Nikolaos trat ein. "Entschuldige, falls ich dich gestört haben sollte, werter Sosimos. Mein Name ist Nikolaos Kerykes, ich bin seit längerem Schüler des Museions. Einen nicht unbeträchtlichen Teil meiner bisherigen Zeit am Museion habe ich damit verbracht, eine Abhandlung über die praktische Aufführung einer drama, gewissermaßen als bescheidene Ergänzung zur Poeteia des Aristoteles, die zugleich aber auch ein Beispiel ist für die Verwandtschaft aller Künste zueinander." Er legte eine Pause ein. Diese Schachtelsätze, die man sich anscheinend rasch angewöhnte, wenn man am Museion Gelehrte sprechen hörte, selbst mit solchen sprach und überlange Abhandlungen verfasste, waren recht anstrengend und erforderten gelegentliches Luftholen. "Ich möchte dich bitten, diese Abhandlung auf ihre Eignung hin zu prüfen, in die Bibliothek aufgenommen zu werden.", sagte er schließlich und reichte dem Mann die Rolle. Zwar hatte er den alten Gelehrten respektvoll behandelt, doch die anfängliche Unterwürfigkeit gegenüber den weisen oder weniger weisen Herren des Museions sowie insbesondere inoffiziellen Stellvertretern des Mannes, dessen Tod Nikolaos als Strategos untersucht hatte, war mit zunehmender politischer Macht gewichen. Zwar war Nikolaos nicht anmaßend, wie er sich in letzter Zeit oft gegenüber den anderen Pyrtanen gab, jedoch war ihm deutlich anzumerken, dass er keine Furcht mehr hatte gegenüber höhergestellten.
Beiträge von Nikolaos Kerykes
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"Zuerst wird er sicher in Rom einziehen", sagte Nikolaos. "Ich bin mir sicher, der Eparchos wird das Koinon rechtzeitig davon in Kenntnis setzen, wenn er der rhomäischen Provinz Aiygptos und unserer Polis einen Besuch abstattet. Das Opfer jedoch sollten wir so rasch wie möglich vorbereiten. Auch keinen Aufschub duldet die Einberufung der Ekklesia, um den Bürgern diese traurige Nachricht nicht vorzuenthalten."
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Nikolaos war am fortgeschrittenen Morgen zu Sosimos Arbeitsräumen gegangen. Da Theodoros verschwunden war, hatte der alte Gelehrte die Vertretung für den toten Epistates gewissermaßen ungeschrieben und ohne Würdentitel, still und ohne Abbruch übernommen. So hielt der Schüler es für angebracht, Sosimos gewissermaßen als Bibliothekar anzusehen und es somit ihm anheim fallen zu lassen, über die Aufnahme oder Nichtaufnahme von Schriften in die Bibliothek zu entscheidne. Unter seinem Arm trug er eine Abschrift seiner Abhandlung. Sie war umfangreicher geworden, als er anfangs gedacht hatte, hoffentlich würde Sosimos die Mühe auf sich nehmen, sie zu lesen und sie nicht gleich abzuweisen. Schließlich war Nikolaos nicht mehr als ein Schüler im Museion, obgleich er in der Polis durchaus Einfluss besaß. Er klopfte vorsichtig und wartete auf eine Antwort.
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Der Strategos gab einige unverständliche Laute von sich. Ihm war übel, er wollte vermeiden, sich hier zu erbrechen, dabei verkrampfte er den Mund und spürte doch schon das Innere seines Magens an den Zähnen. "Schüssel", keuchte Nikolaos. Vor seinen Augen drehte sich das Zimmer. Er war wieder bei vollem Bewusstsein, doch er bereute es, er wollte wieder unter Isis sanfte Schwingen. "Erbrechen", fügte er hinzu und griff sich mit der Hand an die Lippen, die er aufeinanderpresste. Dabei verzog sich sein Gesicht, jegliche Anmut der Jugend wich von ihm. Wieder legte sich ein Vorhang langsam auf seine Wahrnehmung. Nikolaos bewegte die Arme und Beine unkontrolliert und ruckartig, er versuchte, dadurch wach zu bleiben. Er wälzte sich auf der Kline, doch keine Lage verhinderte den Schwindel.
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Zweites Buch: Besonderer Teil
Wie dies nicht nur in der Dichtung, sondern auch im Schauspiel bewirkt werden kann
Nun liegt es aber nicht nur am Dichter, sondern auch an den Schauspielern, die Zuschauer in den Zauberbann des Mysteriums zu ziehen. Zuerst einmal ist es nötig, dass jedem Schauspiel ein Mann vorsteht, der genau weiß, wie das Schauspiel am Ende durchgeführt werden soll. Meist ist dieser Mann der Dichter des Schauspiels selbst. Er soll, wie ein Mystagoge beim Mysterium, darauf achten, dass die Schauspieler, die zugleich Hierophanten sind, die Zuschauer also die Neulinge vortrefflich in das Mysterium einweihen, allerdings nur bis zu einer bestimmten Ebene. Kein Zuschauer soll wissen, wie das Schauspiel entstanden ist, welche Mühen die Handelnden hatten, welche frevelhaften Zwistigkeiten während der Proben stattfanden. Dies würde die Gemüter der Zuschauer vom eigentlichen Zweck des Schauspiels abbringen. Ich spreche von Zuschauern als Neulingen, denn anders als bei den Rahmen-Mysterien unterscheidet sich jedes Schauspiel vom anderen, allerdings nur soweit, wie es die allgemeinen Regeln erlauben. Somit ist jeder Zuschauer einerseits eingeweiht, wenn er schon einmal im Theater war, andererseits voller Erwartung auf das, was ihm noch unbekannt ist.
Der Leiter des Schauspiels sollte die Figuren so mit Schauspielern besetzen, dass sowohl die Körper als auch die Seelen von Darstellern und Figuren eine gewisse Übereinstimmung haben. Ich spreche von einer gewissen Übereinstimmung, denn eine vollständige Übereinstimmung ist unmöglich.
