Beiträge von Flavia Epicharis

    Nur kurz sah Epicharis ihrer Sklavin nach, dann erhob sie sich, ging zum Wandschrank und holte ihre neueste Erwerbung hervor: (wieder mal) ein reichlich verziertes Spielbrett. Das Spiel hieß Fidchell und war keltischen Ursprungs. Epicharis hatte sich die Regeln mehrere Male erklären lassen müssen, ehe sie sie verstanden hatte. Das Brett war noch unbespielt. Da sie allein war, wollte sie die Regeln noch einmal durchgehen. So stellte Epicharis behende die winzigen Spielfigurchen in Form von schwarzen und weißen Pferdeköpfen auf die Startfelder und begann leise mit sich selbst redend, die einzelnen Züge noch einmal durchzugehen. Sie saß immer noch vor dem majestätisch anmutenden Spielbrett, als Kassandra zurück kam.

    Was Aristides über die Eigenschaften von Schnee erzählte, klang nicht besonders berauschend, fand Epicharis. Wer mochte schon Kälte und Nässe oder setzte sich freiwillig dessen aus? Andererseits war die Vorstellung, kleine Skulpturen aus Schnee zu formen oder das Glitzern von Neuschnee anzuschauen doch recht reizvoll. Irgendwann würde sie sicherlich einmal Germanien sehen können, vielleicht sogar an Aristides’ Seite, wer wusste das schon? Bedauerlicherweise konnte man die kleinen Skulpturen aus Schnee nicht aufbewahren, um sie ins Atrium zu stellen, damit sie die Empfangshalle schmücken konnten. Das wäre ein Hingucker gewesen! Epicharis schmunzelte über sich selbst. Dass es gefährlich sein würde, den germanischen Norden zu erkunden, glaubte Epicharis dem Soldaten durchaus, er würde schließlich wissen, wovon er sprach.


    Erschrocken zuckte Epicharis zusammen, als der Löwe brüllte, und auch Vögel bekamen es mit der Angst zu tun und flogen hastig in Sicherheit. Ein Papagei antwortete, sein Geschrei hallte durch den ganzen Hortus. Epicharis fühlte sich, als wäre sie Bestandteil des Dschungels. „Man kommt sich vor, als sei man selbst im Dschungel. Das Ambiente verstärkt den Eindruck noch“, sagte sie, allerdings mehr zu sich selbst als zu Aristides, den sie dabei jedoch ansah. Er schien ein Dauerlächeln auf den Zügen zu haben, und Epicharis fragte sich, woher es rührte, doch sollte sie nicht darauf kommen. Noch hatte sie keine Ahnung, was ihr Verlobter schätzte, wie gern er dem Genuss frönte und auf Spaß bedacht war, sogar wenn die Sitten darunter zu leiden hatten. Die Frage nach ihren Reitkünsten ließ da nicht so tief blicken – vor allem, wenn man nicht auf Zweideutigkeiten achtete. Nebenbei bemerkte sie, dass er seine Hand fortzog, zurück blieb ein seltsames Gefühl.


    „Ich weiß nicht viel über die Legion, obwohl mein Vater Soldat ist. Er zieht es vor zu schweigen, weißt du. Ich hatte mich stets für ihn gefreut, wenn eine Beförderung ins Haus stand. Diese neue Regelung kann ich nicht so recht nachvollziehen, auch wenn der ehrenwerte Kaiser gewiss einen grund gehabt hat, sie zu vollziehen.“ Epicharis überlegte nur kurz, ehe sie mit ernstem Gesicht noch etwas anfügte. „Ich möchte dich bitten, mir von deiner Arbeit in der Legion zu erzählen und nichts zu verschweigen aus Angst, es könnte mich zermürben. Das wird es nicht. Ich möchte meinem Verlobten beistehen in allem, was er tut, und das kann ich nicht, wenn ich nicht weiß, was er denn überhaupt tut. Dass Soldaten die Heirat untersagt ist, mag ein gekonnter Schachzug sein. Welcher verheiratete Miles lässt schon gern seine Familie zurück, im Ungewissen darüber, ob er jemals heimkehren wird?“ Sie lächelte flüchtig. „Dich aber stellt es vor ein Problem, denn du klingst ganz so, als dientest du gern auf deinem Posten, Marcus.“ Zum zweiten Mal ging der Praenomen schon viel leichter von den Lippen, und Epicharis entschied, dass es gar nicht so schlimm war. Das mit der Heirat allerdings war in der Tat ein Dilemma. Insgeheim musste er den Entschluss wirklich schon gefasst haben, aus dem Militär auszutreten, sonst hätte er sie sicher nicht jetzt darum gebeten, ihn zu heiraten. Wie Epicharis ihren Vater kannte, musste er Aristides auch schon ausgefragt haben darüber. Vesuvianus war schließlich jemand, der sehr gern wusste, woran er war, und die Heirat seiner Tochter betraf schließlich auch ihn. Epicharis seufzte leise und blinzelte in die warme Sonne. Die umstehenden Bäume raschelten mit ihren Blättern, wogten sachte hin und her und zeichneten lebendige Muster auf den hellen Kies zu den Füßen der Frischverlobten.


    Epicharis’ Augen strahlten Aristides mit ihrem satten Braunton an, als er auf ihre abstruse Sammlung einging und versicherte, dass auch er gern spielte. Sogleich plätscherten die Worte aus ihr heraus wie das Wasser aus dem hübschen Brunnen in ihrem Rücken. „Oh, wirklich? Das freut mich sehr, in meiner Familie spielt man leider kaum, alle haben meist wichtigeres zu tun. Ich habe verschiedene Ausführungen der bekanntesten Brettspiele, darunter das Ludus Latrunculorum, Tris, Alquerque und Mulinello. Das Ludus Latrunculorum ist mein Lieblingsspiel, bei Quinquenove hingegen verliere ich meistens. Das Ludus duodecim scriptorum ist aber auch ganz nett. Ach, es gibt so herrliche Spiele und so schön verzierte Spielbretter! Warst du einmal auf dem Markt und hast dir die Arbeiten des Galliers Cantorix angeschaut? Er ist ein vorzüglicher Spielmacher, bietet auch winzige Würfel aus Fledermausknochen an, die sind federleicht! Und er bindet herrliche Ornamente in die wunderbarsten Hölzer ein. Manchmal verkauft er auch Raritäten, einmal habe ich ein keltisches Spiel namens Fidchell erstanden, er musste mir die Regeln viermal erklären. Ein sehr komplexes Spiel, und sehr langwierig, aber wunderschön! Um genau zu sein besitze ich siebenundvierzig Spiele, die Würfelbecher und Würfel nicht mitgezählt“, endete sie schließlich und errötete sodann. Vermutlich hatte Epicharis Aristides nun damit überfahren. Dennoch konnte sie es nicht lassen, noch etwas hinzuzufügen. „Marcus, wenn du in Africa warst, dann hast du sicherlich einmal Senet gespielt?“ Im Grunde genommen unterschieden sich die Regeln des Senet mit denen des Ludus Duodecim scriptorum kaum voneinander, aber Epicharis war immer noch auf der Suche nach einem original ägyptischen Senetbrett, verziert mit diesen seltsamen Bildern namens Hürokufen oder so ähnlich, mit welchen die Ägypter Dinge für die Nachwelt festhielten. Cantorix kam an solche Bretter nicht heran, und auch in Tarraco hatte sie kein Senetbrett erwerben können.


