Beiträge von Flavia Epicharis

    Sich mehr und mehr in den klebrigen Fäden der eigenen Gedanken verstrickend, machte Epicharis in ihrem nächsten Zug einen Fehler, der Gracchus später ermöglichen sollte, das Spiel zu gewinnen. Ihre eigenen Spielsteine standen ungünstig, und Fortuna war ihr zudem nicht mehr sonderlich hold, was das Würfelglück anbelangte. In der Folgerunde musste sie aussetzen, in jener danach würfelte sie nur einen Einser. So zog bereits Gracchus' zweiter Spielstein ins Ziel, während Epicharis selbst noch alle Steine irgendwo auf dem Spielfeld verteilt hatte.


    Bei seinen Worten sah sie auf und warf einen ernsten Blick auf Gracchus. Was er mit seinen Worten bezwecken wollte, ging ihr nicht wirklich auf - warum würde es gut sein, wenn sie hier einzog? Sicherlich barg dieser Umstand viele Vorteile für sie selbst, und für Aristides würde die Ehe insofern gut sein, als dass er weitere Kinder haben würde, doch darüber hinaus? Epicharis nagte ein wenig an ihrer Unterlippe und forschte in Gracchus' Gesicht, doch sie fand keinen versteckten Hinweis auf die Quintessenz seiner Wortem und da sprach er auch schon weiter. Und da ergaben seine Worte den Sinn, nach dem sie gefahndet hatte. Sie würde die flavischen Damen unterhalten können, und Aristides ebenfalls. Epicharis schluckte und griff erneut nach dem Becher, diesmal, um ihn zur Hälfte zu leeren, ehe sie ihn wieder fortstellte. Was sagen? Verdeutlichten seine Worte nicht recht deutlich, dass er sich davon ausnahm? Dass er sie nicht brauchte - oder nicht nötig hatte? Epicharis schloss für einen flüchtigen Moment die Augen und zwang das Lächeln wieder auf ihre Züge. Sie redete sich das alles nur ein. Ganz gewiss. Gracchus dachte einfach viel mehr an seine Mitmenschen als an sich selbst, so einfach war das. Epicharis' Lächeln war nun ein wenig unerzwungener.


    "Ja..." sagte sie nachdenklich und wiegte den Kopf hin und her, den Blick auf die Rosen hinter Gracchus gerichtet. "Ich freue mich auch schon darauf, die anderen alle näher kennenzulernen. Es ist doch etwas anderes, als sich nur gelegentlich auf Festen oder durch Zufall zu begegnen. Und wer weiß, vielleicht findest du auch ab und an die Zeit, eine Partie mit mir zu spielen?" Epicharis deutete ein Schmunzeln an und warf dann einen Blick auf das Spielbrett. "Hm. Vielleicht werde ich mich dann dafür revanchieren können, dass diese Partie wohl an dich geht", sagte sie trocken und nahm einen Stein von jenem Feld, das Gracchus soeben mit seiner Figur erobert hatte.

    Wie Ferdinand, der Stier - so sah Aristides in diesem Moment aus, da er versonnen das weiße Blümchen im Gras musterte. Ein liebevolles Lächeln stahl sich auf Epicharis' Züge, als sie ihn so beobachtete. Er konnte sich also auch an kleinen Dingen erfreuen, wie an dieser hübschen Blume neben ihm im Gras. Epicharis bemerkte allerdings, dass er nicht bereit war, über den Krieg zu reden. Wann immer das Thema darauf kam, wich er aus und bekam diesen seltsamen Ausdruck in den Augen, selbst wenn sie ihn lobend umgarnte. Also nahm sie sich vor, den Krieg erst einmal nicht mehr anzuschneiden - und es gelang ihr auch für den Rest des sonnigen Tages. Vermutlich war es seine Verletzung, die ihm die Freude am Sieg vergällte, oder aber es waren die Gesichter der namenlosen Toten, die ihn vielleicht im Schlafe heimsuchen mochten.


    Bald wurde auch das Geheimnis um den Leckereienkorb gelüftet, sehr zu Aristides' Leidwesen, denn statt der erhofften Würste, Honigkuchen, nahrhaften Häppchen und sonstigen klebrigen Naschereien förderten die Sklavinnen allerlei Obst und nur wenig zuckerhaltiges Naschwerk zu Tage. Vielleicht konnte Epicharis diesen vermeintlichen Missstand wieder ausgleichen, indem sie Aristides mit den süßen Trauben fütterte, die sie mit spitzen Fingern abzupfte und in seinem Mund verschwinden ließ. Doch so sicher war sie sich da nicht. Aristides' Hunger schien entweder gezügelt oder aber kaum verhanden zu sein, vermutlich lang es auch an der Art der Leckereien, die sie hatte einpacken lassen. Vom Fleisch fallen würde er ihr allerdings kaum, schließlich war noch genug vorhanden, um selbst die nächsten Wochen mit nur schmaler Kost zu bestehen. Und Epicharis würde Aristides kurzerhand auf eine Diät setzen, wenn sie ihn nur erst einmal geheiratet hatte, vorausgesetzt, er legte weiter zu.


    Das Gespräch drehte sich größtenteils um die bevorstehende Hochzeit. Epicharis war gänzlich überwältigt über den frühen Termin, den Aristides vorgeschlagen hatte. Einerseits, weil ihnen damit kaum Zeit zur Planung blieb, andererseits, weil zwei Wochen doch ein etwas anderes Zeitfenster waren als irgendwann oder später oder nach dem Krieg. Tausenderlei Dinge gingen ihr im Kopf umher, über die Fragen, wen sie einladen und was sie zu Essen bereithalten sollten bis hin zu Dingen bezüglich der Nacht der Nächte. Wenigstens würde sie sich keine Gedanken darüber machen müssen, was sie anzog. Das ersparte ihr schon einmal eine Menge Zeit und Stress. Zwischen all den Blumen, dem Summen der Bienen und unter dem herrlichlichen Dach des blauen Himmels, gelangten sie schließlich zu der Entscheidung, ihre Hochzeit so bald wie möglich zu halten. Epicharis sprach sich für Antonia als Pronuba aus und versprach, sie gleich morgen aufzusuchen, Aristides wollte sich um die Einladungen kümmern, da er neben Epicharis Wunsch, die Leute der Acta zu laden, auch einige alte Kameraden aus der Prima laden wollte. Epicharis würde die Aufstellung eines Menüs in Auftrag geben, Aristides würde sich um die Anmietung des Hortus Lucullus bemühen, dem Ort, an dem er um ihre Hand angehalten hatte, denn Epicharis wollte nicht in den beengenden Räumen der Villa Claudia feiern, und so hatten sie sich kurzerhand für eine andere Art der Feier entschieden - eine Gartenparty. Hierfür mussten Lampions, einheitliche Ausstattung, Musikanten und allerlei anderes organisiert und besorgt werden, und darum würden sie sich beide kümmern, beziehungsweise veranlassen, dass flavische und claudische Sklaven sich gemeinsam darum bemühten, dass alles stimmig war.