So besetze der Leiter die Rollen mit Menschen, die ihnen am ähnlichsten sind. Der Greis wird von einem Mann gespielt, der zwar nicht so alt ist, dass ihm das Spielen unmöglich wäre, jedoch alt genug, um glaubhaft zu sein. Den Jüngling spielt der Jüngling, den Mann mittleren Alters ein Mann mittleren Alters. Für zarte Weiber nehme man zarte Jünglinge voller Blut, für kräftige Bauernweiber und feiste Matronen Jünglinge mit einem Überhang an Schleim in der Peripherie. Dabei ist es wichtig, sicher zu gehen, dass der Jüngling jung genug ist und seine Stimme nicht während der Proben oder gar während der Aufführunstage brüchig wird und zu der eines Mannes wird. Sehr männliche Weiber können auch durch Männer gespielt werden.
Was für die Figur an der Person des Schauspielers mangelt, wird durch Masken ersetzt. Außerdem haben die kräftigen Gesichtszüge der Maske, den Sinn, auch aus der Ferne das Gesicht erkennbar zu machen. Durch die Maske wird die Stimme des Schauspielers so verstärkt, dass es auch in den hinteren Reihen möglich ist, seine Worte deutlich zu hören. Trotzdessen sollte ein Schauspieler, wenn er auf der Bühne spricht sehr laut sprechen, wenn er gar schreit sollte er so schreien, dass es ihm selbst unerträglich laut vorkommt.
Wie hier andere Künste ebenfalls einen Beitrag leisten könnenEin unverzichtbarer Bestandteil eines Schauspiels ist neben der Bewegung und dem Klang der menschlichen Stimme der Klang verschiedener Instrumente, die die Worte gewissermaßen in alle Winkel des Theaters tragen und ihrem eigentümlichen Klang ein geeignetes Echo, eine geeignete Einbettung oder aber einen geeigneten Widerpart bieten. Da die Musik eine eigene Kunst der mathematischen Künste ist, möchte ich sie an dieser Stell nicht besonders erläutern. Mir bleibt nur, die Eigenschaften der Instrumente zu benennen und die Art, wie man diese innnerhalb eines Schauspiels einsetzen kann.
Eines der edelsten Instrumente ist die Kithara, das Instrument des Apollons. Durch ihre hohe Zahl an Seiten, die bis zu zwölf betragen kann, ist es möglich, innerhalb einer Skala mehrere Viertöne mit ihr zu erzeugen. Sie wird von einem einzelnen Mann gespielt, dabei hält er sie sich im Stehen seitlich vor die Brust. Während die eine Hand die Saiten mit einer kleinen Platte zum Schwingen bringt, erzeugt die andere die Töne, indem sie an unterschiedlichen entsprechenden Stellen die Saite dämpft. Durch ihren recht großen Schallkasten kann sie, auch allein, einen kräftigen Klang erzeugen. Sie eignet sich vor allem zur Begleitung von Alleingesängen in der Tragödie oder Komödie, aber auch für Zwischenstücke, bei denen allein der Klang dieses Instrumentes das Theater erfüllt und die Zuschauer für das, was darauf folgen wird, in den Bann zieht.
Gewissermaßen eine kleine Schwester der Kithara ist die Lyra. Sie wird ähnlich gespielt wie diese. Einen geringen Unterschied gibt es in der Haltung, denn die Kithara besitzt unter dem Schallkasten einen Fuß, die Lyra nicht. Der größte Unterschied jedoch besteht im Klang. Zwar ist auch dieser im Grunde sehr ähnlich dem der Kithara, jedoch ist er viel schwächer, dadurch, dass der Schallkasten der Lyra kleiner ist. Auch die Zahl der Saiten ist geringer, dadurch ist innerhalb einer Stimmung eine kleinere Anzahl verschiedener Töne zu erzielen. Während die Kithara nun auch allein mit ihrem Klang für eine gewisse Zeit Teil der Handlung sein kann, ist dies bei der Lyra eher unüblich. Sie wird meist nur zur Begleitung des Gesangs verwendet und dort oft, um einer zarten Gesangsstimme zu entsprechen, so bei den Gesängen von Figuren des Schauspiels, die Frauen sind. Während also die Kithara der Stimme des Mannes oder des älteren Knabens enspricht, ist die Lyra die Entsprechung der Knabenstimme, wenn sie noch nicht den Wendepunkt hinter sich hat und wenn sie noch kindisch schwach ist. Bei der Lyra sind zwei Arten zu unterscheiden, zum einen die mit schildkrötigem Schallkasten, zum anderen die mit langen, nach oben gestreckten Armen. Letztere findet neben dem Einsatz beim Vortrag der Dichter auch eine Bedeutung beim Schauspiel. Wie die Kithara dem Apollon geweiht ist, so ist die Barbitos dem Dionysos heilig.
Eng mit der Lyra verwandt ist die Phorminx. Sie hat jedoch nur Platz für einen Tetrachord, da sie nur vier Saiten besitzt. Daher ist sie nur für Gesänge geeignet, die sich in einem engen Rahmen halten. Meist ist die Phorminx für die ionischen Tönen gebaut. Jedoch kann man, von Künstlern auf diesen Gebiet, auch andere dieser Instrumente bauen lassen, um sie abwechselnd einzusetzen. Während die Lyra der Begleitung des Gedichts dient, ist die Phorminx vor allem der Begleitung der epoi dienlich. Ihr Einsatz im Schauspiel ist jedoch sehr beschränkt, vereinzelt wird sie zur Begleitung von Alleingesängen eingesetzt.
