Beiträge von Nikolaos Kerykes

    "Ehrenwerter Eparchos, ich muss dich vielmals für den Aussetzer meines verehrten Kollegens um Verzeihung bitten.", fiel Nikolaos Cleonymus ins Wort. Das war zwar nicht besonders nett von ihm, aber eine andere Möglichkeit, den Schaden zu begrenzen, den der Kosmetes sich anzurichten gerade anschickte, schien ihm nicht in Aussicht.


    "Er klagte schon vor unserer Zusammenkunft im Tychaion über Nervenschmerzen und vernebelte Gedanken. Allerdings bestand er darauf, bei unserem Antrittsbesuch bei dir dabei zu sein.", sagte Nikolaos kaltblütig, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken oder zu erröten.


    "Ich wage zu hoffen, dass es nichts Ernstes ist. Vermutlich liegt es lediglich am Wetterumschwung, die Regenzeit schließlich nähert sich ihrem Ende. Der ehrenwerte Kosmetes ist sicher schon morgen ganz wiederhergestellt."


    Freundlich sah er den Satrapen an. Er versuchte, in dessen Gesichtszügen zu lesen. Ein übersehenes oder falsch gedeutetes Zeichen konnte ein Unheil zur Folge haben.


    "Überhaupt ist der ehrenwerte Kosmetes zwar ein sehr guter und tüchtiger Mann, in der Wahl seiner Worte jedoch zuweilen etwas ungeschickt. Daher bitte ich dich um Verzeihung, falls er dein Missfallen erregt haben sollte."


    Wieder ein prüfender Blick.


    "Ehrenwerter Kosmetes, wenn dir nicht gut ist, so kann ich nach einem Diener aus meinem Hause schicken lassen, der dich nach Hause bringt oder zu meinem Haus, wo du ausruhen könntest."

    Nikolaos gefiel, dass der Junge seinen Verstand benutzte.


    "Niemand ist getötet worden, nur belästigt und bedroht. Die Einbrecher sind gefasst worden, und haben den Auftraggeber verraten."


    Er sah den neuen Schüler durchdringend an. Die Vorhänge vor dem Ausgang zum Garten wölbten sich im Wind, der vom Meer kam. Sie schimmerten blassrot in den Lichtstrahlen, die durch den Schatten der Stoa kamen.


    "Ich werde Sosimos, das ist der Stellvertreter des Epistates, der leider-"


    Er räusperte sich kurz.


    "-nicht mehr unter uns weilt, meine Aufwartung machen und dich bei ihm empfehlen. Bei Gelegenheit werde ich dich ihm vorstellen. Allerdings ist der ehrenwerte Mann in einem sehr würdigen Alter. Daher werde ich Rücksicht darauf nehmen, wann er dich zu sehen wünscht."


    Er ließ die Fingerknöchel knacken. Dann strich er sich eine sorgsam geformte Locke aus der Stirn. Dabei verwischte er versehens etwas Bleiweißschminke, die nun an seinen Fingern klebte. Fast angewidert betrachtete er die weißen Fingerspitzen, ehe er sie an einem tintenbefleckten Tuch, das auf dem Tisch lag, abwischte.


    "Es freut mich, dass du Schüler werden möchtest. Aber ich muss dich darüber belehren, dass das Schülerdasein nicht nur eine Ehre ist, sondern auch eine Bürde."


    Streng aber freundlich blickte er den jungen Mann an.


    "Als Schüler musst du, wie auch die Gelehrten, wenngleich diese noch in höherem Maße, darauf achten, zum Wohlgefallen der Götter, vor allem des Apollons und der Musen zu handeln. Nicht nur, dass du strebsam lernen sollst und deine Lehrer achten, nicht nur, dass du die Heiligkeit dieses Ortes wahren sollst. Auch außerhalb dieser heiligen Hallen muss ein Schüler sich gut betragen und zur Freude der Unsterblichen handeln. Ausschweifungen und übertriebene Lustbarkeit sind eines Anwärters der Priesterschaft der Musen und des Apollons nicht würdig."


    "Wenngleich du dich deshalb nicht ständig in deinem Zimmer einzuschließen brauchst.", fügte er lächelnd hinzu, um die Strenge zu mildern und den jungen Mann nicht zu verschrecken.


