Beiträge von Flavia Epicharis

    Glaube und Wille konnten Berge versetzen... Epicharis hätte es lieber gehabt, wenn beides eine große Entfernung zu einer kleinen werden lassen würde, denn dann wäre es möglich, dass Prisca und Deandra, ihre beiden Schwestern, auf der Verlobungsfeier würden erscheinen können. Aber die eine weilte in Germanien, die andere in Hispanien, da war eine rasche Anreise für eine minderwichtige Feier nicht möglich, das wusste Epicharis und sie musste es akzeptieren, auch wenn es ihr nicht gefiel. Hauptsache, sie würden die Hochzeit nicht verpassen. Aber die würde wohl auch weit, weit im Voraus angekündigt werden.


    Vorerst aber hatte Epicharis nur zu Nicken, da sie ihrem Vater schon die Gelegenheit geben wollte, sich frisch zu machen und umzuziehen, ehe sie im Garten speisen würden. Epicharis dachte daran, ihm bei dieser Gelegenheit auch die beiden neuen Sklavinnen vorzustellen, es war immer gut, wenn man wusste, an wen man sich wenden konnte, und auch wenn Vesuvianus vielleicht nicht viel Wert darauf legte, seine Sklaven beim Namen nennen zu können, so war es dennoch Epicharis wichtig, einen Bezug zu den Untergebenen zu haben, denn damit stellte man eine Vertrauensbasis her, die früher oder später durchaus nützlich sein konnte und darüberhinaus für beide Seiten von Nutzen sein konnte.


    "Ich warte im Garten auf dich", fügte sie noch an, sah ihm einen Moment hinterher und wandte sich dann um, um in die Hände zu klatschen."Kassandra, Nordwin, Dhara! Ich habe Aufgaben für euch!" rief sie.

    Irgendwie verhielten sich die beiden doch seltsam - das zumindest flüsterte eine Stelle von Epicharis' Unterbewusstsein. Die Müdigkeit und Dharas Worte aber drängten diese unterbewusste Realisierung dorthin zurück, wo sie hergekommen war. "Das kannst du machen, ehe du mich morgen einkleidest und schminkst, Dhara" sagte Epicharis und nickte. "Sicher ist es nicht besonders wirkungsvoll, wenn die Creme jetzt auf getragen werden würde, direkt auf die Schminke. Besser ist es, wenn wir das abends machen, wenn ich ohnehin niemanden mehr zu Gesicht bekommen werde, das spart dann das erneute Einschminken. Ja, das ist besser. Heute Abend." Dharas Bitte nach weiteren Zutaten konnte sie indes nicht recht nachvollziehen, waren sie doch erst am Morgen auf dem Markt gewesen, und auch, wenn sie des Regens wegen vorschnell wieder hatten heim gehen müssen, so hatte doch Nordwin einiges einkaufen und Dhara aushändigen sollen. Auf Epicharis' Gesicht legte sich ein fragender Ausdruck. "Hat Nordwin nicht alles besorgt, was du aufgeschrieben hast? Oh, dieser Nichtsnutz! Manchmal frage ich mich, warum ich ihn nicht einfach verkaufe", sagte Epicharis und seufzte verärgert, doch im nächsten Moment schon entspannten sich ihre Züge, als Dhara ihre Wunderhände an ihren Kopf legte und damit begann, sanft die Schläfen zu massieren. Die weiteren Worte zogen einfach an Epicharis vorbei, sie versank ganz in Dharas geschickten Bewegungen und nahm lediglich auf, dass diese Berührungen angenehmer werden würden, wenn sie die beiden Sklavinnen in die Stadt gehen und Mandeln kaufen ließ. So war es nicht weiter verwunderlich, dass Epicharis bald darauf nur träge mit einer Hand wedelte und sagte: "Mmmmh....Ihr zwei, besorgt, was immer ihr wollt.... Dhara, die Götter haben dir wunderbare Gaben gegeben...ach, herrlich..."


    Und die babylonische Sklavin hatte recht, denn die Kopfschmerzen schwollen auf ein erträgliches Maß ab und hoben Epicharis' ebenfalls an. "Nehmt Nordwin mit. Er kann euch tragen helfen", schlug Epicharis vor. Außerdem hatte dieser Nichtsnutz damit die Möglichkeit, sein Verfehlen wieder gut zu machen, denn dass er die Hälfte vergessen haben musste, davon ging Epicharis aus - auch wenn es eigentlich nicht so war. Epicharis nahm Kassandra das Wasser ab, trank einige Schlucke und seufzte schließlich erneut. Sie bereute weder den Kauf Kassandras, noch die nette Geste ihres Verlobten, als er ihr Dhara geschenkt hatte. Zufrieden sah sie zwischen den beiden hin und her. "Ah, bald müssen wir auch die Villa auf Vordermann bringen. Es sind teilweise noch die dicken Vorhänge vor den Fenstern, da kann die Sonne gar nicht hereinscheinen. Und im Atrium müssen unbedingt freundlichere Farben vorherrschen als dieses triste Blau der Vasen und Tücher... Ich werde mir etwas überlegen, aber zuerst mache ich ein kleines Nickerchen. Geht nur, geht, ihr zwei. Und llasst euch vom Maiordomus Geld geben, nehmt Nordwin mit."

