Beiträge von Nikolaos Kerykes

    Ein Klient des Statthalters also. Das brachte eine unangenehme Komplikation ins Spiel. Nikolaos runzelte die Stirn. Dass sich der Eparchos einen solch unflätigen Kerl in seine Togaträgerherde mischen musste... Diese war doch sicher auch ohne solche Personen groß genug...


    "Wir sollten das auf jeden Fall herausfinden. Wird hier wirklich dem Statthalter übel mitgespielt, sind auch wir leider davon betroffen. Steht der Statthalter selbst hinter dieser Angelegenheit, wird es für uns noch viel unangenehmer."


    Nikolaos räusperte sich trocken. Ihm fröstelte. Die nahen Ereignisse hatten seiner Gesundheit sichtlich geschadet. Außerdem, so glaubte er, wehten in letzter Zeit schädliche Miasmen vom Maerotis-See in die Stadt.

    "Weißt du, was die Römer selbst davon halten? Wer ist überhaupt dieser Centurio, der es wagte, der Tyche beinahe zu freveln? Kennst du seinen Namen, weißt du wer er ist, wie er zum Eparchos steht und wie zum Heerführer? Wie stehen Eparchos und Heerführer zueinander? Sind wir, die unschuldigen Bürger Alexandrias, gar in eine Intrige zwischen diesen beiden geraten?"

    Ad Iunium Silanum de Nikolaou*


    Nikolaos Iunio Silano s.p.d.



    Ich erbitte, obwohl wir uns, wie ich zugeben muss, nur flüchtig kennen, deine Hilfe in einer gewissen Angelegenheit. Doch immerhin warst du bereits einmal in meiner Amtsstube, haben wir uns, soweit ich mich entsinne, auf dem Fest des Apollons getroffen, bin ich gewissermaßen dein Nachbar. Ich bitte dich, bald mich in meinem Haus aufzusuchen.


    Vale!






    *eigentlich ist "Nikolaou" Genetiv, doch mangels eines Ablativs im Griechischen übernimmt der Genetiv dort auch eine Funktion als Separativus.
    Nur für besondere Freunde der lateinischen Sprache ;).

    Der Gymnasiarchos nickte allen Leuten, die ihn grüßten, höflich zu, auch dem unverschämten Bengel, diesen Beschäler Penelopes, der sich erdreistete, in der Nähe der Pyrtanen sitzen zu wollen. Er schien ein Freund des Mithridates zu sein, was den noch amtierenden Gymnasiarchos in seiner Ablehnung bestärkte.


    Auch die schöne Penelope war da... . Nikolaos lächelte mehr als nur höflich. Auch sie setzte sich in den Dunstkreis des Mithridates. Nikolaos hatte nichts anderes erwartet. Vermutlich wurde das arme, so kluge Mädchen von ihrem Beschäler dazu gedrängt, auch den Gnom zu unterstützen...


    Als sich das Theater gefüllt hatte, erhob sich Nikolaos.


    "Verehrte Mitbürger! Heute kommen wir, die freie Bürgerschaft der unabhängigen Polis Alexandria zusammen, um mit gleichem Recht und frei über die Belange unserer geliebten Heimatstadt zu entscheiden.


    Das wichtigste Anliegen an diesem heutigen Tag ist die Neubesetzung der Ämter der Stadt. Auch wenn bisher kein Antrag irgendeines Bürgers auf die Abstimmung über die Enthebung eines Pyrtanens seines Amtes erhoben wurde, was, wenn ich es so ausdrücken darf, für die Pyrtanenschaft spricht, so ist es aber die Sitte und das Recht unserer Vorfahren und unser eigenes, dass die Besetzung der Ämter wechselt. So ist es gut, denn dadurch wird die Gleichberechtigung aller Bürger sichergestellt.


    So wichtig wie diese Sache ist, so rasch muss sie auch angegangen werden, daher schlage ich vor, sogleich dazu überzugehen.


    Zuvor jedoch hat jeder Bürger das Recht, seine Stimme zu erheben und zu sprechen und aus seiner Sichtweise zu urteilen über die Amtserfüllung der bisherigen Pyrtanen und Archonten, über die Lage der Polis und über allgemeine Dinge."