    "Nur sieh zu, dass du nicht über die Stränge schlägst. Muss ich dir übrigens die Hausordnung erklären, oder bist du über sie ausreichend im Bilde?"

    Nikolaos nickte stumm. Gerne hätte er den Strategos noch weiter ausgefragt, unter welchen Umständen der Römer gestorben war und um wen es sich dabei überhaupt handelte. Dass sowohl der Soldat als auch der einstige Centurio, der den Ärger am Tychaion verschuldet hatte, und der für seine Dummheit offenbar mit einer Beförderung belohnt worden war, deshalb zum Statthalter gelaufen waren, ließ auf nichts Gutes, das hieß auf eine hochrangige Persönlichkeit schließen. Andererseits wäre vermutlich dem Soldaten jeder tote Römer nur recht gewesen, um dem Eparchos, der zuvor eine eher beschwichtigende und vermittelnde Haltung hatte, gegen die Alexandriner aufzubringen. So dachte Nikolaos, und ihm wurde ganz kalt dabei.


    Doch er musste sich beeilen. Die Römer schienen das Königsviertel - verständlicherweise- abriegeln zu wollen.


    "Iunia Axilla! wir werden da jetzt hineingehen. Sei mir nicht böse, wenn ich dich als Vorwand oder Garant benutzen sollte, falls sie mich nicht so hineinlassen. Ich muss zum Satrapen, ehe Unheil geschieht.", flüsterte er seiner Schreiberin zu.


    Dann ging er festen Schrittes auf die Torwache zu.


    "Sei gegrüßt, ich, der Gymnasiarchos der Polis Alexandria, erbitte Einlass für mich und für die römische Bürgerin Iunia Axilla. Wir sind beide Bewohner des Königsviertels. Ich muss zudem sofort zum ehrenwerten Praefectus Aegypti, um mit ihm weiteres Vorgehen gehen die aufgebrachte Volksmenge zu besprechen. Angesichts der nur offensichtlichen Gefahr dürfte es nur selbstverständlich sein, dass du mir diesen Wunsch rasch erfüllen wirst."


    Er hatte dabei einen der Soldaten durchdringend angesehen. Sehr deutlich und auf Latein hatte er gesprochen. Sein Tonfall ließ - obgleich er eigentlich in der schwächeren Position war- keinen Widerspruch zu. Dennoch war der Gymnasiarchos auf Schikanen gefasst. Nicht unbedingt auf beabsichtigte Bosheiten seitens der Torwache, sondern darauf, dass diese kleinen Glieder in der für Nikolaos undurchschaubaren Befehlskette der römischen Legion Angst vor ihren Vorgesetzten hatten. Er hatte schon oft festgestellt, dass Soldaten völlig unangemessen und absurd handelten, nur weil ein entsprechender Befehl so lautete.

    Nikolaos erbleichte weiter. Fast weiss war sein Gesicht. Tiefe Falten hatten sich in seine Stirn gegraben. Aber er war ruhig. Der erste Schreck war überwunden. Und Unbeherrschtheit konnte er sich nicht erlauben.


    "Der Soldat hier?", flüsterte Nikolaos. "Er wird den Vorfall ausnutzen, um den Satrapen des Basileus aufzubringen. Das wird ihm gerade recht gekommen sein. Wir sind in einer schwierigen Situation. Ich wollte anfangs zum Volk sprechen, um es zu beruhigen. Aber ich fürchte, das wird nichts nützen. Ich muss schnell zum Satrapen, damit der Soldat kein Unheil anrichtet. Können deine Männer den Pöbel im Zaum halten? Es sieht ganz danach aus, als ob jeden Augenblick hier ein Aufstand losbrechen könnte."


    Er hatte darauf geachtet, dass keiner der umstehenden Römer, selbst wenn einer den Dialekt der Alexandriner verstand, seine Worte nicht hören konnte. Während der kurzen Rede hatte er sich immer wieder nach allen Seiten umgeblickt. Noch schien die Stadtwache die aufgebrachte Menge auf Abstand halten zu können.


    "Iunia Axilla!", rief er seiner Schreiberin zu. "Komme rasch zu mir!"


    Er würde sie selbstverständlich zum Satrapen mitnehmen. In Gegenwart einer Römerin, so hoffte er, würde dieser seinen Zorn (und Nikolaos konnte sich den Zorn ausmalen!) in Zaum halten.

