Beiträge von Flavia Epicharis

    Es kam Epicharis nicht in den Sinn, dass Gracchus ihr Verhalten missdeuten könnte. Und dennoch: Hatte sie sich nicht in etwas hineingesteigert? War es nicht vielmehr so, dass sie wegen der politischen Beziehungen einen Flavier hatte heirten dürfen, ja gar sollen? War es nicht nur Höflichkeit gewesen, die ihn dazu getrieben hatte, derart freundlich und zärtlich zu ihr zu sein? Hatte er nicht nur versucht, damit die Anfeindungen von Teilen seiner Familie zu kompensieren? Epicharis schniefte herzerweichend. Nein, das konnte sie nicht glauben, sie hatte doch seine Augen gesehen...oder war alles nur eingebildeter Lug und Trug?


    Die Acta fiel zu Boden, verursachte ein leises schmirgelndes Geräusch, überdeckt vom Rascheln der Kleidung des Flaviers. Unwillkürlich und gequält seufzte sie auf, als seine Arme sie umfingen, und dankbar bettete sie ihren Kopf an der Brust, hob die Hände und suchte sich einen unverfänglichen Platz an Gracchus' Kleidung. Mit geschlossenen Augen weinte sie vor sich hin, erzitterte unter Schluchzern und wunderte sich in schier kindlicher Manier darüber, dass die tröstliche Umarmung eines eigentlich fremden Mannes so gut tun und beruhigen konnte.


    Epicharis' Geist indes schwankte zwischen der vermeintlichen Selbstlüge der alleinigen Höflichkeit seinerseits ihr gegenüber, die einfacher zu ertragen gewesen wäre als die gegenwärtige Situation, und der Erkenntnis, dass mit Aristides auch seine Gefühle gestorben waren, die nicht trügerisch, sondern ernst und ehrenhaft waren. Aber wollte sie sich selbst belügen? Diese Fragen waren müßig, denn sie konnte ohnehin nicht logisch feststellen, was nun seinerseits der Fall gewesen war - der Fall war! Aristides musste noch leben, er musste einfach... Und mit diesem Gedankengang hatte die junge Claudierin sich dafür entschieden, vermeintlich Feststehendes nicht einfach hinzunehmen, sondern gleichsam nachzuforschen und all ihre Energie für die Wahrheitsfindung aufzubieten. Dennoch versiegten die Tränen nicht, wenngleich auch die Schluchzer allmählich verebbten uns sie sich nur noch still weinend an die Schulter Gracchus' schmiegte.


    Seine Worte beseitigten vorerst die Schürhaken der Angst und der Pein, sodass deren Glut abnehmend vor sich hin glomm, wenngleich sie auch so schnell nicht zur Ruhe kommen würde. Der Duft Gracchus' füllte nun alleinig ihr Denken aus, sie nahm die Beschaffenheit seiner Kleidung wahr, horchte seinem Atem und wurde immer noch ruhiger, bis die letzte Träne schließlich gerollt war. Epicharis war sich der seltsamen Situation durchaus bewusst - was mochte Antonia sagen, wenn sie ihren Gatten und ihre Verwandte so innig beieinanderstehen sah? Unvermittelt herzte Epicharis Gracchus, ehe sie sich sanft von ihm löste, lieb zu ihm aufsah und mit vollem Ernst und verweinten Augen sagte: "Nicht viele beweisen Größe im Angesicht solcher Gräuel. Wir kennen uns nicht, aber ich werde stets für dich da sein, so wie du für mich da warst." Stumm musterte sie die Gesichtszüge des Flaviers und konnte mit einem Mal gar nicht mehr verstehen, warum Antonia solche Aversionen ihm gegenüber hegte. "Wir müssen etwas unternehmen", fuhr sie dann noch leicht zittrig fort, legte einen Zeigefinger an die Lippen, wandte sich nach rechts und ging drei Schritte in die eine Richtung, ehe sie umkehrte und wieder zu Gracchus ging. Untätigkeit führte in diesem Fall um jeden Preis zum Verdruss, also würde sie die Sache anders anpacken müssen, wollte sie nicht vor Gram vergehen. "Wir müssen Nachforschungen anstellen. Ich kenne den Praefectus Castrorum. Wenn jemand etwas weiß, dann wird er es sein. Ich werde ihm gleich schreiben."

    Endlich verstand Gracchus. Epicharis war gleichsam froh wie furchterfüllt - würde ein Schmerz ihn unbedacht handeln lassen? Würde sie die Villa verlassen und ihn allein lassen müssen? Aber dann wäre sie auch allein mit ihrem Gram. Wortlos verfolgte Epicharis, wie sich Gracchus nicht einmal unähnlich ihr selbst verhielt. Diese Nachricht traf auch ihn wie ein Faustschlag ins Gesicht. Wären noch letzte Zweifel über die Aufrichtigkeit Gracchus' in ihr gewesen, dieses Verhalten hätten sie entgültig zerstreut. Doch da war nichts, nichts, bis auf den Schmerz, und irgendwo tief in ihr war dieser Keim eines Hoffnungsschimmers, dass es nicht stimmte, was das Papier so vehement und dreist behauptete. Doch was sagte Gracchus da? Dass die Familie verflucht sei? Epicharis betrachtete ihn gequälten Ausdrucks, schwieg aber fortwährend und beharrlich.