    Aristides teilte ihr ebenfalls mit, dass seine Mutter sich eine Manusehe wünschte. Darauf wusste Epicharis zuerst nichts zu erwidern, denn eine solche Ehe würde sie zwar von ihrem unerträglich gewordenen Vater befreien, doch würden damit auch die letzten Stege zu ihrer Familie abgerissen werden, da sie fortan nicht nur bei Aristides wohnen, sondern gleichsam Flavia Epicharis heißen würde. Einerseits erfüllte sie die Vorstellung dieses totalen Umbruchs mit ängstlicher Zurückhaltung, andererseits sah sie ihm erwartungsvoll entgegen. Es wäre bestimmt nicht so schlimm, Aristides zu unterstehen, wie ihrem Vater. Allerdings mochte Epicharis zwar gutgläubig sein, doch dumm war sie nicht, und so verkündete sie, dass sie dieser Art Ehe selbst nur zustimmen würde, wenn man ihr das Recht einer möglichen Scheidung - so schlimm es sich auch anhörte - einräumen würde. Im gleichen Atemzug versicherte sie ihrem Verlobten, dass nichts dergleichen gegenwärtig in ihrem Geiste herumspukte, sondern sie lediglich vermeiden wollte, irgendwann einmal, auch wenn es hoffentlich nie zutreffen mochte, unter Aristides' Entscheidungsgewalt leiden zu müssen. Dieser Bedingung stimmte Aristides zu, und solchermaßen beruhigt, widmete sich Epicharis einem weiteren Thema: Der Farbe der Sklavengewandung und der Zierde. Epicharis hätte noch Stunden darüber sprechen können, doch Aristides wurde es irgendwann müde und legte resignierend die Entscheidungen diesbezüglich in ihre Hand, die, wie er behauptete, ohnehin geschmackvoller sei als seine eigene.


    Als sie schließlich den Park verließen, dunkelte es bereits. Epicharis meinte, gelegentlich ein entferntes Donnergrollen hören zu können, doch stellte sich das Grollen später als flavischer Magen heraus, der gefüllt werden wollte. Den krönenden Abschluss des Tages bildete ein kleines, aber feines Essen im friedvollen Rahmen des flavischen Tricliniums. Es war Epicharis zwar ein Rätsel, wie ein Mann so vieles so durcheinander zu essen vermochte, doch Aristides schaffte es dennoch, selbst wenn ein wachsamerer Blick seinerseits Epicharis' Entschluss einer Diät bereits jetzt von ihren Augen hätte ablesen können. Doch er hatte nur Augen für den Nachtisch gehabt. Ein inniger, nach Würze schmeckender Kuss des Soldaten verabschiedete die Claudierin schließlich nach Hause, als es schon recht spät war. Und die von bewaffneten Begleitete Sänfte trug die verträumt seufzende Epicharis zielsicher und wohlbehütet nach Hause, wo sie lange Zeit noch wach in ihrem Bett lag und selig lächelnd über Aristides und sich selbst nachdachte.



    Sim-Off:

    Wir haben beschlossen, hier etwas zu kürzen und stattdessen die Hochzeit recht bald auszuspielen. Wenn ihr Sklaven aber den tag noch weiterspielen möchtet, könnt ihr das natürlich sehr gern tun. :)

    Epicharis, die so kleinlich auf die Regungen Gracchus' achtete, entging indes nicht die kleine Abweichung ins Geringschätzende, auch wenn sie beinahe kaum wahrzunehmen war. Sie blickte auf das Spielbrett hinab, und fast schon bereute sie, dass sie sich ihm anvertraut hatte. Selbst unsicher, war Missbilligung ganz gewiss die falsche Empfindung, um ihr ein wenig der Instabilität zu nehmen, die nun umso mehr aufzukeimen schien. Sie bezog seine Mimik direkt auf sich, und da sie Aristides' Mutter noch nicht hatte kennenlernen können, war dies wohl nur allzu verständlich. Ratlos darüber, was sie nun entgegnen sollte - das Aber in Gracchus' Satz nahm ihr das letzte bisschen Mumm in diesem Moment - schwieg sie, den Blick auf das Spiel gerichtet und es doch nicht vor sich stehen sehend. Ihr wurde bewusst, wie wenig sie doch über Gracchus wusste, über die Flavier im Allgemeinen, und ein wenig Verständnis für Antonia kroch ganz allmählich in ihr Bewusstsein. Nachdenklich nagte sie auf der Unterlippe, gänzlich in Gedanken versunken und innerlich aufgewühlt. Ihr war unbehaglich zumute, doch sie hielt sich zurück, um nicht unwirsch auf dem Stuhl herumzurutschen wie ein nervöses Kind. Erhaben musste eine Patrizierin sein, in jedweder Situation. So, wie ihre Tante es noch gewesen war, als sie siechend auf dem Sterbebett gelegen war.


    Flüchtig streifte Epicharis' Blick nun wieder Gracchus, der von Traditionen sprach und davon, dass Marcus auf seine Mutter hörte. Sie wollte fragen, warum dann nicht er Antonia ebenfalls cum manu genommen hatte, doch würde er diese Frage ganz sicher als anstäßig erachten, und so ließ sie es bleiben und grübelte stattdessen selbst darüber nach, ohne zu einem Ergebnis zu gelangen. Als würde sie nicht selbst daneben sitzen, bemerkte sie durch einen immer dichter werdenden Gedankenschleier hindurch, wie Gracchus sich am Wein gütlich tat und nach den Stäbchen griff. Kaum bemerkte sie, wie er den nächsten Zug machte, so sehr hatte sie mit sich selbst zu tun. Und was, wenn eine Manusehe das schlimmste war, was sie tun konnte? Sich selbst und auch die Flavier betreffend? Vielleicht sollte sie noch einmal mit Aristides über seine Mutter reden, auch wenn sie ehrlicherweise bezweifelte, dass er das gutheißen würde. Gracchus über sie auszufragen hielt sie ebenfalls für ungeeignet, also versuchte sie, das Thema irgendwie aus ihren Gedanken zu verbannen. Es gelang ihr allerdings kaum, und da es ihre Gedanken nun beherrschte, war dort kein Platz für andere, unbeschwertere Gedanken. So führte sie schweigend ihren Zug aus, vermied es, Gracchus anzusehen, und rettete sich dann hinter ihren Weinbecher, indem sie kaum ernsthaft zu nennende Schlucke machte.

