Nikolaos lächelte, als fühle er sich ebenfalls geschmeichelt durch die bloße Zusage des Eparchos. Er hoffte, dieser würde die Schmeichelei mit der Statue nicht so auffassen, die Prytanen hätten versucht, ihn damit zu umgarnen, damit er, angesichts der unangenehmen Angelegenheit nicht vor Wut um sich schlagen könnte.
"Das freut mich sehr, ehrenwerte Eparchos.", antwortete der Gymnasiarchos höflich und vorsichtig.
Er legte eine kleine Pause ein, um eben jenen Anschein zu vermeiden. Es sollte auf den Eparchos wirken, als hätten die Prytanen ohnehin im Sinn gehabt, den Statthalter zu beehren, und jene unangenehme Angelegenheit sei dazwischengekommen. Leider war der Statthalter nicht dumm, und das wusste der Gymnasiarchos. Daher tilgte er alles, was irgendwie, und wenn nur leise, den Klang von Frechheit hatte, aus seiner Stimme.
"Wenn du nichts dagegen hast, würde ich nun auf die unangenehme Angelegenheit zu sprechen kommen.", sagte er vorsichtig und bescheiden, und vor allem unaufdringlich. So weit ihm das gelang. Er sah den Statthalter fragend, doch nicht herausfordernd, in die Augen. Dann zog er jenen unheilvollen Brief unter seinem Himaton hevor.
An die Pyranten der Stadt Alexandria
Mir ist zu Ohren gekommen, daß anscheinend einiger eurer Mitglieder nicht in der Lage sind mich persöhnlich anzusprechen, wenn es um Fragen über die Legion geht und man lieber zum Statthalter rennt wegen jedweder Kleinigkeit.
Um also euch eure Angst vor mir ein wenig zu nehmen, schreibe ich euch persöhnlich:
Die Soldaten die zu den Mauern gesandt wurden, sind dazu da diese zu verstärken und zu reparieren. Zum Schutz der Stadt und der Bürger denen ihr dient.
Weiterhin ist dies Teil eines großen kommenden Manövers der 22. Legion, welches in den kommenden Wochen/Monaten anlaufen wird.
Dieses wird im Bereich des Judenviertels stattfinden und einen Angriff auf die Stadt bzw. deren Verteidigung simulieren. Dies dient im übrigen eurem Schutz, falls einige von euch vergessen haben sollten wer Alexandrias Unabhängigkeit bewahrt.
Desweiteren ist dieses Manöver vom Statthalter abgesegnet, ständige Aufmärsche zu ihm sind also absolut überflüssig.
Auch möchte ich darum bitten, daß die Stadtwache jedwede Agitationen gegen Rom und seine Soldaten im Umfeld dieses Manövers mit voller Härte unterbindet, denn ich werde nicht zögern Ägypter, Griechen oder gar Römer die der Meinung sind Rom müsse aus der Stadt raus und dies mit Gewalt oder Sabotageakten zum Ausruck bringen festzunehmen und zu kreuzigen. Auch Provokationen der Bevölkerung oder anderer Gruppen werde ich mit voller Härte begegnen.
Solange sich die Bürger Alexandrias ruhig verhalten, wird dieses Manöver über die Bühne gehen, wenn nicht wird Rom das tun was es tun muß um den Frieden in der Stadt zu bewahren.
Bei Fragen bitte ich euch, bei mir vorstellig zu werden.
Hochachtungsvoll
Appius Terentius Cyprianus

Er reichte dem Eparchos den Brief. Schließlich sollte dieser sehen, dass die Schandschrift wirklich von dem Soldaten gesiegelt war.
"Bitte missverstehe unser Anliegen nicht. Es ist nicht, dass dieser Brief, und vor allem gewisse Formulierungen die Ehre unserer Polis und der Prytanenschaft verletzt hätten und wir dich deshalb damit belästigen."
Nikolaos blickte den Statthalter tief in die Augen. Er wollte keine Regung, die auf einen Zornesausbruch hindeuten konnte, am Gesicht des Mannes übersehen.
"Nicht gekränkte Eitelkeit war es, die uns zu dir trieb, sondern brennende Sorge."
Wieder eine kurze Pause. Wenn der Eparchos den Gymnasiarchos zum Schweigen bringen wollte, könnte er es tun.
"Brennende Sorge, ja, gar Furcht. Ich möchte offen zu dir sprechen. Und ich hoffe, du verzeihst mir dies: Wir fürchten, bei dem Manöver könnten sich gewisse Einzelpersonen der Legion des göttlichen Basileus zu Provokationen gegenüber der Bevölkerung hinreißen lassen. Wir fürchten, die einfache Bevölkerung könnte darauf ungestüm reagieren. Mit Mühe und Not konnten wir, bezüglich des Vorfalls am Tychaion, in der Volksversammlung die Bürgerschaft beschwichtigen. Doch-"
Sein Blick wurde noch viel ernster als zuvor.
"-müssen wir fürchten, dass wir machtlos sein werden, wenn weitere Vorfälle jener Art das Volk anstacheln. Wir wollen um keinen Preis, dass der Frieden in der Polis und die Freundschaft zu euch Römern, die ihr schützend eure Hände über uns haltend, gefährdet wird, ja gar ins Wanken gerät."
Wieder ein prüfender Blick. Nikolaos wusste, dass er sich in große Gefahr begeben hatte. Doch andererseits wäre da noch eine viel größere Gefahr. Ohne den Schutz des Eparchos wäre er, einer der mächtigsten der Polis, schutzlos dem Wüten des Soldatens ausgesetzt.
"Es ist gut, dass dieser Brief nur uns, uns Prytanen erreicht hat. Doch was geschieht, wenn der ehrenwerte Terentius Zyprianus Drohungen, wie die der unvermittelten Kreuzigung, auch in der Öffentlichkeit von sich gibt? Wenn er gar schon vorgibt, Römer kreuzigen (!) zu wollen..."
Den letzten Satz ließ er eine Weile im Raum stehen.
"Wie könnten wir uns sicher fühlen, ohne deinen gnädigen Schutz, ehrenwerter Eparchos?"