    Es trennten sie nun wieder mehr Schritte voneinander, und Epicharis blieb wie angewurzelt stehen. Hatte sie das Recht, dem Beinaheverwandten Trost zuzusprechen? Hatte sie die Pflicht, optimistisch zu sein? Würde Aristides nicht darauf bestehen, dass sie unbeschwert fortlebte? All dies mochte sein, doch Epicharis sah sich ebenso außer Stande, tröstende Worde zu sprechen wie optimistisch zu sein oder auch nur fortzuleben. Beinahe alles, was sie sich erhofft hatte von den kommenden Jahren, war zunichte gemacht worden mit dieser vermaledeiten Ausgabe der Acta Diurna. Epicharis starrte das verhasste Stück Papier in den Händen des Flaviers an.


    Seine Worte drangen wie Peitschenhiebe durch die Betrübnis, und Epicharis riss den Blick vom Pergament und hob ihn an, um Gracchus in die Augen zu sehen. Der stille Vorwurf, den sie gefürchtet hatte, war unverkennbar daraus abzulesen. Epicharis' Hände fanden erneut zueinander, wie ein kleines Mädchen bei einer Rüge stand sie nun an Ort und Stelle. "Sie kam heute Früh mit der Tagespost", murmelte sie. "Es muss nachgereicht worden sein...sonst hätte ich es vor der Verfielfältigung doch bemerkt", rechtfertigte sie sich grundlos und viel mehr vor sich selbst als vor dem Flavier. Immer leiser war sie geworden und schließlich verstummt. So musste sich ein Sklave fühlen, dachte sie bei sich, wenn sein Herr Grund zum Tadel hatte.


    Dennoch, etwas in ihr veranlasste sie, ernaut aufzuschauen, Gracchus anzusehen. Er wirkte so fahl, beinahe grau. Um Jahre gealtert innerhalb weniger Momente. Epicharis wusste nichts vom Tod seiner Base und den sonstigen, negativen Umständen innerhalb der Familie, ausgenommen Antonia, denn sonst hätte sie sich seinen vorherigen Ausspruch vielleicht erklären können. So aber sah sie einen Mann vor sich, der ebenso verwirrt und trauererfüllt war sie sie selbst, wenn nicht sogar noch mehr. Und war geteiltes Leid nicht halbes Leid? Die irrwitzige Frage brandete auf in ihr, was denn aus diesem weise klingenden Spruch wurde, wenn man doppeltes Leid teilte. Doch sie ließ den Gedanken einer stürzenden Träne gleich fallen und bewegte sich nun auf Gracchus zu, bis sie nur mehr einen Schritt entfernt von ihm stehen blieb und ihn zerknirscht ansah. "Bitte verzeih mir", hauchte sie, schlug die Augen demütig nieder und begann nun vollends, in Tränen auszubrechen. Hastig schlug sie eine Hand vor den Mund, doch das Schluchzen konnte sie dennoch nicht verbergen. Ihre Schultern zuckten verräterisch und das Schniefen an sich war auch nicht zu überhören. Die Lider fest und schmerzlich zusammengepresst, vergoss Epicharis Träne und Träne, und sie fühlte sich schlicht jämmerlich, wie sie dort vor Gracchus in dieser weiten, unpersönlichen Halle stand.

    Der Umstand, dass er - wie es ihr schien - einen kühlen Kopf bewahrte ob der schauerlichen Neuigkeiten, die sie brachte, war es schließlich, der Epicharis vorübergehend zumindest peripher beruhigte. Sie wurde sich nun auch der Tatsache bewusst, dass sie Gracchus berührte und er seine Hand auf die ihre gelegt hatte. Peinlich berührt und sich gelinde gesagt auch ein wenig schämend, entzog sie ihm vorsichtig die Hand und blinzelte angestrengt, den Blick gen Boden gerichtet. Von all seinen Befürchtungen und den damit verbundenen Ängsten bekam sie freilich kein Quentchen mit. Ihre Gedanken bewegten sich zudem in eine ganz andere Richtung, und an Antonia dachte sie nicht einmal.


    Das erste Unheil folgte auf dem Fuße: Er hatte keine nachricht von Marcus. Epicharis ließ enttäuscht die Hände sinken. Sicherlich hätte er, wenn schon nicht ihr, dann zumindest seiner Familie geschrieben, dass es ihm gut ging? Andererseits hätte man gewiss auch die Familie des Flaviers benachrichtigt, wenn er wirklich gefallen wäre. .....oder? Zerstreut hob Epicharis die Hand, welche noch immer die Acta Diurna umklammerte. Die gräuelbehaftete Seite war noch aufgeschlagen, das Blatt an einigen Stellen leicht aufgequollen und die Tinte punktuell verwässert. Obwohl sich Epicharis in diesem Moment wieder schämte für ihr zügelloses und undiszipliniertes auftreten und gleichsam für die deutlichen Tränenspuren auf dem Schriftstück, so reichte sie Gracchus dennoch die wortlos Acta, faltete die Hände betrübt vor dem Schoß und senkte scmerzlichen Ausdrucks die Augen. "Ich hatte gehofft.... Er...er kann doch unmöglich gefallen sein..nicht wahr, Gracchus? Es geht ihm doch gut... Das ist ein Fehler, es muss einer sein.. Ich.." hauchte Epicharis schließlich nur noch und konnte nicht vermeiden, dass ihre Augen sich zum wiederholten Male an diesem Tage mit Tränen füllten, welche sich bald darauf lösten und glitzernde Spuren über ihre aschfahlen Wangen zogen. Mit bebenden Lippen wartete sie, bis Gracchus die Acta sinken lassen würde. Hoffentlich, so schoss es ihr durch den Kopf, schickte er sie, die Hiobsbotschaftenüberbringerin, nicht einfach so fort.