Ein Instrument, das nicht durch die Finger sondern durch den menschlichen Atem, wie auch die Stimme, bewegt wird, ist der Aulos. Er besteht aus einer langen Röhre, in die vier Löcher an der Oberseite sowie ein Loch an der Unterseite eingelassen sind. Durch Verdecken verschiedener Löcher mit den Fingern können unterschiedliche Töne erzeugt werden. Der eigentlich Klang jedoch entsteht durch das Vorbeiziehen des Atems des Spielers an einem Holzblatt und durch eine Art Mund des Instrumentes. Um eine größere Anzahl verschiedener Töne erzeugen zu können, werden Auloi meist paarweise gespielt. Mehrere solcher Paare können starke Klänge erzeugen. Sowohl für die Begleitung von Alleingesängen und im weitaus höheren Maße zur Begleitung des Chores im Schauspiel können sie eingesetzt werden als auch für einzelne Abschnitte als selbstständiges Element. Da ihr Klang sehr kräftig und der menschlichen Stimme ähnlich ist, benötigen sie eine sehr kräftige Stimme als Gegenpart, damit die menschliche Stimme nicht in den Klängen der Auloi untergeht. Kunstfertige Spieler werden jedoch auch zarte Klänge aus dem Aulos locken können.
Dem Aulos verwandt ist die Synrix. Diese besteht in einer Anzahl von kurzen Pfeifen, die unterschiedlich sein kann, die aneinandergebunden sind, und die teils gleichzeitig, teils abwechselnd durch den Atem des Spielers mit Leben erfüllt werden. Wie beim Aulos ist hierbei ein Atem nötig, der nicht unterbrochen wird. Die Vielzahl an Tönen wird nicht nur, bei manchen solcher Instrumente gar nicht, durch das Abdecken unterschiedlicher Löcher in den Rohren erreicht, sondern durch die Vielzahl an unterschiedlich großen und unterschiedlich geformten Röhren. Die Synrix vermag nicht, wie der Aulos, starke Klänge zu erzeugen, daher ist sie zur Begleitung des Chores weniger geeignet als zur Begleitung des Alleingesangs, zur Übernahme einzelner Zwischenstücke ohne Gesang oder aber als untergeordnete Stimme neben anderen Instrumenten.
Ein weniger wichtiges Instrument ist das Tympanon. Es besteht aus einem runden Rahmen und einer Tierhaut oder aber einem Fell aus einem auseinandergezogenen Darm, die darüber auf beiden Seiten straff gespannt ist. Durch Schläge mit der Hand wird diese Haut zum Schwingen gebracht. Es wird vor allem bei Prozessionen eingesetzt und zur Begleitung von anderen Kulthandlungen, in der Kulthandlung des Schauspiels ist sie allenfalls zur Unterstützung der Betonung der Sprache dienlich. Dabei wird beispielsweise jede lange Silbe durch einen Schlag auf dem Tympanon betont. Wie auch die Synrix ist es meist als untergeordnete Stimme neben anderen, übergeordneten Stimmen zu finden.
Noch geringere Bedeutung hat die Krotala, eine kleine Handklapper. Sie wird beinahe ausschließlich bei der Musik zum Tanz eingesetzt. Ihr Klang ist schwach und daher für ein Schauspiel nicht zu gebrauchen. Vereinzelt wird sie, neben dem Tympanon, als untergeordnete Stimme in instrumentalen Zwischenspielen eingesetzt.
Ein sehr eigentümliches Instrument ist der Hydraulos. Sie besteht aus mehreren, dem Aulos ähnlichen Pfeifen. Jedoch ist hier nicht der menschliche Atem das, was ihr Leben einhaucht, sondern Luft, die ihr mit einer Fußpumpe eingedrückt wird. Das, was beim Aulos die menschliche Lunge ist, ist bei ihr ein Gefäß, das oben einen Zugang zu den Pfeifen hat sowie ein Rohr, das von der Pumpe herführt, unten jedoch offen ist und in einem Kasten gewissermaßen schwebt, der mit Wasser gefüllt ist. Durch den Druck des Wassers wird ein gleichmäßiger Druck auf die Luft ausgeübt, sodass diese in einem gleichförmigen Strom durch die Pfeifen strömen kann, wie dies auch bei den Auloi mit dem menschlichen Atem der Fall ist. Durch den Wasserdruck wird ausgeglichen, dass mit der Pumpe die Luft nur stoßweise zugeführt werden kann. Die Hydrauloi können sehr starke Klänge erzeugen. Außerdem passieren dem Hydraulos, im Gegensatz zum Aulet, keine Fehler, ihm bleibt nie die Luft weg, sofern die Pumpe, das Wassergefäß oder die Verbindungsleitungen keinen Schaden haben. Nachteilhaft ist, dass nur wenige Künstler in der Lage sind, ihn zu bauen und es sehr schwierig ist, ihn von einem Ort an einen anderen Ort zu bringen.
Wenn es möglich ist, eine solche Wasserorgel einzurichten, werden auch viele andere Kunstwerke dieser Art sich einrichten lassen bei der scené. In der rhomäischen Stadt Pompeion gibt es im dortigen Theatron ein Gestell mit einem Vorhang, der sich vor der scené aus dem Boden fahren lässt. So kann die scené verdeckt werden, so können Umbauten stattfinden. Wo so etwas nicht möglich ist, da verzichte man auf viele Umbauten oder aber baue die scené rasch um und während die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf den Chor gerichtet ist, der meist abseits der scené steht, oder auf Tänzer in der orchestra. Vielerlei solcher Kunststücke sind möglich, wenn gute Künstler in den mechanischen Künsten vorhanden sind. So lässt sich eine Mischung aus Phospor und Schwefel und anderen Dingen, die griechisches Feuer genannt wird, in Fässer füllen, die innen mit Eisen oder Kupfer ausgeschlagen sind. Ein Funke genügt, und aus den Fässern steigen hohe, grelle Flammen. Mischt man Holz oder Kohle hinzu, und schichtet dazwischen viele Lagen der Mischung, so ist eine helle Beleuchtung über längere Zeit möglich.
