem Becher Wein teilhaben ließ. Seine Worte ließen sie allerdings schlussfolgern, dass er als ehemaliger Pontifex nichts anderes gewohnt war. Leicht kräuselte sich ihre Stirn, als sie sich eine Strähne aus dem Gesicht strich und vernahm, dass er dem Cultus den Rücken gekehrt hatte, um in der Verwaltung tätig zu sein. Sie tauschte einen verwunderten Blick mit Prisca, die wie sie selbst sittsam und anmutig Platz genommen hatte und eine Tafel hielt, die kurz Epicharis' Aufmerksamkeit erregte. Irgendwie schaffte sie es jedoch, die Neugier zurück zu drängen und sich wieder Iulianus zu widmen.


    "Dann scheinst du weit herumgekommen zu sein, auch wenn ich gestehen muss, dass es mich schon verwundert, dass du deinem Amt entsagt hast. Du bist nun also in der Verwaltung tätig. Hegst du denn die Absicht, dem Kaiser im Cursus Honorum zu dienen?" wollte sie wissen und ließ dabei außer acht, dass sie den armen Mann quasi ausfragte. Aber sie war nun einmal neugierig, das war nicht zu verbergen.

    An einem späten Abend mitte Dezember traf Epicharis in Mantua ein. Die vergangenen zwei Tage waren unbequem und müßig gewesen, denn sie hatte sie in einer Kutsche verbringen müssen, die stets auf Fahrt gewesen war und nur angehalten hatte, als der Sonne hinter dem Horizont versunken war. Die Nacht hatte sie in einem unbequemen Gästehausbett des Cursus Publicus verbringen müssen. Nun aber stand sie vor den Stufen zur Villa, streckte sich ungeniert und ließ den Kutscher klopfen, damit man ihr aufmachen möge.

    Kühl war eigentlich alles an diesem frühen Morgen, an dem Epicharis die Märkte besuchen wollte. Zumindest war das der Plan gewesen. Jetzt allerdings stellte sich heraus, dass die Sache einen gewaltigen Haken hatte, oder genauer gesagt die Sänfte. Eigentlich war es auch kein Haken, sondern ein Riss im Holz. Sie waren beinahe bei dem Schneider angekommen, bei dem sich die Claudierin einige maßgeschneiderte Tuniken zulegen wollte, da holperte die Sänfte ein letztes Mal und tat danach einen finalen Sprung, denn eine der Halterungen für emsige Sklavenhände war zerbrochen. Epicharis rutschte mit schreckgeweiteten Augen rückwärts und klammerte sich geistesgegenwärtig irgendwo fest, um nicht vollends aus der Sänfte herauszurutschen.


    Dass es nicht das gewohnte Holz war, sondern eine helfende Hand, bemerkte sie erst gar nicht....


    Sim-Off:

    Hat jemand Interesse?

    Epicharis wusste, dass Prisca solcherlei Anspielungen nie guthieß, also legte sie ihr nur in einer beruhigenden Geste die Hand auf den Unterarm und lächelte verzeihend. Ihre Zunge saß manchmal einfach zu locker, das wusste sie selbst, aber etwas dagegen unternehmen, dazu war sie in den seltensten Fällen im Stande. So nickte sie jetzt nur, die versöhnlichen Worte als solche erkennend, und lächelte.


    "Natürlich. Ich habe alle Zeit der Welt, nun, da ich wieder zu Hause bin. Und für dich erst recht. Ach, was habt ihr mir alle gefehlt! Aber ihr habt ganz recht, wir sollten etwas essen. Ich fürchte, dieser Erfrischungstrunk des Sklaven auf dem Schiff hält nicht mehr lange an..."


    Sie sah sich nach einem Sklave um, und tatsächlich löste sich nur wenige Momente später eine Gestalt aus den Schatten des Tablinums und verschwand in der Küche, um etwas zu essen zu organisieren. Das war der Vorteil von Sklaven: sie hatten nichts weiter zu tun, als die Bedürfnisse ihrer Herren zu stillen. Zufrieden ließ sich Epicharis sich auf einer Kline nieder und musterte erneut den Mann namens Iulianus.


    "Wie kommt es, dass ich erst jetzt auf dich treffe, Iulianus?"

    Das war wieder typisch Prisca, dachte sich Epicharis schmunzelnd. Als sie allerdings so tat, als kannte sie den Mann gar nicht, fand sie das höchst amüsant. Sie grinste verhalten, denn es gehörte sich nicht, doch sie konnte es nicht komplett unterdrücken, sodass ihre Mundwinkel sich doch verbogen. Doch der Mann, den man Iulianus nannte, wie en Kaiser höchst selbst, bekräftigte Priscas Aussage. Das Grinsen schwand und machte einem neugierigen Ausdruck Platz, mit dem Epicharis von Prisca zu Iulianus sah und wieder zurück. Mit schräg gelegtem Kopf lächelte sie dann.