    Die Nacht war ohne Schlaf zu Ende gegangen für Epicharis. Obgleich sie in ein weißes Nachtgewand mit dünnen Trägern gekleidet in ihrem Bett gelegen hatte, war an etwas wie Ruhe nicht zu denken gewesen. Zu unstet waren die Gedanken, zu belastend, zu scheußlich. Dennoch forderte die Mattigkeit ihren Tribut. Epicharis hatte sich jetzt, am Vormittag, auf einer sonnigen Liege niedergelassen, im verwunscheneren Eckchen des Gartens. Sie war in einen leichten Schlaf gefallen, doch statt zu erquicken, ermattete er sie noch mehr.


    Blut. Überall ist Blut, auch an ihren Händen. Sie sieht sich um, sieht all die sterbenden Männer, doch keiner hat ein Gesicht. Die schattenhaften Teufel gleiten durch sie hindurch, lähmen und töten sie. Sie kann nicht fort, steht allein mitten auf dem Schlachtfeld. Und dieses grausige Zischen! Sind es Pfeile oder diese schwarzen Teufel? Sehen so die Parther aus? Man erkennt sie kaum. Nur ein einziger Mann hat ein Gesicht. Es ist Aristides, der am anderen Ende des Feldes auf seinem Pferd sitzt und versucht, sie zu erreichen. Epicharis will schreien: "Bleib da, sorge dich nicht um mich! Pass auf dich auf!" Doch kein Laut verlässt ihre Lippen, so laut sie auch schreit. Aristides rückt näher, sein Gladius erhoben. Er vertreibt viele Schattengestalten, sehr viele. Aber die, die ihm in den Rücken fallen, die bemerkt er nicht. Epicharis will ihn warnen, doch ihre Worte verhallen ungehört. Ein Schatten reißt das Pferd zu Boden, der nächste begräbt ihren Geliebten unter sich. Epicharis will zu ihm eilen, doch sie läuft auf der Stelle. Weinend jammert sie, fleht die Schatten an, ihn zu verschonen. Doch dann gleitet einer von ihnen durch seinen Körper, und das Lebenslicht des Flaviers erlischt...


    Epicharis schreckte hoch. Keuchend und schweißnass griff sie sich ans Herz und sah sich um. Das erste, was sie erkannte, war dass sie sich im claudischen Garten befand. Callista ist nicht weit entfernt. Zitternd und weiß wie Kalk barg Epicharis ihr Gesicht in den Händen und begann zu schluchzen. "Es ist meine Schuld...meine ganz allein...Wäre ich doch nur...hätte ich nicht..."

    Sim-Off:

    Na klar =)


    Es fiel Epicharis nicht einmal auf, dass jemand oder etwas plötzlich einen Schatten auf sie warf. Ihre Gedanken kreisten nur um die Begegnung im Tiergarten, um die Frage, die Aristides ihr gestellt hatte. Sie dachte an den letzten Abend im Castellum, an die lieben Worte und das Leuchten in seinen Augen. Ihr erschien es erst gestern gewesen zu sein, da sie ihn verabschiedet hatte in Ravenna, als er sie um ihre Palla bat und sie ihm das Säcklein mit dem Schutzamulett geschenkt hatte. Und nun sollte er gefallen sein? Etwas in ihr weigerte sich standhaft daran, das zu glauben. Ein Flavier sprang nicht einfach dem Tod ins Gesicht, noch dazu, wenn der Tod so sinnlos war. Nicht einmal die Schlacht war entschieden! Und eine Heldentat hätte doch um so vieles besser zu Aristides gepasst als... Aber nein, sie durfte nicht einmal daran denken. Irgendwem war irgendein gravierender Fehler unterlaufen, und dieser Fehler hatte dazu geführt, dass sein Name auf dieser verfluchten Liste stand....es musste einfach so sein!


    In die stummen Tränen, das verhaltene Rucken der claudischen Schultern und die betrüblichen Gedanken hinein fragte sie jemand etwas. Epicharis erschrak und sah hastig auf. Es war eine der Sklaven, die Ofella aus Baiae mitgebracht hatte. War ihr Name nicht Linda? Epicharis senkte erneut den Blick. Konnte diese Sklavin ihr helfen? "Es ist...ein Fehler", brachte sie hervor. "Das ist falsch, es stimmt nicht. Das kann nicht stimmen!" japste sie atemlos, unterbrochen von Schluchzern.