    Epicharis kicherte und nickte dann geschäftig. "Ja, in zwei Wochen! ich habe eigentlich keinen Zweifel daran, dass es klappt. Hochzeiten laufen ja im Allgemeinen nach einem bestimmten Muster ab, und für die Sklaven, die sich darum kümmern werden, ist es ja nicht die erste Hochzeit." Von Antonias Zaudern bemerkte sie freilich nichts. "Hoffen wir einfach, dass das Wetter sich halten wird", sagte sie und lächelte breit. Oh, sie war ja so aufgeregt! Wenn sie nur an den Tag dachte, der ihr bevorstand, wurde ihr ganz flau im Magen. Manchmal wurde ihr ein wenig bang, dass sie nicht alles richtig machen würde. Aber sie war eine Claudierin, da würde sie nicht wanken, sondern standhaft bleiben. Immerhin würde dann auch ein neuer Abschnitt ihres Lebens anbrechen.


    Doch Epicharis drängte alle Gedanken zur Seite, um sich nun ganz auf Antonia zu konzentrieren. Gespannt sah sie die Ältere an, die noch einmal Epicharis' Neugier schürte, ehe sie mit der frohen Botschaft herausplatzte, die Epicharis zunächst nur halb verstand. Sie wollte schon fragen, was endlich geklappt hatte, da rutschte ihr Blick auf Antonias Hand, die ihrerseits zu deren Bauch rutschte, und Epicharis' Augen weiteten sich vor Überraschung. Als dann auch noch Antonia ihren Verdacht bestätigte, hüpfte Epicharis zwei-, dreimal auf und ab und klatschte dabei in die Hände. Ehe sich Antonia dann versah, befand sie sich in einer festen Umarmung, und Epicharis queitschte ihr freudig ins Ohr. "Du wirst eine Mama!" freute sie sich wenig intelligent, bevor sich Antonia losließ und stattdessen ihre Hände angelte. "Ach, ich freu mich so für dich! Für euch! Hast du es Gracchus schon erzählt? Oh, natürlich hast du. Was hat er gesagt? Er muss doch überglücklich sein, nicht wahr? Was denkst du, wird es? Ein kleiner Gracchus oder eine kleine Antonia? Oh, und denk dir nur, unsere Kinder können zusammen aufwachsen!" Nicht einmal schien Epicharis Luft zu holen, so schnell purzelten Glückwünsche, Vorstellungen und sonstige Worte durcheinander, und währenddessen strahlte sie Antonia an wie ein Honigkuchenpferchen mit extra Honigüberzug.

    Zitat


    Original von Claudia Epicharis
    Melde mich bis Montag ab - ich gehe mit Aquilius in den Wald... :D


    Original von Caius Flavius Aquilius
    :D Im Wald ist gut munkeln ... bei so einer Einladung gehe ich natürlich mit und bleibe bis Sonntag (einschließlich) unterwegs. Muss man ja auskosten.^^


    Im Wald waren wir zwar dann doch nicht, doch in eisigen Gefilden und zwischen düsteren Schergen waren wir durchaus zu finden. :]
    Inzwischen ist der Schlaf nachgeholt (zumindest auf meiner Seite) und ich bin wieder einsatzfähig.

    Manchmal wurde sie nicht schlau aus Gracchus, oder sie verstand ihn erst, nachdem sie eine Weile nachgesonnen hatte. So war es auch jetzt. Zuerst runzelte sie die Stirn ein wenig, denn es war schwer, ihn zu verstehen, wenn er etwas voller Nachdruck und schnell sagen wollte. Dann aber, als ein Augenblick verstrichen war, erschloss sich ihr, was er gesagt hatte, und nun sann sie darüber nach, warum er ihre Hilfe nicht annehmen wollte. Kurz darauf fielen ihr drei mögliche Antwort wie Schuppen von den Augen - entweder wollte er es allein bewältigen oder aber er glaubte, sie damit zu belasten. Eine weitere Möglichkeit war, dass er vor ihr, die sie - noch - nicht zur Familie gehörte, nicht schwächeln wollte. Für letzteres sprach auch sein beinahe hastiger Rückzug mit der Hand. Wenn dies also zutraf, wollte er sie vielleicht gar nicht hier haben, sich nicht ihr ausgesetzt sehen. Epicharis schwieg, blickte auf das Senetspiel hinab und nagte ein wenig bekümmert an ihrer Unterlippe, unschlüssig ob dessen, was sie nun tun sollte.


    Sie hob den Blick wieder, als Gracchus sie bat, nicht zu schweigen. Sie bedachte ihn mit einem Blick aus einer Mischung aus Zweifel und Ratlosigkeit. Dass er letztendlich vom vertraulicheren Gespräch zurück auf das Spiel zu sprechen kam, bestätigte Epicharis ihren Verdacht, und sie ließ von ihrer Lippe ab, um stumm nach den Stäbchen zu greifen. Ihr Wurf resultierte ebenfalls in einer zwei, und ein wenig lustlos machte sie sich mit ihrem vordersten Stein daran, Gracchus' am weitesten entfernten Spielstein einzuholen. Verstohlen musterte sie Gracchus, und etwas wie Frustration keimte in ihr. Sie verspürte nicht viel Lust, über das Wetter oder über den anstehenden Festtag der Fortuna zu reden. Sie wollte Gracchus helfen, doch wie konnte sie das bewerkstelligen, wo er doch kategorisch alles Dahingehende ablehnte? Vermutlich verhielt er sich aber auch wie alle Männer, mutmaßte sie halbherzig. Dann würde sie nur dafür sorgen müssen, dass er entweder von selbst darauf kam oder aber nicht merkte, dass sie etwas für ihn tat. Um die Sprache wieder zu festigen, waren wohl Fragen am besten geeignet, denn dann musste er sich artikulieren. Andererseits würde ihm das nur wieder vor Augen führen, wie schlecht es um seine Sprachfähigkeit stand derzeit. Es war zum Mäuse melken! Epicharis seufzte tief und rieb sich nachdenklich die Stirn. Vielleicht vertraute er ihr auch nicht genügend?


    "Kennst du Marcus' Mutter?" fragte sie ihn aus dem Blauen hinaus, während sie bereits wieder an der Reihe war mit ihrem Zug. Sie würfelte eine drei und zog den hintersten Stein um die gleiche Anzahl Felder vor. "Ich habe das Gefühl, dass er eine besondere Bindung zu ihr hat", fuhr sie zögerlich fort und gab damit etwas Vertrauliches von sich preis. Natürlich hoffte sie einerseits, Gracchus damit in ein Gespräch zu verwickeln, andererseits etwas mehr Vertrauen zu gewinnen. "Hm... Sie möchte, dass wir cum manu heiraten." Epicharis hob den Blick und suchte nach Anzeichen von Überraschung, Missfallen oder anderen Eindrücken in Gracchus' Gesicht.