Eine ähnliche Methode wie bei der erwähnten Wasserorgel lässt sich auch zum Erzeugen künstlichen Windes nutzen. Durch eine derartige Anlage in etwas größerer Ausführung als eine Wasserorgel und ohne unterschiedliche Pfeifen, sondern nur mit einem größeren Trichter, der waagerecht in Richtung entlang der scené aufgestellt ist, lassen sich Haar und Gewänder der Mimen ähnlich wie durch einen echten Wind bewegen und zersausen. Durch ein Ventil, das an den Trichter montiert wird, und das die Eigenart hat, sich plötzlich schließen zu lassen, können schnelle Windstöße erzeugt werden. Es finden sich in den Werken des Herons von Alexandria und anderer Schriftsteller, die sich der Beschreibung von mechanischen Kunstwerken gewidmet haben, noch weitere Maschinen, die alle dazu genutzt werden können, dem vor der scené Gesagtem eine sichtbare Gestalt zu geben. Dies allein ist die Aufgabe der mechanischen und bildnerischen Künste am Theater. Wie Blütenblätter um die Staubgefäße, das eigentlich fruchtbare der Blume, soll sich das Sichtbare um das Wort sammeln, vom Wort ausgehen, auf das das Gesamte noch mehr blühe als die Worte allein. Selbstverständlich ist ein großer Aufwand, der entstünde, wenn alles eingesetzt würde, was bisher beschrieben worden ist, nicht immer nötig und manchmal sogar schädlich, denn er zuviel kann sich über das Wort legen wie billiger Flitter über bereits bemalte Statuen und so das Wort verschwinden lassen in einem Tümpel aus unterschiedlichen Ablenkungen. Hierbei gillt für den, der das drama leitet, die goldene Mitte zu finden.An dieser Stelle wird die Eifrigkeit und Kunstfertigkeit von mechanischen, musikalischen aber auch anderen Künstlern bald schon eine Erweiterung fordern. Jedoch hielt ich es für geeignet, hier zunächst vom Besonderen ins Allgemeine zurückzukehren, und hierfür den Begriff der Goldenen Mitte als Anlass zu nehmen. Denn dies gilt für alle Bereiche und Künste, die in der drama zum Einsatz kommen. Beim Schauspiel muss heftiger gestikuliert werden, als es die meisten Menschen tun würden, doch eine zu heftige Gestik nimmt den Charakteren ihre Würde. Zwischen Überhöhung und der Möglichkeit der Zuschauer, mitzufühlen, also zwischen dem Berg der Dichtkunst und der Niederung des Lebens, muss ein Dichter und auch ein Schauspieler einen Platz finden, bei dem sich beide Seiten in der Waage halten. Natürlich kann man die Aufführung eines schlechten Stückes mit allerhand Wundermaschinen versilbern, doch nicht das Stück wird dadurch besser, die Zuschauer sind nur vom verdorbenen Kern des Stückes abgelenkt durch eine allzu grelle Schale. Im Schauspiel ist es wie zwischen Schülern und Lehrer. Zwar muss der Lehrer den Schülern höhere Dinge vermitteln, jedoch bedient sich ein guter Lehrer dabei Beispiele, die dem Leben der Schüler näher sind, ohne jedoch das höhere Prinzip zu vergessen. Und trotz aller Abhängigkeit und Verwandtschaft bleiben Dichtkunst, Gesang, Schauspiel und Tanz der innere Kern eines Stückes.
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Über das Wesen des dramas und ihrer praktischen Aufführung als Beispiel für die Verwandtschaft aller Künste
von Nikolaos Kerykes, Akroates tou Museiou
Erstes Buch: Allgemeiner Teil
Vorsatz
Im Folgenden werde ich die Grundlagen des Schauspiels, seine Funktionen und Mittel beschreiben, wie sich diese in der Umsetzung erreichen lassen, nicht etwa in der Anlage, denn dies tat bereits Aristoteles, auf dessen Lehren zur Dichtkunst ich noch zurückkommen werde. Zum Einen ist diese Abhandlung als Ergänzung zu Aristoteles Theorie der Dichtkunst, insbesondere der Tragödie, zu verstehen und als durchaus praktische Anleitung. Zum Anderen jedoch soll dieses Buch den Zweck haben, anhand des Beispiels der Theateraufführung die Verwandtschaft höchst unterschiedlicher Künste aufzuzeigen und ihr Zusammenwirkung und ihre Abhängigkeit zueinander. Bei aller Zuwendung einem bestimmten Gebiet der Künste hin, sei es die Dichtkunst, sei es die Mechanik, sei es die Malerei, sei es die Erforschung der Pflanzenwelt, die nötig ist, um auf diesem einen Gebiet Vervollkommnung zu erreichen, sollte ein Künstler nie vergessen, dass seine Kunst nicht alleine bestehen kann, sondern nur durch den Austausch mit anderen bestehen. Es gäbe noch eine Vielzahl an Beispielen dafür, die Notwendigkeit der Rhetorik für die Geschichtsschreibung, die Notwendigkeit der Mechanik zum Bau von Geräten, die die Untersuchung der Natur ermöglichen, doch ich möchte mich auf ein einziges Gebiet beschränken. Natürlich werden meine Ausführungen unvollkommen sein, denn gerade auf dem Gebiet, dass ich wählte, ist eine Menge an Möglichkeiten zum Einsatz anderer Künste vorhanden, die unzählbar ist. Doch wie auch in der Dichtkunst ist auch in der Kunst, die die Untersuchung der Künste zum Ziele hat, die Beschränkung notwendig, um wichtige Dinge deutlich sichtbar zu machen. Dieses Buch wird nicht das letzte sein, was ich zu diesem Thema schreiben werde, es wird ergänzt werden.