    Die Frage des Cleonymus beantwortete Nikolaos mit einem weiteren, nunmehr heiseren Lachen. Er schien gar nicht damit aufhören zu können. In seinen Augen spiegelten sich die Schimmer der Fackeln und Kohlebecken, die den Garten beleuchteten und gaben ihnen ein gespensterhaftes Aussehen. Die Nacht war schon weit fortgeschritten. Viele Gäste waren nicht mehr im Garten.


    "Ich brauche Wein!", krächszte Nikolaos und ging zielstrebig auf einen Diener zu. Cleonymus beachtete er dabei kaum. Dem Diener nahm er einen Becher vom Tablett und leerte ihn in einem Zug. "Auf das Brautpaar! Auf die unsterbliche Aphrodite!" Wieder brach Nikolaos in Gelächter auf. Er sagte nun nichts mehr, lachte nur noch. Tränen lachte er. Oder weinte er gar lachend? Mit einem weiteren Becher in der Hand und einem Krater, den er einem Diener ohne Aufhebens entwendet hatte, und den er mit Mühe hielt, setzte er sich auf die Stufen zum Peristylon.

    Nachdem er an diesem Morgen schon in der Frühe mit Hilfslehrern gesprochen hatte, die alexandrinischen Bürgerzöglingen Lesen und Schreiben beibrachten, begab sich Nikolaos etwa zur dritten Stunde an seinen angestammten Platz im Schatten der Stoa.


    Er hatte weder Notizen noch Schreibgeräte mitgenommen, sooft hatte er schon frischgebackene Epheben in die sittlichen Grundlagen der Polis eingeweiht, dass er den Unterricht ohne Hilfsmittel abhalten konnte.


    Nun wartete er darauf, dass alle Teilnehmer eintrafen. Mit Pünktlichkeit hatten es die Alexandriner nicht allzu sehr. Nur wenige angehende Epheben waren schon versammelt, manche allein, die meisten jedoch in Begleitung von Pädagogensklaven, die ihnen Schreibgeräte, Papyri und Wachstafeln hinterhergetragen hatten und im Auftrag des Vaters darauf achtgaben, dass sich kein fremder Verführer den Knaben näherte.

    Nikolaos lächelte milde.


    "Du enttäuschst mich keineswegs. Warum sollte man die Redekunst lernen, ohne sie anzuwenden? Dabei dürfen wir allerdings nie aus dem Auge lassen, dass wir in erster Hinsicht zum Wohlgefallen der Götter Künste erlernen und ausüben sollten."


    Er ließ die Fingerknöchel knacken und sah einen Augenblick in den schattigen Garten hinaus. Vom Meer her kam eine salzige Brise. Im Garten zwitscherten Vögel. Eine schöne Insel hatten die Ptholomäer den glänzenzenden Gelehrten der Oikumene errichtet. Eine schöne und verlogene Insel angesichts der schmutzigen Flut, die da draußen brandete. Nikolaos hoffte, diese Insel würde den Stürmen wenigstens noch einige Jahrhunderte lang trotzen, oder wenigstens solange Nikolaos lebte.


    "Ich möchte dir zu deiner ersten Unterrichtsstunde eine Aufgabe geben:


    Ein Stadtoberster eines Municipiums, der sich zuvor nie etwas zu schulden kommen ließ, nimmt Geld aus der Stadtkasse und verkauft Staatssklaven unter der Hand, um aus den Einnahmen seiner Tochter, die sein einziges lebendes Kind ist, eine große Mitgift in die Ehe zu geben und das Haus der zukünftigen Brautleute zu vergrößern und verschönern. Er besticht Stadtsekretäre, um sein Vergehen zu verschleiern. Als ein Dekurio ihm auf die Schliche kommt, läßt er diesen von - heimlich von ihm gedungenen- Räubern in seinem Haus überfallen.


    Dies alles kommt ans Licht.


    Nun wird der Stadtoberste angeklagt.


    Schreibe eine Rede für seine Verurteilung und eine zu seiner Verteidigung. Du wirst merken, dass eine der beiden Aufgaben wesentlich schwerer ist. Dennoch sollen beide Reden gleichermaßen überzeugend sein. Schreibe sie und lerne, sie aus dem Gedächtnis aufzusagen."