    Kaum erklangen Schritte, welche bisher nicht zu hören gewesen waren, wandte sich Epicharis um und sah demjenigen entgegen, welcher sie verursachte. Es war Gracchus, und er erschien ihr in diesem Moment der einzige zu sein, der ihr weiterhelfen konnte und ganz bestimmt auch würde. Wieder verhielt sie sich eine Spur zu unangemessen, so sehr belastete sie das vermeintliche Wissen um ihren Verlobten: Kaum hatte ihr Auge die Silhouette des Flaviers erfasst, eilte sie ihm auch schon entgegen. Seine Irritation bemerkte sie nicht einmal, und den lieben Worten einer herzlichen Begrüßung schenkte sie keinerlei Aufmerksamkeit. Gracchus hatte eben erst seine Frage vollends stellen können, da blieb Epicharis vor ihm stehen, umklammerte die Acta aufs Neue und hauchte ohne die Umschweife über eine Begrüßung: "Oh, etwas Schreckliches, ganz und gar Furchtbares ist geschehen! Ich mag es nicht wahrhaben, ich kann nicht daran denken, Gracchus! Sag", fuhr sie ohne Umschweife fort und legte ihre Hand geschwind auf seinen Unterarm. "Sag, bitte, hast du die Acta gelesen? Hast du eine Nachricht von Marcus, du musst doch eine haben!" Als wäre ihr Verhalten nicht schon Grund genug, einige Schritte zurückzuweichen, rüttelte Epicharis nun auch noch ziemlich contenanceverloren am Arm des Flaviers, gleichsam beinahe flehentlich zu ihm aufsehend.

    Heute hatte Epicharis keinen Sinn für das Schöne. Vorbei an wächsernen Ahnenmasken, hinter denen selbst am Tage Öllampen brannten, ging sie, an Büsten und kleinen Statuen aus weißem Marmor, an prächtigen Wandteppichen und frischen Blumen in edlen Vasen. Doch heute sah Epicharis weder Schönheit noch Punk, weder Sauberkeit noch das anheimelnde Ambiente der passenden Formen und Farben. Auch den Blick der jungen Sklavin spürte sie nicht, viel zu sehr war sie noch mit sich selbst beschäftigt und dem, was gleich geschehen würde. Wusste man denn hier im Hause bereits von der grauenhaften Nachricht? Las man regelmäßig die Acta? Da sie aber heute früh erst herausgekommen war, mochte es unwahrscheinlich sein, dass dieser schreckliche Artikel hier bereits bekannt war.


    Abwesend schüttelte die Claudierin den Kopf, als man ihr einen Platz anbot. Der Bewegungsdrang in ihrem zwarten Körper schien ihr unbezwingbar, und wenn sie sich nun setzen würde, so nur aus dem Grund, sogleich wieder aufzuspringen. Das Wasser hingegen nahm sie dankbar an und trank einen tiefen Schluck. Der Becher fand dann jedoch abermals den Weg auf das niedrige Tischlein, und dann ging Epicharis unsittlich, aber von einem inneren Drang getrieben, unruhig auf und ab, die halbzerknitterte Acta in den Händen.

    Sie selbst hätte ihr Verhalten wohl als unfein und höchst unangemessen befunden, wäre sie nicht in jenem Moment ohnehin der Verwirrung anheim gefallen. Nicht nur, den Weg ohne eine kleine Eskorte zu unternehmen, noch dazu zu Fuß, sondern auch das Stammeln der Worte und das ungewöhnliche Verhalten gegenüber des Türsklaven wären ihr Kritikpunkt gewesen. So aber, in dieser Situation, war Epicharis einfach nur froh, dass der Ianitor ihr die Tür öffnete und sie einließ. "Danke", hauchte sie daher, und tatsächlich war dieses eine Wort so voller Dankbarkeit, wie es mehr nicht vermocht hätten. Rasch folgte Epicharis dem Mädchen ins Atrium des Hauses.

    Den großen Sklaven, welcher der Türöffner der Flavier war, kannte Epicharis bereits. Doch heute vermochte sie selbst sein seltenes Lächeln nicht freudiger zu stimmen. Mühselig rang sie sich einige verstörte Worte ab, und es musste auf den Ianitor wohl tatsächlich so wirken, als sei sie Opfer eines Überfalls geworden. "Ich... Ist... Ich möchte....bitte, ich möchte einfach nur einen Flavier sprechen...irgendwen, es ist ganz unerheblich, wer es ist", bat sie und blickte zu dem Sklaven auf, als sei er ihr letzter Strohhalm. Sie machte sogar noch einen kleinen Schritt auf den breitschultrigen Ianitor zu, fuhr sich mit den Fingerspitzen übers Gesicht und schluckte. Wer wohl Zeit für sie haben würde? Leontia, Gracchus, Aquilius - oder gar jemand, den sie nicht einmal kannte? Epicharis war sich der möglichen Antipathie durchaus bewusst, die ihr hier entgegenschlagen konnte. Antonia kam ihr in den Sinn. Und auch Arrecinas wie Serenus' Weigerung, sie als Verlobte des Vaters anzuerkennen. "Bitte, es ist sehr dringend", setzte sie nach und zerknitterte erneut die Acta.

    Ganz allein hatte sich Epicharis aufgemacht, nicht einen einzigen Sklaven hatte sie dabei. Nicht etwa, weil sie lebensmüde war, sondern schlicht und ergreifend deshalb, weil sie augenblicklich losmarschiert war. Die Acta hielt sie noch in der Hand, es war eine impulsive Reaktion gewesen, hierher zu kommen. Sie realisierte erst, dass sie das Haus der Flavier ansteuerte, als sie bereits auf dem Weg war. Weiß waren die Knöchel der Hand, welche die Zeitung hielten. Energisch war ihr Pochen an der Tür, als sie davor stand und mit sich haderte. Die Familie von Aristides war, abgesehen von Leontia, Aquilius und Gracchus, nicht besonders erfreut über Aristides' Entsheidung gewesen, sich mit Epicharis zu verloben, soweit sie das richtig gedeutet hatte.


