Beiträge von Flavia Epicharis

    Er wusste es nicht, konnte es gar nicht wissen, aber mit seinen Gedanken hatte er bereits im Vorfeld die Überraschung vorweg genommen, welche sich Epicharis ausgedacht hatte. Doch auch Epicharis konnte dies nicht erahnen, und so verhielt sie sich nicht so, wie sie es in diesem Moment vielleicht getan hätte, hätte sie nur gewusst, dass Aristides etwas ahnte.


    Er schien gefangen zu sein von dem Vogelflug, folgte den Bahnen des Tieres mit dem Blick, bis es nurmehr ein winziger Punkt am Horizont vor der nun immer rascher untergehenden Sonne war. Über seine Worte konnte sie nur schmunzeln, denn er stellte den Dienst als monoton und langweilig dar, und gar als unnötig. Sie hegte jedoch die gleichen Gedanken wie er, und im Gegensatz zu ihm schwieg sie nicht, sondern sprach sie aus. "Es mag dir müßig vorkommen, dieses Lager zu bewachen, und doch tust du es. Nicht etwa aus Übungszwecken, sondern weil du ein Mann bist, der seinem Kaiser und seinen Männern treu ist, Marcus. In den dunklen Nächten in Parthien, wenn man den Feind von allen Seiten vermuten kann, wirst du dir wünschen, es sei nur ein Kauz, der vorbeifliegt und sich nicht weiter um die Palisaden kümmert", sagte sie, und in ihrer Stimme schwangen doch leichte Besorgnis und Melancholie mit. Die untergehende Sonne tauchte alles in ein gleißendes Licht, golden wie die Stickereien auf ihrer Palla, rot wie die Tunika, welche Aristides trug, und hell wie ein Stern in dunkler Nacht. Epicharis wusste schon jetzt, dass sie diesen Abend nicht vergessen würde.


    Aristides' Worte klangen sehnsüchtig, als er von der Heimat sprach. Und was er sagte, konnte Epicharis nur zu gut verstehen. Vermutlich mochte sie Hispania deswegen so sehr, weil sie dort stets glücklich gewesen war als Kind. So wie es ihrem Verlobten mit diesem fruchtbaren Land ging, so erging es Epicharis mit Africa, denn im Gegensatz zu ihm war sie niemals dort gewesen. Doch irgendwann würde sie nach Alexandria reisen und alles bestaunen. Den großen Leuchtturm vor dem Hafen, das Museion, die verschiedenen Tempel längst verstaubter, altägyptischer Götter, die Menschen, das Land... Ihre Gedanken wurden unterbrochen von einem braungelockten Kopf, der kurz he rsah und dann auch schon wieder verschwand. Epicharis schmunzelte peinlich berührt, denn was mochte der Soldat schon denken? Ein ranghoher Soldat und eine junge Dame allein auf einem Wachtturm, den Sonnenuntergang im Rücken...da blieb nicht viel Raum für Spekulationen, die Situation erschien glasklar.


    Eine Weile hatte sie den Blick auf den Boden gerichtet, sich der Tatsache bewusst, dass Aristides sie unverwandt musterte. Eine Frau spürte solche Blicke schließlich stets. Und als sie zögerlich den Blick hob, ihn an Aristides' Gestalt empor gleiten ließ, schließlich an seinem Gesicht anlangte, da entdeckte sie, dass es nicht nur irgendein Blick war, sondern ein besonderre. Und von einer auf die andere Sekunde war Epicharis befangen und hatte diesen erschreckend großen Kloß im Hals. Sie gab es ja zu, sie war angetan von diesem Mann, sie war nicht schockiert, dass sie ausgerechnet ihn heiraten sollte, und sie sah auch nicht der Tatsache freudig entgegen, dass er im Krieg vielleicht fiel und ihr somit die Heirat erspart blieb. Wie viele andere an ihrer Stelle mochten so denken? Sie sah ihm entgegen, das Herz bis zum Hals klopfend, folgte dem Weg seiner Hand mit dem Blick, bis diese ihre Wange erreicht hatte. Für eine Winzigkeit nur schloss sie die Augen, und als sie sie wieder aufschlug, sah sie wieder Aristides' Gesicht. Die Szene erinnerte sie an jene Situation im Hortus, doch anders als damals nahm er seine Hand nicht fort und brachte damit Epicharis Handinnenflächen zum Schwitzen. Das geschah bei ihr immer dann, wenn sie sehr aufgeregt war. Ihr Atem ging etwas flacher, und auf seine Worte hinweg entgegnete sie nichts, da sie befürchtete, der Frosch in ihrem Hals mochte sie die Antwort quaken lassen. Sie nickte nur. Sie nickte und wartete, was er nun vor hatte.

    Epicharis war beeindruckt von der kurzen, doch sehr inbrünstigen Rede des Priesters. Sie musterte ihn flüchtig und nickte anschließend. "Da hast du recht. Ich finde es auch bedauerlich. Eigentlich hätte ich zu den Vestalinnen gehen wollen, doch die Pläne meines Vaters waren andere, und nun werde ich einen deiner Verwandten heiraten. Die Wege der Götter sind unergründlich, doch statt zu resignieren und mich einfach meinem Schicksal zu ergeben, strebe ich nach Vollkommenheit mit Unterstützung durch die Götter. Wenn sie also meinen, eine Ehe wäre das Richtige für mich, so will ich weder an ihrer Entscheidung noch an den Worten meines Vaters zweifeln und mir sicher sein, dass dies der Weg zur Vollkommenheit ist", entgegnete Epicharis voller Überzeugung. Sie erklommen die Stufen, und Aquilius war ganz der höfliche Mann, als den sie ihn einschätzte. Seinen Arm brauchte sie nicht, und dennoch wirkte der Flavier so vertrauenswürdig auf die Claudierin, dass sie dankend die Geste annahm und sich so führen ließ.