    Die Claudierin war derart in Fahrt geraten, dass sich sogar der Atem leicht beschleunigt hatte. Aristides Pfiff durch die Zähne fiel daher gar nicht so sehr ins Gewicht, denn Epicharis dachte nicht weiter darüber nach. Was sie allerdings bemerkte war, dass er zuerst skeptisch schien und dann über ihren Scherz lachte, was Epicharis ihrerseits ebenfalls zu einem Schmunzeln veranlasste. Sie fand, dass er recht nett lachte, mit tiefer, volltönender Stimme. Auf seine Frage hin nickte sie. „Ja, gern. Ich bin gespannt“, erwiderte sie, und das war sie wirklich. Bisher waren kaum zehn Minuten vergangen, in denen der Flavier sie nicht überrascht hatte. Wenn das so weiterging, würde Epicharis ganz sicher nicht schnell einschlafen können. Ein Gespräch mit Dhara war vonnöten, das wusste sie jetzt schon. Epicharis erhob sich und wandte sich um, streifte den Löwen mit einem Blick und tauchte sodann die Fingerspitzen kurz in das kühle Nass des hübschen Brunnens. Dem Panther zollte sie einen längeren Abschiedsblick als dem Leo, er faszinierte sie mehr. „Lasst es auch wohl ergehen, meine Lieben“, verabschiedete sie sich und besah sich anschließend einmal mehr den entzückenden Ring, den Aristides ihr geschenkt hatte.



    Sim-Off:

    Entschuldige bitte, dass du so lange warten musstest!

    Kurz sah Epicharis Kassandra noch skeptisch an, dann zeichnete sich ein Lächeln ab und die junge Patrizierin nickte zustimmend. "Sehr gut. Dann mach dich bitte sogleich auf den Weg, Kassandra. Die Briefe sind wirklich dringlich, lasse sie daher als Eilbriefe versenden."
    Damit überreichte die Claudierin der Sklavin die drei gesiegelten Pergamente und nickte ihr zu. Sie war gespannt, wie die zierliche Griechin diesen ersten Auftrag meistern würde, ob sie sich zurecht und auch wieder heim finden würde. Kurz fragte sie sich, ob sie nicht besser Nordwin mitschicken sollte, verwarf den Gedanken aber beinahe augenblicklich. Kassandra würde schon auf sich acht geben können, beschloss Epicharis.

    "Natürlich kommt es darauf an, in wessen Haushalt man kommt", erklärte Epicharis. "Hier wirst du die Freiheit in Aussicht haben. Natürlich nicht sofort, vielleicht auch nicht in fünf Jahren, aber wenn du deine Arbeiten gut verrichtest, so werde ich dich gewiss entsprechend entlohnen zu wissen. Das gilt nicht nur für die Zeit einer eventuellen Freiheit, sondern beginnt genau in diesem Moment, Kassandra." Dass Kassandra diese Aussicht überwältigte, sah Epicharis sehr wohl, doch mehr als aufmunternd lächeln konnte und wollte sie nicht. Sie erhob sich dann, um zum Fenster zu treten. Nachdenklich strich sie über die schweren Vorhänge, die noch wegen des kühleren Wetters des Winters schwer und abweisend vor dem Fenster hingen. Nicht nur in ihrem Fenster, sondern vor allen Fenstern der Villa, das wusste sie. Und das galt es noch zu ändern, immerhin war es inzwischen Frühling, was die an Kraft gewinnenden Sonnenstrahlen und das Zwitschern der Vögel bewiesen. Sie gab der Sklavin mit dem kurzen Moment des Nachdenkens etwas Zeit, um ihre Gefühle zu verarbeiten, wandte sich jedoch um, als Kassandra sie erneut ansprach und sich entschuldigte. Epicharis winkte lässig ab und ging nicht weiter auf das Thema ein. Kassandra schien sich bald wieder gefangen zu haben, und die Claudierin nahm dies mit einem erfreuten Ausdruck auf dem Antlitz zur Kenntnis. Ebenso angetan war sie von dem Vermögen Kassandras, zwei Instrumente spielen zu können. "Ach, das ist famos!" rief sie aus und lehnte sich an die neben dem Fenster stehende Kommode, die derzeit eine Schale Obst und eine bronzene Statue der Minerva auf ihrer Oberfläche beherbergte. "Dann kennst du sicherlich das ein oder andere griechische Lied, nicht? Ich muss gestehen, ich singe sehr gern, aber mein Vater wollte nie, dass ich ein Instrument erlerne. Meine liebe Tante Sagitta hielt das immer für falsch, aber sagte nie etwas, um nicht den Missmut meines Vaters auf sich zu ziehen." Epicharis sann einen Moment darüber nach, was Aristides über das Reiten gesagt hatte, und sie fragte sich, was ihr Vater wohl sagen würde, wenn er davon erfuhr - immerhin waren beides Dinge, die sich für eine junge Patrizierin nicht schickten. Ein heimliches Lächeln schlich sich auf die Züge, als sie sich an den Tag im Park erinnerte. Obgleich sie den Flavier kaum kannte, so war das doch ein hübscher Tag gewesen. Einer, der ihr gefallen hatte und wohl auch zugesagt hätte, wenn sie mit ihren Schwestern dort gewesen wäre. Sie schüttelte nachlässig den Kopf, um den Gedanken zu vertreiben, erst dann wandte sie sich wieder an ihre Sklavin. "Sag, kannst du massieren?" fragte sie neugierig.

    Aristides, Dhara und Kassandra, ich schreib morgen, es gibt hier gerade Inetprobleme und ich fliege dauernd raus und mein Techniksklave ist krank. Sogar für diesen Text brauche ich 10 Minuten. -.^


    Hab aber erstmal alles Relevante gespeichert und werd die Antworten dann offline schreiben und einstellen. :)

    Für Epicharis war Aristides plötzlich zu einer Wissensquelle geworden. Begierig, mehr zu erfahren, hing sie an seinen Lippen. Natürlich im übertragenen Sinne, denn tatsächlich sah sie lediglich recht interessiert drein und hörte aufmerksam zu. Von seiner Tortur wusste sie freilich nichts und sie konnte die Kriegsgefangenschaft auch nicht erahnen. Seine wenigen Worte gereichten ihr schon, um sich ein verschwommenes Bild zu machen und in ihr den Wunsch aufkeimen zu lassen, Germanien einmal mit eigenen Augen sehen zu können. Verträumt beobachtete sie die sich sacht im lauen Wind hin und her wiegenden Zweige einer entfernt stehenden Pinie. „Ich habe noch nie Schnee gesehen, wie fühlt er sich an? Ich weiß, dass er kalt und formbar ist, aber ist er weich oder hart? Macht es ein Geräusch, wenn er fällt, so wie bei Regen?“ fragte sie ihn nach einer kleinen Weile. Diese Frage erschien ihr etwas peinlich, weswegen sie ihn kurz darauf verlegen anblinzelte. Eigentlich hätte Epicharis doch etwas mehr über die germanischen Lande wissen sollen, war doch Nordwin ihr Leibwächter, doch konnte man Sklaven gewiss nicht mit freien Germanen vergleichen, und deswegen hatte sie nun doch gefragt. „Ich würde das trotzdem gern einmal sehen, vielleicht bietet sich irgendwann die Möglichkeit. Mit genügend Leibwächtern sollte das sicher nicht so schwer sein, was meinst du?“ sinnierte sie.