    Mit wild klopfendem Herzen, der Acta in der Hand und kalkweißem Gesicht harrte sie des Ianitors, der ich hoffentlich bald Einlass gewähren würde. Was sie sagen und wen sie überhaupt sprechen wollte, wusste sie nicht einmal. Aber was Epicharis sich wünschte war, dass jemand ihr glaubhaft versicherte, Aristides sei noch am Leben.

    Wie an jedem Tag, an dem die neueste Augabe der Acta Diurna erschien, bekam Epicharis ihre freie Ausgabe direkt nach Hause geliefert. In den meisten Fällen kannte sie ohnehin schon alle Texte in- und auswendig, da sie sie bereits im Voraus korrekturgelesen hatte, doch dann und wann hielt es die Auctrix für nötig, einen Artikel auf den letzten Drücker hinzuzufügen. Und die las Epicharis dann meistens nicht noch einmal, ehe viele fleißige Sklavenhände sich daran machten, Abschriften anzufertigen.


    Einen rotbäckigen Apfel in der einen, die Acta in der anderen Hand, spazierte die junge Claudierin nun gemächlich durch den Säulengang und las die Artikel von Interesse nochmals durch, dieses Mal aber wie ein wirklicher Leser und ohne das Augenmerk auf eventuelle Fehler zu richten. Zuerst studierte sie die Umfrageergebnisse, nickte ab und an und blätterte schließlich um. Auf Seite zwei gab es das Neueste aus der Politik, ebenfalls ein geheimer Interessenbereich Epicharis'. Die dritte Seite enthielt einen Brief aus Parthien - doch was war das? Epicharis hielt inne im Kauen und hob das Pergament näher an ihr Gesicht. Diese Liste war wohl kurz vor Redaktionsschluss hinzugekommen, sie kannte sie nämlich nicht. Als sie las, dass es sich um eine Liste von im Krieg Gefallenen handelte, wurden ihre Finger kalt.


    Ursanius, Volteius, Hostius... Niemand, den sie kannte. Doch dann fiel ihr Blick auf den Namen. Flavius. Eine kalte Hand schien sich eisern um ihr Herz zu schließen, langsam und erbarmungslos zuzudrücken. Aristides. Centurio der zweiten Cohorte. Der Apfel entglitt den schlanken, nun zitternden Fingern, hüpfte einige Male über die Steinplatten und kollerte unter einen nahen Busch. Wie versteinert starrte Epicharis auf den Namen ihres Verlobten. "Nein..." Sie suchte die Überschrift. Die Totenliste für die Legio Prima Traiana Pia Fidelis. ...so opfert doch leider auch so manch ein wackerer Soldaten des römischen Volkes und unseres geliebten Kaisers sein Leben in diesem Kampf.. stand da. Epicharis verschluckte sich an dem Stück Apfel, welches sie noch immer im Mund hatte. Hustend traten ihr die ersten Tränen in die Augen, sie tapste ungelenk zur Wand und lehnte sich mit dem Rücken dagegen. Mit aufgerissenen Augen starrte sie das Pergament in ihren Händen an. Hatte man sie diesen Artikel mit voller Absicht nicht lesen lassen? Da musste ein Irrtum vorliegen, Arisitdes konnte nicht tot sein. Er hatte doch versprochen, auf sich aufzupassen, wieder zurückzukommen...


    Salzige Tropfen benetzten die Acta, als Epicharis langsam an der Wand hinabglitt und stumm weinte. Fassungslos und verwirrt starrte sie den Papyrus an. Das war falsch, es musste ein Fehler vorliegen, das war so nicht richtig, sicher war jemand in der zeile verrutscht und dort sollte eigentlich ein anderer Name stehen. Was war nur passiert? Krampfhaft klammerte sich Epicharis an der Acta fest, als sie sie ein Rettungsboot im Sturm. Ganz allein weinte sie, stumm und unendlich durcheinander. Sie hatte es gewusst, hatte es befürchtet, hatte ihm doch ausreden wollen, dass er mit in dieses feindselige Land zog. Leere erfasste Epicharis' Herz und Kühle erfüllte ihren Körper, obwohl es doch warm war hier. Sie wünschte sich Deandra herbei, jemanden, der sie in den Arm nahm und ihr half, der Sache auf den Grund zu gehen. Den Fehler zu suchen, der sich eingeschlichen hatte. Denn ganz gleich, was dort geschrieben stand, sie fühlte tief in ihrem Inneren ein schwaches Leuchten. Konnte dieses Gefühl denn etwas anderes bedeuten, als dass Arisitdes noch am Leben war?