    Die mächtigen Säulen, welche zu ihrer Rechten und zu ihrer Linken empor ragten, erweckten den Eindruck, neben dem Gott klein und richtig zu wirken, was einerseits sicher Absicht, andererseits auch schlicht die Wahrheit war. Sie traten durch den Eingang, gerade als Aquilius Epicharis' Bemerkung mit den Rissen aufgriff und sie damit zum Lächeln brachte, ehe ihre Gesichtszüge leicht verschmitzt wurden und sie ihn von der Seite ansah. "Nun, vielleicht kann ich hier behilflich sein, doch mehr dazu erst, wenn ich Konkreteres weiß", gab sie geheimnisvoll preis und strebte dann einige weitere Schritte weiter hinein in das Heiligtum des Mars, der in einer Statue am Ende des Tempels und doch zugleich in dessen Mittelpunkt thronte und der Claudierin eine flüchtige Gänsehaut bescherte. Sie ging ganz bis zu den großen Marmorfüßen des Gottes, bedächtig und langsam, dabei den Blick über die Wände schweifen lassend und die weihrauchgeschwängerte Luft einziehend. An Mars' Füßen angekommen, ging sie anmutig in die Hocke und legte dem marmornen Gott eine Hand auf den großen Zeh. "Hier habe ich früher immer gebetet, dass meinem Vater nichts passieren möge und Mars darum gebeten, auf ihn aufzupassen", erzählte sie, schmunzelte und erhob sich wieder, um Aquilius anzusehen. "Kommen denn viele in den Tempel, um zu opfern?

    Von dem Schwarzhäutigen zum Ort des Geschehens geführt, betrat Epicharis nun also selbigen. Es war bereits eine stattliche Anzahl an Gratulanten und Gästen vertreten, aber wie es auch schon bei Medeias Hochzeit gewesen war, hatten die Acta-Mitarbeiter wieder nichts besseres zu tun, als - natürlich - alle auf einem Haufen zu hocken. Belustigt zog die Claudierin eine Braue nach oben und steuerte genau auf diesen Haufen zu, immerhin war sie ein Teil von ihm, sozusagen. Da, anders als bei Plautius, bei Germanicus Corvus nicht die Möglichkeit bestand, dass der Bräutigam nur wenige Stunden nach der Vermählung in den Krieg ziehen musste, hatte Epicharis die Geschenke diesmal am Eingang einem Sklaven in die Hand drücken lassen. Es handelte sich in Aelias Fall um eine tylusische Vase, die eine schwarze Darstellung auf braunem Grund zeigte und die einzige ihrer Art war. Für Corvus hatte Epicharis ein Spiel erworben, ein Tris, dessen Spielbrett jedoch kleine Kuhlen aufwies, in welche man die runden Spielsteine aus alexandrinischem Glas hineinlegen konnte. Doch bis die Geschenke ausgepackt werden würde, würde noch einige Stunden vergehen


    Epicharis indes war inzwischen bei den von Besuchern umringten Brautleuten angekommen und nahm nach einer Begrüßung sogleich Aelia in Beschlag. "Salvete - Aelia, na wer hätte das gedacht. Hattest du nicht auf Medeias Hochzeit noch davon gesprochen, dass es wohl noch dauern wird? Und nun doch so schnell..." sagte sie und ergriff Aelias Hände, um sie zu herzen. Dann erblickte sie den Bräutigam und neigte den Kopf. "Germanicus Corvus, es freut mich. Wir kennen uns noch nicht. Ich bin Claudia Epicharis, eine Kollegin von Aelia"

    Noch ehe Aristides antworten konnte, erschien jener, um den sich die Antwort drehte, auch schon wie herbeigewünscht. Zeitgleich wurde die Tür geöffnet. Epicharis stellte sich auf die Zehenspitzen und hauchte ihrem Vater einen Kuss auf die Wange, ehe sie "Salve, Vater", sagte und sie gemeinsam hineingehen konnten. Dabei fing Epicharis' Herz einen aufgeregten Tanz an, und sie sah dem Scriba beinahe ein wenig ängstlich entgegen. Gleich würde es vor den Göttern und vor dem römischen Gesetz rechtens sein, dass sie Aristides ihren Verlobten und er sie seine Verlobte nannte!

    Zitat

    Original von Syphax
    (...)


    Sicherlich war Epicharis nicht der generell letzte Gast, das konnte gar nicht sein, aber sie war doch eine der letzten Acta-Redakteure. ;)


    "Alles klar", sagte der Junge und wandte sich um, nur um festzustellen, dass Epicharis bereits hinter ihm stand. Erschrocken ging er drei Schritte rückwärts und dann zur Seite, um seine Herrin durch zu lassen, welche auch sogleich dem schwarzhäutigen Sklaven ins Innere folgte und dabei aufmerksam nach rechts und links sah.

    Wie er so mit den verschränkten Armen dastand, kam er Epicharis zum ersten mal wie der Centurio vor, der er ja auch war. Und als er dann völlig ungeniert dieser vorbeiwatschelnden Sklavin hinterherstarrte, zog Epicharis verstimmt die Lippen und Brauen zusammen. Ihr erschien Aristides mit einem Mal mehr Mann zu sein als noch vor wenigen Minuten. Noch ließ sie ihm das durchgehen, aber wenn sie ersteinmal verheiratet waren...