    Mit der Musik hatten sie augenscheinlich ein Thema gefunden, das sie beide mochten, denn Epicharis erkannte aus Aristides’ Worten, dass er die Musik liebte. Ein Lächeln zeichnete sich auf ihrem Gesicht ab. „Ja, Musik ist wundervoll. Ich sitze gern Abends auf der Exedra oder im Garten und lausche den Sklaven, wie sie musizieren“, gestand sie. Was sie aber verschwieg war, dass sie für ihr Leben gern sang und diese abendlichen Stunden nutzte, um zur Melodie zu singen. In Epicharis hätte Aristides vermutlich Begeisterung entdeckt, hätte er ihr von der Neigung erzählt, selbst ein leidenschaftlicher Musiker zu sein, obwohl das Spielen von Instrumenten nicht gerade zu patrizischen Beschäftigungen gehörte, ebenso wie das Reiten, wenn es um patrizische Frauen ging. Umso mehr verwunderte sie, dass sich Aristides plötzlich verschwörerisch heranbeugte und ihr indirekt einen Plan darlegte. Sie schmunzelte amüsiert und das Herz hüpfte. Epicharis liebte Geheimnistuerei, was man auch an ihrer kindlichen Freude bei der Bibliothekaktion mit Deandra gesehen hatte. Zwar schlug das Herz bis hinauf in den Hals, aber das tat der Abenteuerillusion keinen Abbruch. Ob es wohl auch so sein würde, wenn er ihr zeigte, wie sie reiten konnte? Immerhin hatte auch Deandra schon auf einem Pferd gesessen, wie sie Epicharis verraten hatte. Die Claudierin biss sich auf die Unterlippe. Dass er reitende Frauen mochte, erschien ihr zwar seltsam, denn sie kannte auch seine Hintergedanken – natürlich! – nicht, was auch gut so war, aber sie sagte dennoch in geheimnisvoller Manier „Vielleicht...“ und blinzelte ihn charmant an. Urplötzlich pochte ihr Herz nun tatsächlich bis zum Hals, als er in einer scheinbar nebensächlichen Geste die hand hob und an der vorwitzigen Strähne entlang strich, die es gewagt hatte, aus der Frisur zu fallen. Dabei berührte er Epicharis’ Hals, und sie musste sich zusammennehmen, um nicht zurückzuschrecken, Sie waren nun verlobt, da durfte er das, denn es war sein gutes Recht, sagte sie sich. Nicht, dass die Berührung grässlich gewesen wäre, doch sie war ungewohnt und kam plötzlich. Jeden anderen hätte sie nun scharf in seine Schranken verwiesen, sofern Nordwin nicht selbst eingeschritten wäre. Bei Aristides aber ließ sie ein, zwei Herzschläge verstreichen, dann lächelte sie unsicher. Sein Lachen trug dazu bei, dass Epicharis sich weniger unbehaglich und weniger auf fremden Terrain befindlich fühlte, und sie war ihm dankbar dafür. Auch, dass er einige Dinge von sich preisgab, schafften nun allmählich ein Gefühl in ihr, dass sie sich besser kannten, auch wenn seine Erzählungen eben nur solche waren und man erst von Bekanntheit sprechen konnte, wenn man den anderen wirklich in den beschriebenen Situationen erlebte. Die halbe Nacht wach zu sein schien sich mit dem Eintritt in die Legion erledigt zu haben, denn dort hatte man frühs die morgendlichen Appelle, und die Vorgesetzten warteten sicherlich nicht darauf, dass die Soldaten ausgeschlafen hatten. Epicharis konnte nicht nachvollziehen, wie man die frühen und auch späten Morgenstunden schlafend verstreichen lassen konnte. Immerhin gab es keine bessere Zeit des Tages zum Einkaufen, denn morgens waren die Märkte noch annähernd leer! Auch, wenn Epicharis zugeben musste, dass sie auch nicht gerade eine Frühaufsteherin war. Dass er gern jagte, nahm sie als seine Eigenart ohne mit der Wimper zu zucken an, denn in gewisser Weise jagte auch sie gern. Epicharis war nämlich stets auf den Fersen des neuesten modischen Trends der Urbs Aeterna, jawohl. Der Natur konnte sie nur etwas abgewinnen, wenn sie nicht in der Wildnis weilen musste, sie zog also Gärten und Parks wie den heimischen oder diesen hier bei weitem vor. Andererseits war sie auch noch nie auf einem Pferderücken über Felder gejagt, wie Aristides es vorhin genannt hatte. Über die Ehe schien er nicht sprechen zu wollen, und Epicharis hütete sich, nachzubohren, vorerst zumindest. Also ließ sie das Thema auf sich beruhen und griff stattdessen eine Information auf, die er vermutlich unwissentlich in seine Worte eingebaut hatte. „Du möchtest die Legion verlassen, sagst du? Verzeih mir die unwissende Frage, aber aus welchem Grund?“ hakte sie mit einem fragenden Blinzeln nach, die Hände sittsam locker im Schoß zusammengelegt und Aristides weiterhin die kosende Bewegung gewähren lassend. Wenn Epicharis sich etwas besser ausgekannt hätte, wäre ihr vermutlich klar gewesen, dass Aristides mit seinem Amt als Centurio nicht würde heiraten können, und so hätte sie nicht gefragt. Dass mehr dahinter steckte, war eine vage Vermutung, die sie aber nicht ansprechen würde, weil sie ihn nicht vor den Kopf stoßen oder ihm den Überraschungsmoment nehmen wollte, so er einen beabsichtigte.


    Man konnte durchaus sagen, dass Epicharis sich von Komplimenten überhäuft fühlte. Schon wieder brachte er eines an, charmant, wie nebensächlich wirkend, und die Wirkung dabei nicht verfehlend. Erneut lächelte Epicharis ihn an, überlegte kurz, ob sie forsch sein und nach seiner Hand greifen sollte, entschied sich dann jedoch dagegen und erzählte lieber etwas von sich, ohne die Haltung zu verändern. „Die erste Hälfte des Vormittags verbringe ich für gewöhnlich in meinem Cubiculum, danach frühstücke ich und erledige die anfallenden Tagesgeschäfte. Was ich den Rest des Tages tue, ist unterschiedlich. Manchmal verabrede ich mich mit Freundinnen in den Thermen oder lasse die Staffelei oder meinen Webstuhl in den Garten schaffen, so wie vorhin, als dein Sklave mich in deinem Namen einlud. Ich gehe gern spazieren und noch lieber gehe ich einkaufen. Und ich spiele leidenschaftlich gern Brett- und Würfelspiele – ich glaube, ich besitze an die fünfzig verschiedene Ausführungen unterschiedlicher Spiele. Spielst du auch, Marcus?“ Oh, da war er ihr über die Lippen gekommen – der Praenomen. Epicharis hielt inne und betrachtete Aristides aufmerksam, auf der Suche nach einem Anzeichen von Missbilligung oder Missfallen. War da etwas? Verzog er nicht den Mundwinkel? Epicharis sah schon Gespenster. Sie würde Deandra dringendst einen Brief schreiben müssen, am besten sofort, wenn sie zu Hause war, und sie fragen, wie sie sich verhalten sollte. Sicherlich wüsste die ältere Schwester weitaus besser Bescheid in solchen Dingen als sie. Um ihre Unsicherheit zu überspielen, fügte sie noch rasch etwas an. „Naja, und manchmal folge ich auch unverhofften Einladungen von Fremden Männern in verwunschene Gärten.“ Epicharis schmunzelte und zwinkerte Aristides zu.

    Sechsunddreißig! Epicharis staunte nicht schlecht. Er sah etwas jünger aus, fand sie, aber Männer hielten sich schließlich immer besser als Frauen, was das Alter anbelangte. Sechsunddreißig. Dann war er ja...siebzehn Jahre Älter als sie. Epicharis blinzelte und versuchte nicht daran zu denken, dass Aristides ihr Vater sein könnte. Dieser Gedanke war nämlich absurd und ließ ein gewisses Gefühl aufkeimen, das sie nicht haben wollte. So verdrängte sie ihn erfolgreich, indem sie sich auf die weiteren Worte konzentrierte. Er war also Centurio. Das wäre Epicharis gar nicht spanisch vorgekommen, da sie keine Ahnung von militärischen Dienstgraden hatte und sie das auch nicht interessierte, aber sie wusste immerhin, dass man als Centurio unter den Tribunen und natürlich dem Legaten stand. Erst durch die Begründung des Flaviers wusste sie nun, dass es eigentlich nicht angemessen war, wenn man als Patrizier als Centurio diente. Die Beschreibung Germaniens verfehlte ihre Wirkung allerdings, denn statt nur zu nicken und Mitleid mit dem armen Aristides zu haben, fragte Epicharis ihn nur weiter aus. „Oh, du warst in Germanien? Meine Schwester befindet sich gegenwärtig ebenfalls dort, zusammen mit einer Freundin. Stimmt es, dass die Straßen nur im Sommer frei vom Schnee sind? Und dass des Nachts die Wölfe umherziehen und Kinder reißen? Und wie sind die Germanen, fressen sie rohes Fleisch wie wilde Tiere?“ überfiel sie ihn regelrecht, und das mit einer Begeisterung, die ihresgleichen suchte. Unwillkürlich war Epicharis bei den Fragen eine Winzigkeit näher gerückt. Dem inzwischen hinter ihr liegenden Arm schenkte sie so gut wie keine Beachtung – es war nur ein Arm, nichts weiter – viel zu interessant war die Unterhaltung mit einem Mal geworden.