    Endlich reichte einer der Opferhelfer dem Priester einen schweren, vergoldeten Hammer, um dessen Griff Blumen gewunden waren. Nikolaos begoß das Gerät mit Rosenwasser und schwenkte es über dem Altar. Auch den Kopf des Stieres besprengte er mit duftendem Wasser. Sorgsam wickelte er ein purpurnes Band um die Hörner des Stieres. Dann knebelte er das Tier mit einem Bronzestab, an den ein Lederband zur Befestigung am Nacken des Opfertieres gebunden war.


    Die Opferdiener gossen duftende Öle über dem ohnehin gestriegelten und geölten Fell des Tieres aus. Siebenmal besprengte der Priester das Haupt des Stieres mit der Asche der Opfergaben. Siebenmal goß er Wein über dem Tier aus. Siebenmal umschritt er den Altar. Siebenmal wurde das Tympanon geschlagen. Siebenmal setzen die Flöten neu an. Siebenmal räucherte der Priester das Tier mit Weihrauchstaub ein. Siebenmal wedelte er die Beine des Tieres mit einem Federbusch ab.


    Erneut schwenkte der Gymnasiarchos den Hammer über dem Altar. Erneut vergoß er Rosenwassser. Dann holte er weit aus und schlug zu. Zwar war Nikolaos nicht besonders kräftig, doch der Hammer war schwer und traf genau die Stirn des Tieres, die zerbarst. Aus dem zerrissenen Fleisch strömte Blut stoßweise auf den Altar. Plötzlich wurde eine Fontäne frei, die im hohen Bogen hellrotes Blut schleuderte.

    Einer der Opferhelfer reichte dem Hermes-und Herakles-Priester einen Korb mit Gebäck. Nikolaos legte die Gebäckteile ebenfalls auf den Altar und begoß sie mit Öl. Ein Helfer reichte ihm einen Kienspan, mit dem er das Öl auf Gebäck und Blumen entzündete. Rasch verkohlte es. Der Stier schien davon keine Notiz zu nehmen. Er war wie betäubt vom Rauch und vom Opium, das er zuvor in großen Mengen zu fressen bekommen hatte.


    Nikolaos löschte das letzte Feuer mit Wein. Es zischte. Qualm stieg auf. Für kurze Zeit konnte der Priester nicht mehr die Hand vor Augen sehen. Das Aroma verbrannter Kräuter und verdampften Weines benebelten seine Sinne. Doch der Verstand blieb klar und scharf. Schließlich musste er umsichtig und wachsam das Opfer begehen, um keinen Fehler zu machen.


    "Hermes, labe dich an den Speisen und schenke deinen Segen!"


    Das Tympanon wurde einmal laut geschlagen. Die Flöten hauchten eine feine Melodie, die wie zauberhaft zur Bewegung der Rauchfäden im Raum passte.

    "Hermes, Vater, dreifach großer, Gefährte der Wanderer und der Toten auf der letzten Wanderung, Schutzherr meines Geschlechts, Erfinder der Zauberkunst, großer Bote, Stifter der Erkenntnis, Pate der Redner!
    Hermes, Sohn des Zeus und Atlastochter Maia, Gebürtiger an den Hängen des Olymps, großer Meister und Schutzherr!
    Dich flehe ich an, beizustehen mir, und beizustehen der Polis Alexandria, die eine Gründung des großen Alexanders ist, dem du sooft wohlgesonnen warst; ich erflehe dich, meiner Zunge die Kraft zu geben, mit ihr für die Freiheit der Stadt zu fechten und meinem Verstand die Klarheit und Schärfe!
    Dir, oh großer geflügelter Meister, göttlicher Jüngling, Hirte und Fährtensucher, Künstler und Zauberer, unübertroffener Meister, Träger des Kerykeions, Namensgeber meines Stammes, will ich ein Opfer bringen, dass ich selbst gesucht und gefunden habe;
    oh Hermes, es bekomme dir gut! mögest du dich erfreuen an diesem Opfer und deinen Segen über deinen Diener Nikolaos ausgießen!
    Oh großer Bote, oh schnellster aller Reisender, oh Unsterblicher!"


    Die Opferhelfer hatten bei jeder Silbe, bei der des Priesters Stimme sich hob, dünne Flöten geblasen, einer hatte im Takt der Verse ein Tympanon geschlagen, ein anderer Weihrauch verkohlen und andere Gewürze verbrennen lassen. Der Gymnasiarchos hatte bei diesem Opfer viel Weihrauch und viel anderes Räucherwerk dem Hermes geschenkt, bevor nun das Opfertier zum Altar geführt wurde.