    Wortlos reichte sie ihm die Wachstafel und stellte sich sodann so hin, dass sie mitlesen konnte. Was sie zugegebenermaßen etwas erschreckte und gleichzeitig in eben dem gleichen Maße faszinierte war, dass Aristides scheinbar nur unter einiger Anstrengung lesen konnte. Abwechselnd sah sie auf die Worte, welche in das Wachs geschrieben waren, dann auf seine leise flüsternden Lippen und zu seinen zwischen den Worten hin- und herhuschenden Augen. Da sie so nah bei ihm stand, konnte sie die gemurmelten Worte vernehmen, fragte sich aber, wo er sie ablas. Irritiert versuchte sie die Stelle im Text zu finden, wo er gerade las, doch es gelang ihr nicht. Begierig darauf, den Rest dieses imaginären Textes aus Aristides' Mund zu erfahren, lauschte sie weiter. Am Ende sah sie ihn sekundenlang nur verblüfft an.


    "Den Göttern also ist alles völlig egal, aber meinen Segen habt ihr?" fragte sie ihn, ohne allzu viel Verständnis für diesen Satz mitzubringen. Mit großen, fragenden Augen sah sie ihn an.

    Hatte sie eben noch einen gedankenlosen Scherz im Kopf gehabt, wurde sie sich mit den Worten Aristides' bewusst, dass dem Jungen ernsthafte Gefahr drohen konnte. Aufrichtig erschrocken sah sie ihren Verlobten an und wusste erst gar nicht recht etwas zu erwidern, so sprachlos war sie. Die Sklaven waren tot aufgefunden woren... Und da ging ihr ein Licht auf. "Oh weh, dann bezog sich dieser Artikel in der Acta auf Serenus? Himmel, nein! Wie schrecklich!" entfuhr es ihr und sie verhielt im Schritt, um ihren Verlobten entgeistert anzustarren. "Du hast es sicher schon gemeldet, nicht? Sie müssen ihn doch finden, ehe du gen Parthien ziehst!" Der Sklave, welcher geklopft hatte, trat nun dezent zur Seite und tat so, als hörte er gar nicht hin, obwohl er sehr deutlich alles vernahm.


    Epicharis machte ein betroffenes Gesicht. Serenus mochte seine zukünftige Stiefmutter nicht mit offenen Armen empfangen haben, aber deswegen wünschte sie ihm nicht, Opfer einer Entführung oder gar Schlimmerem zu sein. Und wie schrecklich musste es erst für einen Vater sein, wenn er in den Krieg ziehen musste und dabei nicht einmal ahnte, wo sein kleiner Sohn und Erbe nur war. Geistesabwesend antwortete sie nur knapp auf seine Frage. "Er wird selbst noch kommen."

    Nur kurze Zeit später war die Acta beinahe komplett an dem Ianitor der casa vorbeigelaufen. Eine der Letzten, die eintrafen, war Epicharis, und sie kam sogar allein. Aristides steckte nämlich bis zum Hals in den Vorbereitungen des Krieges, und so war sie ohne ihn aufgebrochen, nicht ohne vorher stundenang vor dem Spiegel zu stehen, ohne sich entscheiden zu können, was sie nun tragen sollte. Schließlich war die Wahl auf eine dunkelgrüne Tunika mit Goldstreifenverzierung und dazu passenden Riemchensandalen gefallen. Die Ornatrix hatte ihre Haare etwas strenger zusammengefasst und sie dezent geschminkt, und so entstieg sie nun der claudischen Sänfte und schickte einen Sklavenjungen voraus, damit dieser klopfen möge.


    Doch vor der Porta blieb der Junge stehen, wandte sich zu Epicharis um und zuckte mit den Schultern. "Ist schon offen", teilte er mit und wollte daher einfach hineinspazieren, als er einen großen, schwarzen Mann gewahrte, der dort stand. Erschrocken machte der Junge einen Schritt zurück und mumrlete hastig: "D-die Herrin Claudia E-epicharis. Äh. Lectrix der Acta..." Zwei fragend dreinschauende Augen blinzelten dem Schwarzen entgegen.

    Nur zwei Tage nach der Feier, hatten sich Epicharis und Aristides verabredet, um hier gemeinsam die Verlobung eintragen zu lassen, damit sie auch rechtens war. Inzwischen hatte die Acta auch schon über das Ereignis berichtet und dabei sogar jenen Zwischenfall nicht ausgelassen, den sie Serenus zu verdanken hatten. Bei diesen Gedanken stellte sich Epicharis eine Frage, denn soweit sie wusste, war der Junge noch am Abend verschwunden. Sie sah Aristides von der Seite an. "Marcus, ist denn dein Sohn inzwischen wieder aufgetaucht?" fragte sie ihn mit leichter Besorgnis in der Stimme, auch wenn sie nicht glaubte, dass ein Satansbraten, wie Serenus einer war, so schnell in arge Bedrängnis geraten konnte.


    Sie passierten eine Säule, an die jemand "Cato et Caecina" gekritzelt hatte, was Epicharis schmunzeln ließ, dann waren sie auch schon vor dem ausgeschilderten Officium angekommen und ein claudischer Sklave klopfte für das verlobte Paar an.

    Während sie über den Lagerwall gingen, drehte Epicharis immer wieder den Kopf und sah mal von der einen, mal von der anderen Seite hinunter. In der Ferne waren bereits die vorsorglich angezündeten Lichter der Stadt zu sehen, denn das Castellum lag schließlich etwas außerhalb, doch nicht so weit weg, dass man es nicht würde erkennen können, wenn man aus der Stadt hinaustrat und sich nur gut genug umsah. Kurz darauf befanden sie sich auch schon im Turm, stiegen die Stufen empor und traten an die Brüstung des Turmes. Hier oben war es zugiger, doch man konnte auch viel weiter sehen. Das ganze Lager war nun zu überblicken, und auf der anderen Seite das weite grüne Land um Mantua herum. Irgendwo trieb ein Schafhirte ein aus der Reihe tanzendes Schaf zurück zur Herde, weiter zurück fuhr ein schwer beladener Ochsenkarren im letzten Licht des Tages der Stadt entgegen.