    Fassungslos sah Epicharis Antonia dabei zu, wie ihre Augen feucht wurden. Besorgt legte sie ihr eine Hand auf den Unterarm und rückte ein wenig näher an ihre Cousine heran. "Antonia? Ist alles in Ordnung?" wollte sie beunruhigt wissen. Schon begannen die Rädchen in ihrem Kopf sich zu drehen und ihr ein schlechtes Gewissen zu bereiten, ohne dass sie hätte sagen können, warum dem so war. Fand Antonia ihre Bitte unpassend? Gar anstößig? Aber warum?


    Doch im nächsten Moment bereits fiel die Sorge ein wenig von Epicharis ab, denn Antonia ergriff ihre Hand und erklärte, dass sie gern die Rolle der Pronuba übernehmen würde. Epicharis atmete auf. "Wie schön! Du wirst bestimmt eine wundervolle Pronuba abgeben", beeilte sie sich zu sagen, obwohl sie immer noch ein wenig skeptisch wegen der feuchten Augen war. Doch da fiel es ihr ein: Sicher hatte Antonia sich an den Tag ihrer eigenen Hochzeit erinnert. Mitgefühl schwappte über Epicharis hinweg, obwohl sie immer noch nicht verstand, warum Antonia und Gracchus sich einander nicht so gut zu verstehen schienen. Beiläufig wandte sie den Kopf und ließ den Blick über die Rostra schweifen, doch nun war sie leer. Gracchus war fort. Mit einem Stirnrunzeln wandte sie sich wieder Antonia zu, strahlte sie jedoch an, als sie nach dem Zeitpunkt der Feier fragte. "Oh, Marcus möchte so schnell wie möglich heiraten... Am liebsten in zwei Wochen schon, hat er gestern gesagt. Wir haben auch eine kleine Abweichung geplant. Stell dir vor: wir verlegen den ersten Teil der Feier in den Garten, in dem er um meine Hand angehalten hat! Ist das nicht romantisch?" Epicharis verdrehte euphorisch die Augen, fasste die Hände zusammen und seufzte tief. Dass sie damit mehr denn je in das Märchenklischee passte, war ihr absolut gleichgültig. Dann aber fiel ihr ein, dass Antonia ihr auch etwas erzählen wollte, und neugierig musterte sie sie. "Aber was gibt es denn bei dir Neues?" fragte sie Antonia aus.

    Lachend hielt sich Epicharis eine Hand vor den Mund, als sie sich vorstellte, dass ein großer Kürbis ihr die Sicht auf Antonia versperrt hatte. Irgendwie gelang es ihr aber doch, etwas darauf zu entgegnen. "Ah, deswegen, siehst du!" Antonia wirkte heute so locker und fröhlich, zwei Eigenschaften, die Epicharis nur selten an ihrer Cousine bemerkt hatte zuvor. Was vielleicht aber auch daran liegen mochte, dass sie sich defintiv zu selten sahen. Allerdings würde das nun auch bald ein Ende haben, dachte sie aufgeregt.


    "Das freut mich zu hören", erwiderte Epicharis, und kurz milderte sich ihr Lächeln ab, als sie an Gracchus' Gebrechen dachte und sich fragte, ob das wohl der Grund für Antonias gute Laune war. Immerhin war ihr recht schnell aufgefallen, dass das Verhältnis der beiden zueinander ganz anders war als das zwischen Aristides und ihr. Wobei sie allerdings auch noch nicht verheiratet waren... Und wie Antonia und Gracchus vor ihrer Hochzeit zueinander gestanden hatten, wusste Epicharis nicht, denn sie war zu diesem Zeitpunkt in Spanien bei ihrer Tante gewesen, um sie zu pflegen. Aber so böse Dinge unterstellte sie nur ungern jemandem, und erst recht nicht ihrer Cousine. So schob sie die Gedanken also weit von sich und rief sich in Erinnerung, was sie Antonia hatte fragen wollen.


    "Ja, ich..." begann sie enthusiastisch, um dann überrascht zu blinzeln. "Oh, wolltest du? Wenn du möchtest, kannst du auch zuerst....? Na gut. Also... Es ist vielleicht ein wenig unpassend, dich das hier auf dem Forum zu fragen, aber da wir nun einmal hier sind... Ich wollte dich fragen, ob du meine Pronuba sein möchtest." Gespannt sah Epicharis Antonia an. Es passte alles, sie war in erster Ehe verheiratet und sie würde wissen, worauf es ankam. Nicht zuletzt beim Zurechtmachen des Zimmers für die Nacht der Nächte. Vielleicht hatte sie sogar Tipps für Epicharis, aber wenn dem so war, wollte sie das ganz sicher nicht auf dem Forum erörtern.

    Immer noch leicht verstimmt ob der einfältigen Römer, die sie soeben zurückgelassen hatte, war der Gesichtsausdruck der Claudia nachdenklicher Art, als ihre Cousine auf sie zusteuerte. Doch als sie diese erblickte, erhellte sich ihr Antlitz und sie machte einen Schritt vor, um Antonia locker zu umarmen. Von Etikette hielt Epicharis sonst viel, doch was Bekundungen von Freude anging, fiel sie ziemlich aus der Rolle und war eher überschwänglich denn ein Eisklotz. "Antonia!" begrüßte sie genau diese. "Ich hatte vorhin schon nach dir Ausschau gehalten, aber du hast dich zu gut versteckt", erklärte sie verschmitzt, als sie Antonia wieder losgelassen hatte. "Wie geht es dir?" wollte sie dann wissen und unterzog ihre Cousine einer genauen Musterung. War sie etwa dicker geworden? Sie schien mehr Oberweite zu haben, stellte Epicharis mit einem leicht sehnsüchtigen Blick fest. "Ich hätte dich ohnehin in den nächsten Tagen besucht, denn ich muss dich etwas Wichtiges fragen!" bemerkte Epicharis dann und strahlte wie ein Honigkuchenpferd. Gracchus war für einen Moment vergessen, zumal ohnehin bisher scheinbar keiner eine Frage stellen wollte.

