"Wie kein Zweiter weiß ich um die Bedeutung des Heeres des göttlichen Imperators für die Polis. Wie kein Zweiter bin ich dir und dem Heerführer dankbar für den Schutz, den ihr uns Polites angedeihen lasst.
Umso betrüblicher stimmt es mich, im Namen der Polis eine Beschwerde gegen eine Centurie und den für sie zuständigen Centurie vorbringen zu müssen.
Heute sollte besagte Centurie wohl in der Stadt patroullieren, und du darfst mir glauben, dass ich dies sehr begrüße, dient es doch der Sicherheit und Ordnung.
Jedoch ließ der Centurio diese Einheit aus unerklärlichem Grund direkt vor dem Heiligtum der Tyche aufmarschieren, um von dort aus die Aufteilung in einzelne Einheiten zu übernehmen. Dies ist insofern sicher taktisch günstig, da die Agora ein Mittelpunkt der Stadt ist.
Allerdings ist die Tatsache, direkt im Angesicht der Tyche aufzumarschieren, höchst ungewöhlich und stieß auf das Bedenken vieler Bürger. Schließlich hatten wir der Agathe Tyche erst kürzlich ein Fest gestiftet und ein Opfer gebracht, auf dass sie der Polis gütig sei. Viele Bürger fürchteten nun, dieses Verhalten seitens der Centurie könnte die Göttin verärgern.
Ich, in der Furcht, dieses außergewöhnliche Ereignis könnte einen außergewöhnlichen Grund, wie zum Beispiel einen drohenden Aufstand, einen Überfall barbarischer Reitervölker der Wüste oder Ähnliches haben, fragte keinesfalls unhöflich nach dem Grund. Daraufhin sagte der Centurio grob, es ginge mich nichts an und fuhr fort mit der Prozedur, ohne mich überhaupt mehr zu beachten.
Zu erwähnen ist dabei die Tatsache, dass ich nicht nur der Beauftragte der Polis für die Erziehung der Kinder der Stadt, sondern auch Priester des Hermes und des Herakles bin.
Dies alles allein wäre sicher bedenklich, doch keinesfalls sehr bedenklich.
Jedoch spielte sich im Angesicht der Tyche schon zu Anfang des Aufmarsches einiges ab, was mich als einen um den Frieden besorgten Beamten der Stadt besorgt, viele Bürger verärgert stimmte.
Ein Legionär warf einen Mann, ich vermute sogar, einen Bürger der Polis, grob zu Boden. Daraufhin wies ihn ein Optio anscheinend zurecht. Dies zeugt, meiner Meinung nach, von jener Umsicht und Höflichkeit, die sonst dem römischen Heer im Umgang mit den Bürgern der Polis Alexandria zu eigen ist. Schließlich ist der Legionär vielleicht noch unerfahren und hat so nicht aus bösem Willen gehandelt, sondern aus einem Irrtum, den nun der umsichtige Optio beseitigte.
Doch der Centurio fuhr den Optio laut an und behauptete, derartiges, das heißt vom Legionär an den Tag gelegtes Verhalten gegen die Bürgerschaft der Stadt sei Inhalt eines Befehls.
Im übrigen blieb auch die zweite, wie ich finde freundliche Nachfrage meinerseits seitens des Centurios unbeantwort, ja wurde sogar wie die Erste mit einer groben Bemerkung abgetan.
Werter Präfekt, verstehe mich bitte nicht falsch in dem Sinne, ich wäre ein Gegner der Patrouillen der Legion in der Stadt.
Das Vorgehen dieses einen Centurios jedoch ist überaus gefährlich. Nicht jeder Bürger ist besonnen und vernünftig genug, um den Sinn der militärischen Präsens der Legion in der Stadt einzusehen. Das Verhalten dieses Centurios an diesem Tag stiftete somit Unruhe, die geschürrt wurde von der Angst, der Agathe Tyche könne ein Frevel getan werden. Auch die Tatsache, dass brutales Verhalten gegen Unschuldige von diesem Centurio als Teil eines Befehls dargestellt wurde, ließ die Bürger ängstlich und unruhig werden.
Da die Patrouille noch immer in der Stadt ist, weiß ich nicht, was sich der Centurio noch zuschulden kommen lassen wird und welche Reaktionen darauf folgen werden. Ich fürchte, dem einfachen Volk kann der Verstand abhanden kommen und es kann sich zu gefährlichen und schlechten Dingen hinreißen lassen, ohne diese wirklich zu wollen, sondern im Gegenteil aus einer Gemütsregung heraus, die es überfiele.
Daher bitte ich dich inständig, hochverehrter Präfekt, gebiete diesen Handlungen um der Ordnung und des Friedens Willen Einhalt. Ich will auch dem Centurio keine schlechten Absichten unterstellen, dies steht mir nicht zu, doch ich fürchte, er ereifert sich in einer Weise, die ungesund ist. Daher bitte ich dich, ihm Einhalt zu gebieten und dafür zu sorgen, dass er seinen Eifer in Zukunft bremst, um nicht unwillentlich Frevel an den unsterblichen Göttern zu begehen."
Als Nikolaos seine Rede beendet hatte, blickte er erwartungsvoll zum Eparchos auf. Er hoffte, dieser würde ihn nicht hinauswerfen. Dann indes würde im schlimmsten Fall die Situation in der Stadt hochkochen in einem Maße, dass auch der oberste der Pyrtanen nicht mehr beschwichtigen könnte.