    Epicharis hatte beide Hände auf die Mauer gelehnt und spähte einem Wachtposten gleich ins Land hinaus. Der Wind zupfte verspielt an ihren Haaren, ganz als wollte er sie zum Reigen mit der kühlen Brise rufen. Sie spürte Aristides' Blick auf sich liegen, sah jedoch weiterhin in die Landschaft heraus, das Kinn ein wenig vorgereckt. "Ja, wunderschön. Es hat also auch Vorzüge, Soldat zu sein?" neckte sie ihn und warf ihm einen kurzen Seitenblick zu, um sich gleich abermals der Landschaft zu widmen. Ein Falke stieß einen triumphierenden Schrei aus und flog mit der schweren Beute in den Klauen davon. "Meine Heimat ist dort, wo meine Familie sich aufhält. Früher wollte ich stets zurück nach Tarraco, wenn ich nach einem Aufenthalt dort wieder hier angekommen war", erzählte sie und dachte daran, dass es jedes Mal großes Geschrei gegeben hatte, wenn der Hafen Ostias auch nur in Sicht gekommen war. "Rom ist laut und grässlich, aber es bietet auch vieles, dass Mantua und Tarraco nicht haben. Müsste ich mir eine Residenz erwählen, würde ich Spanien bevorzugen." Nun wandte sich Epicharis zur Seite und sah Aristides mit schräg gelegtem Kopf an. "Wie steht es mit dir? Du hast bei der Sibylle und auf der Feier oft von Baiae gesprochen. Vermisst du deine Heimat?" hakte sie nach und blinzelte gegen den Wind, der immer mehr Strähnen aus ihrer Frisur klaubte, um damit zu spielen. Ihre Ornatrix hätte vermutlich heulend die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen, doch schließlich war sie mit Epicharis gereist und würde die Frisurpracht schnell wieder in ordnung bringen können - so die Theorie.


    Ein nur angedeutetes Lächeln zierte nun die Züge der Claudierin, die sich erneut abewandte, um nun die Lagerseite zu betrachten. Sie überquerte den kleinen Raum des Turmes und sah ins Kastell hinunter. Aus dem Praetorium drangen Musik und Gelächter, zu ihrer Rechten marschierte eine Centurie gerade vom Exerzierplatz, und irgendwo weiter hinten wurde ein Lagerfuer entzündet. "Hm?" Alles in allem zwar interessant, doch kein so schöner Anblick wie jener auf der Außenseite, weswegen Epicharis sich nun wieder Aristides zuwandte und langsam auf ihn zuging. "Die Acta? Ja. Ich bin die Lectrix, das bedeutet, dass ich sämtliche Artikel korrekturlese. Es ist eine angenehme Arbeit, manchmal auch lustig, wenn sich ungewollte Fehler einschleichen und dem Text einen gänzlich neuen Sinn geben", erzählte sie und dachte an die letzte Ausgabe, die kürzlich erschienen war, und in welcher jemand die Duccier als einfluchreiche Familie bezeichnet hatte. Schmunzelnd lehnte sie sich mit der Rückseite leist gegen die Brüstung, legte ihre Ellbogen auf den zerfurchten Stein und blinzelte Aristides aus einem Krank fliegender Haare hinweg an.


    Eine kurze Pause entstand schließlich, und Epicharis nutzte sie, um ihren Verlobten etwas zu fragen. "Marcus, ich könnte in Mantua bleiben, solange bis ihr abrückt", schlug sie, vielleicht etwas naiv, vor. Immerhin bereitete sich so ein Krieg nicht allein vor, und Aristides musste auch ohne sie schon genug um die Ohren haben. Dies fiel ihr nur wenige Augenblicke auch auf, nachdem sie die Worte gesprochen hatte. Daher fügte sie hastig an: "Weißt du denn, wann es soweit ist?"

    Epicharis stellte wieder einmal mit einiger Verwunderung fest, dass sie Aristides' Art als sehr angenehm empfand. Er verstand es auf eine ihm ureigenste Art, ihre Bedenken oder gar Missstimmung zu zerstreuen, was an sich schon ein kleines Wunder war, bedachte die Claudierin die Worte ihrer Tante Sagitta bezüglich der Ehe, die laut jener stets einsam, kalt und grausam begann und während der sich erst mit der Zeit eine respektvolle Freundschaft und mitunter sogar eine liebende Bindung entwickelte. Verstohlen musterte sie ihren Verlobten von der Seite, richtete den Blick jedoch wieder rasch nach vorn, als er zufällig zu ihr sah.


    Sie passierten einige einzeln stehende Gebäude, deren Funktion Aristides ihr vorausschauend erklärte. Epicharis fand es interessant, sich alles einmal in natura ansehen zu können. Einer Pfütze ausweichend und den herben Geruch der Stallung in der Nase, vernahm sie seine Worte und musste schmunzeln. "Oh, nein. Unter dem vormaligen Legaten waren Frauen innerhalb der Lagereinfriedung nicht zugelassen. Davon abgesehen glaube ich nicht, dass mein vater so begeistert wäre, wenn er von dieser kleinen Expedition wüsste. Aber er muss es ja nicht wissen", fügte sie hinzu und lächelte verschwörerisch. Sie dachte besser nicht daran, was ihr Vater tat, wenn er das hier erfuhr. Viel lieber genoss sie diese letzten gemeinsamen Stunden mit ihrem Verlobten, ehe sie ihn auf lange Zeit nicht wiedersehen würde, doch daran wollte sie jetzt auch nicht denken. "Den Wall? Gern. Ich wäre vermutlich ein schlechter Soldat geworden, weißt du. Zwischen diesen vielen Gebäuden hätte ich mich ganz gewiss ständig verlaufen. Die sehen ja alles gleich aus! Sicherlich ist dieser Wall oder einer der Türme für so manchen Neuling die letzte Rettung. Von da oben erkennt man sicher gut die Lagerstruktur", mutmaßte Epicharis gerade, als sie auf eine ziemlich ansehnliche Matschkuhle zusteuerten. Auf den ersten Blick fand Epicharis keine Ausweichmöglichkeit, doch die war auch gar nicht nötig, da sie plötzlich eine Hand an ihrem Rücken spürte und sie hochgehoben wurde, beinahe Zeitgleich mit Aristides Ankündigung.