    In einer Rauchwolke stand der Priester, alles unterhalb seiner Brust war von Qualm verhüllt und unsichtbar. Wie vom Körper losgelöst bewegten sich seine Arme vor der Rauchwand. Er goß besten Wein auf den Altar und schwenkte eine Räucherlampe darüber.


    "Hermes, großer Ahnherr und Schutzherr, Lenker meiner Schritte auf allen Reisen, nimm das Opfer an!"


    Die Opferhelfer drückten zu dritt den Kopf des Stieres auf den Altar. Mit einem festen Strick, in den Goldfäden eingewirkt waren, wurde der Stier am Altar festgebunden. Blumen und Kräuter legte der Priester um das Haupt und goß Falerner-Wein darüber aus.

    Der Gymnasiarchos war sichtlich beeindruckt. Angesichts der bescheidenen Mittel, die ihm zur Verfügung standen, hatte der Meister dieser Akademie beachtliches, zumindest äußerlich, geleistet.


    "Ich glaube, ich weiß nun, was du meinst. Auch diese Stadt spiegelt die kosmische Ordnung wider. Wie ein Gewebe ist sie um die Achsen der Himmelsrichtungen gepflochten.
    Und während im Osten, der Richtung des Aufstiegs der Sonne, der Tempel der Frühlingsgöttin liegt, sind im Westen, wo die Sonne niedergeht, die Nekropolen. Dazwischen spielt sich das Leben der Stadt ab, sowohl die Politik, als auch die Verehrung der Götter, als auch der Handel, als auch das häusliche Leben in den Stadthäusern. Nahe der Mitte steht das Paneion, das du sicher schon kennengelernt hast. Dort oben, auf dem künstlichen Berg, ist man dem Himmel in der Tat nahe.
    Jedoch wird das, was in der Stadt zwar im Kleinen, doch immerhin noch Größerem umgesetzt ist, im ganz Kleinen, also in den Häusern häufig wenig beachtet. Viele Bürger umgeben sich mit einen Kranz aus Pächtern. Einige haben schon die Altäre aus der Mitte des Haupthofes in irgendwelche Nischen verbannt, um im Hof mehr Platz zu haben für Feste."


    Nikolaos folgte dem Hausherren. Die salbungsvolle Vorstellung durch Markos war ihm etwas peinlich. Jedoch errötete er nicht dabei. Das Erröten hatte er sich in langer, mühevoller Arbeit abgewöhnt, wie auch andere äußerlich sichtbare Regungen.


    "Vielleicht", meinte er fast sanftmütig lächelnd. "Ist der eine oder andere von ihnen selbst einmal Gymnasiarchos. Die Zeiten ändern sich jeden Tag ein wenig mehr. Seit die Polis Athen und ihre Chora in römischer Hand sind, haben die alten Familien kaum mehr Einfluss. Selbst den letzten Rest Macht, den sie nach vielen Veränderungen zu Zeiten der wirklich freien Polis noch besaßen, schwindet nun dahin.
    Zwar verursacht dies alles Unruhe, aber vielleicht wird es, wenn die Unruhe sich gelegt hat, einmal so sein, dass die Fähigkeit entscheidend ist und nicht die hohe Geburt.
    Allerdings muss ich gestehen, dass ich in dieser Hinsicht kaum Hoffnung habe. Platons Königsherrschaft der Philosophen ist eine schöne Vorstellung. Jedoch glaube ich nicht, dass einmal jeder Mensch sein eigenes Machtstreben zugunsten dessen abgibt, der wirklich fähig ist.
    Für einzelne jedoch können die Veränderungen gute Wendungen im Leben bringen. Wobei es fragwürdig ist, inwieweit eine politische Laufbahn gut ist."


    "Wenn du magst, werter Markus, kannst du mich in meinem Haus besuchen. Ich werde dir einige Bücher zeigen, von denen ich mehr als nur ein Exemplar habe. Wenn du welche davon für geeignet hälst, kannst du sie haben."


    "Sage, welcher Gottheit ist der Tempel geweiht?"

    Nikolaos hatte den Stuhl so platziert, dass Cleonymus Gesicht im Schein der Lampe lag und er es betrachten konnte, während er selbst im Schutze des Zwielichts blieb.


    "Cleonymus, du kennst sicher durch deine Arbeit als Befehlshaber der Stadtwache die Stimmung in der Bevölkerung. Sage mir, wie sieht sie nun aus, nachdem sich die Römer diesen Frevel zuschulden kommen ließen."