    Bald tauchte Aristides auf, und Epicharis war die Erleichterung darüber deutlich anzusehen. Nicht, dass sie sich Sorgen gemacht hätte - immerhin war er Soldat und wusste wohl auf sich aufzupassen, außerdem kannten sie sich ja noch kaum, und die Verlobung war auch noch nicht vor dem Gesetz bestätigt und eingetragen und... - aber Epicharis war einfach froh, nicht länger warten zu müssen. Dass jedoch nicht die Sänfte auftauchte, sondern Aristides zu Fuß zum Orakel kam, verwunderte sie zugegebenermaßen etwas. Zudem trug er auch keine Toga, sondern einen Poncho, dessen korrekten Namen sie vergessen hatte. Irgendetwas Militärisches, das wusste sie. Pestula? Sie wusste es nicht mehr, also schob sie den Gedanken fort und lächelte ihrem Verlobten entgegen. "Marcus! Ja, wunderschön ist der Tag. Die Sonne strahlt und die Blumen duften herrlich. Ich habe nicht lang gewartet, keine Sorge. Hast du den Weihrauch bekommen?" erkundigte sie sich und legte forschenden Blickes den Kopf schief. Er wirkte etwas außer Atem, der Gute, und seine Gesichtsfarbe wies einen rötlichen Schimmer auf, auch wenn sie sich zusehends normalisierte. Epicharis schmunzelte, vielleicht sollte er doch mehr Wert auf die eigene Leibesertüchtigung legen statt auf die seiner Probati? Fröhlich - und zum Teil ihre Ehrfurcht vor dem Orakel und die Aufregung damit gekonnt überspielend - deutete sie in die Grotte hinter sich hinein. "Wollen wir hineingehen?" fragte sie mit hörbar zitternder Stimme. Das war nun also der Moment der Offenbarung... Wie würde sie reagieren, wenn das Orakel die Zukunft schwarz wie das Gefieder eines Raben zeichnete? Sie wusste es nicht. Epicharis lächelte tapfer und zwang sich, die ersten Schritte vor Aristides hinein zu tun.


    Kaum hatte die Grotte sie verschluckt, schien der betörende Geruch von Weihrauch, der die Luft schwängerte, auch ihren Körper zu durchdringen. So zäh war die stehende Luft, dass das Atem beinahe schwer fiel und der Verstand etwas erlahmte. Epicharis suchte Aristides' Blick und hätte am liebsten nach seiner Hand gegriffen, um etwas Halt zu haben - sie war wirklich sehr aufgeregt - doch sie hielt sich zurück, widerstand dem Drang danach und warf ihm lediglich einen ängstlich-verlegenen Blick zu. "Hast du schon einmal ein Orakel aufgesucht, Marcus? In Baiae war ich bei einer Sybille....sie war seltsam und weissagte mir irgendetwas mit silbernen Löffeln und einem starken Stier, der-" Oh, die Sybille hatte geweissagt, dass dereinst ein starker Stier kommen und Epicharis zu seinem Opferdolch erwählen würde. Damals hatte die Claudierin nur verständnislos geschaut. Auch Prisca hatte nichts mit dieser seltsamen Weissagung anfangen könne. Nun aber... Epicharis musterte Aristides verstohlen. Wie ein Stier sah er nicht gerade aus, eher wie ein....


    Ehe Epicharis den Gedanken zu Ende denken konnte, trat jemand auf sie zu. Glücklicherweise, mochte man wohl mit Bedacht auf Aristides' männliche Ehre sagen, denn wie ein Adler sah er trotz seiner Nase nicht gerade aus. Epicharis wartete, in der Hoffnung, dass Marcus ihr gemeinsames Anliegen vortragen würde.


    Sim-Off:

    Hihihi :D :P

    Das machte er absichtlich, so viel stand fest. Vesuvianus musste um die Neugier seiner Tochter wissen, denn die begleitete Epicharis seit ihrer Geburt. Sie konnte sich noch gut daran erinnern, wie ein Sklave sie gerade nich rechtzeitig davon abhalten konnte, in einen Brunnen hinabzustürzen, nur weil sie sehen wollte, was unten war, wie sie später berichtete. Die Claudierin schmunzelte und seufzte schweren Herzens, fügte sich aber klaglos, denn etwas anderes würde ihr auch nicht übrig bleiben, wie sie wusste. Den Verlobungsring besah er sich jedoch zur vollsten Zufriedenheit seiner Tochter von verschiedenen Blickwinkeln. Epicharis wies ihn unnötigerweise auf die Gemme hin, indem sie lächelnd darauf wies und erwähnte: "Schau, sie soll Glück bringen."


    Seine Worte waren eine Schmeichelei, und Epicharis erkannte dies. Schmunzelnd legte sie die Hände nun wieder zusammen und musterte ihren Vater. "Ja, es geht mir gut. Flavius Aristides scheint mir ein anständiger Mann zu sein", antwortete sie artig, auch wenn sie sich bei weitem nicht sicher war, ob dieses Gesicht nur zu Werbungszwecken aufgesetzt hatte oder ob er immer so losgelöst und gar nicht politisch-ernst war. Sie dachte einen Moment an den Aufenthalt im Hortus Domesticus und lächelte dabei. "Er hat mich bei einem Mahl im Hortus Lucretius gefragt. Es war sehr nett", fasste sie zusammen. Da sie davon ausging, dass Vesuvianus ohnehin schon Absprachen mit dem Flavier getroffen hatte, ging sie nicht weiter darauf ein, sondern würde sich gedulden, bis ihr Vater Fragen hatte, wenn er sie denn hatte.


    "Es ist schön, dass du hier bist, wie auch immer die Umstände aussehen mögen, Vater. Wenn du dich frisch gemacht hast, könntest du in den Garten kommen, ich werde ein paar Sklaven anweisen, ein leichtes Mahl bereiten zu lassen und dann könnten wir im Hortus speisen, wenn du möchtest?" fragte sie ihn und blinzelte ihm in ganz töchterlich-bezaubernder Weise zu. Das wirkt nämlich immer, wenn man etwas haben möchte.