    Zugegebenermaßen erschreckte sich Epicharis über diese unverhoffte Aktion etwas, doch genauso schnell wie Aristides sie hochgenommen hatte, beruhigte sie sich wieder und umschlang seinen Hals locker mit den Armen, um nicht abzurutschen. So nahe wie jetzt war sie ihm noch nie für mehr als nur zwei oder drei Sekunden gewesen. Sie spürte seine starken Arme, sog den ihm eigenen Geruch ein und fühlte sich wohl. Noch so ein Umstand, den Sagitta ihr sicherlich nicht geglaubt hätte. Aristides musste gleichsam den zarten Körper Epicharis' spüren, ihr leicht aufgetragenes Parfum riechen, das einen lieblichen Duft verströmte. Behutsam setzte er sie schließlich trockenen Fußes wieder ab, und ehe sie weiter gingen, warf sie ihm ein kurzes Lächeln zu. Wenn es eines Beweises bedurft hätte um ihr zu zeigen, dass der Flavier ein Gentleman war, dann hatte sie ihn nun.


    Sie folgte seiner Geste und gewahrte eine Steintreppe, deren Stufen von abervielen Tritten schon ganz glatt und leicht ausgetreten waren. Epicharis reichte Aristides eine Hand und ließ sich hinaufführen. Oben angekommen, wandte sie sich sogleich um und suchte das Lager zu überblicken. Doch schon die mittleren Gebäude im Herzteil des Kastells konnte sie nicht mehr sehen, nurmehr erahnen. Den Soldaten bemerkte sie zuerst nicht einmal, erst, als er mit leise klappernder Rüstung an ihnen vorbei ging. Epicharis zog ihre Palla etwas enger um den Körper, wandte jedoch mit abenteuerllustigem Glitzern in den Augen den Kopf ihrem Verlobten zu und entgegnete: "Ich würde sehr gern von einem Turm hinunterschauen." Wenn ihr Vater davon Wind bekommen würde... Epicharis aber dachte nicht daran. Sie fand es viel zu aufregend, etwas Verbotenes zu tun.

    Der ratlose Blick, den Epicharis von Aristides auffing, konnte sie nur in gleicher Weise zurückgeben. Sie war eigentlich felsenfest davon überzeugt gewesen, dass man den Worten des hiesigen Orakels zumindest etwas entnehmen konnte, aber nun schien ihr das unmöglich. Sie unterdrückte den Impuls, sich ungeniert und gleichsam ratlos am Kopf zu kratzen, murmelte der Priesterin einen Dank zu und wandte sich um, um an Aristides' Seite diese stickigen Gewölbe zu verlassen.


    Als sie hinaustraten, tat sie es ihm gleich und atmete zuerst einige Male tief ein und aus, die Luft genießend, die zwar längst nicht so frisch wie die auf dem Land, aber doch weniger opiatgeschwängert war als jene in den Gewölben des Orakels. Sie sah auf, als Aristides gestand, die Worte nicht deuten zu können. Etwas bedrückt blickte sie sodann auf die schmale Wachstafel und überflog einige Wortfetzen, sah aber erneut forschend auf, als Aristides plötzlich verstummte.


    "Außer...?" hakte sie nach. Doch es blieb dem Flavier nicht genug Zeit für eine entsprechende Antwort, da Epicharis sogleich weitersprach und ihre Ansicht der Dinge nur allzu ausführlich und ziemlich verworren zum Besten gab. "Ach weißt du, ich denke, So wird auch der Abend niemals am Anfang stehen, sollte die Welt auch zugrunde gehen bedeutet, dass die Götter in unserem Fall nicht vorhersagen können, welche Auswirkung letztenendes eine Entscheidung in dieser Sache haben wird. Oder hier...Völlig in Einklang sind der Parzen Gewebe, gleich was der Mensch im Leben glaubt...das bedeutet doch, dass wir auf die Schicksalsspinnerinnen vertrauen sollen. Und darauf, dass sie unser Boot in sichere Gewässer lenken werden, meinst du nicht auch? Segen und Wohl, so wollen es die Ahnen verlangen, so muss es sein....hmm, das klingt, als ob alles rechtens ist, wenn wir nur traditionsgemäß leben und nicht auf die alten Bräuche vergessen."


    Epicharis ließ die Tafel sinken und blinzelte Aristides nach Bestätigung suchend an. Habt Acht und Sorge, denn der Tartaros ist nie weit, ihr müsst doch beide vergehen, ob alleine oder zu zweit... Das wusste wie zwar nicht recht zu deuten, nicht einmal ansatzweise, aber da das Orakel nichts abgrundtief Negatives von sich gegeben hatte, war Epicharis eigentlich bester Dinge. "Marcus?"