    Nach Epicharis' Zug blieben die Stäbchen unangetastet, denn Gracchus streckte nicht seine Hand nach ihnen aus. Stattdessen musterte er Epicharis, die sich erst dessen bewusst wurde, als sie ihm fragend den Blick ob des nächsten Wurfs zuwandte. Eine ganze Weile sah er sie an und sie erwiderte seinen Blick, der etwas in ihr anrührte und um ein Haar verursachte, dass sie ihre fröhliche Miene fallenließ und doch das Mitgefühl durchkam. Dass Gracchus plötzlich nach ihrer Hand griff, kam für sie so überraschend, dass sie zunächst ihn ansah und dann ihren Blick senkte. Ihre eigene, zierliche Hand wirkte beinahe kräftiger als die Hand des Mannes, in der sie lag. Gracchus wirkte mit einem mal so verletzbar und sanft, dass es der Claudia glatt die Sprache verschlug. Es war aber auch gar nicht nötig, dass sie etwas sagte, denn in jenem Moment begann Gracchus, einige Worte hervorzuwürgen. Epicharis biss sich seitlich auf die Lippe und vermied es, Gracchus direkt anzusehen, obwohl sie seinen Blick sehr deutlich spüren konnte. Sie wusste, dass sie nicht länger ihre unbeschwerte Maske würde tragen können, wenn sie in diesem Moment aufsah und ihn dabei betrachtete, wie er mühselig vor sich hin stammelte. Von allen Menschen, die Epicharis kannte, war Gracchus derjenige, der erst durch die ihm eigene Eloquenz aufzublühen schien. Und genau das war es, was ihm genommen worden war. Epicharis schluckte hart, doch der Kloß wollte nicht weichen. Sie hatte ihre liebe Mühe damit, nicht in Tränen auszubrechen, sondern standhaft zu bleiben. Es würde ihm nicht helfen, wenn sie ihm so deutlich zeigte, dass sein Zustand derart schlecht erschien, dass er Tränen rechtfertigte. An dieses Bewusstsein klammerte sie sich, und ganz langsam bogen sich die herabgesunkenen Mundwinkel nun wieder ein wenig nach oben, wenngleich auch die Augen nicht mitlächelten und Gracchus diese Farce wohl nur allzu leicht durchschauen würde. Mit dem Schwung der Lippen brachte sie es auch fertig, ihren Blick von den Händen zu lösen und ihn anzusehen. Es tat ihr in der Seele weh, ihn so hören zu müssen, doch als sie sich dabei ertappte, sich weit fortzuwünschen um sich gehenlassen zu können, rief sie sich innerlich zur Ordnung und erinnerte sich des Wunsches, Gracchus aufzuheitern.


    Doch wie sollte sie reagieren? Sie wollte ihm helfen, den begonnenen Satz zu vollenden, doch das würde nur seine Unzulänglichkeit weiter hinauskehren. Zudem hätte sie ob der Verengung ihrer Kehle wohl nur ein heiseres Quietschen zustande gebracht. Nun, da sie ihn ansah, wandte er beinahe hastig den Blick ab. Und ebenso schnell ließ er ihre Hand fahren und brach damit letztendlich die aufkeimende Vertrautheit zwischen ihnen. Epicharis neigte ihren Kopf um eine Winzigkeit zur Seite und unterdrückte das erneut aufkommende, vertraute Kribbeln in ihrer Nase diesmal mit sehr viel mehr Nachdruck, um somit erfolgreich die Tränen abzuwehren, die Bahn brechen wollten. Sie ließ nicht viel Zeit verstreichen. Diesmal war sie diejenige, die nach seiner Hand griff und sie hielt, gleich wie kraftlos sie in diesem Moment auch war. "Dann werden wir üben", sagte sie schlicht, und sie war stolz darauf, dass ihre Stimme nur ein klein wenig zitterte bei diesen Worten. Ermutigend drückte sie die Hand des Flaviers, der ihr ein Stück vertrauter geworden war. So vertraut, dass sie es umging, ihn beim Namen zu nennen, da siefürchtete, dass er Anstoß daran nehmen würde, täte sie ihn Manius nennen. "Hab Geduld mit dir selbst und gräme dich nicht, nur weil die Situation dir demütigend erscheint und du selbst dir unzulänglich vorkommst." Epicharis lächelte Gracchus aufmunternd an, atmete dann tief durch und fragte ihn: "Also - was meinst du, womit wir den Nebel ein wenig lichten können?"

    Nachdem sie Gracchus einige Tage zuvor besucht hatte, ließ sie es sich nicht nehmen, zu seiner Res Gestae auf dem Forum zu erscheinen. Bereits sein Auftreten vor dem ersten gesprochenen Wort ließ eine dicke Runzel auf die Stirn der Claudierin treten. Beiläufig hielt sie nach Antonia Ausschau, um sich zu ihr zu gesellen, wenn sie sie erblickt haben würde. Doch ehe sie ihre Verwandte erspähen konnte, schwebten zwei Worte an ihr Gehör, und auf dem Forum wurde es merklich stiller, damit man die für den Flavier ungewöhnlich leisen Worte besser verstehen konnte.


    Während er sprach oder es zumindest versuchte, rutschten die Augenbrauen der Claudierin beständig hinauf und zogen sich dabei zusammen. Die Worte hervorzuwürgen, bescherte Gracchus sichtlich Unbehagen, und er sah alles andere als gesund und kräftig aus, befand Epicharis. Mitleidig schürzte sie ihre Lippen, legte unwillkürlich eine Hand auf ihr Dekollettée. Gracchus kämpfte sich wacker durch seine Rede. Sie konnte sich denken, dass er überall sonst lieber gewesen wäre als hier, auf dem Forum, wo er sich und seinen hoffentlich nur vorübergehenden Makel der Öffentlichkeit präsentierte. Vermutlich glaubte er, dass er keine andere Wahl hatte. Am liebsten wäre sie am Ende der Rede zu ihm gelaufen und hätte ihm versichert, dass es nicht einen Römer gab, der kein Verständnis für seine Situation aufbrachte, doch die Realität sah anders aus. Hinter sich vernahm sie bereits die ersten lakonisch-piesakenden Worte zweier Männer, die sich über die "unrühmlichen Gebrechen von Patriziern im Allgemeinen" und den "flavischen Fluch am Beispiel des emotionslosesten Flaviers im Besonderen" unterhielten. Epicharis ließ das Getuschel nicht lange währen, bis sie sich herumdrehte und die beiden anfauchte. "Schämen solltet ihr euch, darüber zu reden als würden die Götter euch ewig Gesundheit gerantieren!" blaffte sie amazonenhaft, raffte ihre tiefblaue Tunika und stolzierte davon - weiter nach vorn zur Rostra, wo sie mit aufgebrachtem Gemüt den weiteren Fortgang des Geschehens verfolgte. Die beiden, die ihrer Verärgerung zum Opfer gefallen waren, starrten ihr nach, bis sie hinter einem dicken Senator verschwand. "Hat die uns gemeint?" fragte der eine."Scheint so. Aber schnuckelig war sie ja", antwortete der andere und zuckte mit den Schultern. Das abfällige Gerede vergaßen sie darüber.