    Er beugte sich ein Stück nach vorne, sodass nun auch sein Gesicht wieder im Lampenschein lag. Die Schatten, die seine Nase und die Augenhöhlen warfen gaben ihm zusammen mit der Blässe seiner Haut ein gespenstisches Aussehen.

    Als einer der Ersten war der Gymnasiarchos an diesem Morgen aus seinem Haus im Königsviertel zum Theater aufgebrochen. Er erwartete eine besonders hitzige Volksversammlung, war sie immerhin von einigen unangenehmen Ereignissen der letzten Zeit überschattet. Er hoffte, die römerfeindlichen Parolen würden sich in Grenzen halten, vermutete jedoch, einige Demagogen würden damit versuchen, das Volk auf ihre Seite zu ziehen.


    Auf seinem Steinsessel in der ersten Reihe wartete er darauf, die Versammlung beginnen zu können. Seine Epheben hielten für ihn nach allen Seiten Ausschau und flüsterten ihm ab und an zu, ein gewisser Timon / Nikander / Alkibiades oder sonstwer sei mit Gefolge oder ohne eingetroffen. Nikodemos zu treffen war ausgeschlossen, denn der alte Mann zog es seit längerem vor, sich im Hintergrund zu halten, sei es, da er den beschwerlichen Weg in die Stadt scheute, sei es, da er das gemeine Volk scheute oder die Schergen seiner Gegner.

    In ein reines, weißes Priestergewand gekleidet suchte der Gymnasiarch das Heiligtum auf. Sein Haupt bedeckte ein Zipfel des Gewandes. In der Hand trug er ein Büschel Räucherkräuter. Ihm folgten zwei Opferhelfer, die einen prachtvollen, weißen Stier führen. Dieses Tier hatte der Gymnasiarchos selbst ausgewählt und mit eigenen Mitteln erworben. Schon in der Frühe an diesem Tag, im ersten Licht, hatten die Helfer unter der Anleitung des Priesters begonnen, das Tier zu waschen und sein rauhes Fell zu striegeln und mit Öl glänzend zu machen. Einen Kranz aus Blumen und Lorbeer trug das Tier auf dem Kopf, die Beine waren mit purpurnen Bändern geschmückt.


    So erreichten sie das Heilige des Tempels. Der Gymnasiarch hatte zuvor den Altar gereinigt und Räucherwerk verbrennt. Schwer roch die Luft in diesem Raum, dessen einzige Öffnungen die breite, hohe Tür, deren Flügel nun fest verschlossen waren und ein kleines Loch in der Decke waren. Licht kam von Kohlebecken und Öllampen auf hohen Messingständern. So waren die Schatten hart und flackerten mit den Bewegungen der Flammen und dem Hellerwerden und wieder Dunklerwerden der Glut in den Kohlebecken.


    Eirene:


    Mit federndem Gang bewegte sich die Frau in den Raum hinter dem Vorhang und dort in Richtung des alten, etwas verwilderten und wie es schien schmutzigem Greis, der wie ein König des Morgenlandes auf einem Thron saß, eine überaus unhellenische Attitüde, wie die Frau fand.


    Würzig und schwer war die Luft im Raum von schwelender Kohle und Räucherwerk. Auch fand kein Abendwind Einzug in dieses Zimmer, da die Fenster verhangen waren.


    Kurz schien es, als müsse die verschleierte Frau nach Atem ringen, schnell jedoch beherrschte sie ihre Reflexe. Mit einer grazilen Bewegung schob sie den Schleier von der Stirn. Nun wurde ihr Gesicht, das zuvor im Schatten gelegen hatte, sichtbar. Sie war kein junges Mädchen mehr, doch zart. Die Haut im Gesicht war blass, zusätzlich mit Kalkschminke gebleicht, was mit Rötel abgemildert worden war.


    Auf die Begrüßung des Altens hin nickte die Frau. Sie trat einen weiteren Schritt auf ihn zu. Dann hielt sie ihm ihre schmale, blasse, mit einer Vielzahl an filigranen und einem einzelnen schweren Siegelring (eigentlich eher das Attribut eines Hausherren und Familienvaters) geschmückte rechte Hand hin.


    "Es ist mir eine Ehre.". sagte die Frau. Bei jedem Wort spitzte und beugte sie ihre Lippen wie eine Schauspielerin, die sich um eine deutliche Aussprache bemüht.
    "Mein Name ist Eirene. Du wirst mich nicht kennen."