    Es war famos, selbst Geschenke zu erhalten, aber beinahe noch schöner war es, wenn man selbst schenkte, und der Glanz in den Augen des Beschenkten war ein wunderbarer Ausgleich dafür, dass man selbst kein Geschenk erhielt. Epicharis lächelte Medeia zu, erfreute sich an ihrer Freude und Verblüffung und nickte schlussendlich. "Du hast recht, liebe Medeia, es ist der Rotmeertintenfisch, dessen Tinte sich in dem Fläschchen befindet. Es freut mich, dass dir das kleine Mitbringsel gefällt", entgegnete sie auf den Dank der Frischvermählten. Aus den Augenwinkeln gewahrte sie Aristides, wie er beinahe hastig einen gefüllten Weinbecher leerte. Sie hob eine Braue, sagte jedoch nichts weiter dazu, da Aristides schon im nächsten Augenblick wieder ganz der selbstsichere, höfliche und charmante Mann war, als den sie ihn kennengelernt hatte. Aufmerksam verfolgte sie seine Glückwünsche an das Paar und stand lächend neben ihm, bis er sich schlussendlich an Epicharis selbst wandte - es war sicherlich auch alles gesagt worden und Plautus wie Medeia wurden bereits wieder von den nächsten Gratulanten belagert.


    Bei seinen Worten sah sie ihn mit schräg geneigtem Kopfe an und glättete eine winzige Falte ihrer Palla, die nicht so recht ins Gesamtbild passen mochte. Praktisch, dass sich solche Falten stets genau dann bildeten, wenn man sie für eine wie beiläufigwirkende und die Anmut unterstreichende Geste benötigte. Mit solchen Falten war es genau wie mit Haarsträhnen, die sich stets genau dann aus der Frisur lösten, wenn man gerade eine Verlegenheitsgeste brauchte. Epicharis verwunderten die Worte ihres Verlobten doch schon etwas, immerhin schlug er vor, nicht nur das Essen, sondern gleich die gesamte Festivität zumindest kurzzeitig zu verlassen. Andererseits hatte ihr Vater ihr nie das Castellum gezeigt, und ihre Neugier und nicht zuletzt die Aussicht auf die vielleicht letzten vertrauten Minuten mit Aristides, bevor dieser vielleicht für Jahre verschwand, gaben den Ausschlag für ihr Bejahen. Nur noch kurz sah sie ihn an, als suchte sie seine Absichten zu ergründen, dann schlug sie die Lider nieder und entgegnete: "Das wäre sicherlich interessant." Sie legte ihre Rechte auf seinen linken Unterarm und wartete darauf, dass er sie führen würde.

    Was Lucilla sagte, klang ganz logisch. Dennoch schüttelte Epicharis den Kopf, jedoch nicht, um zu verneinen, sondern um ihren Unwillen bezüglich sehr schwacher Rechtschreibung kud zu tun. "Ach, ich weiß nicht. Flüchtigkeitsfehler passierem jedem einmal, aber man sollte doch darauf achten, dass ein Text zum einen flüssig zu lesen ist und zum anderen nicht unendlich viele vermeidbare Fehler enthält, ob er nun privater oder öffentlicher Natur ist", entgegnete sie. Diese Berufskrankheit kannte Epicharis, obwohl sie bei ihr auch ohne Beruf ausgeprägt war, weshalb sie schmunzeln musste. Kurz darauf hielt sie auch schon einen Becher Wein in der Hand, vergoss etwas davon als Gabe für die Götter und prostete Lucilla zu.


    "Danke, Ion. Ja, auf gute Zusammenarbeit", sagte sie und stieß mit Lucilla an, ehe sie trank. Epicharis fühlte sich beinahe augenblicklich wohl hier. Unverhofft war dieses Stellenangebot gekommen, und doch freute sich die Patrizierin schon auf die erste Ausgabe der Acta, die sie korrigieren würde. Sie war gespannt, welche Fehler die Mitarbeiter so machten. :D Doch zunächst klärte Lucilla sie darüber auf, dass sie hier oder zu Hause arbeiten konnte. Ein weiterer, fetter Pluspunkt für die Acta-Arbeit, wie sie fand. Dennoch sagte sie: "Ach, ich denke, ich werde trotzdem zu den Sitzungen kommen, auch wenn die Artikel bereits korrigiert sind. Immerhin möchte ich alle einmal kennenlernen, und das geht nicht, wenn ich nie anwesend bin." Dass sie wegen der Ruhe von zu Hause flüchten müsste, hielt sie für unwahrscheinlich, immerhin war ganz oft sowieso kaum jemand da.

    Epicharis neigte bei der Begrüßung durch Medeia erfreut den Kopf. "Salvete, Medeia und Matinius Plautius. Wir kennen uns ja noch nicht, aber mit deiner Vermutung hast du durchaus recht, ich bin die neue Lectrix." Weiters stellte sie sich nicht vor, denn da Aristides den Präfekten kannte und Medeia sie, waren die Namen und Beziehungen ohnehin schon im Vornherein klar - so zumindest die Theorie, denn dass Plautius keinen Schimmer hatte, wer denn nun die Verlobte des Flaviers war, das wusste Epicharis nicht. Bei der Frage nach der Hochzeit musste sie ersteinmal schmunzeln, ehe sie entgegnete: "Oh, das wird bis nach dem Sieg gegen Parthia warten müssen. Und dann werden wir natürlich die Götter nach einem geeigneten Termin befragen." Epicharis war sehr religiös, wie es sich für eine tugendhafte Römerin gehörte. Daher verstand sie auch nicht, wie man im Maius eine Hochzeit feiern konnte, doch dies war nicht ihre Sache, sondern die der Eheleute. Sie nahm sich einen Kelch mit verdünntem Wein vom Tablett und nippte daran, während Medeia sie nun doch ihrem Gatten vorstellte. Indes winkte Epicharis Nordwin, der ein in violettes Seidenpapier geschlagenes Päckchen brachte, welches ein reich verziertes, mit Elfenbeinintarsien und geheimnisvoll schimmerndem Obsidian verziertes Kästchen verhüllte. In diesem Kästchen befanden sich mehrere Bögen von mit dem artorischen Wappen geprägtem Pergament und eine zierliche Schreibfeder, deren Kiel aufwendig vergoldet worden war. Außerdem beinhaltete das Kästchen noch eine Phiole feinste tylusische schwarze Tinte, sowie eine Tabula, deren hölzerner Rand exquisite Schnitzereien aufwies, und einen Griffel. Epicharis nahm ihrem Sklaven das Geschenk ab und überreichte es Medeia. "Meine Liebe, dies ist für dich, ein kleines Präsent zur Eheschließung. Matinius, dein Präsent wartet im Atrium auf dich. Ich wünsche euch den Segen der Götter und dir, Matinius, wünsche ich, dass du an der Seite meines Verlobten sicher nach Hause zurückkehren magst, wenn der Krieg vorüber ist." Plautius' Geschenk bestand aus einer unter einem samtenen Tuch verborgenen, schlichten Holzkiste, welche ihrerseits nebst Stroh auch zehn Amphoren des besten Weines beinhaltete, den man in Italien bekam.