    Was die Sponsalia betraf, nickte Epicharis zustimmend. Sie mochte Feste, denn da konnte sie sich präsentieren und neue Leute kennen lernen, zwei Dinge, die ihr Gemüt hoben. So wie das Kompliment ihres, nun ja, Verlobten (Ach, ein seltsames Wort! Eben noch war Epicharis frei und ungebunden, nun war sie verlobt, das konnte sie noch gar nicht recht realisieren.). Sie warf ihm ein heiteres Lächeln zu, wobei eine Haarsträhne sich aus der Frisur löste und sich fortan lustig an der rechte Gesichtsseite entlang zum Hals ringelte. Epicharis bemerkte es nicht einmal. „Ach, schön, dann sind wir uns einig. Ich würde das Verlöbnis nämlich sehr gern feiern. Ich mag Feste jeder Art, auch wenn ich selbst nicht so gern im Mittelpunkt stehe“, entgegnete sie, wobei das nicht so ganz stimmte. Epicharis mochte nicht gern im Mittelpunkt stehen, aber dass sie von sich Reden machen wollte – natürlich im positiven Sinne – war sehr wohl der Fall. Feste boten einen ausgezeichneten Anlass hierfür. „Ich nehme an, diese Feier wird in der Villa Flavia stattfinden? Ich bin etwas unsicher, was die Planungen eines solchen Festes anbelangt, aber das ist auch nichts, was unbedingt jetzt geklärt werden müsste. Ah, nur eines vielleicht: Es sollten ganz unbedingt Kithara- und Lyraspieler anwesend sein.“


    Epicharis nickte bekräftigend und blickte sodann nachdenklich die große Raubkatze mit der stattlichen Mähne an, die ein gelegentliches, leises Knurren ertönen ließ. Ob es jemals gelingen würde, die zwei wunderschönen Tiere zu kreuzen? Und wie würden die Nachkommen aussehen, würden sie schwarz mit heller oder dunkler Mähne sein, oder hell und mähnenlos, mit der länglichen Statur des Panthers? Das plätschern des Brunnens übertönte das Knurren und Fauchen der Raubtiere, wirkte beinahe einschläfernd und veranlasste Epicharis dazu, mit angenehmem Gesichtsausdruck leise zu seufzen. Erst Aristides’ Frage ließ sie erneut den Kopf wenden. Sie musterte seine aristokratischen Züge einen kurzen Moment intensiv, denn sie wusste, welche Frage er sich stellen musste.


    „Ja, das wird die erste Ehe sein. Du fragst dich sicher, weshalb man nicht schon vor einigen Jahren Absprachen getroffen hat... Nun, das hängt damit zusammen, dass ich einerseits die letzten Jahre in Tarraco verbracht habe, da war an eine Heirat nicht zu denken. Andererseits schien meinem Vater lange kein geeigneter Ehemann in Sicht“, erzählte sie und neigte den Kopf leicht, während sie den zu ihrer Rechten sitzenden Aristides betrachtete. Sie lachte kurz auf und hob die Hand, an der nun der wunderschöne Ring steckte. „Das scheint sich allerdings nun geändert zu haben“, entgegnete sie vielleicht eine Spur zu keck, doch das schöne Wetter tat sein übriges bei Epicharis’ Laune, sodass ihr diese unschickliche Bemerkung nicht einmal auffiel. Die weiteren Fragen hörte sie sich zunächst ebenfalls geduldig an, musste aber kurz ein Lachen unterdrücken, als Aristides von ihrer ‚außergewöhnlichen Klugheit’ sprach.


    „Aristides, glaube nie einem Vater aufs Wort, wenn er lobend über seine Kinder spricht“, entgegnete sie mit einem herzlichen Gesichtsausdruck. „Mein Vater hat übertrieben, ich steche ganz gewiss nicht besonders hervor, auch wenn er dieser Meinung ist. Griechischen wie römischen Theaterstücken wohne ich dennoch gern bei - wobei ich die griechischen bevorzuge, sie haben ein ganz eigenes Flair, eine eigene Dynamik. Gladiatorenspiele schaue ich mir auch an, aber wenn ich die Wahl habe, so würde ich Theaterstücke wählen. Das liegt sicherlich auch daran, dass meine Lehrer ausnahmslos Griechen waren. Mein Vater hat Wert auf eine gute Erziehung gelegt“, berichtete Epicharis und dachte kurz daran, dass es doch eigentlich die Mütter waren, die Wert auf so etwas legen sollten. „Ich war bisher nur in einigen Städten in Italia und in Tarraco, das ist alles. Du bist ja viel weiter herumgekommen, wenn ich nur mal an Germanien denke.“ Die letzte Frage verwirrte Epicharis zugegebenermaßen etwas. Sie suchte nach Anzeichen in Aristides’ Gesicht, die bestätigten, dass es sich um einen gesprächslockernden Scherz handeln musste, und wurde auch prompt fündig, denn sie gewahrte das verschmitzte Funkeln in seinen Augen. Das löste nun ihrerseits ein kokettes Schmunzeln aus. „Nein, reiten kann ich nicht. Aber Pferde sind schöne Tiere, und ich beneide manche Plebejerin, über die nicht augenblicklich getuscht wird, wenn sie in der Öffentlichkeit reitet“, entgegnete Epicharis verschmitzt und strich eine Strähne zurück. Wieder fiel ihr auf, dass sie Aristides im Grunde nicht kannte.


    „Erzähl mir etwas von dir“, bat sie ihn daher. „Wie sieht dein Tagesablauf aus, wenn du fern der Legion weilst? Ich meine, unternimmst du viel mit deiner Familie, mit deinen Kindern? Das wird deine zweite Ehe sein, nicht?“

    Wenig später traf Kassandra ein. Epicharis begrüßte die Sklavin mit einem erfreuten Nicken, sie fand, dass Kassandra sich schon recht gut zurecht fand. Und das, obwohl sie doch erst wenige Tage hier war. Die Claudierin rollte nun die drei Briefe, ließ Wachs darauf tropfen und siegelte sie, während sie mit Kassandra sprach. "Das ging aber fix. Ich habe heute einen kleinen Botengang für dich. Diese drei Briefe müssen versendet werden, einer nach Mantua und die anderen zwei nach Germanien. Du müsstest zum Postofficium gehen, das findest du in der Curia Italia. Dort ist eine Wertkarte hinterlegt, von der die Beförderungsgebühr abzuziehen ist. Meinst du, du findest den Weg?" fragte sie und beäugte Kassandra, die ja neu in Rom war. "Es ist eigentlich ganz leicht. Auf das Forum Romanum findest du ganz sicher, du kannst dort einfach jemanden ansprechen. Die Curia ist nicht weit entfernt vom Forum Romanum, quasi um die Ecke."