    ""Ausgehöhlt ist Kumaes Fels zur riesigen Grotte; breit ziehn hundert Schächte hinab, der Mündungen hundert, hundertfältigen Lauts dröhnt auf der Spruch der Sibylle. Kaum an der Schwelle, begann die Jungfrau: 'Zeit ist, zu flehn um Schicksalsspruch. Der Gott, o siehe, der Gott!' So rief sie, stand am Tor, jäh wechselt ihr Antlitz, wechselt die Farbe, hoch auf flattert ihr Haar, hart keucht ihre Brust, voller Wut schwillt wild ihr Herz, hoch wächst sie und wächst, kein sterbliches Wort mehr spricht sie, steht im Anhauch ganz des näher und näher waltenden Gottes."


    Die Worte in Vergils Aeneis, im sechsten Buch, erfüllten Epicharis, die vor dem Eingang zur Grotte auf Aristides wartete. Sie waren zwar nicht in Cumae, sondern in Rm, aber das machte schließlich keinen Unterschied. Epicharis stand neben ihrer Sänfte und wirkte etwas verloren, fragte sich, was heute hier offenbart werden würde, und ob es wirklich eine so gute Idee war, die Sybille über die Zukunft zu befragen. ihre Schwester Prisca hatte nach der Orakelweissagung ihren eingeschlagenen Weg angezweifelt und sich umgewandt, um fortzugehen. Epicharis hoffte inständig, dass dies nicht auch ihr passieren würde, auch wenn man sich da niemals sicher sein konnte. Nervös nestelte sie an ihrer dunkelgrünen Palla herum, die zur weißen und sie unschuldig wirken lassenden Tunika passte. Immer wieder sah sie sich nach einer flavischen Sänfte um, welche wohl jeden Augenblick den Hügel hinauf streben und ihren verlobten heranbringen würde. Der einzige Grund, aus dem Epicharis unbedingt den Orakelspruch hören wollte, war ihr Aberglaube. Niemand, so vermutete sie, war so abergläubisch wie sie. Zumindest niemand aus ihrer Familie. Von Aristides wusste sie bereits, dass er den Worten der Sybille nicht so sehr Glauben schenkte, aber Epicharis war felsenfest davon überzeugt, dass die Worte des Orakels der Wille der Götter waren.


    Hin und wieder waren Schritte aus dem Inneren der Grotte zu hören, mal hörte man leise Schreie und dann wieder ein rhythmisches, an- und abschwellendes Summen, Murmeln und vielleicht auch etwas, das entfernt an Gesang erinnerte. Die Luft war selbst hier draußen schon schwer und erfüllt von den unterschiedlichsten Düften, allen voran Weihrauch. Mit zunehmender Wartezeit nahm auch Epicharis' Nervosität an Intensität zu, wie sie neben der Sänfte stand und den Punkt fixierte, an welchem ihr Verlobter bald auftauchen musste.

    Sie bemerkte wohl, dass er sie einen Moment lang eingehend musterte, doch dazu sagte Epicharis nichts, sondern setzte einfach zum Gegenangriff an, indem sie ihn ihrerseits ebenfalls genauer unter die Lupe nahm. Beim genaueren Hinsehen erkannte sie einige Unstimmigkeiten. Wenn das ein Patrizier war, was sie anhand des halbmondfömigen Knöchelschmucks zu erkennen glaubte, so war er ein äußerst komischer Vertreter ihrer Schicht. Statur, Aussehen und auch die sichtbaren Narben auf den Armen des Mannes erzählten widersetzliche Geschichten und ließen Epicharis skeptisch schauen, auch wenn der Mann sich höflich und in aller Form entschuldigte. Dieser Umstand stimmte Epicharis durchaus etwas milder, und sie ließ sich zu einem - wenn auch nur flüchtigen - Lächeln hinreißen. "Nein, mir geht es gut, auch wenn ich nicht alle Tage umgelaufen werde", entgegnete sie und fragte sich insgeheim, welche schwerwiegenden gedanken den Mann wohl dazu veranlasst hatten, blindlings durch die Welt zu stapfen. Doch sie kannte ihn nicht und hütete sich daher, ihn danach zu fragen. Obwohl nicht verrutscht, ordnete Epicharis ihre Palla mit einigen wenigen Handgriffen und registrierte nebenbei zufrieden, wie der Priester, wie sie wenig später bestätigt bekommen sollte, etwas zurücktrat. Das Lächeln auf ihren Zügen weilte nun einen Moment länger und war diesmal wirklich erfreut. "Ich bin Claudia Epicharis. Es freut mich, dich kennenzulernen, Flavius Aquilius. Deinen Namen habe ich schon einmal gehört", sprach sie und schloss nun beide Hände um das Pergament vor ihrem Körper. "Es gibt in der Tat etwas, das du tun könntest", begann sie alsdann schmunzelnd und mit zur Seite geneigtem Kopf. "Verrate mir doch bitte, wie du verwandtschaftlich zu Flavius Aristides stehst." Diese Bitte mochte den Flavier vielleicht überraschen, aber Epicharis hielt ihr unverhofftes Zusammentreffen inzwischen für einen witzigen Zufall. Jetzt, da sie wusste, dass sie einen Flavier vor sich hatte, war sie auch keine Spur mehr verärgert darüber, dass er sie nicht gesehen hatte. Immerhin bot sich hier die Gelegenheit, die Familie etwas näher kennenzulernen, und diese Gelegenheit würde Epicharis nicht ungenutzt verstreichen lassen. Es war schließlich immer besser, wenn man nicht vollkommen ahnungslos in eine Sache hineinschlitterte, sagte sie sich, und da konnte es nicht schaden, Aristides' Verwandtschaft vor der Feier kennenzulernen. Leontia kannte sie ja bereits, und auch von anderen Flaviern hatte sie schon gehört, wenngleich sie sie auch (noch) nicht kannte. Da fragte sie sich, ob Aristides wohl seinen Verwandten von ihrer Abmachung erzählt hatte. Vorweggreifen wollte sie ihm eigentlich nicht. Andererseits...vielleicht wusste Aquilius bereits Bescheid. Epicharis würde es im Gespräch herausfinden.