    Direkt vom Zimmer des Rectors begab sich Epicharis zum Büro der Scriba Logei, das sich nicht weit entfernt von dem des Rectors befand. Sie klopfte und trat ein - die Tür war ohnehin nur angelehnt. Es schien niemand da zu sein, und so trat Epicharis wieder hinaus und sah sich auf dem Gang um, welcher vor dem Büto lag. Vielleicht hatte sie Glück und die Scriba kam gleich um eine der Ecken, vielleicht war sie aber auch in der Bibliothek. :)

    Zitat

    Original von Marcus Aelius Callidus



    Epicharis nickte dankend. "Das ist prima. Am besten werde ich mich gleich im Anschluss dort umsehen", erwiderte sie und machte sodann Anstalten, sich wieder zu erheben. "Aelius Callidus, ich möchte deine Zeit nicht zu sehr in Anspruch nehmen. Hab Dank für deine kompetente und freundliche Hilfe. Vielleicht begegnen wir uns außerhalb der Schola wieder, ich würde mich freuen." Ihre Worte unterstrich sie mit einem Lächeln, und dann erhob sie sich vollends und verließ nach einem "Vale, Rector." dessen Officium, um sich in der Bibliothek Lesestoff zu besorgen.



    Sim-Off:

    Danke schön! =)

    Kassandras erstes Urteil viel lobend aus, und da Epicharis im Laufe der Zeit gelernt hatte, dass die Griechin ihr gegenüber stets sagte, was sie wirklich dachte, erwiderte sie ein Lächeln auf das Lob hin. "Antiocheia klingt wundervoll, so wie Marcus es beschreibt. Die vielen verschiedenen Menschen, die fremdländischen Gepflogenheiten, die kulturellen Stätten... Aber im Grunde wird es gewiss überall interessant sein, wo Marcus ist. Er ist eben ein interessanter Mensch, und es gibt noch viel zu ergründen."


    Epicharis horchte auf, als Kassandra einen grübelnden Laut von sich gab. "Hm?" fragte sie und sah auf den Brief. Hatte sie gar etwas falsch geschrieben oder war etwas misszuverstehen? Dem Vorschlag konnte sie indes nur beipflichten. "Ja, das wäre wirklich wunderbar, Kassandra. Den Weg kennst du ja inzwischen, und das Prozedere ebenfalls: Der Betrag geht wieder von der Wertkarte ab. Ein Versand als Normalbrief wird ausreichen, denke ich."

    Epicharis bedachte Kassandra mit einem rügenden Blick. Wenn die Sklavin ihr doch nur vorher Bescheid gesagt hätte, so hätte es doch noch Möglichkeiten gegeben, Deandra aufzuhalten! So aber war die einzige Hoffnung, die sie hatten, Deadnras Verlobter, Aurelius Corvinus, und ob jener zu dieser Tageszeit zugegen war, würde ebenfalls ein Glücksspiel darstellen. Immerhin war er Magistrat der Stadt Rom und hatte gewiss viel zu tun. Epicharis las den Brief nochmals und bedachte dabei, dass Deandra in einer Kutsche fortgereist war. Wenn - falls - der Fahrer der Kutsche zurückkam, würde sie ihn befragen. Eventuell konnte man Deandra auch noch einholen, denn wenn sie sich tatsächlich mit einer Sänfte gen Stadtrand hatte bringen lassen, um dort in eine Kutsche umzusteigen (immerhin durften innerhalb Roms Reisewägen nur mit Genehmigung fahren und reiten durfte man innerhalb der Stadt gar nicht), war sie vielleicht noch nicht weit gekommen. "Wann genau ist sie fort gegangen?" wollte Epicharis wissen. "Und sie hat Minna und Fiona mitgenommen? Oh je. Mein Vater wird entweder krank vor Sorge sein oder zornig. Am besten werde ich ihn gleich aufsuchen. Und du eilst geschwind zur Villa Aurelia. Ich vertraue darauf, dass du die richtigen Worte finden wirst, Kassandra. Eile dich!" erteilte Epicharis Anweisung und eilte dann selbst zu Menecrates, um ihn von Deandras Flucht zu unterrichten. Eine Ahnung, wo Deandra hingeflohen sein konnte, hatte sie nicht.

    Zitat

    Original von Marcus Flavius Aristides
    Aus äußerlichem Anlaß muß ich mich leider für -maximal- zwei, aber -minimal- eine Woche ganz und gar abmelden. Mir wird es leider nicht möglich sein, noch die offenen Threads in der Zeit weiter mit Beiträgen zu versorgen, noch in nächster Zeit in das Forum zu schauen.


    :wink:
    Bis bald, mein Held, ein Brief ist unterwegs. :)

    Epicharis fiel kein Stein vom Herzen, nein, es war ein ganzer Felsbrocken, der da purzelte. Sie presste den Protreptikos fest an ihr Herz und seufzte langgezogen und erleichtert auf, als Kassandra verneinte. Und kaum hatte sie erwähnt, dass es ein Schreiben ihrer Schwester war, lachte Epicharis und legte Kassandra in freundschaftlicher Geste die Hand auf den Unterarm. "Oh Kassandra, erschreck mich doch nicht so, herrjemine, mein Herz", kicherte sie losgelöst und nahm sodann den Brief entgegen. "Von meiner Schwester?" fragte sie und dachte dabei sogleich an Prisca, die im fernen Spanien auf sich allein gestellt war und nun scheinbar endlich etwas von sich hören ließ.