Über die Entstehung des Schauspiels
Um eine Tragödie aufzuführen, also tote Worte lebendig zu machen, zu Klängen zu machen, sollte jeder Dichter und jeder Schauspieler wissen, worin ihr Wesen besteht, denn ohne die Erkenntnis dieses Wesens ist jedes Schauspiel ein unwürdiges Gezappel. Ich möchte mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen, was das Wesen wirklich ist, das Folgende ist nur ein Vorschlag, der anzunehmen ist oder auch nicht. Denn ganz gleich welches Wesen man hinter der Tragödie vermutet ist es doch wichtig und unbedingt nötig, überhaupt ein Wesen dahinter zu vermuten, denn ansonsten dichtet und spielt man so, dass es nicht fesselt, sondern lediglich den Scharen der Theaterbesucher einen Vorwand bietet, ihre Körperlichkeit verdeckt von prachtvollen (oder weniger prachtvollen) Kleidern zur Schau zu stellen.
So ist dies leider die Sitte oft in unserer Zeit. Der Rhomäer Pyblios Ovidios Naso schrieb vor etwa hundert Jahren über die rhomäischen Frauen: "Spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae", was bedeutet: "Sie kommen um zu sehen, sie kommen um selbst gesehen zu werden." Ob dies vielleicht nicht auch auf die Männer zutrifft, muss in Erwägung gezogen werden. Für die Rhomäer ist also das Theater offenbar meist nur ein Ausstellungsort ihres eigenen Körpers, ihres eigenen Reichtums, ihrer eigenen Geltung. Doch wie sieht es mit den Hellenen aus, in den von ihnen bewohnten Gebieten die Tragödie entstanden ist? Um nichts besser, ist die traurige Antwort.
Um eine ungefähre Vorstellung vom Wesen der Tragödie zu erhalten, muss man nach dem Ursprung derselben suchen. Der oder ein Ursprung findet sich im Kult des Bakhos. Die Oden und Gebete wurden anfangs durch einen Chor gesungen, der von Musikanten begleitet wurde. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Dinge, die Aristoteles als êthê bezeichnet, noch nicht. Einen mythos hatten allerdings diese Lieder, sie handelten vom Werden und Vergehen und Wieder-Werden des Gottes oder der Götter. Denn es ist zweifelhaft, ob nur oder insbesondere der Bakhos auf diese Weise angebetet wurde. Doch vor allem bei Dionysos gibt es jenen mythos über sein Werden und Vergehen, aus dem und dessen Variationen sich später andere mythoi entwickelt haben könnten. Kurz zusammengefasst ist also das Lied zur Anbetung der Götter die älteste oder eine der ältesten Formen der Dichtung.
Später wurde nun diese Vortragödie zur Tragödie, indem sich einige Menschen aus dem Chor lösten und den mythos nicht mehr nur besangen sondern als Agonisten mit ihren Körpern darstellten. Vorläufer dieser körperlichen Darstellung sind vielleicht die Tänze, die allerdings noch keinen Gedanken ausdrücken, sondern lediglich primitive Gefühle.
Nach und nach wurde die durch Agonisten gespielte und gesprochene Handlung immer wichtiger und komplizierter. Schließlich entstand das, was wir heute als drama bezeichnen, eine Handlung, die einerseits die Verhältnisse unserer Wirklichkeit nachahmt, auf der anderen Seite vom Chor kommentiert wird.Was das Schauspiel bewirken soll
Die Aufgabe des Schauspiels ist es, wie Aristoteles sagte, eine Reinigung der Seelen der Zuschauer (und auch und vielleicht in noch viel größerem Maß der Schauspieler) durch Mitleiden oder anderes Mitfühlen zu erreichen. Dabei muss der erste Handelnde der Tragödie so gestaltet sein, dass jeder Zuschauer sich selbst in ihn hineinversetzen kann, so als stecke ihn ihm die Seele eines jeden Zuschauers. Es ist für jeden freien Menschen nötig, seine Seele genauso gründlich zu reinigen wie seinen Körper, denn nur mit reiner Seele kann ein Bürger über das Wohl der Polis entscheiden, nur mit reiner Seele ist ein Mann seiner Familie ein gerechter und guter Herr.
So ist jedes Schauspiel auch zugleich wieder, wie ursprünglich, ein Mysterium. Ein Mann geht aus dem Theater und hat den Schmutz der Seele mithilfe von Schaudern, Zittern, Zähneklappern, Heulen und Lachen hinter sich gelassen. Ob die Reinigung durch Heulen oder durch Lachen geschieht, ist gleichgültig. Lachen und Heulen sind die Grundfähigkeiten eines jeden Menschens und eines jeden Gottes. Nur ein Mensch oder ein Gott kann lachen oder heulen, ein Tier ist dazu nicht in der Lage.
Doch wie erreicht man Geheul und Gelächer?
Kurzer Abriss über die Lehre von der Dichtkunst des Aristoteles, insbesondere bezogen auf die Tragödie
Nach Aristoteles ist der Kern einer ganzen Reihe von Künsten die Nachahmung der Wirklichkeit, jedoch nicht als bloße Nachahmung des Ganzen, sondern als Darstellung des Wahrscheinlichen und Möglichen innerhalb dieser Wirklichkeit. Der Dichter nimmt, gleich einem Bildhauer, von unserer Wirklichkeit soviel fort, bis nur noch etwas übrig bleibt, was sich als Prüfstein für das Verhalten von Menschen eignet. Dies nimmt er als Grundstein für eine Wirklichkeit innerhalb des Kunstwerkes.
Zu den Künsten, die Aristoteles als "nachahmend" bezeichnet, gehören auch der Tanz und das Schauspiel, im weiteren Sinne auch die Malerei und die Bildhauerrei. Jedoch fehlt Malerei und Bildhauereidas Element der fortlaufenden Handlung, der zeitmäßigkeit, sie nehmen als Wirklichkeit das Sichtbare eines Augenblicks, jedoch auch hierbei, wie in der Dichtkunst, nur einen Teil, der die Eigenschaft hat, dass er sich erhöhen lässt durch die Hände des Künstlers.