    Der Verlobte wurde kurzerhand mit einem Schmunzeln bedacht, denn obwohl Epicharis ihre Worte ohnehin nicht ganz ernst gemeint hatte, so freute sie dennoch die Antwort, die ihr Aristides daraufhin gab. Das flüchtige Kosen ihres Rückens verursachte ein angenehmes Kribbeln, und sie konnte gerade noch den Wunsch unterdrücken, sich wie zuvor in der Villa einen Kuss abzuholen. Stattdessen seufzte sie verträumt und wünschte sich zeitlich viele Wochen nach vorn, zum Vorabend der Hochzeit. Der Ausdruck auf Aristides' Antlitz aber sorgte dafür, dass sie gedanklich nach dessen Urprung suchte: Warum würde er sie wohl so ansehen? Ganz gewiss, weil sie seine unterbewussten Wünsche bereits ausfindig gemacht und ausgesprochen hatte! Hier würde es nun besser sein, ihn lediglich in die richtige Richtung zu lenken, damit er später davon ausging, alles sei seine Idee gewesen. Wenn auch Epicharis natürlich nicht ganz unschuldig sein würde, was das Streben in den Senat anbelangte. Doch die Claudia hatte ein ruhiges Händchen für solcherlei Dinge. Es würde seine Zeit dauern und vielleicht auch nicht einfach werden, doch sie konnte Aristides schon förmlich im Senat stehen sehen...


    ..."Und so sage ich euch, geschätzte Senatoren, dass wir die Grenzen im Norden besser sichern müssen! Dazu müssen die Legion Soundsoviel und die Hilfstruppen aus Irgendwoher dorthin marschieren! Oder will mir jemand widersprechen?" Ehrfürchtiges Gemurmel durchdringt die heiligen Hallen des Senats, als Aristides den Arm wieder sinken lässt und sich umschaut. Gracchus presst voller Stolz die Lippen aufeinander, wischt sich etwas aus dem Auge und schnellt schließlich applaudierend empor. In Kürze steht der ganze Senat und donnernder Applaus umgibt Aristides, den...Senator...Aedil...nein....Consul!....


    Epicharis blinzelte verzückt. Sie konnte sich das nur allzu gut vorstellen, und sie würde seine Gemahlin sein!
    "Ach, sag so etwas nicht. Es waren so viele Zeugen dabei, die gesehen haben, dass es ein parthischer Pfeil war, Liebster. Keiner wird euch für den Tod des Kaisers verantwortlich machen, und wenn es doch einer tut, so schickt ihn zu mir", wies Epicharis Aristides zurecht und nickte abschließend. Ein wenig irritiert ob der Worte die Politik betreffend, folgte sie ihm auf die Wiese und setzte sich dicht neben ihn hin, als er endlich saß, was mit den Krücken nun einmal kein leichtes Unterfangen war. Sie klappte den Mund auf, um etwas zu entgegnen, schloss ihn jedoch wieder, als er davon Sprach, Soldat zu bleiben. Mit einem Mal wallten all die Gedanken und Empfindungen wieder hoch, die sie heimgesucht hatten, während er im Krieg gewesen war. Sie musste sich sehr zusammenreißen, um nicht sofort wild den Kopf zu schütteln. "Es...wäre mir lieber, wenn ich mich nicht stetig um dich sorgen müsste", erwiderte sie schließlich vorsichtig und sah ihn dabei leicht zerknirscht an. "Aber Baiae klingt gut." Ob er damit meinte, dass er noch vor der Hochzeit dorthin reisen wollte? Mit dem Bein? Skeptisch beäugte sie das Knie.

    Zufrieden verfolgte Epicharis, wie Gracchus dem Stein den ihm bestimmten Platz zuwies. Gespannt verfolgte sie, wie seine Stäbe fielen, sich drehten und schließlich verkündeten, dass Gracchus ein Feld nach vorn ziehen mochte. Das Fallenlassen der Stäbchen schien ihn nicht zu sehr anzustrengen, und da sie an der Reihe war, warf sie die Stäbchen und zog einen zweiten Stein hinzu. Das Schweigen war ihr ein wenig ein Dorn im Auge, sie hatte beständig das Gefühl, sie würde Gracchus langweilen wo er vielleicht doch so viel lieber allein mit sich und den wärmenden Strahlen der Sonne sein würde. Ob dieser Gedanken nagte sie ein wenig auf ihrer Unterlippe und verfolgte Gracchus nächsten Wurf eher am Rande, zumindest, bis seine Stäbchen ebenfalls eine Zwei zeigten und er in jedem Falle einen seiner Steine auf ein von ihr besetztes Feld würde ziehen müssen. In gespielter Fassungslosigkeit verfolgte sie die beiläufige Geste, mit der er eine ihrer Bastetfigürchen vom Spielfeld kippte. Ohnehin fiel es ihr jetzt schon schwer, das Kichern zu unterdrücken, doch als Gracchus sich schließlich entschuldigte, wich Epicharis' ohnehin nur aufgesetzte Miene schlagartig einem erheiterten Grinsen.


    Sie nahm die kleine Bastet mit spitzen Fingern auf und setzte sie zurück ans Ende des Bretts, dann wandte sie sich Gracchus mit ernster Miene zu und sprach: "Mein lieber Gracchus, mir scheint, du hast noch niemals die Rache einer Claudia erfahren." Und das Funkeln in ihren Augen strafte ihre Worte Lügen. Energisch griff sie nach den Stäbchen, ließ sie fallen und blickte auf das Ergebnis hinab - eine Eins. Augenblicklich sah sie zu Gracchus' erster Spielfigur hin, die direkt auf dem Feld nach dem Start stand. Die Verlockung war groß, einen weiteren ihrer Steine einzubringen und Gracchus damit von seinem Feld zu verdrängen, doch Epicharis hielt an sich - Gracchus war schließlich krank - und zog stattdessen den einen Stein von Feld drei auf Feld vier. Sie reichte Gracchus erneut die Stäbchen, berührte dabei seine Finger und lehnte sich mit einem Schmunzeln und den Blick unverwandt auf ihn gerichtet zurück. Fortuna war Gracchus schließlich hold, denn die Seiten der Stäbchen bei seinem nächsten Wurf waren allesamt schwarz, was ihm vorerst die Führung eintrug. Epicharis verfolgte das Geschehen auf dem Spielbrett mit einem gönnerhaften Lächeln, was ein wenig schwand, als sich ihr im darauffolgenden Zug vier weiße Seiten präsentierten und sie damit aussetzen musste. "Spielst du gern?" fragte sie ihn. "Aber pass auf, wenn dir das Sprechen schwer fällt, brauchst du einfach nur zu nicken. Das macht mir nicht aus", fügte sie an, und nachdem sie Gracchus einen Herzschlag lang gemustert hatte, setzte sie noch etwas hinzu: "Wirklich nicht."