    Er sah dem Gast tief in die Augen.


    "Möchtest du auch als Schüler des Mouseions in die Listen eingetragen werden? Dies hätte den Vorteil, dass du damit im Mouseion leben dürftest und auch an den Speisungen teilnehmen könntest."

    Nikolaos lächelte bescheiden.


    "Nun ja, es ist nur meine kleine Privatbibliothek, aber ich habe große Freude an ihr."


    Er ging an eine Truhe, auf deren Deckel mannigfaltige Schriftrollen, lose Blätter und gebundene Codices lagen. Die beiden ersten Wünsche des Gastes stellten ihn vor keine besonderen Schwierigkeiten. Von der Theogonie hatte er einige Exemplare, war sie doch eines der wichtigsten Werke der Literatur der hellenischen Welt. Für Marcus wählte er eine Abschrift aus, die noch nicht allzu alt und noch nicht allzu strapaziert aussah durch den Gebrauch. Das Peri Theon hingegen musste er länger suchen. Er wusste auch gar nicht, ob er es überhaupt doppelt hatte, doch mit etwas Geduld hätten einige gute Lohnschreiber es ihm von einem Exemplar im Mouseion abgeschrieben. Auf fünf schwere Schriftrollen waren die Bücher verteilt. Zusammen mit der Theogonie brachte er sie Marcus. Dabei stieß er mit einem herausragenden Lesestock einen Stapel Codices um, der ihm auf die Füße fiel. Er stieg darüber hinweg und ließ die schweren Bücher förmlich in Marcus Arme fallen. Dann wandte er sich um und hob die Codices auf.


    "Möchtest du noch etwas mitnehmen? Von Apollodor habe ich auch die Khronika."


    Von dieser besaß Nikolaos wiederum zwei Exemplare, weshalb es ihm nicht schwer fiel, eines davon Marcus für dessen edles Anliegen zu überlassen.

    Gut, dass Nikolaos einige Stadtwächter und einige andere Staatssklaven aus dem Gymnasion gefolgt waren. Sonst wären der Gymnasiarchos und seine römische Sekretärin sicher nicht unbehelligt durch die aufgebrachte Menge gekommen. Aber für Dankbarkeit gegenüber Cleonymus, der offenbar dafür gesorgt hatte, hatte Nikolaos keine Zeit.


    Drei Leibwächter, grimmig aussehende Nubier, die zum Teil fast doppelt so groß waren wie ihr Herr, die dem kleinen Athener und der jungen Römerin vorangingen, trieben die Menge mit Ruten zur Seite. Nikolaos' kostbare Kleidung war mit Staub bedeckt. An seinen Schuhen klebte Straßendreck. Auf seiner Stirn stand Schweiß. Aber dafür hatte er keine Augen. Eiligen Schrittes ging er, als dieser endlich in Sichtweite war, auf den Strategos zu, der ihn gerufen hatte. Den Nubiern gebot er, bei Axilla zu warten und die Menge von ihr fernzuhalten.


    "Timótheos, was geht hier vor? Römer getötet - wie? von wem? wobei? Und welche römischen Offiziere sind hier?", fragte er leise und noch völlig außer Atem den Strategos. Er hoffte, dass die Torwächter die Koiné der einfachen Alexandriner, auf der er nun sprach, nicht verstanden.

    Nikolaos war gerade dabei gewesen, einige Briefe zu lesen, unter anderem einen aus Korinth und einen aus Eleusis, als seine Schreiberin hereinplatzte. Er wollte sie schon maßregeln, doch die Gelegenheit dafür gab das Mädchen ihm nicht. Wie ein Sturzbach schienen die Worte ihr aus dem Mund zu fallen.


    "Römer- getötet?!!??! bei den Himmlischen!!!", entfuhr es Nikolaos. Er erbleichte unter seiner giftigen Bleiweißschminke. Er zuckte zusammen. Seine Knie wurden weich. Seine Hände zitterten. War es Angst?


    Lediglich die Anwesenheit der Schreiberin, vor der er sich nicht blamieren wollte, brachte ihn dazu, wieder Haltung anzunehmen. Er räusperte sich künstlich und laut.


    "Ich werde sofort aufbrechen. Du wirst mich begleiten."