Erwähnter Prüfstein als wichtigste Aufgabe der Handlung bezieht sich nicht auf die Figuren einer drama, sondern soll allgemeingültig auf die Menschheit als Ganzes angewandt werden. Dadurch, dass der Dichter nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit aufgreift, wird das allgemeine Prinzip dahinter deutlich, schmerzhaft deutlich oder lustvoll deutlich für die, die das Werk betrachten, sei es als Zuhörer des Rhapsoden, sei es als Zuschauer einer Tragödie oder Komödie.
Dabei zwingt in der Tragödie der Prüfstein der Handlung den Protagonisten, der gut und edel sein muss, edler als ein Mensch in der unkünstlerischen Wirklichkeit, etwas zu tun, was falsch ist, und lässt ihn daran zugrunde gehen. Dadurch, dass der Protagonist wenig Fehler hat, ist jener entscheidene, tragische besonders deutlich zu erkennen. In der Komödie hingegen verhält es sich genau umgekehrt. Hier ist der Protagonist so nieder wie echte Menschen oder gar mit noch mehr Fehlern besetzt. Allerdings darf er nicht insgesamt schlecht sein, da er sich ansonsten des Mitgefühls der echten Menschen entzieht, genauso verhält es sich bei der Tragödie. Die Tragödie ist laut Aristoteles die "Darstellung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von einer bestimmten Größe (Anmerkung des Autoren: d.h. sie muss überschaubar sein) in anziehend geformter Sprache." Letzteres ist wieder ein Hinweis auf die künstlerische Gestaltung, die letztendlich ein Kunstwerk ausmacht. Der Dichter sollte seine Personen nicht sprechen lassen, wie Personen sprechen, sondern ihnen eine dichterische Sprache geben. In der Tragödie soll nach Aristoteles die Handlung nicht erzählt werden, sondern dargestellt, nicht nur mithilfe des Wortes, sondern auch durch Bewegung und Klang. Zum Zweck hat die Tragödie die Reinigung der Zuschauer von üblen Gefühlen und Leidenschaften, die gefährlich sind, dadurch, dass er sie während des dramas in gesteigerter Weise anhand des Mitgefühls mit dem Protagonisten auslebt und somit danach gewissermaßen geleert ist von ihnen. -
Nachdem Nikolaos, nach einer langen, durcharbeiteten Nacht, den letzten Buchstaben setzte, stieg ein Gefühl der Ernüchterung in ihm auf. Nun war er fertig mit seinem Aufsatz, es würde noch vieles hinzuzufügen sein, doch zunächst nicht mehr. Er sah auf die unzähligen Papyri, die er beschrieben hatte. Den geringsten Teil nahm dabei die Reinschrift ein, die er nach letzten Korrekturen angefertigt hatte. Ein wenig Stolz hatte Nikolaos empfunden während des Abschreibens in einer nun fehlerfreien und sauberen Form, doch dieser Stolz war schnell einer schweren Last von Zweifel gewichen. Nikolaos nahm die Papyri, alle, auch jene, die die ersten Entwürfe enthielten, steckte seine Schreibgeräte in ihre Röhre aus Holz zurück, löschte das Licht und verließ die Bibliothek. Am nächsten Tag schon wollte er dies alles einem Gelehrten zur Korrektur vorlegen. Die Entwürfe würde er vernichten, von der Reinschrift eine weitere Abschrift anfertigen, für seine eigene Bibliothek. Erschöpft und mit einem dumpfen Gefühl im Kopf suchte Nikolaos den Schlafraum auf. Schon auf dem Weg dorthin nahm er einen großen Brocken Opium, auf dass es ihm den Schlaf rasch bringe.
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An dieser Stelle wird die Eifrigkeit und Kunstfertigkeit von mechanischen, musikalischen aber auch anderen Künstlern bald schon eine Erweiterung fordern. Jedoch hielt ich es für geeignet, hier zunächst vom Besonderen ins Allgemeine zurückzukehren, und hierfür den Begriff der Goldenen Mitte als Anlass zu nehmen. Denn dies gilt für alle Bereiche und Künste, die in der drama zum Einsatz kommen. Beim Schauspiel muss heftiger gestikuliert werden, als es die meisten Menschen tun würden, doch eine zu heftige Gestik nimmt den Charakteren ihre Würde. Zwischen Überhöhung und der Möglichkeit der Zuschauer, mitzufühlen, also zwischen dem Berg der Dichtkunst und der Niederung des Lebens, muss ein Dichter und auch ein Schauspieler einen Platz finden, bei dem sich beide Seiten in der Waage halten. Natürlich kann man die Aufführung eines schlechten Stückes mit allerhand Wundermaschinen versilbern, doch nicht das Stück wird dadurch besser, die Zuschauer sind nur vom verdorbenen Kern des Stückes abgelenkt durch eine allzu grelle Schale. Im Schauspiel ist es wie zwischen Schülern und Lehrer. Zwar muss der Lehrer den Schülern höhere Dinge vermitteln, jedoch bedient sich ein guter Lehrer dabei Beispiele, die dem Leben der Schüler näher sind, ohne jedoch das höhere Prinzip zu vergessen. Und trotz aller Abhängigkeit und Verwandtschaft bleiben Dichtkunst, Gesang, Schauspiel und Tanz der innere Kern eines Stückes.
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Wie hier andere Künste ebenfalls einen Beitrag leisten können
Ein unverzichtbarer Bestandteil eines Schauspiels ist neben der Bewegung und dem Klang der menschlichen Stimme der Klang verschiedener Instrumente, die die Worte gewissermaßen in alle Winkel des Theaters tragen und ihrem eigentümlichen Klang ein geeignetes Echo, eine geeignete Einbettung oder aber einen geeigneten Widerpart bieten. Da die Musik eine eigene Kunst der mathematischen Künste ist, möchte ich sie an dieser Stell nicht besonders erläutern. Mir bleibt nur, die Eigenschaften der Instrumente zu benennen und die Art, wie man diese innnerhalb eines Schauspiels einsetzen kann.