    Epicharis zog es ins Tablinum, um dort ungestört ihren freundschaftlichen Tätigkeiten nachgehen zu können. Sie hatte drei Briefe zu schreiben, zum Einen an ihre langjährige Freundin Helena, den anderen an Deandra und den dritten an ihre neue Bekanntschaft Albina. Bedauerlicherweise hatte der Sklave, der für die Post zuständig war, den brief von Albina verschlampt, sodass es Epicharis schon fast peinlich war, erst jetzt darauf zu antworten. Zuerst allerdings war Helena an der Reihe. Die Claudierin tauchte die Feder in die rabenschwarze Tinte und begann.



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    Sim-Off:

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    Epicharis legte die Feder fort und das Pergament zur Seite, damit es trocknen konnte, während sie weiterschrieb. Als nächstes war Deandra an der Reihe. Sie überlegte kurz, wie sie Anfangen und was sie schreiben sollte, dann tunkte sie die Feder in die Tinte und begann.



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    Auch diesen Brief legte sie zur Seite, damit er trocknen konnte. Anschließend nahm sie einen tiefen Schluck Wasser und zog einen neuen Bogen Pergament hervor. Nun würde sie noch Albina schreiben. Abermals benetzte sie die Federkielspitze mit schwarzer Tinte und begann zu schreiben.



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    Als auch dieser dritte und letzte Brief geschrieben war. legte sie auch disen fort. Gedankenverloren strich sie über den Ring, den sie von Aristides bekommen hatte. Ein Lächeln schlich sich auf ihr Gesicht, verweilte kurz und wurde von einem kurzen Seufzer unterbrochen. Epicharis wandte sich um und rief nach Kassandra, die sie vor wenigen Tagen erworben hatte. Dies würde nun ihre erste, richtige Aufgabe sein, denn bisher hatte die griechische Sklavin lediglich kleinere Dinge verrichten und Dhara zur Hand gehen sollen. "Kassandra! Kommst du bitte einmal?" rief Epicharis mit heller Frauenstimme.

    Kassandra wirkte erleichtert, und Epicharis bemerkte dies gefällig. Es war stets leichter, wenn man Sklaven hatte, die sich mit ihgrem Los zufrieden gaben und versuchten, das beste aus der Situation zu machen. Kassandra schien sowohl auf den ersten als auch auf den zweiten Blick eine solche Sklavin zu sein. Und Epicharis wäre die letzte, die einer Sklavin die wohlverdiente Freiheit nicht gewähren würde, doch dessen schien sich Kassandra noch nicht klar zu sein, weswegen Epicharis sie aufklärte.
    "Kassandra, irgendwann wirst du mit meinem Segen heimkehren können. Dienst du gut, wird die Belohnung die Freiheit sein", sagte sie. Insgeheim dachte Epicharis noch an eine andere Art der Belohnung, die bei guter Führung sehr viel schneller kommen würde, doch soll diese Belohnung für gute Sklavendienste hier vorerst unerwähnt bleiben. Immerhin sollte sie eine Überraschung sein, die hoffentlich dazu führen würde, dass Kassandra es leichter hatte in der Villa. Wieder kam Epicharis in den Sinn, dass es keinesfalls selbstverständlich war, dass sie sich jedes Mal aufs Neue solche Mühe mit den Sklaven gab. Dennoch tat sie es, teils aus Mitleid, teils aus Eigennutz, denn zufriedene Sklaven waren besser als verängstigte.


    "Das macht rein gar nichts, wirklich. Du kennst dich hier in der Villa noch nicht aus und kennst auch meine Gepflogenheiten und Vorzüge noch nicht, aber das wirst du mit der Zeit schon lernen, da bin ich unbesorgt und du solltest es auch sein." Epicharis schmunzelte, als sie den erwartungsvollen Blick ihrer Sklavin sah und deren Tatendrang vernahm. Sie glaubte, dass Kassandra sich schnell einleben und mit den anderen Sklaven anfreunden würde. "Dhara dürfte gerade auf Nordwin warten und anschließend schönheitsfördernde Salben und Tinkturen mischen. Darin ist sie gut, das ist ihr Spezialgebiet, habe ich mir sagen lassen", erzählte Epicharis und zwinkerte Kassandra grinsend zu. "Bleib doch ruhig noch etwas bei mir. Sag, beherrscht du vielleicht ein Instrument? ich singe gern und würde mich freuen, wenn man mich begleitet. Nordwin ist bedauerlicherweise sehr unmusikalisch, Margarete hat es aufgegeben, ihm das Spielen der Fistula Obliqua (Querflöte) beibringen zu wollen. Vielleicht hättest du Gefallen daran, oder beherrscht du ein anderes Instrument?"

    Aristides schien einen kurzen Moment zu brauchen, ehe er ihre Antwort realisierte, doch dann Lächelte er und tastete an seiner Toga entlang, bis er fündig wurde und seine Hand sich um etwas schloss. Zum Vorschein kam ein blutrotes Seidentuch, das etwas zu verbergen schien. Augenblicklich war Epicharis’ Neugier geweckt, denn das Objekt zog sie in Bann und veranlasste ihren Blick dazu, sich von Aristides’ Antlitz loszureißen und auf das Tuch zu sehen, welches farblich abgestimmt zur Kleidung des Flaviers war. Insgeheim fragte sich Epicharis, ob Aristides wohl selbst dafür Sorge getragen hatte, dass alles einfach perfekt war, oder ob sein getreuer Sklave einen nicht unerheblichen Teil bei der Ausführung dieses Plans gehabt hatte, doch dann fiel das Tuch und schmiegte sich eng an die hellen Kiesel, und Epicharis sog überrascht die Luft ein.


    Sicherlich, ein Schmuckstück zum Zeichen ihrer Absprache war durchaus üblich, doch dieses Schmuckstück, dieser filigrane Ring aus Gold und Silber übertraf ihre Erwartungen bei weitem. Epicharis hielt den Atem an. Nur mit Mühe konnte sie Aristides den Blick wieder zukehren, als dieser einige Worte an sie richtete. Ihr Vater wusste also Bescheid, das war gut – für Aristides. Alle weiteren Worte verursachten bei ihr ein erfreutes Lächeln. Ob sie mit dieser vermeintlich selbstgetroffenen Entscheidung glücklich war, würde sich erst in einigen Tagen herausstellen, wenn überhaupt vor der Hochzeit. Aber, und dieser Gedanke war ihr bereits vor ihrem Entschluss durch den Kopf gegangen, sie war eine Patrizierin aus angesehenem Hause. Ihr Vater wünschte sich, dass das claudische Blut nicht aussterben würde, und da Vesuvianus keinen Sohn hatte und sie seine älteste leibliche Töchter war, sah sie es zudem als ihre Pflicht an, diesem Wunsch nachzukommen. Die Flavier waren angesehen und Aristides ein guter Mann, wenn sie den Erzählungen einiger Leute Glauben schenken durfte, die sie ausgehorcht hatte – ohne dass sie es bemerkten, natürlich. Also gab es für Epicharis nichts, was gegen eine Vermählung mit einem Flavier, insbesondere Flavius Aristides – sprach. Diese Tatsache hatte ihre Entscheidung maßgeblich beeinflusst. Er mochte sich für unbedeutend halten, doch das war er nicht und sie wusste es so gut wie er. Noch war jene besondere Bindung zwischen ihnen nicht geknüpft, weswegen sie hier darauf verzichtete, ihm diese Annahme auszureden. Irgendwann später, vielleicht sehr viel später, wer wusste das schon, würde diese Verknüpfung zwischen ihnen Bestand haben und dann wäre es ihre Aufgabe, ihrem Ehemann Halt und Rat zu geben, ihn zu unterstützen und gegebenenfalls auch zu kritisieren – doch das hatte Zeit und war noch nicht akut.