    "Dann bist du also ein Verwandter", stellte sie fest und nickte.
    "Und ich hatte schon gedacht, das Leben meiner Schwester hätte sich in meiner Abwesenheit so radikal verändert, dass bald eine Sponsalia anstünde. Verzeiht mir meine Vermutung. Prisca und Iulianus."


    Sie lächelte ehrlich, doch das Lächeln wurde von einem unüberhörbaren Knurren durchbrochen, das aus ihrer Leibesmitter kam und einen Moment unschön im Raum hing.


    "Sag, ihr habt nicht zufällig Hunger? Denn wenn doch, könnten wir zusammen etwas essen. Auf dem Schiff gab es nicht gerade das, was ich mir gewünscht hätte. Außerdem haben die Wellen dafür gesorgt, dass ich ohnehin kaum etwas bei mir behalten hätte. Also?"


    Wieder sah sie fragend und aufgeweckt in die Runde.

    Epicharis war immer schon emotionsgeladen und stürmisch gewesen. Während der sittsamen Erziehung, die sie genossen hatte, hatte das etwas abgenommen, denn sie war sich nun darüber im Klaren, dass eine Frau ihres Standes sich angemessen zu verhalten hatte. Und doch kam die stürmische Jugend noch ab und an zum Vorschein, so auch jetzt. Als Prisca von der schwerwiegenden Entscheidung sprach, wusste Epicharis einfach, dass sie sich um diesen Mann dort drehen musste. Sie maß zuerst ihre Schwester mit einem kurzen Blick, nachdem sie sie umamrt hatte, dann sah sie zu dem ihr unbekannten Mann, dem etwas unbehaglich zu sein schien. Epicharis' Stirn runzelte sich gerade leicht, da lenkte Prisca ihre Aufmerksamkeit wieder auf sich.


    "Ach, sie war lang und mühselig, du weißt ja wie ich Schiffe hasse. ich bin froh, wieder zu Hause zu sein", sagte sie mit einem warmen Lächeln. In diesem Moment äußerte der Fremde seine Bedenken, erwünscht zu sein. Epicharis blickte ihn verwundert an und hielt ihn zurück, als er gerade den Raum verlassen wollte, einer Flucht gleich.


    "Moment, hiergeblieben", sagte sie scherzhaft und wandte sich an Prisca, wobei ihre Augen jedoch musternd auf dem Mann liegen blieben.
    "Willst du mir deinen Besuch denn nicht vorstellen?"

    Noch in ihren Reiseumhang gehüllt, war Epicharis durch die Räume der Villa geeilt, auf der Suche nach einem ganz bestimmten Jemand. Allzu bald wurde sich auch fündig, als sie Stimmen aus dem Tablinum kommen hörte. Mit klopfendem Herzen und aufgeregten Schritten sauste sie förmlich um die Ecke und blieb dann wie angewurzelt stehen, als sie ihre Schwester in Begleitung eines Mannes sah, den sie nicht kannte. Sogleich runzelte sich ihre Stirn und sie fragte sich, ob ihr Vater wohl während ihrer Anwesenheit bei der kranken Großtante in Hispania heiratsgedanken für Prisca gehegt hatte. War dieser Mann ein Verehrer? Gar ihr Verlobter? Verblüfft starrte sie beide nacheinander an, ehe sie ein verspätetes und ziemlich verdutztes "Salve..." herausbrachte und einfach nur da stand, als ob sie eine lebende Salzsäule war.

    [Blockierte Grafik: http://img228.imageshack.us/img228/3408/sklave01wf5.jpg| Knut


    Er öffnete die Tür, wie immer, und sah die junge Dame wieder, die er zuletzt noch mit beinahe kindlichen Zügen vor etwas weniger als einem jahr gesehen hatte. Knut musste wohl ziemlich dumm aussehen im ersten Moment, beeilte sich aber, Epicharis' Fragen zu beantworten.


    "Oh, der Herr in Mantua bei Legio. Die Herrin Schwester hier", brachte er mit rauhem germanischen Akzent heraus und nickte dabei. An ihm vorbei gingen schon die ersten Sklaven der jungen Frau, die ihre Sachen herein brachten, und nach einem Dank folgte auch Epicharis ihren Habseligkeiten und verschwand im Haus. Knut lächelte erfreut. Endlich wieder Leben in der Hütte!

    Es war wirklich keine angenehme Reise gewesen. Zu dieser Jahreszeit war das Meer aufbrausend und es herrschte ein Wellengang, der jenseits aller Übelkeitsgrenze lag, ganz besonders aber jenseits derer von Epicharis. Ein Sklave huschte vor ihr zur Tür und betätigte den Klopfer, kurz darauf öffnete ihr ein bekanntes Gesicht die Tür und zauberte ein wenn auch nur mattes Lächeln auf ihr Gesicht.


    "Salve Knut. Schön, wieder zu Hause zu sein. Sogar schön, dich zu sehen. Wo ist mein Vater? Ist er hier? Und meine Schwester?"