    Der Tonfall, in dem er dies sagte, machte nur allzu deutlich, dass er keinen Widerspruch duldete. Er wollte die junge Iunierin auf jeden Fall dabeihaben - denn sie, so hoffte er in seiner Verzweiflung, würde ihm Schutz garantieren vor Übergriffen durch besagte römische Offiziere. Dass es Ärger gab, war verständlich, doch dass es die Schreiberin besonders herausstellte in ihrem atemlosen Bericht, deutete auf nichts Gutes hin.


    Nikolaos riss fahrig seine Chlamys vom Sims, auf dem sie zusammenfaltet gelegen hatte. Er versuchte, seine leichten, kostbaren Calcei gegen Kothurn auszutauschen, doch seine Hände versagten ihm den Dienst. So stürmte er im leichten Schuhwerk nach draußen, in der Erwartung, Axilla möge ihm folgen.

    Der eine Diener stellte den Tisch zwischen die beiden Klismoi, der andere stellte darauf die Obstschale ab und schenkte in die flachen, langstieligen Becher aus grünem Glas aus dem Krater verdünnten Wein ein. Mit einer Verbeugung reichte der Diener den einen Becher dem Gast, danach den anderen Becher dem Gastgeber. Auf einen Wink des Hausherren zogen sich die Diener zurück.


    Nikolaos hob den Becher. Der Wein darin war kalt. Irgendwo in einem Kellerloch unter dem Haus mussten noch die Reste eines Eisbrockens lagern, den Peistratos vor einigen Wochen angeschleppt hatte.


    "Zum Wohl, werter Timótheos.", sagte Nikolaos und nahm einen Schluck. Vorsichtig stellte er das Glasgefäß auf dem Tischchen ab. "Bitte, bediene dich." Er wies auf die Obstschale. Datteln lagen darin, Pomeranzen, Feigen und Trauben.


    "Ich fürchte, ich habe noch nicht ausreichend ausgeführt, wie zufrieden ich mit der Zusammenarbeit mit dir innerhalb des Prytaneions bin.", sagte er höflich. Alle Unsicherheit war mit dem Erscheinen des Gastes wie verflogen.
    "Umso mehr würde es mich freuen, die Zusammenarbeit auszubauen. Ich sehe, dass du und die deinen viel erreicht haben. Das rührt mich umso mehr, da ich selbst vor Jahren fast mittellos in die Stadt kam. Nur fürchte ich - ich hoffe, du verzeihst mir diese Indiskretion, aber ich denke, du hast mich ehrlich lieber als heuchlerisch- euer Glück könnte auf gefährliche Neider unter den alten Geschlechtern der Polis stoßen. Sieh dies nicht als Warnung an, keineswegs ist mir derartiges bereits zu Ohren gekommen. Aber ich fürchte, es könnte geschehen.
    Zwischen deinem verehrten Bruder Ánthimos und mir herrschten gewisse Differenzen."


    Er sah Timótheos durchdringend an. Lächelte aber dabei wie gewohnt freundlich. Um seine Mundwinkel zuckte es ein einziges Mal, ganz kurz und kaum sichtbar.


    "Diese möchte ich gerne beilegen. Er ist ein guter Mann für die Polis, und auch ich habe ihn als anständig kennengelernt."


    Dieser Satz hatte Nikolaos besondere Qualen bereitet. Doch er wusste sich zu beherrschen. Schließlich ging es -ja, so schlimm es war- um seine eigene politische Zukunft.


    "Ich möchte eurem Glück nicht nur nicht im Wege stehen, sondern es auch fördern. Daher biete ich dir und deiner Familie meinen Schutz und meine Freundschaft an."


    Er nahm sich eine Dattel und biss hinein.


    "Darüber musst du freilich nicht jetzt entscheiden. Sprich darüber mit den Deinen und teile mir eure Entscheidung mit. Ich werde euch nicht böse sein, falls ihr ablehnt. Falls nur du allein dich dafür entscheidest, bist du mir ebenso willkommen. Falls du oder ihr euch dafür entscheidet, ist euch meine Unterstützung, meine Hilfe und mein Schutz sicher."




    Sim-Off:

    WiSim-Geschenke kommen gleich.