    Epicharis bemerkte wirklich nichts, wie man über sie sprach. Ihre Aufmerksamkeit war voll und ganz auf den Akrobraten gerichtet, der nun so tat, als kippte er und falle um, dann aber grinste und sich mit einem monströsen Satz wieder auf seine zwei Beine beförderte. Epicharis klatschte begeistert, und man reichte ein kleines Säckchen herum, das anfangs noch leer war und in dem es nach der Vollendung seiner Runde durchs Publikum melodisch klingelte. Epicharis wandte sich an Nordwin. "Gib ihm auch etwas", forderte sie ihn auf, noch immer klatschend.


    Die Vorstellung schien damit jedoch fürs erste beendet zu sein, die Menschenmenge löste sich allmählich auf und auch Epicharis wandte sich um, um ihren Weg den Hügel hinauf fortzusetzen. Bedauerlicherweise war sie mit niemandem außer ihren Sklaven hier, was recht schade war. Tiberia Albina hätte sie recht gern wieder gesehen, doch nach Mantua würde sie wohl nun nicht mehr reisen, denn ihr Vater war ja inzwischen hier in Rom. "Gibt es in Babylonien auch solche Feste? Und in Griechenland?" fragte sie Dhara und Kassandra interessiert, während das kleine Grüppchen immer höher emporkletterte. Weit kamen sie allerdings nicht, denn weiter oben standen einige Männer um ein ziemlich alt aussehendes Fass herum, das mit Wasser gefüllt war und in dem Äpfel schwammen. Epicharis hob eine Braue und betrachtete die nun stattfindende Prozedur skeptisch. Wie konnte ein Mann, der nicht wollte, dass man in der Öffentlichkeit über ihn lachte, seinen Kopf freiwillig in ein Fass stecken, um nach einem Apfel zu schnappen? Das musste ein ausländischer Brauch sein, ein germanischer vielleicht. "Macht man das in Germanien, Nordwin?" fragte sie ihn, sah jedoch weiter zu einem vollkommen patschnassen Mann, der glücklich grinste, weil er einen Apfel aus dem Wasser gefischt hatte. Das musste wohl ein unbedeutender Plebejer sein, schlussfolgerte Epicharis. Ein patrizier würde bei so etwas nie mitmachen, und ein höher gestellter Plebejer wohl auch nicht.

    "...und dann den hier zwei Felder nach rechts? Nein..das ist gegen die Regel. Aber der hier könnte...." murmelte Epicharis und sah überrascht auf, als Kassandra eintrat. Sie musste wohl länger hier gesessen haben, als sie angenommen hatte. Der Weg zum Postofficium war nicht in zehn Minuten gegangen, und dass Kassandra schon wieder hier war, bewies, dass Epicharis sicherlich eine gute Stunde damit verbracht haben musste, mit sich selbst zu spielen und gegen sich zu verlieren. Dieses komische, keltische Fidchell-Spiel war wohl nicht für römischen Verstand ausgelegt, dachte sie frustriert und schob das Spielbrett bedauernd fort.


    "Oh, du bist schon wieder da? Das ging ja fix. Hast du es denn gleich gefunden?" fragte sie die Griechin, griff nach ihrem Becher und trank einen tiefen Schluck Wasser.

    Die beiden Träger warfen nur einem Punkt hinter Epicharis einen Blick zu und hasteten sodann mit demütig gesenktem Blick weiter. Ein anflug von Zorn keimte in der jungen Dame auf, sie mochte es nicht, wenn ihre Fragen von Sklaven ignoriert oder umschifft wurden. Dennoch ließ sie die beiden einfach gehen und spähte nun wieder nach draußen. Die Brust hob und senkte sich noch schnell vom raschen Lauf hierher, doch ungeachtet dieser Tatsache tat Epicharis zwei, drei weitere Schritte und stand schließlich kaum hinter der Porta, um sich verstohlen nach rechts und links umzusehen. Kein Vesuvianus in Sicht, nur eine Reisesänfte, ein halb abgeladener Karren und eine Hand voll Sklaven. Grübelnd runzelte sie die Stirn und fragte sich, wo er wohl abgeblieben sein musste, als dicht hinter ihr eine bekannte Stimme erklang. Epicharis fuhr erschrocken zusammen und wandte sich rasch um. Vor ihr stand er - die Götter allein wussten, wie er von ihr unbemerkt ins Haus gekommen war. Dass er vielleicht vor ihr das Atrium betreten hatte, daran dachte Epicharis nicht.


    Augenblicklich erstrahlte ihr Gesicht und sie umarmte ihren Vater kurz, aber innig. Sie war bester Laune und freute sich auf diesen unverhofften Besuch. "Du bist da", erwähnte sie vollkommen unnötig, denn diese Tatsache lag immerhin auf der Hand. Während die beiden Träger an ihnen vorbei gingen, um ein weiteres Gepäckstück ins Innere der Villa zu befördern, ließ Epicharis von Vesuvianus ab und musterte ihn. Sie wusste nichts von seiner Entlassung, wie auch, und dementsprechend verwundert war ihre Frage. "Wie hast du es angestellt, eine Genehmigung für einen augenscheinlich längeren Urlaub zu bekommen?" wollte sie mit begleitender Geste auf die Gepäckstücke und abschätzender Miene wissen, doch sie ließ ihm kaum Zeit, die Frage zu beantworten. "Ach, es ist ja so viel passiert! Ich habe zwei neue Sklaven erworben. Ach, und schau!" forderte sie ihn auf und präsentierte ihm den verschlungenen Verlobungsring mit den winzigen Perlen in den Aussparungen.