    Gespannt entrollte sie die Schriftrolle und las. Der Brief war wider Erwarten nicht von Prisca, sondern von Deandra, wie sie feststellen musste. Je weiter sie las, desto verwunderter wurde der Ausdruck auf ihrem Gesicht. Als sie den Brief zur Gänze gelesen hatte, sah sie Kassandra verwundert an, deren Worte ihr nun wieder ins Gedächtnis kamen. "Du wusstest, dass sie geht?" fragte sie Kassandra und wollte weiter wissen: "Ohje! Warum bist du nicht gleich zu mir gekommen?" So ganz wertfrei waren ihre Worte nicht, weswegen ein leiser Vorwurf herauszuhören war. Epicharis seufzte tief und überlegte. "Gar nicht gut ist das. Gar nicht gut... Wo mag sie nur hin sein? Am besten suchst du ihren Verlobten auf, Aurelius Corvinus. Die Villa Aurelia ist ja nicht weit von hier, da sollte es nicht allzu lange dauern, bis wir Klarheit haben, ob er weiß, wo sie hingefahren ist. Vielleicht ist sie sogar dort?" Epicharis sah Kassandra forschend an. "Hat sie denn etwas in dieser Art gesagt? Und wann ist sie überhaupt fort und wie ist sie fort?"

    Um dem Müßiggang ein Ende zu machen, hatte sich Epicharis auferlegt, die Lehren des Aristoteles zu lesen. Mit einer Abschrift der Protreptikos befand sie sich nun also tatsächlich auf dem Weg in den Garten, wo es ihr viel angenehmer vorkam als drinnen in ihrem stickigen Zimmer oder im Tablinium. Kaum hörte sie Kassandras Stimme, da wandte sie sich um und betrachtete die Sklavin beim Näherkommen. "Ein Brief?" fragte sie bereits alarmiert, doch dann sagte ihr Verstand, dass der vor wenigen Tagen abgesendete Brief gen Parthia doch noch gar nicht dort angekommen sein konnte. Folglich war dies gewiss keine Antwort von Aristides...oder war gar etwas vorgefallen?


    Epicharis wurde bleich und ließ die Hände im Schreck sinken. "Von...von wem...?" hauchte sie erschrocken und starrte die Sklavin an. Nein, dieser Brief konnte gewiss kein Unheil künden, er durfte es nicht! Epicharis kam gleich noch ein paar Schritte näher auf Kassandra zu und wartete gespannt.

    Endlich hatte Epicharis den Brief fertig. Beim Schreiben waren ihr immer mehr Dinge eingefallen, die sie erwähnen wollte, und so war der Brief länger und länger geworden. Aber schließlich lehnte sich die Claudierin zurück, seufzte und legte die Feder beiseite. Behutsam blies sie über den Papyrus und reichte ihn schließlich Kassandra, als die Tinte getrocknet war. Kommentarlos betrachtete sie die hübsche Griechin, wie diese las und las und las. Ob sie etwas anmerken würde? Epicharis hoffte es.



    Centurio
    Marcus Flavius Aristides
    Lager der Legio I Traiana Pia Fidelis
    Parthia (JWD)



    Mein lieber Marcus,


    mit großer Freude habe ich deinen so unverhofft zeitig kommenden Brief verschlungen. Du bist noch gar nicht so lange fort, und dennoch kommt es mir vor, als seien bereits Monate vergangen seit dem Tag auf dem Kai, als du mich um meine Palla batest. Nach dem Ausschiffen bin ich noch eine Weile mit Artoria Medeia in Ravenna geblieben, und auch als ihr Schiff gen Aegyptus auslief, blieb ich noch drei weitere Tage in diesem schönen Städtchen, sah mich um und besuchte die ansässigen Thermen. Ravenna gefällt mir, vielleicht ist es möglich, dort später etwas Land zu erwerben, wenn du wohlauf zurück bist.


    So schön der Aufenthalt in Ravenna auch war, so trist und öde war die Heimreise, so müßig und langweilig ist es hier daheim. Ich habe daher meinen Vater nach einer Zerstreuungsidee befragt und er schlug mir vor, eine abenteuerliche und interessante Reise nach Aegyptus zu unternehmen. Ich habe - du wirst mich für lebensmüde und unangebracht abenteuerlustig halten - begeistert zugestimmt, denn seitdem du mir von den wunderbaren Tempelstätten und der endlosen Weite und Medeia von diesem goldenen Land der Fülle und des Reichtums sprach, bin ich begierig, dieses Land der Wunder und Schönheit mit eigenen Augen zu sehen. Doch nicht nur des Müßigganges wegen werde ich reisen! Erinnerst du dich noch an die wunderschönen Kelche aus blauem Glas, aus denen wir im Hortus Lucretius tranken? Waren sie nicht aus Aegyptus? Die mir von meinem Vater aufgetragene Aufgabe lautet, das Geheimnis dieser Glasmacherkunst zu ergründen und entsprechende Aufzeichnungen nach Rom zu bringen. Zwar weiß ich noch keinen Reisetermin zu sagen, doch hoffe ich, dass sich die Abreise nicht mehr allzu lang hinziehen wird. Sorge dich bitte nicht, Geliebter, ein ganzer Stall von Sklaven und Wachleuten wird mich begleiten und mir vermutlich mehr hinderlich als nützlich sein.


    Deinen Reisebericht habe ich mit einem Schmunzeln verfolgt. Dein Vorgesetzter Matinius scheint wirklich ein lustiger Geselle zu sein. Ich hoffe aber doch sehr, er verliert bei all eurem Spaß nicht den Blick für das Wesentliche: Eine gute Strategie zu haben uns Sorge für die ihm unterstellten Männer zu haben? Wenn du erst zurück bist, musst du mir alles genau erzählen! Ich freue mich bereits jetzt darauf, Stunde um Stunde in einem Garten an deiner Seite zu weilen und dir zuzuhören, wie du deine Geschichten erzählst. Sicher bedauerst du, nicht ausgiebiger die fremdländischen Gepflogenheiten studieren und der andersartigen Musik lauschen zu können? Falls der Landstrich um Antiocheia herum wirklich reisenswert ist, so würde ich ein solches Unternehmen nur zu gern einmal an deiner Seite in Angriff nehmen, Marcus.