Eines der edelsten Instrumente ist die Kithara, das Instrument des Apollons. Durch ihre hohe Zahl an Seiten, die bis zu zwölf betragen kann, ist es möglich, innerhalb einer Skala mehrere Viertöne mit ihr zu erzeugen. Sie wird von einem einzelnen Mann gespielt, dabei hält er sie sich im Stehen seitlich vor die Brust. Während die eine Hand die Saiten mit einer kleinen Platte zum Schwingen bringt, erzeugt die andere die Töne, indem sie an unterschiedlichen entsprechenden Stellen die Saite dämpft. Durch ihren recht großen Schallkasten kann sie, auch allein, einen kräftigen Klang erzeugen. Sie eignet sich vor allem zur Begleitung von Alleingesängen in der Tragödie oder Komödie, aber auch für Zwischenstücke, bei denen allein der Klang dieses Instrumentes das Theater erfüllt und die Zuschauer für das, was darauf folgen wird, in den Bann zieht.
Gewissermaßen eine kleine Schwester der Kithara ist die Lyra. Sie wird ähnlich gespielt wie diese. Einen geringen Unterschied gibt es in der Haltung, denn die Kithara besitzt unter dem Schallkasten einen Fuß, die Lyra nicht. Der größte Unterschied jedoch besteht im Klang. Zwar ist auch dieser im Grunde sehr ähnlich dem der Kithara, jedoch ist er viel schwächer, dadurch, dass der Schallkasten der Lyra kleiner ist. Auch die Zahl der Saiten ist geringer, dadurch ist innerhalb einer Stimmung eine kleinere Anzahl verschiedener Töne zu erzielen. Während die Kithara nun auch allein mit ihrem Klang für eine gewisse Zeit Teil der Handlung sein kann, ist dies bei der Lyra eher unüblich. Sie wird meist nur zur Begleitung des Gesangs verwendet und dort oft, um einer zarten Gesangsstimme zu entsprechen, so bei den Gesängen von Figuren des Schauspiels, die Frauen sind. Während also die Kithara der Stimme des Mannes oder des älteren Knabens enspricht, ist die Lyra die Entsprechung der Knabenstimme, wenn sie noch nicht den Wendepunkt hinter sich hat und wenn sie noch kindisch schwach ist. Bei der Lyra sind zwei Arten zu unterscheiden, zum einen die mit schildkrötigem Schallkasten, zum anderen die mit langen, nach oben gestreckten Armen. Letztere findet neben dem Einsatz beim Vortrag der Dichter auch eine Bedeutung beim Schauspiel. Wie die Kithara dem Apollon geweiht ist, so ist die Barbitos dem Dionysos heilig.
Eng mit der Lyra verwandt ist die Phorminx. Sie hat jedoch nur Platz für einen Tetrachord, da sie nur vier Saiten besitzt. Daher ist sie nur für Gesänge geeignet, die sich in einem engen Rahmen halten. Meist ist die Phorminx für die ionischen Tönen gebaut. Jedoch kann man, von Künstlern auf diesen Gebiet, auch andere dieser Instrumente bauen lassen, um sie abwechselnd einzusetzen. Während die Lyra der Begleitung des Gedichts dient, ist die Phorminx vor allem der Begleitung der epoi dienlich. Ihr Einsatz im Schauspiel ist jedoch sehr beschränkt, vereinzelt wird sie zur Begleitung von Alleingesängen eingesetzt.
Ein Instrument, das nicht durch die Finger sondern durch den menschlichen Atem, wie auch die Stimme, bewegt wird, ist der Aulos. Er besteht aus einer langen Röhre, in die vier Löcher an der Oberseite sowie ein Loch an der Unterseite eingelassen sind. Durch Verdecken verschiedener Löcher mit den Fingern können unterschiedliche Töne erzeugt werden. Der eigentlich Klang jedoch entsteht durch das Vorbeiziehen des Atems des Spielers an einem Holzblatt und durch eine Art Mund des Instrumentes. Um eine größere Anzahl verschiedener Töne erzeugen zu können, werden Auloi meist paarweise gespielt. Mehrere solcher Paare können starke Klänge erzeugen. Sowohl für die Begleitung von Alleingesängen und im weitaus höheren Maße zur Begleitung des Chores im Schauspiel können sie eingesetzt werden als auch für einzelne Abschnitte als selbstständiges Element. Da ihr Klang sehr kräftig und der menschlichen Stimme ähnlich ist, benötigen sie eine sehr kräftige Stimme als Gegenpart, damit die menschliche Stimme nicht in den Klängen der Auloi untergeht. Kunstfertige Spieler werden jedoch auch zarte Klänge aus dem Aulos locken können.
Dem Aulos verwandt ist die Synrix. Diese besteht in einer Anzahl von kurzen Pfeifen, die unterschiedlich sein kann, die aneinandergebunden sind, und die teils gleichzeitig, teils abwechselnd durch den Atem des Spielers mit Leben erfüllt werden. Wie beim Aulos ist hierbei ein Atem nötig, der nicht unterbrochen wird. Die Vielzahl an Tönen wird nicht nur, bei manchen solcher Instrumente gar nicht, durch das Abdecken unterschiedlicher Löcher in den Rohren erreicht, sondern durch die Vielzahl an unterschiedlich großen und unterschiedlich geformten Röhren. Die Synrix vermag nicht, wie der Aulos, starke Klänge zu erzeugen, daher ist sie zur Begleitung des Chores weniger geeignet als zur Begleitung des Alleingesangs, zur Übernahme einzelner Zwischenstücke ohne Gesang oder aber als untergeordnete Stimme neben anderen Instrumenten.