    Ja, doch, das klang recht logisch, fand Epicharis. Auch, wenn sie Kassandra ja absichtlich weggeschickt hatte. Aber Dharas Worte erscheinen einleuchtend, und außerdem verspürte Epicharis tatsächlich etwas Durst. "Nun ja, dann will ich euch mal glauben. Etwas Wasser wäre übrigens wirklich nicht schlecht", gab sie also zu und nickte flüchtig. "Für heute ist sonst nichts weiter geplant, vielleicht werde ich später etwas weben oder finde jemanden von der Familie, der mit mir spielt, mal sehen. Aber ersteinmal möchte ich ein Nickerchen machen, ich fühle mich nicht gut, mein Kopf schmerzt etwas." Epicharis überlegte. Kassandra stand nicht weit von Dhara entfernt, sagte aber nichts. Die beiden wirkten, als seien sie wirklich dicke Freundinnen geworden, und das in der kurzen Zeit. Ob Epicharis ihnen das abkaufen sollte? Nun ja, vorerst entschied sie sich, das Gesehene zu glauben. Ob es stimmte oder wie es sich weiterentwickeln würde, würde sie ja später sehen. "Ah, da fällt mir ein...habt ihr zwei nicht Lust, Nordwin zu begleiten? Ich möchte, dass er, wenn der Regen aufgehört hat, noch einmal in die Stadt geht. Er braucht eine neue Rosenschere, sie ist ihm bedauerlicherweise heute früh zerbrochen. Das habe ich vorhin ganz vergessen. Hier könnt ihr ohnehin nicht viel tun gerade, außer mir beim Schlafen zusehen vielleicht", fügte sie hinzu und zwinkerte die beiden an. Damit hatte sie zwar unwissentlich der Frage vorweg gegriffen, aber da die zwei ohnehin in die Stadt wollten, war das wohl nicht weiter tragisch. "Dhara, die Maske tragen wir dann vor dem Zubettgehen auf?"

    Es war Epicharis ein Gräuel gewesen, bei diesem wunderbaren Sonnenschein auf dem claudischen Anwesen bleiben zu müssen. Zwar war der Garten wirklich nett, doch konnte er ihr schon lange keine Abwechslung mehr bieten. So hatte sie sich kurzerhand dazu entschlossen, die Bibliothek der Schola aufzusuchen und sich ein bekanntes Werk auszuleihen, welches nicht in der hauseigenen Bibliothek aufzufinden war. Nach längerem Stöbern - Nordwin hatte bereits mit den Augen gerollt, als er glaubte, sie sähe es nicht - hatte sich die junge Claudierin schließlich für ein Werk von dem weniger bekannten Diogenes von Apollonia entschieden und es entliehen. Nun schlenderte sie recht gemächlich und mit der Nase bereits im Buch steckend am Tempel des Mars vorbei. Diogenes schrieb von der Welt und deren Bestandteile, und es klang wahrhaftig logisch, wenn er beschrieb, dass der Grundstoff der Elemente Luft war. Zweifelsohne eine unübliche Literatur für eine junge Patrizierin, doch Epicharis war schon immer recht eigen gewesen, was Interessen und Wissensgebiete betraf. Solange ihr Vater nicht erfuhr, dass sie sich für Politik interessierte, und die ganze restliche Männerwelt keinen Verdacht schöpfte und sie anschließend für zu gescheit hielt, war es durchaus interessant, sich damit zu befassen. Gleiches gilt für Naturwissenschaftliche Dinge, wie 'De Natura' eines war.


    Sie sah auf, als der Schatten einer Person die Seiten des Buches für einen kurzen Moment verdunkelte, ihre rosigen Lippen teilten sich, um eine Warnung auszusprechen, doch da war der Priester - es musste einer sein - schon heran und stieß unsanft mit ihr zusammen. Nordwin war mit einem Satz zur Seite und bereit, doch nachdem Epicharis einen erschrockenen wie verärgerten Laut ausgestoßen hatte, schüttelte sie in seine Richtung den Kopf und blickte den Mann dann wieder verärgert an. Er war Patrizier, wie sie taxierend feststellte.


    "Welch unrühmliches Zusammentreffen, im wahrsten Sinne des Wortes", entgegnete sie sarkastisch und wartete auf eine formvolle Entschuldigung. Dass sie dabei selbst vom Weg abgekommen war und ihre Schritte inzwischen über den spärlichen Rasen der Tempelanlage und damit direkt auf den Mann zu geführten hatten, tat dabei nichts zur Sache - fand sie.

    Eigentlich stand Epicharis wie beschrieben noch immer mit den anderen nahe des Akrobaten und staunte über dessen Kunststücke. Gerade machte der kleine Kerl einen Kopfstand und trötete dabei aus einer kleinen Pfeife, kullerte mit den Augen und wackelte mit den Füßen. Epicharis applaudierte begeistert und lachte ausgelassen. Sie mochte solche Art der Unterhaltung, und auch ein finster dreinschauender Nordwin konnte ihr die Laune nicht verderben, nur weil er griesgrämig die Decke hielt und böse Blicke verteilte. "Sieh nur!" rief Epicharis, als der Mann die Hände gen Himmel reckte und nurmehr mit dem Kopf die Erde berührte. Umherstehende staunten, so auch die Claudierin. Dass sie dabei eine Frau angesprochen hatte, die einen kleinen Hund hielt, war ihr gar nicht so bewusst.