    "Wie kein Zweiter weiß ich um die Bedeutung des Heeres des göttlichen Imperators für die Polis. Wie kein Zweiter bin ich dir und dem Heerführer dankbar für den Schutz, den ihr uns Polites angedeihen lasst.


    Umso betrüblicher stimmt es mich, im Namen der Polis eine Beschwerde gegen eine Centurie und den für sie zuständigen Centurie vorbringen zu müssen.


    Heute sollte besagte Centurie wohl in der Stadt patroullieren, und du darfst mir glauben, dass ich dies sehr begrüße, dient es doch der Sicherheit und Ordnung.


    Jedoch ließ der Centurio diese Einheit aus unerklärlichem Grund direkt vor dem Heiligtum der Tyche aufmarschieren, um von dort aus die Aufteilung in einzelne Einheiten zu übernehmen. Dies ist insofern sicher taktisch günstig, da die Agora ein Mittelpunkt der Stadt ist.


    Allerdings ist die Tatsache, direkt im Angesicht der Tyche aufzumarschieren, höchst ungewöhlich und stieß auf das Bedenken vieler Bürger. Schließlich hatten wir der Agathe Tyche erst kürzlich ein Fest gestiftet und ein Opfer gebracht, auf dass sie der Polis gütig sei. Viele Bürger fürchteten nun, dieses Verhalten seitens der Centurie könnte die Göttin verärgern.


    Ich, in der Furcht, dieses außergewöhnliche Ereignis könnte einen außergewöhnlichen Grund, wie zum Beispiel einen drohenden Aufstand, einen Überfall barbarischer Reitervölker der Wüste oder Ähnliches haben, fragte keinesfalls unhöflich nach dem Grund. Daraufhin sagte der Centurio grob, es ginge mich nichts an und fuhr fort mit der Prozedur, ohne mich überhaupt mehr zu beachten.


    Zu erwähnen ist dabei die Tatsache, dass ich nicht nur der Beauftragte der Polis für die Erziehung der Kinder der Stadt, sondern auch Priester des Hermes und des Herakles bin.


    Dies alles allein wäre sicher bedenklich, doch keinesfalls sehr bedenklich.


    Jedoch spielte sich im Angesicht der Tyche schon zu Anfang des Aufmarsches einiges ab, was mich als einen um den Frieden besorgten Beamten der Stadt besorgt, viele Bürger verärgert stimmte.


    Ein Legionär warf einen Mann, ich vermute sogar, einen Bürger der Polis, grob zu Boden. Daraufhin wies ihn ein Optio anscheinend zurecht. Dies zeugt, meiner Meinung nach, von jener Umsicht und Höflichkeit, die sonst dem römischen Heer im Umgang mit den Bürgern der Polis Alexandria zu eigen ist. Schließlich ist der Legionär vielleicht noch unerfahren und hat so nicht aus bösem Willen gehandelt, sondern aus einem Irrtum, den nun der umsichtige Optio beseitigte.


    Doch der Centurio fuhr den Optio laut an und behauptete, derartiges, das heißt vom Legionär an den Tag gelegtes Verhalten gegen die Bürgerschaft der Stadt sei Inhalt eines Befehls.


    Im übrigen blieb auch die zweite, wie ich finde freundliche Nachfrage meinerseits seitens des Centurios unbeantwort, ja wurde sogar wie die Erste mit einer groben Bemerkung abgetan.


    Werter Präfekt, verstehe mich bitte nicht falsch in dem Sinne, ich wäre ein Gegner der Patrouillen der Legion in der Stadt.


    Das Vorgehen dieses einen Centurios jedoch ist überaus gefährlich. Nicht jeder Bürger ist besonnen und vernünftig genug, um den Sinn der militärischen Präsens der Legion in der Stadt einzusehen. Das Verhalten dieses Centurios an diesem Tag stiftete somit Unruhe, die geschürrt wurde von der Angst, der Agathe Tyche könne ein Frevel getan werden. Auch die Tatsache, dass brutales Verhalten gegen Unschuldige von diesem Centurio als Teil eines Befehls dargestellt wurde, ließ die Bürger ängstlich und unruhig werden.


    Da die Patrouille noch immer in der Stadt ist, weiß ich nicht, was sich der Centurio noch zuschulden kommen lassen wird und welche Reaktionen darauf folgen werden. Ich fürchte, dem einfachen Volk kann der Verstand abhanden kommen und es kann sich zu gefährlichen und schlechten Dingen hinreißen lassen, ohne diese wirklich zu wollen, sondern im Gegenteil aus einer Gemütsregung heraus, die es überfiele.