    Das kaum hörbare Dankeswort wische Epicharis kurzerhand mit einer entsprechend leichtfertigen Geste und einem Lächeln hinfort. "Nicht dafür", wies sie ihn zurecht und platzierte den schlichten und - hoffentlich - machtvollen Anhänger sogleich dort, wo er ihrer Meinung nach schleunigst hingehörte, nämlich auf Gracchus' Brust. Wenngleich sich Epicharis selbstredend nicht anmaßte, den Heilstein auf nackte Flavierhaut zu legen. Vielleicht hätte sie dies bei Aristides getan, aber nur ganz vielleicht. So musste hier ein entsprechender Hinweis genügen. "Er entfaltet seine Wirkung viel besser, wenn du ihn direkt auf der Haut trägst", riet sie ihm also. Den leicht durcheinander erscheinenden Ausdruck auf seinem Gesicht interpretierte sie als eine Spielart der Krankheit, nicht etwa als Verwirrung über die Geste der Freundschaft, die sie zu diesem Besuch gebracht hatte. Allerdings fragte sich die Claudierin kurzzeitig, wofür genau sich Gracchus bedankte - ob für den Heilstein oder für ihren Besuch? Im Grunde war es aber auch nicht wichtig, denn Epicharis hatte beides gern getan. Und tat es noch, auch wenn Gracchus an diesem Tage kein guter Gesprächspartner war.


    Sein Nicken allerdings, gepaart mit dem flüchtigen Leuchten seiner Augen, ieß auch Epicharis kurz vorfreudig erstrahlen. Kurz huschte der Blick zu Sciurus, der sich aufmachte, das Spiel herbeizuholen, dann musterte sie zum ersten Mal seit ihrem Eintreffen im Garten die vielen hübschen Rosen, welche die Luft mit ihrem Duft beinahe zum Vibrieren brachten. Schweigen breitete sich zwischen ihnen aus, oder eher bei Epicharis, und sie überlegte immernoch, was sie sagen könnte, um sowohl Gracchus ein wenig zu unterhalten als auch um das Schweigen nicht allzu lange vorherrschen zu lassen, als Gracchus' Sklave mit dem Spiel zurück kam. Kaum lag das Brett auf dem Tisch - der Sklave stellte soeben die Spielsteine auf -, beugte sich Epicharis mit glänzenden Augen vor und fuhr mit den Fingerspitzen die kostbaren Spielfelder entlang. Ihre Sammlerleidenschaft war entflammt. Das einzige Senetspiel, das sie besaß, war aus schlichtem Zedernholz gefertigt. Sie hatte es durch Zufall bei einem Trödler gefunden, an dem sie unter anderen Umständen ohne einen Blick vorbeigegangen wäre, doch das Spiel hatte ihr Interesse entfacht. Kostbarere Senetbretter war in Rom nur selten zu bekommen und oft vergriffen, wenn man nicht schnell genug war. Epicharis seufzte erfreut auf. "Wie wunderschön - ist das Perlmutt? Und was für ein schöner Kontrast zu dem dunkeln Holz!" begeisterte sie sich, ehe sie sich einen Spielstein vornahm, ihn zwischen Zeigefinger und Daumen drehte und genaustens beäugte. "Wie hübsch, schau doch nur", jauchzte sie entzückt und hielt Gracchus den Stein vor die Nase, ungeachtet der Tatsache, dass er dieses Set wohl zweifellos kennen musste.


    So begann sie also, setzte einen der Steine, die sie erwählt hatte - hübsch geschnitzte, kleine, sitzende Katzen - auf ein Startfeld und griff nach den Knochenstäbchen. In kindlichem Frohmut warf sie die zweiseitigen Stäbchen, erfreute sie sich an drei schwarzen Seiten und einer weißen und rückte drei Felder vor. "Du bist!" rief sie aus und drückte Gracchus die Stäbchen in die Hand. Nur noch sehr vage spukte der Zweifel in ihrem Kopf herum, dass diese Spielrunde eventuell zuviel für Gracchus sein konnte.

    Die Sorge hätte nicht deutlicher ersichtlich sein können, hätte sie in goldenen Lettern auf der claudischen Stirn geprangt. Epicharis bedachte Gracchus sowohl während seines zum Scheitern verurteilten Aufsetzens als auch während der hervorgewürgten Worte äußerst betroffen an. Sie konnte förmlich spüren, wie unwohl er sich fühlte, und wie sehr es ihm zu schaffen machen musste, dass er die Förmlichkeiten nicht wahren und sie eines Besuchers angemessen begrüßen konnte. Die ganze Situation erinnerte sie an ihren Aufenthalt in Hispania, als sie sich mehr als zwei lange Jahre um ihre Tante gekümmert hatte, bis diese letztendlich den Styx passiert hatte. Epicharis wusste, dass man eine solche Situation mit Mitleid nur noch schlimmer und unangenehmer für den Betroffenen machte, ganz gleich, ob man selbst sich einfach nur zurückziehen und in Mitleid ergießen wollte. Und dabei spielte es keine Rolle, ob derjenige nun im Sterben lag oder einfach nur krank war. So blieb die sorgenvolle Miene nur noch kurz bestehen, ehe ein wärmendes Lächeln die helle Haut Epicharis' überzog und sie Gracchus' Hand nochmals ein wenig drückte, ehe sie die Hand fort nahm.


    Der Schatten des Flaviers, Epicharis hatte seinen Namen zwischenzeitlich wieder vergessen, sorgte derweil dafür, dass sie einen bequemen Stuhl erhielt, und sie nickte ihm kurz dankbar zu, bevor sie sich erneut auf Gracchus konzentrierte. "Oh, mir geht es hervorragend", erwiderte sie und rückte sich den Stuhl ein wenig näher an die Kline heran, ehe sie Platz nahm. "Das gleiche wollte ich dich fragen, mein Lieber. Du hast dir einen herrlichen Tag ausgesucht, um die Sonne ein wenig zu genießen. Ich dachte mir, ich besuche dich einmal, dir muss schrecklich fade zumute sein. Ich habe dir auch etwas mitgebracht", sprudelte sie - scheinbar unbekümmert - weiter, während sie bereits das kleine Beutelchen hervorzog und an einem dünnen Silberkettchen etwas daraus hervorzog. Es handelte sich um einen flachen, rund geschliffenen Heliotrop von giftgrüner Farbe mit rostroten Einschlüssen, der in einer schlichten Einfassung an der Kette baumelte. "Das wird dir helfen, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Ganz gewiss", prophezeihte Epicharis äußerst zuversichtlich und nickte. "Ein Heliotrop. Diese Steine regen den Geist an und helfen dem Körper, sich einer Krankheit zu erwehren. Außerdem schützen sie vor bösen Geistern." Das zumindest hatte ihr der ägyptische Händler glaubhaft versichern können, ebenso wie er ihr berichtet hatte, dass dieser Stein erst vor wenigen Tagen eine Segnung an einem Schrein der Cardea erfahren hatte. Zur Sicherheit hatte Epicharis selbst noch einmal einen Schrein der Göttin der Gesundheit, Scharniere und Schwellen aufgesucht und mit ein paar frischen Blumen und Opferkeksen darum gebeten, den zukunftigen Träger dieses Anhängers recht bald genesen zu lassen. Und nun, da sie die einfache Schließe geöffnet hatte, hielt sie ihm Gracchus hin, damit sie ihm die Kette umlegen konnte. Eine Widerrede würde sie nicht dulden, das machte ihr Blick deutlich.