    Sie schenkte ihm ein zaghaftes Lächeln und warf nun wieder einen Blick auf den Ring, der in diesem Moment den flavischen Daumen und Zeigefinger verließ und ihr angesteckt wurde. Aristides ließ sie nicht los, und Epicharis hatte das Gefühl, dass es etwas bedeuten musste – oder war das bei jeder dieser Situationen derart? Sie drehte die schlanke Hand um eine Winzigkeit in seiner Hand, sodass ein einzelner Sonnenstrahl sich auf eine der unzähligen kleinen Perlen verirrte und sternförmig funkelte. Die feine Gemme aus Elfenbein zeigte ein Abbild der geflügelten Fortuna mit einem winzigen Caduceus. Epicharis sah noch eine Weile selig lächelnd auf den Ring hinab und hob den Blick erst, während sie sprach. „Er ist wunderschön. Ich danke dir....“ Oh weh, sollte sie ihn nun schon beim Praenomen nennen oder wäre das fatal und viel zu früh? Und wäre ein Küsschen angemessen? Ach nein, sie kannten sich doch noch gar nicht! „...Aristides.“ Epicharis entschloss sich schließlich dazu, den Cognomen zu verwenden. Kurz fragte sie sich, wer wohl sein Vater war, denn Aristides bedeutete doch ‚Sohn des Besten’, verwarf diesen wirren Gedanken jedoch gleich wieder und ließ sich bereitwillig von der grollenden schwarzen Katze fort und zur Sitzbank führen. Bei seiner Bemerkung musste sie schmunzeln und lachte leise, als sie sich an ihre Antwort zu dieser Kinderfrage erinnerte. „Ja, das stimmt wohl. Hättest du diese Erklärung umgehend geliefert, hätte ich mich gewiss vor Schreck verschluckt“, gestand sie und lachte. Sie setzte sich neben ihn und ließ sich die Sonne auf den Körper scheinen. Sie fand diese Bemerkung nicht profan, sondern regelrecht erfrischend, denn so konnte man zumindest ein wenig Abstand von diesen schrecklichen Höflichkeitsfloskeln nehmen und sich vertrauter werden, ohne jede Wort dreimal abzuwägen hinsichtlich Opportunität und Dignitas. Die Aufforderung an Epicharis, ihn auszufragen, hätte sich Aristides wohl zweimal überlegen müssen, denn damit hatte er sozusagen den Startschuss zum Pilumwurf gegeben. Epicharis schmunzelte.


    „Oh, da gibt es einiges“, begann sie und lächelte ihn seitlich an. Um besser sprechen zu können, rutschte sie etwas herum, sodass sie leicht schräg zu ihm saß und ihn während des Sprechens ansehen konnte, ohne den Kopf zu drehen. „Da wäre zunächst einmal die einfache Frage nach deinem Alter, wenn du das gestattest. Ich selbst bin neunzehn Jahre alt. Und als was dienst du in der Legion?“ Außerdem interessierte sie, was mit der Frau passiert war, die seine zwei Kinder geboren hatte, aber diese Frage war nichts für den Anfang, also sparte Epicharis sie sich vorerst und fragte stattdessen etwas anderes. „Du hast ganz gewiss mehr Erfahrung als ich in solchen Dingen, aber lass mich dennoch fragen, wie du es mit der Sponsalia halten möchtest. Gedenkst du, sie zu feiern oder schlicht eintragen zu lassen?“ Epicharis blinzelte Aristides an, im Hintergrund saß der Löwe am Gitter und starrte stumpf auf die zwei köstlichen, lebendigen Beutestücke, die so friedlich und nichtsahnend auf der Bank saßen. Ein Jammer, dass er nicht hinaus konnte. „Ich würde auch gern den Rest deiner Familie kennen lernen, wenn du erlaubst.“ Nun schien sie eine Weile nachzudenken. Genaugenommen erinnerte sie sich an den Gesichtsausdruck des Flaviers, als die drei blaugewandeten Damen begonnen hatten zu spielen. „Du magst Musik, nicht?“ fragte sie sodann. Epicharis fiel kurz danach auf, dass sie zu viel und zu schnell fragte, also lächelte sie in Verlegenheit etwas unsicher und forderte ihren Gesprächspartner nun auf „Quid pro quo, nun bist du an der Reihe“ und blinzelte ihm aufmunternd zu.

    Das hätte Epicharis widerum nicht vermutet, denn Kassandra schien eigentlich sehr routiniert zu sein, was das Sklavendasein anbelangte. Während die blonde Sklavin erzählte, betrachtete Epicharis sie sehr aufmerksam und studierte ihre Körperhaltung. Was die Geschichte anging, der sie lauschte, so war Epicharis zum größten Teil eines: Froh, dass ihr nie, niemals so etwas passieren konnte. Dennoch unterbrach sie die junge Frau kein einziges Mal, sondern ließ sie alles in einem fort erzählen. Als Kassandra wieder aufsah und er Claudierin versichterte, dass sie eine gute Sklavin sein würde, konnte Epicharis nicht anders und musste lächeln.


    "Das ist ein ungewöhnlicher Werdegang, Kassandra. Ich nehme an, es wird kaum Wert für dich haben, wenn ich dir sage, dass mir die Umstände leid tun, die zu deiner Gefangennahme führten. Immerhin bin ich diejenige, die dich erworben und damit auch eine Teilschuld daran hat, dass du deine Heimat eine lange Zeit nicht mehr wiedersehen wirst."


    Epicharis schwieg einen Moment, um Kassandra eingehend zu mustern und ihr ein aufmunterndes Lächeln zu schenken. Nach wenigen Augenblicken sprach sie weiter.


    "Ich will dir nun sagen, was ich für Erwartungen habe. Ich verlange Gehorsam, aber keine Akrobatik, mit der du dich derart verrenkst, dass du nicht mehr du selbst bist. Wenn ich dich um Rat frage, möchte ich auch eben jenen hören und möchte nicht, dass du das sagst, was ich gern hätte. Dhara ist meine Leibsklavin. Als neue Sklavin wirst du ihr vorerst zur Hand gehen, wann immer es möglich ist, und die Dinge lernen, die sie beherrscht und welche ihre Aufgaben sind, sofern du sie noch nicht kannst. Ich sagte es ihr und ich sage es nun auch dir, Kassandra, als Leibsklaven genießt ihr beiden einen besonderen Status innerhalb der Sklavenschaft. Ihr beide bekommt besseres Essen, werdet bevorzugt behandelt und mir früher oder später vielleicht sogar Freundinnen sein. Dennoch gibt es auch Strafen. Berichtet man mir, dass du fliehst oder meine Ehre oder die meiner Familie in den Schmutz ziehen, wirst du bestraft werden. Ich erwarte außerdem, dass du anderen gegenüber freundlich bist, solange es keine direkte Anweisung von mir gibt, es nicht zu sein. Da du meine Sklavin bist, wirst du auch von mir geschützt werden, sollte es nötig sein. Meine Sklaven beispielsweise werden von niemand anderem außer mir bestraft, sollte es nötig sein."


    Epicharis hielt kurz inne und lächelte dann erneut. "Das war nun viel auf einmal und nicht alles war angenehm. Hast du denn Fragen, Kassandra? Du sollst wissen, dass ich mich gern unterhalte. Und Fragen sind niemals schlecht, nur die Antworten können mangelhaft ausfallen, also geniere dich nicht."