    Nur eine knappe Woche, nachdem Epicharis ihrem Verlobten durch den claudischen Boten Dexter den Brief hatte überbringen lassen, kam jener mit einer Antwort von Aristides zurück. Man brachte Epicharis den Brief umgehend, nachdem Dexter todmüde vor der Villa vom Pferd geglitten war, und die Claudierin brach das Siegel mit fliegenden Fingern, um anschließend die schon bekannten, leicht schrägen Zeilen des Schreibens zu lesen.




    Liebe Epicharis,


    um mich musst Du Dir wahrlich keine Sorgen machen, denn obgleich der Krieg riskant ist, die Gefahren groß, die uns in dem fernen Parthia erwarten mögen, so sind wir eine starke Legion und die besten Soldaten des Imperiums vereinen sich in dem sechstausend Mann starken Heer. Zudem bin ich als centurio noch mehr vor den Gefahren gefeit, die einen römischen Soldaten im Krieg erwartet, selbst wenn ich mitten unter den Kämpfenden sein werde. Auch ich habe da keine großen Bedenken und das solltest Du ebenso nicht haben. Nur die Tatsache, daß ich wohl für lange Zeit fern von Rom sein werde und der Heimat ist ein Grund bedrückt zu sein. Aber auch die Monate, womöglich wenigen Jahre, werden schnell und im Flug vergehen.


    In einem magst Du sicherlich Recht haben, wahrscheinlich wäre ich im Moment wenig dazu zu bewegen, meinen Dienst in der Legion aufzugeben. Das liegt nicht daran, daß ich mich für einen besonders pflichtbewussten oder eifrigen Soldaten und Kriegsversessenen halte. Im Gegenteil, das möchte ich Dir nicht verhehlen, denn ich war nie sonderlich begeistert überhaupt mich der Legion anzuschließen. Dennoch verlangte es auch unser Stand, dem römischen Imperium auf diese einfache Weise gedient zu haben: Als Soldat Roms. Auch im Garten hatten wir uns schon über die Veränderung der Zeit unterhalten, die meinen Dienst mal normal, dann wieder unstandesgemäß erscheinen läßt. Dennoch glaube ich, daß es durchaus der richtige Schritt war, mich vor einigen Jahren der hispanischen Legion in Germania angeschlossen zu haben, die mich dann letztendlich zu der Legion des Kaisers geführt hat.


    Doch in all der Konsequenz dieser Entscheidungen muss ich den Weg bis zum Schluss gehen, den ich einmal gewählt habe. Aus Deinen Worten habe ich durchaus vernommen, daß Du diesen Entschluss selber kennst und somit vermagst nachzuvollziehen. Und als Soldat muss ich auch die Konfrontation im Krieg auf mich nehmen, selbst wenn mich danach der Weg aus der Legion und in die Politik führen wird. Vielleicht auch aus jenem Grund sollte ich gerade jetzt nicht diesen Pfad verlassen, denn welcher Senator wird einen Soldaten ernst nehmen, der vor dem Kampf seinen Stab zurück gegeben und die Sicherheit Roms vorgezogen hat? Vor vielen Jahren hätte ich indes auch nicht gedacht, daß mich einst mein Leben in einen derart großen Krieg ziehen wird.


    Dein Nachricht und Deiner Versicherungen, daß Du dennoch zu der Verbindung stehen willst, hat mich tief berührt. Denn selbst bei vielen Männern unseres Standes kann man nicht so eine Aufrichtigkeit und Loyalität zu einer solch frisch entstandenen Bindung erwarten. Und Dein Gefühl für Ehre und Treue würde so manch einem Mann gut zu Gesicht stehen, bei Frauen findet sich dies doch noch sehr viel seltener. So bin ich besonders geehrt, eine solche bewundernswerte Frau wie Dich, Epicharis, einst als meine Frau zu wissen.


    Ich habe meinen Vorgesetzten mit allem, was mir an guten Worten, Druck und ausgefeilten Argumenten einfiel noch dazu bewegen können, mir einige Tage frei zu geben, damit ich nach Rom kommen kann. Dann wird einer Feier, bevor ich in den Krieg ziehen werde, sicherlich nichts im Wege stehen. Sobald ich mich hier von den Pflichten lösen kann, werde ich den Weg nach Rom mit einem guten Pferd nehmen und Dir eine Nachricht zukommen lassen. Du kannst auch Deinem Vater ausrichten, daß ich seine Grüße und Wünsche an die Soldaten der legio prima ausrichten werde. Womöglich wird ihn schon bald der Weg vom Senat aus wieder in die Legion führen und er kann uns noch zur Seite stehen im Kampf gegen die Parther. Dennoch hoffe ich für Dich, damit Du nicht auch noch Sorge um Deinen Vater haben musst, daß wir bis dahin den Krieg schon gewonnen haben.