    "Wie geht es Antonia?" fragte sie wie nebensächlich und wunderte sich gleichermaßen, dass ihre Verwandte sich gar nicht so recht um den armen Gracchus zu kümmern schien. Irgendetwas war faul daran, das vermutete sie nun schon sehr lange, und sie ahnte, dass es an der Kinderlosigkeit Antonias liegen mochte. Verstohlen warf sie dem Sklaven einen Blick zu, ließ flüchtig ihre Sorge durchscheinen und runzelte betroffen die Stirn, als wolle sie ihn stumm fragen, ob es denn nichts gab, das sie darüberhinaus noch tun könne. Doch im nächsten Moment schon sah sie wieder Gracchus an, erneut augenscheinlich fröhlich und den schlechten Zustand gekonnt überspielend, in dem er sich befand. "Vielleicht kann ich dich zu einer Runde Senet herausfordern? Es ist schrecklich", klagte sie gekünstelt. "nie findet sich jemand, der den Mut hat, gegen mich zu spielen..."

    Bestürzt hatte Epicharis von einer mittelmäßigen Bekannten von dem Gerücht gehört, dass der flavische Pontifex derzeit an Schwäche und Krankheit litt. Zwar wusste sie nicht, was an der Sache dran war, doch gebot ihr das ihr eigene Wesen, sich selbst davon zu überzeugen, dass sie einer ersponnenen Mär anheim gefallen war. Zur Sicherheit allerdings ging sie von der Wahrheit dieses Gerüchtes aus, und dies war auch der Grund, warum die sie begleitende Sklavin ein kleines Beutelchen mit sich führte, als Epicharis an diesem sommerlich warmen Tag die Villa der Flavier aufsuchte, um ein Treffen mit Gracchus zu erbitten.


    Bereits an der Porta hatte man ihr mitgeteilt, dass sie sich einen Moment gedulden möge, damit man den tatsächlich nicht wohlbefindlichen Flavier hierzu befragen - oder sich zumindest davon überzeugen, dass er besuchsfähig war - konnte, und Epicharis wartete mit besorgter Stirnfalte im Atrium neben dem Wasserbassin mit seinen beinahe zur Gänze entfalteten Seerosen. Die Wartezeit erschien ihr wie eine Ewigkeit, in der sie hoffte, dass es nur eine leichte Verstimmung sein mochte, die Gracchus befallen hatte. Dann, endlich, kehrte der Sklave zurück und bat sie, ihm zu folgen. Die Claudierin nahm das Beutelchen an sich, das bisher die Sklavin gehütet hatte, und ließ selbige im Atrium wartend zurück. Leichtfüßig betrat sie den Garten, und ebenso, wie ihr die üppige Blütenpracht ins Auge stach, so fiel ihr sogleich auch die Blässe des Körpers auf, dem sie sich näherte. Der Sklave trat beiseite und verließ sie sodann, und Epicharis schritt näher und ließ sich neben der Liege in die Hocke sinken. "Gracchus?" hauchte sie leise, und Sorge schwang in ihrer Stimme mit. Sie zögerte kurz, doch dann legte sie ihre Hand behutsam auf die seine und drückte sie flüchtig, ehe sie sie wieder los ließ.

    Verstohlen betrachtete Epicharis ihren Verlobten dabei, wie er mühsam aus der Sänfte stieg. Seine Verletzung am Bein musste ihm doch mehr zu schaffen machen, als er ihr glauben machen wollte. Sie beschloss, darauf zu achten, dass er sich nicht überanstrengte. Als er an ihrer Seite entlang humpelte, gelang es ihr nicht, ganz teilnahmslos ob dessen zu bleiben. Vielmehr warf sie ihm einen besorgten Seitenblick zu, sah jedoch schnell fort, als er sich ihr seinerseits zuwandte. Ihr Blick glitt über eine besonders hübsche Statue der Venus, welche inmitten eines wunderschönen Gebüsches duftender und von einer Vielzahl an Bienen umschwirrter Blütenkelche stand.


    Als Aristides stehen blieb, bemerkte Epicharis zuerst nicht, dass er zurück blieb. Einige wenige Schritte war sie ihn daher voraus, als sie ebenfalls stehen blieb und sich überrascht zu ihm umwandte. Er war nicht ganz klar, was er mit seinem Ähm meinte. Irritiert sah sie ihn an. Er hatte sich doch nicht anders entschieden? Ein unangenehmes Kribbeln breitete sich in Epicharis’ Magengegend aus und ließ sich nicht vertreiben. Als er dann noch zugab, nicht genau zu wissen, wie es weitergehen sollte mit ihnen beiden, war Epicharis, als hätte man ihr einen Schwall kalten Wassers in den Ausschnitt gegossen. Es musste ein Missverständnis vorliegen, ganz klar, anders konnte es gar nicht sein. Und siehe da, schon bei Aristides’ nächstem Satz stellte sich alles anders dar: er hatte sie – wieder einmal – missverstanden. Epicharis konnte nicht umhin, erleichtert aufzuatmen. Dann setzte sie sich in Bewegung und kehrte an Aristides’ Seite zurück. Sie beschloss, das Thema Hochzeit ein wenig nach hinten zu verlagern, und stattdessen erst einmal auf Aristides’ Themenwechsel einzugehen. Immerhin sprach er da eine Sache an, über die sie ohnehin noch mit ihm hatte reden wollen. Seine rastlose Miene überspielte sie mit einem aufmunternden Lächeln und sein Geständnis mit einem Kopfschütteln. „Meinst du wirklich? Also, wenn du mich fragst – ich kann es mir sehr gut vorstellen, einen Senator zum Ehemann zu haben. Und du würdest ja nicht der einzige Flavier sein, der im Senat sitzt. Dein Bruder und Gracchus werden dich sicherlich unterstützen, meinst du nicht auch? Und natürlich ich selbst – vorausgesetzt, du willst mich noch?“ erwiderte Epicharis und zwinkerte in ihrem Verlobten nach dem letzten Satz neckisch zu. “Denn eigentlich meinte ich genau das damit, die Hochzeit. Aber ich kann natürlich auch verstehen, dass die Karrierefrage eine wichtige ist. Bedeutet das, dass du nun nach Rom kommen wirst? Das geht doch gewiss, jetzt, wo du ein Kriegsheld bist! Sie sollten dich mit einer Ehrung und einem großen Fest aus dem Dienst entlassen, damit du gleich in der kommenden Amtszeit kandidieren kannst“, begeisterte sich Epicharis für ihre Idee. Nur warum wirkte Aristides nicht ebenso euphorisch? Epicharis hob die Hand und legte sie an Aristides’ Wange. Mit einem liebevollen Lächeln sah sie ihn an. “Ach Marcus, du musst einfach nur an dich glauben. Und überlegt nur, wie stolz deine Mutter wäre, wenn du sie in der Senatorentoga besuchst!“