    Der Morgen war schon fortgeschritten, als ein Sklave Epicharis eine Nachricht überbrachte, die sie zugleich überraschte wie erfreute. Der Nubier hatte ihr nämlich mitgeteilt, dass der Hausherr zugegen, sozusagen eben angekommen war. Die junge Frau hatte mit so ziemlich allem gerechnet, nur nicht mit dem Erscheinen ihres Vaters hier, zumal es wirklich überraschend war und er sich nicht vorher angelündigt hatte. Epicharis hatte den Sklaven fort gescheucht, er sollte fix das Zimmer für Vesuvianus bereiten. Sie selbst war indes die Stufen der marmornen Treppe förmlich hinuntergeflogen, war mit ausgreifenden Schritten und fliegenden Gewändern am still daliegenden Impluvium inmitten des Atriums vorbei geeilt und war nahe einer Säule zum Stillstand gekommen, um um ihren Atem zu ringen. Gerade noch rechtzeitig, wie sie fand, denn die Tür stand bereits offen und zwei Sklaven schleppten eine Kleidertruhe herein. Epicharis machte einen langen Hals und spähte an ihren Köpfen vorbei nach draußen, aber Vesuvianus konnte sie nirgends erkennen. Auf die Idee, dass er bereits im Haus sein konnte, kam sie erst gar nicht. "Wo ist er?" fragte sie einen der beiden Träger. Sie brannte darauf, ihm von Aristides zu berichten, hatte zudem noch einige andere Dinge mit ihm zu besprechen. Famos, dass sie der Angelegenheiten willens nicht nach Mantua reisen musste!

    Kaum öffnete sich die Tür ein Stück weiter, erkannte Epicharis Dhara, und hinter ihr auch Kassandra. Sie hatte nicht die Absicht, die Sklavin zu unterbrechen. Zwar war es unhöflich, nicht anzuklopfen, doch gehörte sich für einen guten Sklaven auch, dass er wusste, was der Herr - oder in diesem Fall die Herrin - brauchte und wollte, ohne dass man es ausdrücklich sagen musste. So verzog Epicharis nicht eine Miene, sondern sah den beiden nur entgegen, während Dhara munter weiterplapperte. Die Erwähnung der fertiggestellten Maske indes zauberte ein verhaltenes Lächeln auf Epicharis' Züge, und den Versprecher überhörte sie mit Absicht. Kassandra schien der Redefluss der babylonischen Sklavin nicht zu stören, im Gegenteil, die beiden wirkten sehr vertraut miteinander, und Epicharis gefiel der Umstand, dass die beiden sich wohl mochten.


    "Ah, ich denke, mein zukünftiger Gatte wird nicht erfreut sein, wenn alle deine Tinkturen eine solche Wirkung auf Männer haben werden, Dhara", entgegnete Epicharis amüsiert schmunzelnd und beugte sich etwas vor. "Kommt herein, ihr beiden. Wie ich sehe, habt ihr euch näher miteinander bekannt gemacht? Das ist gut." Die Faszination Dharas erschien Epicharis auf irgendeine Weise seltsam, und als Kassandra einstimmte und ins gleiche Horn stieß, musste Epicharis schmunzeln. Sie wurde an Kinder erinnert, die etwas ausgeheckt hatten und nun die Strafe mit freundlichen Worten abzumildern suchten. Schelmisch kniff sie die Augen zusammen, augenscheinlich prüfend dreinblickend, doch sie konnte das Grinsen nicht ganz verdrängen. "Na, was habt ihr angestellt, dass ihr mir Honig um die Lippen schmiert?" hakte sie nach und lachte anschließend kurz.



    Es war ein wirklich herrlicher Frühlingstag. Vielleicht war es ein ebensolcher Tag gewesen, an welchem Romulus die erste Ackerfurche gezogen hatte, um die Stadt Rom zu erbauen. Epicharis trug an diesem Tage eine schlichte, erdfarbene Tunika und einfache Goldcreolen, um zur Schau zu tragen, dass sie sich ihrer Wurzeln erinnerte. Ebenso hatte sie sich zur Feier des Tages mit der Sänfte lediglich an den Rand des Esqulin bringen lassen, dessen grün ansteigende Hänge sie nun selbst erklomm. Mit ihren beiden Sklavinnen und sechs Leibwächtern schritt sie vorbei an vielen Menschen, vorwiegend jungen Gesellen, die das schöne Wetter auskosteten und den Festtag zum Anlass nahmen, reichlich Wein zu verkosten. Auch die claudische Abordnung führte einen Korb mit sich, in welchem sich Obst, Käse, Brot und andere kleine Köstlichkeiten befanden. Nordwin trug eine Decke, es würde demnach eine antike Form des Picknicks werden.


    Gerade passierten sie einen Panflötenspieler, und Epicharis blieb stehen, um einen Moment zu verweilen und dem Spiel zu lauschen. Ein kleiner Mann machte allerlei lustige Verrenkungen zur Musik, einige Leute lachten, manche klatschten und andere wiederum beachteten das Spiel kaum. Epicharis jedoch fand es famos. "Kassandra, Dhara, seht nur, er kann den Körper biegen wie eine Peitsche!" rief sie fröhlich aus und deutete auf den Mann. Ach, welch herrlicher Tag! Epicharis war guter Dinge, Nordwin hingegen schien brummig wie immer. Die Luft war erfüllt vom Duft der Räuchergaben, die überall in Rom brannten und deren weißer Rauch in langen, dünnen Türmen zum Himmel aufstieg, um die Götter in der Nase zu kitzeln. Alsbald würde auch das Opfer stattfinden, ein Lämmchen, das der Pales geopfert werden würde.


    Epicharis würde hierbleiben, bis der Tag ausklang und am Fuße des Esquilin ein Feuer entzündet werden würde, um die Riten dieses Festtages zum komplettieren.

    Nachdem Kassandra gegangen war, hatte sich Epicharis eine Weile damit beschäftigt, in ihrem Zimmer auf und ab zu gehen und leise zu summen. Sie überlegte, wie sie die Aufgaben am besten verteilen sollte, ohne dass sich Dhara oder Kassandra bevorzugt fühlte. Bei Kassandra hatte sie weniger Bedenken, doch Dharas Geist erschien ihr sehr viel direkter und bestimmender. Sie hoffte, dass die beiden sich verstehen und nicht streiten würden, aber das würde die Zukunft zeigen und war jetzt wohl noch viel zu früh.