    Epicharis hatte eine ähnliche Ansicht wie Aristides, was das ständige Richten der Kleidung anbelangte. Glücklicherweise war die Tunika, die sie trug, aus weichem, luftigem Stoff gefertigt, der beinahe von selbst in die ursprüngliche Form zurückfiel. Die wenigen Knitter und Falten, die noch verblieben, hatte Dhara im Nu säuberlich ins Gesamtbild eingepasst, sodass Epicharis guten Gewissens neben Aristides her schlendern und sich dabei umsehen konnte. Hier und dort verbreiteten Blumen und Sträucher herrliche Düfte nach Frühling, der Kies knirschte unter ihrem Füßen und die Edelsteine funkelten im hellen Sonnenlicht dieses Tages. Epicharis gab sich Mühe, angemessen zu schreiten, nicht nur zu gehen. Doch als sie diese Krokodilbrücke erreichen, zögerte sie kurz. Sie tauschte einen besorgten Blick mit Dhara, setzte sich dann jedoch wieder in Bewegung und folgte Aristides nur unwesentlich verzögert. Aus den Augenwinkeln beobachtete sie die trägen grünen Tiere, die scheinbar unbeteiligt im Wasser lagen, aber sicherlich nur darauf warteten, dass jemand oder etwas von der Brücke oder über den Rand fiel. Sie ertappte sich bei dem Gedanken daran, was passieren würde, wenn tatsächlich jemand hinunterfiel. Nicht, dass sie es irgendjemandem wünschte, doch sicherlich würden die Krokodile kurzen Prozess machen und im Nu den Unglücklichen vertilgt haben. Epicharis schauderte kurz und war froh, als sie die Brücke hinter sich ließen und Aristides einen Käfig mit kleinen bunten Vögelchen ansteuerte, vor dem Epicharis kurz stehen blieb und das neckische Spiel der kleinen Piepmätze beobachtete.


    „Krokodile sind garstige Wesen. Sie liegen im Wasser und tun desinteressiert, aber wenn es Fütterungszeit ist, kommt Bewegung in die Sache und sie gehen sogar aufeinander los“, sagte sie und dachte an die Stelle in einem Buch über die Tiere Ägyptens, welches sie einmal gelesen hatte. Sie riss sich vom Anblick der kleinen gefiederten Geschöpfe los und schritt an Aristides’ Seite weiter auf dem schmalen Kiesweg entlang. Ab und zu schien die Sonne durchs Geäst oder durch ein Blätterdach, malte filigran wirkende Muster auf Stoff, Haut und den Weg gleichermaßen. Hinter einem Oleanderbusch, dessen lanzettenartige Blätter bereits die ersten kräftigrosanen Blüten schmückten, gewahrte die Claudierin alsbald ein bläuliches Schimmern. Beim Näherkommen stellte es sich als viele kleine blaue und von der Sonne beschienene Mosaiksteinchen heraus, die miteinander ringende Löwen, sich jagende Leoparden und kreischende Äffchen zeigten. Während Epicharis noch diese einfachen, aber durchaus reizvollen Bilder betrachtete, vernahm sie erneut das tiefe Knurren einer Großkatze. Sie warf Aristides einen vorfreudigen Blick zu und trat noch vor ihm beflügelt und neugierig durch das hübsche Tor hindurch.


    Direkt vor ihr eröffnete sich ein runder, mit Marmorkies ausgelegter Platz, auf dem – passenderweise – Tigerauge und Hämatit funkelten und die Präsenz der Raubkatzen allein durch ihr spärliches Vorhandensein noch intensivierten. Epicharis sog die Luft ein, die hier leicht scharf roch, wie sie es in Gegenwart solcher Tiere immer tat. Aristides’ Erklärung bezüglich der Namen vernahm Epicharis nurmehr am Rande, denn sie war bereits auf dem Weg zur rechten Seite des Säulenganges. Raubkatzen flößten ihr kaum Angst ein, denn es waren doch auch Katzen, nur eben größer und vielleicht etwas wilder. Aber es waren und blieben Katzen, auch bei der eingehenderen Betrachtung.


    Die nähere Betrachtung allerdings offenbarte Epicharis auch, dass die Katzen augenscheinlich frei herumliefen. Sofort stoppte sie ihre Schritte und sah ängstlich zu Aristides hinüber. Der Panther, ein Derivat eines Leoparden, wie sie wusste, streifte hinter einigen Rankpflanzen entlang und knurrte erneut. Epicharis’ Blick glitt zu dem Löwen namens Herkules, dessen prächtige Mähne bei jedem gebieterischen Schritt wallte. Erst jetzt sah sie das Gitter, welches die Katzen daran hinderte auszubrechen. Erleichtert seufzte sie und wagte sich nun doch noch etwas vor. Dass der Besitzer eine Chimera züchten wollte, fand sie absonderlich. Mit locker vor dem Schoß zusammengefalteten Händen wandte sie sich zu Aristides um. Waren nicht Chimeren eine Mischung aus Löwe und Tiger, in Verbindung mit Ziege und Schlange? Mit gerunzelter Stirn folgte sie ihm mit dem Blick, wie er sich auf die weiße Bank mit den dunkelblauen Sitzkissen setzte, dann wandte sie sich erneut um und beugte sich leicht herunter, um die schwarze Katze genauer in Augenschein nehmen zu können. „Wie wunderschön sie sind, so edel und majestätisch. Und sie verursachen keinen Laut mit ihren samtenen Pfoten. Katzen sind herrliche Tiere“, bewunderte sie den Panther, sprach aber zu Aristides dabei. Dabei schien Ira nicht recht als Name zu passen, bedeutete er doch ‚der Friedliche’. Doch vielleicht war der Schwarze im Gegensatz zu den Löwen wirklich noch friedlich. In diesem Moment brüllte der Löwe jedenfalls, und Epicharis wandte sich leicht erschrocken um, um den König der Tiere zu begutachten, welcher gerade seine Mähne schüttelte. Eines war sicher: Aristides hatte inzwischen große Sympathiepunkte bei ihr, denn Epicharis liebte Katzen mindestens genauso sehr wie Brettspiele und Schuhe - und das wollte etwas heißen!


    Den weiteren Verlauf des kurzen Abstechers zu den Raubkatzen hatte sich Epicharis rückblickend allerdings anders vorgestellt. Hatte sie eben noch wissen wollen, woran sie war, so wurde sie nun regelrecht überrumpelt. Das jedoch auf eine charmante Art und Weise. Sie stand noch dort, nahe des Pantherkäfigs und betrachtete den entfernten Löwen und bekam daher nicht die Mühe mit, die Aristides mit der Formulierung der Worte hatte, die nun folgen sollten. Als er jedoch zu sprechen begann, wandte Epicharis ihre volle Aufmerksamkeit auf ihn. Dhara und die anderen, die nahe des Tores standen, waren vollkommen ausgeblendet und ihre Kehle wurde augenblicklich trocken. Es war also so, wie sie vermutet hatte. Ob des vermutlich ernstgemeinten Kompliments lächelte sie und neigte den Kopf leicht nach links, ein Zeichen dafür, dass sie sehr aufmerksam lauschte. In der Ferne zwitscherten Vögel und die Sonne wärmte den runden Platz, auf dem sie zwischen den Raubtieren standen, als Aristides sich erhob und mit langsamen Schritten näher kam. Mit jedem Schritt, der die Distanz zwischen ihm und ihr verringerte, klopfte Epicharis’ Herz eine Spur schneller. Sie war mit einem Mal innerlich sehr aufgeregt, ihr war kalt und heiß und sie war so gar nicht darauf vorbereitet, nun etwas Kluges und Angemessenes zu entgegnen. Der Blick, mit dem er sie maß, schien beinahe durch sie hindurch und auf ihre Seele zu blicken. Epicharis fühlte sich befangen und beklommen, als sie nun zu ihm aufblickte. Er stand so nah, schien sie mit seiner Anwesenheit zu erdrücken, doch Epicharis schluckte und hielt sich tapfer. Die Frage, die folgte, war so gestellt, dass ihr genügend Ausflüchte bleiben würden, wenn sie es denn wollte. Sie blinzelte ihn an, verzog nicht eine Miene und konzentrierte sich auf das wilde Pochen ihres Herzens, um es zu verlangsamen, was jedoch nicht gelang. Sie fühlte sich nun wieder wie ein kleines Mädchen und wäre es in selbigem Moment nur zu gern auch wieder gewesen. Solche Situationen lagen ihr nicht, in denen sie innerhalb weniger Augenblicke eine Entscheidung treffen sollte, die ihr weiteres Leben dauerhaft beeinflussen würde. Doch, so sagte sie sich, bestimmte auch ihr Vater, was aus Epicharis wurde. Und kein Flavier war so dumm, sich nicht an vorgegebene gesellschaftliche Maßstäbe zu halten. Sicherlich hatten sich die beiden bereits über sie unterhalten, schlussfolgerte die Claudia.