    Nikolaos hatte den Besucher schon ungeduldig und ängstlich zugleich erwartet. Er war sich immer noch nicht ganz darüber im Klaren, was er tun würde. Da gab es immer noch dieses stechende Gefühl in der Brust... . Und diesen pochenden Schmerz an den Schläfen, wenn er daran dachte... . Aber er musste daran denken, seinen Stand in der Polis, ohne Nachkommen und ohne Verwandtschaft, zu erhalten. Außerdem trieb ihn eine bittere - ja, was war es?


    Der Torsklave hatte den Besucher rasch hineingelassen und durch das Andron in den großen Garten geführt, wo Nikolaos im Schatten des Peristylons wartete. Das Erscheinen des Gastes riß ihn aus seinen qualvollen Gedanken. Er saß auf einem Klismos, der mit dicken Kissen ausgepolstert war.


    "Sei gegrüßt, werter Timótheos. Es freut mich, dass du meiner Einladung nachgekommen bist."


    Er nickte höflich und deutete auf einen weiteren, ebenso mit Kissen bedeckten Klismos. Kühle Seidenstoffe waren es, aus denen die Kissen bestanden.


    Nikolaos gab einem Diener eine diskrete Anweisung, woraufhin dieser verschwand und wenig später mit einem kleinen runden Tischchen zurückkehrte, gefolgt von einem weiteren Diener, der einen Krater trug, zwei Becher und eine Obstschale.

    Das verächtliche Lächeln des Marcus gefiel Nikolaos gar nicht. Ihm schien es, als führe der seltsame Mann, den er immer noch nicht ganz durchschaut hatte, obgleich er ihn seit einiger Zeit kannte, etwas im Schilde. Umso erfreuter war der Hausherr, als Marcus das Thema wechselte.


    "Das kann ich und es wäre mir eine große Freude, dich damit bei deiner Akademie zu unterstützen.", antwortete er rasch und höflich.


    Anschließend führte er Marcus in die Bibliothek, die direkt auf den Garten hinausging. Aus mehreren Räumen bestand sie, die mit Truhen, Tischen und Schreinen angefüllt waren, sodass nur wenig Freiraum blieb, in dem man sich bewegen konnte. Das Mobilar war kostbar, aber schien schon etwas zerschunden zu sein von Beulen, Kratzern und Tintenspritzern. Einige Schriftrollen und Armaria waren ordentlich auf Tische gelegt, andere lagen chaotisch durcheinander. (Die Mehrzahl jedoch lag verschlossen in Truhen, der Hausherr hütete die Bücher wie keine anderen Besitztümer.) Mitten im Raum stand ein Lesepult, daneben ein Tisch, der von einer Vielzahl an Tintenquäderchen, Bimssteinen, Griffeln, Federn, Wachstafeln, Mörserchen, Wasserfläschchen und Papyri bedeckt war.


    "Schau dich in Ruhe um. Du kannst mir aber auch jetzt schon sagen, welche Bücher du brauchst. Gib acht, dass dir nichts auf den Kopf fällt."


    Die Warnung war zwar nicht ganz ernst gemeint, lag jedoch nicht völlig fern. Auf manchen Gesimsen stapelten sich Schriftrollen und Armaria in abenteuerliche Höhen. Andere hingegen waren aufgeräumt.

    Nikolaos gefiel, dass der junge Mann ehrlich war. Auch war es nur verständlich, dass er der lateinischen Sprache den Vorzug gab, schließlich würde er wohl weniger vor der alexandrinischen Volksversammlung als vor Römern sprechen wollen.


    "Darf ich fragen, ob du politische Ambitionen verfolgt-", fragte Nikolaos. "-oder eine andere Laufbahn einschlagen möchtest, wozu die Redekunst notwendig ist. Oder willst du sie im ihrer selbst Willen lernen?"


    Letzteres war nicht ungewöhnlich. Es gab viele Kinder von reichen Vätern, die lediglich aus Gründen des Prestige von berühmten Lehrern unterichtet wurden, um anschließend doch nur ihr ganzes Leben im Müßiggang auf dem väterlichen Landgut zu verbringen. Man sagte den Römern (oder zumindest den wenigen Römern, die sich überhaupt eine politische Karriere leisten könnten) nach, unter ihnen gäbe es solcher Leute viele.