    Liebe Epicharis, da ich bald nach Rom komme, werde ich alle langen Abschiede lieber auf jene Tage verlegen und bis dahin lieber mit einem “Auf daß wir uns bald sehen!“ abschließen.
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    Sie seufzte beruhigt, obwohl Zufriedenheit und Sorge sich in ihrem Inneren die Waage hielten. Sie hatte zwar deutlich gemacht, dass sie angesichts einer unverhofften Schwierigkeit keinen Rückzieher machen würde, doch bestand diese Schwierigkeit eben aus einem Krieg, und dies war kein kleiner Kiesel, sondern ein recht großer Felsbrocken, den es zu umschiffen galt.
    Bei den Zeilen, die sie lobten, musste Epicharis trotz der Situation amüsiert lächeln, denn sie war noch nie mit einem Soldaten verglichen worden und fand dies reichlich amüsant. Die Worte zeigten auch, dass Aristides durchaus einen für sie angenehmen Sinn für Humor hatte. Epicharis beschloss, ihm die noch verbleibende Zeit hier in der Heimat so angenehm zu gestalten, wie es in ihrer Macht stand.

    Epicharis ging nicht näher auf die Worte bezüglich ihrer Tante ein. Sie hatte sie sehr gemocht und ihr dahinschleichender Tod hatte sie sehr mitgenommen, und sie wurde jedes Mal wieder daran erinnert, wenn das Gespräch auf die Krankheit fiel. Dennoch lächelte sie und schritt weiter an Flavius Aquilius' Seite entlang auf den eindrucksvollen Marstempel zu. Seine Erklärung die Untätigkeit betreffend kam ihr recht bekannt vor, hielt es doch ihre Familie genauso. Ihr Vater hätte sicherlich Gefallen an diesem Mann und seiner Einstellung gefunden, vielleicht würde dereinst die Möglichkeit bestehen, die beiden miteinander bekannt zu machen. Epicharis würde es im Hinterkopf behalten, vielleicht ergab sich ja noch die ein oder andere Gelegenheit, immerhin hatten die claudier noch einige hübsche Töchter vorzuweisen.


    "Oh, ich weiß, was du meinst. Meine Familie hält es ähnlich. Mein Onkel Bassus zum Beispiel hat im hohen Alter noch dem Reich als Sacerdos in Tarraco gedient. Deine Einstellung hätte ihm sicher gefallen. Er war auch ein Mann, der die Götter und Ahnen geehrt hat, wie kein anderer in seinem Kreise. Und mein Großonkel Myrtilus möchte seine berufliche Laufbahn als Augur vollenden."


    Und schon waren sie vor den Stufen zum Tempel des Mars angekommen. Epicharis erklomm rasch die ersten drei Tritte und wandte sich zu Aquilius um. "Nun, ich bin gespannt, ob sich sehr viel seit meinem letzten Besuch hier verändert hat, oder ob ich mich gleich in einem Kindheitstraum wähnen werde."

    Der Umstand, dass Aristides seine Hand um ihre schloss, beruhigte die junge Dame doch etwas, und sie sah es als gutes Zeichen an, dass sie nicht der pure Ekel überkam, wenn sie ihren Verlobten berührte oder er sie, wie es jetzt der Fall war, da er ihr in einer zärtlichen Geste über das Kinn strich. Epicharis musste unwillkürlich lächeln dabei. Sie sah ihn einen Moment an und schlug die Augen anschließend nieder. Jetzt würde es vermutlich passieren! Wie es wohl sein würde? Tanta Sagitta hatte ihr von ihrem ersten Kuss als nass und widerlich erzählt. Nun ja, genaugenommen wäre das sogar Epicharis' zweiter Kuss - sofern man diesen ungestümen Elfjährigen damals in Tarraco berücksichtigte und nur Küsse auf die Lippen zählten, hieß das. Doch nichts dergleichen geschah, und indem er den flüchtigen Moment vorbei gehen ließ und sich anschließend abwandte, verwirrte er Epicharis nur einmal mehr. Zugleich war sie aber auch seltsam erleichtert, dass dieses "nasse und widerliche" Ereignis wohl noch etwas auf sich warten lassen würde.


    Seine Stimme klang leicht verändert, und obwohl Epicharis Aristides noch nicht sehr lange kannte, so sagten ihr die weiblichen Sinne, die jeder Frau zu eigen sind, doch, dass er mindestens ebenso angespannt auf die Priesterin wartete wie sie selbst. Ein Schreien, Gesang und Wimmern erklang derweil, und Epicharis verlagerte rastlos das Gewicht von einem Bein auf das andere. Bald darauf (Epicharis wäre vermutlich in Bälde vor innerer Anspannung vergangen) erschien die Priesterin am Ende des Ganges und näherte sich dem wartenden Paar. "Sie sieht so schrecklich ernst aus", wisperte Epicharis ehrfürchtig, ehe die Priesterin sie hören konnte. Ob das etwas mit der Offenbarung zutun hatte? Mit einem Mal bekam sie nun echte Angst. Ihre Hand in Arisitides' wurde noch kleiner als ohnehin schon, denn die Claudierin ballte sie zur Faust. Mit angehaltenem Atem vernahm sie nun die Worte des Orakels.


    Als die Priesterin geendet hatte, stieß Epicharis die Luft in einem langgezogenen Seufzer aus und wandte den Blick zu Aristides. Kein Wort kam über ihre Lippen, und doch stand da leichte Ratlosigkeit in ihrem Blick. Diese Weissagung klang so...neutral? Bei ihren vorherigen Weissagungen war zumindest ein Hauch von Pro oder Contra ersichtlich gewesen, aber diese Worte... Epicharis war verwirrt, und das spiegelte sich in ihrem Blick auch nur zu deutlich wider. Mechanisch nahm sie die Tafel und nickte der Priesterin dankend zu.