    Nach einer Weile hatte sie beschlossen, Kassandra eine Weile Dhara zu überstellen, damit diese die Griechin einführen konnte, da Kassandra noch nicht das Sklavendasein gewohnt war. Um Nordwin machte sie sich keine Sorgen, sie besaß ihn lediglich zu Schutzzwecken und für grobe Arbeitern wie jene im Garten oder schwere Arbeiten im Haus, bei denen er den anderen Sklaven helfen sollte. Botengänge gehörten ebenfalls dazu, so manches Mal. Schließlich hatte sich Epicharis in den Lehnstuhl gesetzt, der vor ihr der Tante in Tarraco gehört hatte. Er schaukelte so herrlich vor und zurück, da hatte sie darum gebeten, ihn mit nach Hause nehmen zu dürfen. Dieser Stuhl hatte also ziemlich viele Kilometer auf dem Buckel, denn wenn Epicharis nach Mantua reiste, so reiste der Stuhl mit und später wieder mit ihr zurück nach Rom. Ein Vorteil (manches Mal auch ein Nachteil) des Schaukelstuhles war es, dass der Schaukelnde recht schnell einschlief bei dem monotonen Schaukeln. So war es der Claudierin auch dieses Mal ergangen. Draußen prasselte immer noch Regen ans Fenster, wenn er auch schon nachgelassen hatte, und Epicharis' Kopf war auf die Schulter gesunken.


    Allerdings erwachte sie, als jemand die Tür öffnete. Nordwin, dachte sie ärgerlich. Diese Tür benötigte mehr Öl in der Woche als eine Lampe, so sehr quitschte sie, wenn sie nicht regelmäßig geölt wurde. Epicharis seufzte ergeben und hob den Kopf. "Na nun komm schon rein", sagte sie mürrisch, denn ihr war der Umstand nicht entgangen, dass man nicht geklopft hatte. Allerdings wusste sie auch nicht, wer vor der Tür stand und wartete.

    Epicharis fand es amüsant, dass ihre Sklavin sich vor den Tieren verbeugte, doch sie sagte nichts dazu und setzte sich mit Aristides an ihrer Seite in Bewegung, um zum Plateau und damit auch zu den Nachspeisen zu gelangen. Die kleinen Blütenboote würdigte sie nur eines flüchtigen Blickes. „Vielleicht hast du Recht, aber für dich klingt es trivial, während diese Dinge für einen Außenstehenden interessant anmuten“, gab Epicharis zu bedenken, während der Kies leise unter ihren Füßen knirschte. Tigerauge funkelte in der Sonne und Epicharis’ Haar glänzte, was eindeutig Dharas Verdienst war. Diese ganzen Militärangelegenheiten kamen ihr wie die Bücher der Sybille vor, sie verstand kaum ein Wort und konnte nicht nachvollziehen, warum man Regelungen modernisierte und kurze Zeit später wieder rückgängig machte. Die Erzählung, Familien betreffend, ließ Epicharis etwas erschrecken. Nicht, dass sie sich etwas derartiges nicht vorstellen konnte - doch dass es tatsächlich Gang und Gebe war, war doch erschreckend. Sie hätte das niemals für sich billigen können, eine Ehe zu führen ohne den Sitten gemäß verheiratet zu sein. Aristides’ Worte ließen in ihr genau jenen Gedanken aufkeimen von dem er hoffte, sie hätte ihn nicht. Sie warf ihm einen skeptischen Blick zu, verzichtete jedoch darauf, ihn zu fragen, ob auch er eine oder mehrere solcher „Ehen“ führte oder geführt hatte. Immerhin war er ein Patrizier, ein Ehrenmann. Da wäre es fatal, wenn sie ihm dies unterstellte, und es würde die Vertrauensbasis in ihren Grundfesten zerstören, die sich gerade im Aufbau befand. Epicharis wischte den Gedanken also fort und ging nicht darauf ein.


    Seine wie nebenbei erwähnte Bemerkung klang da schon sehr viel redenswerter und interessanter, obwohl Aristides sie für belanglos und langweilend hielt. Epicharis blinzelte ihn überrascht an und ging zuerst auf die Wahl ein. „Ein Verlöbnis ist ein Heiratsversprechen, Marcus. Ob die Riten nun in diesem Jahr oder erst im nächsten vollzogen werden, hängt zwar in erster Linie von deinem Austritt aus der Legion und deiner Kandidatur ab, du sollst aber wissen, dass ich mein Wort nicht leichtfertig gebe und warten kann, wenn es nötig ist.“ Dabei nickte sie angedeutet und lächelte flüchtig. Außerdem war dieser Umstand sicher auch ihrem Vater bewusst gewesen, als er sein Einverständnis erteilte, also blieb ihr ohnehin nichts anderes übrig. Wenn sie schon heiraten musste, so wollte sie ihrer Familie Ehre machen, und das würde sie sicherlich nicht, wenn sie ungeduldig und furienhaft war. Nun wollte sie auf den nebenbei erwähnten Satz in Aristides’ Bemerkung antworten, der zudem leicht besorgniserregend war. „Du sagtest, dass das Gerücht eines größeren Einsatzes umgeht? Wie kann das sein, ist denn die Erste Legion nicht für die Sicherung des Kernlandes des Imperiums zuständig?“ fragte Epicharis mit leicht besorgtem Unterton in der Stimme. Ihre Frage mochte ein wenig naiv klingen, doch das verstand sie einfach nicht. Hier in Italien war doch keine große Bedrohung auf dem Vormarsch, welcher große Einsatz sollte denn geschehen?