    "Missverstehe das nicht als Neugier. Ich fragte, um deine Ausbildung darauf auszurichten. Ich denke nämlich daran, dir bis zum Kursbeginn eine Aufgabe zu geben."


    Er lächelte höflich und ließ die Fingerknöchel knacken.


    "Der Kursus findet jede heméra Heliou nach der achten Stunde* unter der Säulenhalle am Garten statt. Eigentlich halte ich ihn ständig ab, nur leider blieben in letzter Zeit viele Schüler aus. Offenbar sind schlechte Zeiten für die Beredsamkeit eingetreten."


    Er lächelte eigenartig und schürzte die Lippen. Sein Blick blieb die ganze Zeit auf die hellen Augen des barbarisch anmutenden Jünglings gerichtet.


    "Umso mehr freut es mich, mit dir einen Schüler dazu gewonnen zu haben.", fügte er wohlwollend hinzu.


    *Sonntagnachmittag.

    Einen Moment lang erschien ihm Marcus wie ein Wahnsinniger. Wahnsinnig, da er so gleichmütig einem möglichen Tod entgegen sah. Dass diese Einstellung mit dem östlichen Kult, dem er sich offenbar angeschlossen hatte, zusammenhing, wusste Nikolaos nicht. Dazu hatte er noch zuwenig von den Schriften gelesen, die ihm Marcus zur Verfügung gestellt hatte. Nikolaos selbst hatte, wie die meisten Hellenen, eine große Angst vor dem Tod und wollte zu selten wie möglich an seine eigene Sterblichkeit erinnert werden.


    Aber Marcus schien derart entschlossen und klar in seiner Rede, dass er keineswegs wahnsinnig schien. Der Mann aus der fremden Gegend der Welt schien das zu haben, was Stoiker erstrebten, freilich besudelt mit einem für Nikolaos befremdlichen Drang zu roher Gewalt.


    Trotzdessen Marcus bei Verstand schien, fürchtete Nikolaos um ihn. Er wusste, dass er mit einem solchen Gesetzesentwurf in der Ekklesia sprichwörtlich ins offene Messer laufen würde. Aber war dem Mann noch zu helfen? Nikolaos bezweifelte dies. Zu entschlossen schien er.


    "Bedenke aber, dass du diesen Menschen tot keine Hoffnung mehr geben könntest. Schnell werden sie, wenn du sie noch nicht lange genug erzogen hast, in ihre alten Gewohnheiten zurückfallen. Und dann war doch alles vergebens...", wagte er einen letzten Versuch.


    "Ich werde darauf verzichten, diese Verbrecher ausfindig zu machen.", sagte er und meinte es nur bedingt ehrlich. Nikolaos war zwar kein Mann, der sich mit eigenen Händen seiner Haut erwehren konnte. In diesem Punkt hatte Marcus Recht. Unrecht hatte er darin, dass sich Nikolaos gar nicht seines Lebens erwehren konnte. Der Gymnasiarchos kannte viele mächtige Männer. Auch zwielichte Gestalten. Zwar konnte er keinem einzelnen trauen, aber er verstand es, sie gegeneinander auszuspielen.


    "Wenn du es immer noch möchtest, werde ich bei der nächsten Ekklesia deinen Antrag verlesen.", sagte er schließlich.

    Nikolaos erschrak, als Cleonymus ihm beinahe in die Rede platzte, was er sich aber nicht anmerken ließ. Er war es nicht gewohnt, dass andere von sich aus redeten. Acta Diurna? Zeichen der Versöhnung? Worauf wollte der Kosmetes hinaus? Nikolaos wusste, dass in dem offiziellen Mitteilungsblatt der kaiserlichen Kanzlei etwas Derartiges stand. Er hatte einen Anschlag am Hafen flüchtig gelesen. Aber was für ein Symbol meinte Cleonymus? Dass dieser von einem drohenden Gesichtsverlust sprach, war Nikolaos mehr als unangenehm. Er wusste selbst, dass es so war, und er glaubte, auch der Eparchos wüsste es. Aber dass der Kollege direkt darauf angesprochen hatte, versetzte den Gymnasiarchos in eine peinliche Lage. Cleonymus hatte womöglich dem Satrapen Gelegenheit gegeben, von der sanft und vorsichtig geäußerten Forderung des Gymnasiarchos abzulenken. Außerdem der Rede des Nikolaos die Schlußwirkung beraubt. Daher missfiel ihm dieser plötzliche Vorstoß des Kosmetes. Zu mehr als zu einem scharfen Räuspern jedoch ließ er sich nicht hinreißen.