    Abermals schluckte sie dezent, wandte kurz den Blick fort und lächelte zaghaft, als sie zu Aristides zurückschaute. Die Aufregung und alles war noch dort, doch Epicharis versteckte sie meisterlich in ihrem Inneren, als sie ihm antwortete. „Flavius Aristides, du sprichst wahre Worte wenn du sagst, dass wir uns kaum kennen. Dennoch habe ich den Eindruck gewonnen, dass du ein ehrenwerter Mann bist, jemand, der prinzipientreu und einfallsreich ist. Meine Antwort lautet also ja – doch ich möchte hoffen, dass auch mein Vater bereits über deine Absichten Bescheid weiß?“


    Epicharis hoffte das für Aristides, denn wenn dem nicht so war, würde Vesuvianus ihn wohl einen Kopf kürzer machen, und das eigenhändig. Sie staunte selbst darüber, wie flüssig ihr diese Zusage über die Lippen gekommen war. In Gedanken war sie bereits wieder zu Hause und verfasste einen Brief an ihre beste Freundin und die Schwester nach Germanien. Was es da nicht alles zu erzählen gab! Bei Iuno, sie würde einen Flavier heiraten! Sie führte ihre kalten Hände zusammen und fragte sich, was sie nun tun sollte. Würde er sie jetzt schon küssen wollen, sie berühren oder...? Epicharis hatte so gar keine Ahnung davon, wie alles nun weitergehen würde. Etwas verloren stand sie vor dem Flavier, der nun also bald ihr Ehemann sein würde.....

    Direkt nachdem sie hier angekommen waren, hatte Epicharis sich zurückgezogen, um einen Brief zu verfassen. Sie hatte eine halbe Ewigkeit nichts mehr von Helena gehört, wusste nur, dass sie inzwischen mit Deandra und Corvinus in Germanien war. Doch ehe sie einen Bogen Pergament hervorziehen und loslegen konnte, fiel ihr ein, dass sie auch noch ihren Vater vom Besuch des Decimers benachrichtigen sollte, ehe ihnen die Wasserzufuhr abgedreht werden würde. So beschloss sie, zuerst einen Brief an ihren Vater zu senden.


    Sie schrieb gerade die Grußformel, als es das erste Mal klopfte. Epicharis hörte es, antwortete allerdings erst, als sie ihren Namen unter den Text gesetzt hatte. Derweil hatte es bereits ein zweites Mal geklopft. Nun rief sie "Komm nur heiren!" während sie über die Tinte blies und darauf wartete, dass sie trocknete, um das Pergament zusammenrollen und siegeln zu können.


    "Das ging aber schnell. Setz dich bitte", sagte Epicharis und deutete auf einen der noch freien zwei Stühle im Raum. "Ich möchte mit dir über deine Aufgaben hier im Hause sprechen, aber damit ich mir zuerst einmal ein Bild von dir machen kann, wüsste ich gern etwas von deiner Vergangenheit. Bei wie vielen Herren hast du zuvor gedient und wie wurdest du behandelt?"

    In Begleitung ihrer beider Sklavinnen und dem Rest der Meute kam Epicharis bald an der Villa Claudia an. Jemand holte etwas, um die Claudierin vor dem niederprasselnden Regen zu schützen, und als der Sklave zurück war, stieg Epicharis aus der Sänfte und eilte durch das Nass hinein in die Villa. Drinnen angekommen, seufzte sie erleichtert auf. Einige Sklaven schafften die Sänfte fort, andere trugen die Einkäufe nach drinnen und Epicharis nahm sich die Zeit, Dhara und Kassandra heranzuwinken.


    "Ich möchte, dass ihr beide euch trocknet und umzieht, Tuniken habt ihr ja nun mehr als genug. Dhara, du wartest bitte auf Nordwin, er soll direkt nach dem Einkauf zu dir gehen und dir die Zutaten überreichen, die du brauchst. Derweil kannst du dich auch in der Culina umsehen und nehmen, was du sonst noch benötigst. Kassandra, dich möchte ich in meinem Zimmer sehen, sobald du dich getrocknet hast. Es gibt einiges zu besprechen, den Rest des Tages wirst du dann noch genug Zeit haben, dich ausreichend umzusehen und mit den anderen Sklaven zu reden", gab Epicharis Anweisung. Nach einem Nicken verschwand die Claudierin aus dem Atrium und suchte ihr Cubiculum auf.

    Epicharis fand diesen Herren mehr als unfreundlich, das spiegelte ihr Gesichtsausdruck sehr deutlich wider. Sie hatte das Gefühl, dass er sich nicht darüber im Klaren war, nur ein kurzweiliger Gast zu sein. Die Nase rümpfend sprach sie, als der Decimer ihr bereits den Rücken zugekehrt hatte: "Mag sein, dass es manche Plebejer nicht schätzen, aber auch unter Patriziern grüßt und verabschiedet man sich. Sharif wird dich hinausgeleiten, da dir an einem weiteren Gespräch offensichtlich genausowenig wie an Höflichkeit Interesse etwas gelegen ist. Bedauerlich, denn ich hielt die Decimer stets für eine Familie, die ebenfalls Wert auf einen angemessenen Umgang legt. In den meisten Fällen, jedenfalls."


    Kaum hatte Epicharis diese scharfen Worte gewählt, wandte sie sich um und ging. Ihre Schritte hallten von den prächtigen Marmorwänden wider und wurden immer leiser, bis sie schließlich ganz verstummten. Sharif indes trat an den Besucher heran, führte ihn wortlos zum Eingang, öffnete die Tür vor und schloss sie hinter dem Mann mit grimmiger Miene.

    Die Wahl der Sandalen ging erstaunlich schnell vonstatten, aber Epicharis war das nur recht. Sie gab Nordwin einen Wink, und irgendwie schaffte er es, dem Sandalenverkäufer das Geld zu geben und keine der Tuniken dabei fallen zu lassen. Inzwischen hatte leichtes Nieseln eingesetzt, und Epicharis verzog das Gesicht. "Na prima. Ich schlage vor, Dhara, du erzählst Nordwin kurz, was du brauchst, er kann dann die restlichen Einkäufe erledigen. Ich möchte eigentlich nur ungern weiter hier herumstehen und viel lieber ins Trockene kommen. Lasst uns dann rasch zur Sänfte zurückgehen und zusehen, dass wir vor dem Wolkenbruch wieder zu Hause sind. Wir haben ja ansonsten alles, was wir brauchen."


    Nordwin runzelte missmutig die Stirn, sagte aber nichts weiter dazu. Er ließ sich von Dhara kurz beschreiben, was sie für ihre Cremes und den ganzen "Kram", wie er es nannte, brauchte, dann verschwand er gen Süden und Epicharis brach mit ihren beiden Sklavinnen und jenen, die sich zurückhielten, zur Sänfte auf. Als sie sie erreichten, begann gerade der richtige Regen. Epicharis war nur froh, dass sie nun bequem Platz nehmen konnte und nicht nebenher laufen musste, wie Dhara und Kassandra es tun würden.


    Etwas weniger als eine halbe Stunde später erreichten sie die Villa Claudia. Epicharis trocken, die anderen vom Regen beträchtlich in Mitleidenschaft gezogen.


    Sim-Off:

    Dhara ist 2 Wochen im Urlaub