    Befindet ihr euch denn bereits Auge in Auge mit dem Feind? Muss ich schon um meinen Liebsten bangen, hoffen, dass ihn das Amulett auch beschützen wird? Ach Marcus, ich habe ja durchaus großen Respekt vor deiner Entschlossenheit und deinem Mut, welcher mich zugleich stolz macht, aber wie glücklich wäre ich, wenn ich dich hier und nicht im fernen Parthien wähnen könnte!


    Aus Rom gibt es indes kaum Neuigkeiten zu berichten. Die Magistratswahlen liefen vor kurzem ab, gewählt wurde ein Aurelier und einige andere, eher unbekannte Männer. Mir zumindest sagen die Namen nichts. Die Curia haben sie mit einem Gesetz abgesetzt und Spanien soll einen neuen Proconsul bekommen - Flavius Furianus! Ich sende dir die neueste Ausgabe der Acta Diurna in diesem Brief mit. Sie kommt zwar erst morgen heraus, aber als Lectrix habe ich bereits eine Abschrift vorliegen.


    Ich weiß nicht, ob es angemessen ist, dir mein Beileid nur schriftlich auszudrücken, Marcus, aber wir haben leider keine andere Wahl, als damit Vorlieb zu nehmen. Es tut mir sehr leid, dass Arrecina ins Elysium gegangen ist. Wenn ich sie doch wenigstens etwas besser kennengelernt hätte! Ich wünsche deinem Sohn den Segen Mercurius' und werde natürlich die Augen offen halten, wenn ich in Aegyptus weile. Vielleicht wollen die Parcen, dass ich ihn dort finde.


    Liebster Marcus, ich sende dir in diesem Brief all meine Zuneigung und meine Hoffnung, dir baldigst persönlich zeigen zu können, wie sehr ich dich vermisse. Vorerst aber muss es reichen, den Papyrus zu herzen, den du nun in deinen Händen hältst. Möge Mars dich schützen und Bellona dich lieben wie keinen anderen.


    In Liebe,


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    Roma, an den Kalenden des September

    Als Kassandra zurück in Epicharis' Zimmer kam, fand sie diese aufgeregt auf und ab laufend vor. Kaum dass Kassandra das Zedernholzkästchen geöffnet und die Schreibutensilien bereitgelegt hatte, kam Epicharis auch schon zum Tisch und setzte sich wieder. "Danke, Kassandra. Ach, ich bin so aufgeregt!" sagte sie und wusste selbst nicht zu sagen, warum das so war. Die Claudierin tauchte die Spitze des Federkiels in die Tinte und setzte die Feder auf das Pergament. "Mein Lieber Marcus", schrieb sie, dann setzte sie die Feder ab und strich mit der weichen Seite nachdenklich über ihre Wange. "Ich weiß nicht, Kassandra. Ich werde ihn einfach fragen... Wenn die Antwort länger dauert, hat er gewiss keine Zeit zum Antworten. Wie lange sie fort sind? Oh, es sind fünf Wochen, sechs Tage und etwa neun Stunden - irrwitzig, nicht, ich weiß es sehr genau..." sie sprach wie mit sich selbst. "Setz dich doch", sagte sie dann zu Kassandra und deutete auf einen Stuhl. Andere ließen ihre Sklaven zwar herumstehen, aber abgesehen davon, dass Epicharis keinen Grund dazu sah, machte es sie auch nervös, wenn Kassandra weiterhin schräg hinter und neben ihr stand. "Ägypten...ja, er hat zugestimmt, aber der Termin für die Abreise steht noch aus. Ich muss mich in einer ruhigeren Minute noch darum bemühen", erwiderte sie und schrieb nach einer plötzlichen Eingebung einen ersten Satz auf das Pergament. "mit großer Freude habe ich deinen so unverhofft zeitig kommenden Brief verschlungen."


    Kassandras Kichern ließ sie wieder aufsehen und sie grinste verschmitzt. "Mit mögen hat das, glaube ich, wenig zu tun. Puls ist ein schnell zubereitetes Essen, das nicht allzu viel Aufwand verursacht und viele Mäuler auf einma stopfen kann. Würde ich nicht Wert auf andere Gewohnheiten legen, würde dein Speiseplan auch zum größten Teil aus Brei bestehen. Aber du hast Recht, auf Dauer ist es unerträglich, sowas zu essen. Und Marcus ist Centurio, da wird er sicher anders verpflegt werden, nehme ich an." Epicharis fiel auf, dass sie das gar nicht so genau wusste. Sie strich eine dieser Strähnen zurück, die sich stets in unpassenden Momenten aus der Haarpracht lösten und zuckte dann mit den Schultern. "Ich werde ihn auch das einfach fragen", sagte sie schlicht und zuckte mit den Schultern. Hoffentlich konnte der arme Postbote den Brief noch tragen, wenn Epicharis mit ihm fertig war. Und nun schrieb sie...und schrieb.....