    Gerade hatte Nikolaos Cleonymus sanft und etwas eigenartig zugelächelt, als die Archiprytané die Sitzung eröffnete. Dass Urgulania ihr Anliegen an die erste Stelle gesetzt hatte, kam ihm gerade recht. Er wollte nicht ewig damit warten, während ein Haufen anderer Eingaben, Ersuche, Bittschriften und Beschwerden besprochen wurde.


    "Habe Dank, werte Iunia Urgulania.", sagte er mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen, um sich danach förmlich an die Prytanenschaft zu wenden.


    "Ehrenwerte Prytanen! In letzter Zeit überschatteten unschöne Ereignisse das Leben unserer blühenden Polis, der Asty wie der Chóra. Umso mehr freut es mich, auf ein angenehmes Ereignis hinzuweisen, den Jahrestag der Gründung am siebten Tag des Ephipi*. Diesen freudigen Tag sollten wir auf eine erfreuliche Weise begehen.


    Der hochverehrte Kosmetes und ich dachten dabei an ein Agon für alle Alexandriner, freien Bürger Roms oder anderer Poleis, die ihre Kräfte und ihre Fähigkeiten messen möchten. Das Ganze könnten wir mit einem Opfer für Hermes und einem für Herakles verbinden.


    Als Disziplinen dachten wir dabei an:


    Ein gymnisches Pentathlon, bestehend aus Speerwurf, Weitsprung, Diskoswurf, Stadionlauf und Ringkampf.


    Einen Vierkampf aus Hindernislauf, Bogenschießen, Hoplitenlauf und Wettreiten.


    Einen Faustkampf.


    Ein Pankration.


    Ein musisches Agon mit den Aufgaben einen Hymnos auf Hermes, einer kurzen Ode auf das Leben und die Taten des Herakles, sowie einer freien Dichtung.


    Hinzukämen ein Tanzwettstreit und ein Chorwettbewerb.




    Preise wollten wir ausloben für:


    Den Sieger des Pentathlons.


    Den Sieger des außergewöhnlichen Vierkampfes.


    Den Sieger der Faustkämpfe.


    Den Sieger des Pankrations.


    Den besten Sänger.


    Den besten Kitharöden und Lyraspieler.


    Den Urheber des besten Gedichts.


    Einen Meisterdichter, falls das beste Gedicht, der beste Gesang und das beste Kithara- und Lyraspiel auf einen Teilnehmer fällt.



    Dazu ist natürlich anzumerken, dass es von der Zahl der Teilnehmer abhängt, ob wir tatsächlich alle Wettkämpfe abhalten können. Zumindest jedoch das Pentathlon und das musische Agon wären sehr wichtig, ersteres für Herakles, zweiteres für Hermes. (Auch wenn man es vielleicht sogar eher Apollon zusprechen möchte.)"

    An Timótheos


    Werter Timótheos,


    Dich, als Oberhaupt des Hauses der Bantotaken in Alexandria, bitte ich, mein Haus aufzusuchen und mich mit einem Besuch zu beehren. Es gibt gute Neuigkeiten für Dich und für die Deinen.


    Es wäre mir eine Freude, Dich empfangen zu dürfen.



    Lebe wohl, und, so hoffe ich, auf bald!


    Nikola

    Sim-Off:

    Hallo ihr,


    endlich habe ich wieder etwas Freizeit ;). Wir können also in Kürze mit der SimOn-Ephebie loslegen. Ich werde ein paar Threads starten, in denen Nikolaos unterrichtet, dazu könnt ihr einfach stoßen. Ich denke, da ist das Unkomplizierteste.


    Wenn ihr euch noch persönlich beim Gymnasiarchos vorstellen wollt, könnt ihr das natürlich auch tun.


    Ansonsten gehen wir einfach davon aus, dass die SimOn-Anmeldung schon geschehen ist und fangen gleich mit den Lehrstunden an. Ich würde meine Grammatea bitten, Schülerlisten zu erstellen, in denen ihr auftaucht.