"Gewiss muss der Mann bestraft werden, denn sein Handeln ist der Ordnung der menschlichen Gesellschaft zuwider. Aber es ging mir weniger darum, als darum, dass es eine Ordnung jenseits der uns geläufigen gibt, die dieser widerspricht.", antwortete Nikolaos bedächtig.
"Die Götter strafen, doch Gerechtigkeit ist ihnen fremd. Denke nur daran, wie sie sich gegenseitig quälen und bekämpfen. Das, was uns als höchste Ordnung vorkommt, ist im Grunde nur die Ordnung, die dafür sorgt, dass es in unserem Winkel der Welt kein Durcheinander gibt. Die Ordnung, in der unsere kleine Ordnung aufgeht, ist gleichsam größer und umfassender wie in unserem Sinne widersprüchlich.
Wo wir bei den Göttern sind, möchte ich darlegen, was ein alter, weiser Mann, der einst auch ein Priester der Musen war, und nun vermutlich längst gestorben ist, mir erzählte:
Genauso, wie in uns Menschen viele Seelen wohnen, sind auch die Götter verschiedene Teile eines großen Ganzen.
Wir fangen im Kleinen bei den Göttern an:
Persephone, das Mädchen, bringt den Sommer, ist aber im anderem Teil des Jahres die Königin der Unterwelt, wennauch geraubt durch Hades, so doch schließlich ihrem Schicksal gefügig.
Es gibt Artemis, die Jungfrau und es gibt Aphrodite, die Liebesreiche.
Es gibt die Isis, die den Osiris, ihren geliebten Bruder, nachdem er zerrissen worden ist, zusammennäht, es gibt die Kybele, die ihren Geliebten Attis zerreißt.
Auch Dionysos wird zerrissen, gekocht, gegessen, und ersteht wieder auf.
Es gibt viele Göttinnen. Betrachtet man sie näher, sind sie doch ein- und dieselbe. Jedes Volk hat seine Götter. Doch gleich, welchen Namen die Menschen ihnen geben, sind sie dieselben.
Wir finden Ähnlichkeiten zwischen der Zerreißenden und der Heilerin, wie wir sehen, dass ein und derselbe Mann Mörder und Vater ist."