    Daher bitte ich dich inständig, hochverehrter Präfekt, gebiete diesen Handlungen um der Ordnung und des Friedens Willen Einhalt. Ich will auch dem Centurio keine schlechten Absichten unterstellen, dies steht mir nicht zu, doch ich fürchte, er ereifert sich in einer Weise, die ungesund ist. Daher bitte ich dich, ihm Einhalt zu gebieten und dafür zu sorgen, dass er seinen Eifer in Zukunft bremst, um nicht unwillentlich Frevel an den unsterblichen Göttern zu begehen."


    Als Nikolaos seine Rede beendet hatte, blickte er erwartungsvoll zum Eparchos auf. Er hoffte, dieser würde ihn nicht hinauswerfen. Dann indes würde im schlimmsten Fall die Situation in der Stadt hochkochen in einem Maße, dass auch der oberste der Pyrtanen nicht mehr beschwichtigen könnte.

    "Sei mir willkommen, werter Cleonymus.", kam eine Stimme aus dem Dunkel. Sie gehörte zu einem Gesicht, das zuvor im Schatten war, sich nun dem Besucher näherte und in den Schein der Öllampe kam. Nikolaos war es. "Bitte störe dich nicht am üblen Gestank. In den Räumen hinter diesem -" Er machte eine Kopfbewegung in Richtung einer Tür am anderem Ende des Raumes, die in der Dunkelheit nur schemenhaft zu erkennen war."-pflegt Seth zu arbeiten. Doch wie du riechen kannst, werden die Miasmen von vielerlei Kräutern zerstört. Hinter der anderen Tür ist das vielleicht größte Heilmittellager der Stadt. Wenn du dich setzen magst-"
    Eine Hand des Nikolaos verschwand in der Dunkelheit und schob geräuschvoll einen klobigen Stuhl über den Fußboden aus gestampftem Lehm.
    "Du weißt sicher, weshalb ich dich zu kommen bat? Dir sind sicher die Ereignisse auf der Agora vor dem Heiligtum der Tyche nicht verborgen geblieben?"

    Die Gestalt war in Seths Laden eingetreten. Der Inhaber schien schon gewartet zu haben.


    "Sei gegrüßt, werter Cleonymus." Seth war ein älterer Herr mit dunkler Haut und fast schwarzen Augen. Seine Stimme war dunkel und tief, seine Bewegungen geschmeidig und besonnen. "Der Herr erwartet dich. Bitte folge mir."
    Der Mumienmacher wies dem Besucher den Weg durch einen dicken, staubigen Vorhang in ein Hinterzimmer, das keine Fenster hatte. Die einzige Lichtquelle war eine kleine Öllampe, die in einer Wandnische stand.

    Erst jetzt hatte der Gymnasiarchos den Büttel bemerkt.


    "Vielleicht müsste man deswegen nicht die ganze Volksversammlung verschieben. Man könnte vielleicht eine Regelung treffen, dass diejenigen Ermittlungen, die der noch amtierende Strategos Cleonymus begonnen hat, in der nächsten Pyrtanie vomselben Cleonymus zum Abschluss gebracht würden. Gleichzeitig könnte der noch amtierende Strategos für die Einarbeitung des gewählten neuen Strategos sorgen. Was, werte Pyrtanen, haltet ihr von diesem Vorschlag? Was, werter Mann, hielte dein Herr von diesem Vorschlag?"

    "Ausgezeichnet.", meinte Nikolaos. "Wenn niemand etwas dagegen hat, würde ich die Versammlung in zwei Tagen ansetzen. Wenn wir sogleich einen Aufruf verfassen, haben auch die Bürger, die sich im Umland aufhalten, die Gelegenheit, zur Versammlung zu erscheinen."

    "Es ist mir eine Ehre, von dir empfangen zu werden, hochverehrter Präfekt, auch wenn der Anlaß meines Besuches kein freudiger ist.", begann Nikolaos höflich. "Es tut mir leid, deine Geduld mit diesem Problem strapazieren zu müssen und ich bitte dahingehend um deine Nachsicht. Wenn du erlaubst würde ich jedoch gerne beginnen, dir mein Anliegen vorzutragen. Leider ist es nicht nur unangenehm, sondern auch eilig."
    Er wartete auf ein Zeichen des Präfekten.