    Während sie das blaue Tor mit den Tiermotiven passiert hatten und weiter auf den verschlungenen Wegen wandelten, kam eine leichte Brise auf, welche Toga und Tunika des Pärchens erfrischend aufbauschte und umspielte. Die widerspenstige Haarsträhne löste sich erneut aus Epicharis’ Frisur, doch sie merkte es nicht. Viel zu sehr war ihre Aufmerksamkeit auf das Gespräch gerichtet, das sich inzwischen wieder um die Spiele drehte. „Cantorix heißt der gute Mann. Wenn du einmal die Zeit findest, werde ich dir seinen Stand auf den Märkten gern zeigen“, versprach sie. „Sicherlich gefällt dem kleinen Serenus auch die Herausforderung im Spiel.“ Dessen war sie sich zwar nicht so sicher, weil der „kleine Serenus“ ihr ziemlich ruppig und impulsiv vorkam, aber es war eine freundliche Geste, ihn zu erwähnen. Epicharis lächelte begeistert, und diese Begeisterung ließ auch ihre Augen strahlen, als Aristides sie nach dem ägyptischen Spiel fragte. „Weder noch. Ich bin seit geraumer Zeit auf der Suche nach einem original ägyptisch anmutenden Spielbrett des Senet. Cantorix bezieht seine Ware bedauerlicherweise nur aus dem Norden, weshalb er Senet nicht im Sortiment hat. Es unterscheidet sich zwar kaum vom Ludus Duodecim Scripta, aber wenn man diese ägyptischen Schritbilder auf dem edlen Holz vor sich hat, so zeichnet das doch ein gänzlich anderes Flair, meinst du nicht?“ Sie schmunzelte und setzte sich. Die drei Sklavinnen hatten erneut mit der Musik eingesetzt, als Aristides und sie um die Ecke gebogen waren, sodass nun erneut liebliche Musik durch den Garten schwebte. Epicharis seufzte verhalten zufrieden auf und legte nun auch die Beine auf die Kline. Derweil hatte man die Speisen mit süßem Allerlei ersetzt. Die Claudierin ließ ihren Blick über das dargebotene Sortiment schweifen und entschied sich ebenfalls für kandierte Rosenblätter, dazu einige Datteln. „Ja, nicht wahr? Ich war auch verwundert. Die Regeln sind wirklich ziemlich komplex, aber das Spielen stellt damit eine Herausforderung dar“, erwiderte sie und biss ein Stück einer Dattel ab.


    Einen Moment sann sie über den bisherigen Verlauf des Gesprächs nach und stellte fest, dass sie sich erstaunlich gut mit dem Flavier – ihrem Verlobten – unterhalten konnte. Das war sicherlich nichts selbstverständlich. Epicharis beschloss, erneut das Thema auf ein vorheriges zu schwenken. „Ich würde gern das Orakel zu unserer Verbindung befragen. Es wäre schön, wenn du mitkommen würdest“, sprach sie und warf Aristides einen kurzen Blick zu, ehe ein kandiertes Rosenblatt zwischen ihren Lippen verschwand und sie sich erneut etwas von dem Wein reichen ließ. Die Nachspeisen waren eine klebrige Angelegenheit, weswegen die Sklaven mit den Wasserschalen kaum mehr von der Seite der beiden Patrizier wichen, es aber dennoch verstanden, sich dezent im Hintergrund zu halten. Epicharis lenkte ihren Blick erneut auf die Silhouette der ewigen Stadt. Sie genoss das sich ihr bietende Bild und drückte dies in einem Lächeln aus. „Manchmal vermisse ich Rom, wenn ich in Mantua bin. Gegen die pulsierende Stadt ist Mantua wie ein kleines Provinzstädtchen, jeder kennt jeden und es gibt nicht viel, was man unternehmen könnte.“ Sie wandte sich wieder zu Aristides um. „Eine Reise nach Africa würde mich sehr reizen. Mehr noch als der Schnee im Norden. All die Wildtiere, das fremde Klima und die Lebensweise, das muss herrlich sein. Wie ist Alexandria? Dort gibt es doch eine große Bibliothek, nicht wahr? Warst du einmal dort?“

    Es freute Epicharis, zu sehen, dass sich die Sklavin allmählich entspannte, denn das war unübersichtlich. Dennoch sah sie dem Vorschlag, ein Instrument zu erlernen, eher skeptisch entgegen. Ihr Vater hatte aus gutem Grund sein Missfallen darüber geäußert, damals, und sie ging nicht davon aus, dass sich seine Meinung inzwischen geändert hatte. "Ich muss mal sehen, Kassandra. Instrumente zu spielen gehört nicht zu den Dingen, die eine Patrizierin tun sollte, und wenn, dann nur unter Veschluss. Vielleicht bitte ich meinen Vater darum, das Spielen der Kithara erlernen zu dürfen, aber vorerst muss es wohl beim Singen bleiben." Epicharis seufzte ungeniert und fuhr sich mit den Fingerspitzen der linken Hand über die hochgesteckten Strähnen, um zu überprüfen, ob noch alles an Ort und Stelle saß. Eine Massage hätte sie nun gut gebrauchen können, doch bedauerlicherweise verneinte Kassandra. Epicharis musterte sie eine kurze Weile, dann sagte sie: "Ach, naja, alles ist zu erlernen. Du könntest Dhara fragen. Ich denke, sie versteht sich auf lockernde Massagen. Falls sie das tut, möchte ich, dass sie dir einige Handgriffe zeigt." Epicharis nickte untermalend. "Das wird heute deine einzige Aufgabe sein, ansonsten darfst du dich gern hier in der Villa und auf dem Anwesen umschauen und dich ausruhen oder ein Bad nehmen. Sicherlich bist du müde, ich an deiner Stelle wäre vermutlich bereits eingeschlafen", sagte sie und zwinkerte der Sklavin zu. Anschließend erhob Epicharis sich. "Das wäre vorerst alles, Kassandra. In alles weitere wirst du gewiss mit der Zeit hineinwachsen. Dhara wird vermutlich irgendwo die Salben für mich bereiten. Du kannst jetzt gehen. "