Ein weniger wichtiges Instrument ist das Tympanon. Es besteht aus einem runden Rahmen und einer Tierhaut oder aber einem Fell aus einem auseinandergezogenen Darm, die darüber auf beiden Seiten straff gespannt ist. Durch Schläge mit der Hand wird diese Haut zum Schwingen gebracht. Es wird vor allem bei Prozessionen eingesetzt und zur Begleitung von anderen Kulthandlungen, in der Kulthandlung des Schauspiels ist sie allenfalls zur Unterstützung der Betonung der Sprache dienlich. Dabei wird beispielsweise jede lange Silbe durch einen Schlag auf dem Tympanon betont. Wie auch die Synrix ist es meist als untergeordnete Stimme neben anderen, übergeordneten Stimmen zu finden.
Noch geringere Bedeutung hat die Krotala, eine kleine Handklapper. Sie wird beinahe ausschließlich bei der Musik zum Tanz eingesetzt. Ihr Klang ist schwach und daher für ein Schauspiel nicht zu gebrauchen. Vereinzelt wird sie, neben dem Tympanon, als untergeordnete Stimme in instrumentalen Zwischenspielen eingesetzt.
Ein sehr eigentümliches Instrument ist der Hydraulos. Sie besteht aus mehreren, dem Aulos ähnlichen Pfeifen. Jedoch ist hier nicht der menschliche Atem das, was ihr Leben einhaucht, sondern Luft, die ihr mit einer Fußpumpe eingedrückt wird. Das, was beim Aulos die menschliche Lunge ist, ist bei ihr ein Gefäß, das oben einen Zugang zu den Pfeifen hat sowie ein Rohr, das von der Pumpe herführt, unten jedoch offen ist und in einem Kasten gewissermaßen schwebt, der mit Wasser gefüllt ist. Durch den Druck des Wassers wird ein gleichmäßiger Druck auf die Luft ausgeübt, sodass diese in einem gleichförmigen Strom durch die Pfeifen strömen kann, wie dies auch bei den Auloi mit dem menschlichen Atem der Fall ist. Durch den Wasserdruck wird ausgeglichen, dass mit der Pumpe die Luft nur stoßweise zugeführt werden kann. Die Hydrauloi können sehr starke Klänge erzeugen. Außerdem passieren dem Hydraulos, im Gegensatz zum Aulet, keine Fehler, ihm bleibt nie die Luft weg, sofern die Pumpe, das Wassergefäß oder die Verbindungsleitungen keinen Schaden haben. Nachteilhaft ist, dass nur wenige Künstler in der Lage sind, ihn zu bauen und es sehr schwierig ist, ihn von einem Ort an einen anderen Ort zu bringen.
Wenn es möglich ist, eine solche Wasserorgel einzurichten, werden auch viele andere Kunstwerke dieser Art sich einrichten lassen bei der scené. In der rhomäischen Stadt Pompeion gibt es im dortigen Theatron ein Gestell mit einem Vorhang, der sich vor der scené aus dem Boden fahren lässt. So kann die scené verdeckt werden, so können Umbauten stattfinden. Wo so etwas nicht möglich ist, da verzichte man auf viele Umbauten oder aber baue die scené rasch um und während die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf den Chor gerichtet ist, der meist abseits der scené steht, oder auf Tänzer in der orchestra. Vielerlei solcher Kunststücke sind möglich, wenn gute Künstler in den mechanischen Künsten vorhanden sind. So lässt sich eine Mischung aus Phospor und Schwefel und anderen Dingen, die griechisches Feuer genannt wird, in Fässer füllen, die innen mit Eisen oder Kupfer ausgeschlagen sind. Ein Funke genügt, und aus den Fässern steigen hohe, grelle Flammen. Mischt man Holz oder Kohle hinzu, und schichtet dazwischen viele Lagen der Mischung, so ist eine helle Beleuchtung über längere Zeit möglich.
Eine ähnliche Methode wie bei der erwähnten Wasserorgel lässt sich auch zum Erzeugen künstlichen Windes nutzen. Durch eine derartige Anlage in etwas größerer Ausführung als eine Wasserorgel und ohne unterschiedliche Pfeifen, sondern nur mit einem größeren Trichter, der waagerecht in Richtung entlang der scené aufgestellt ist, lassen sich Haar und Gewänder der Mimen ähnlich wie durch einen echten Wind bewegen und zersausen. Durch ein Ventil, das an den Trichter montiert wird, und das die Eigenart hat, sich plötzlich schließen zu lassen, können schnelle Windstöße erzeugt werden. Es finden sich in den Werken des Herons von Alexandria und anderer Schriftsteller, die sich der Beschreibung von mechanischen Kunstwerken gewidmet haben, noch weitere Maschinen, die alle dazu genutzt werden können, dem vor der scené Gesagtem eine sichtbare Gestalt zu geben. Dies allein ist die Aufgabe der mechanischen und bildnerischen Künste am Theater. Wie Blütenblätter um die Staubgefäße, das eigentlich fruchtbare der Blume, soll sich das Sichtbare um das Wort sammeln, vom Wort ausgehen, auf das das Gesamte noch mehr blühe als die Worte allein. Selbstverständlich ist ein großer Aufwand, der entstünde, wenn alles eingesetzt würde, was bisher beschrieben worden ist, nicht immer nötig und manchmal sogar schädlich, denn er zuviel kann sich über das Wort legen wie billiger Flitter über bereits bemalte Statuen und so das Wort verschwinden lassen in einem Tümpel aus unterschiedlichen Ablenkungen. Hierbei gillt für den, der das drama leitet, die goldene Mitte zu finden. -
Was soll das Schauspiel bewirken?
Die Aufgabe des Schauspiels ist es, wie Aristoteles sagte, eine Reinigung der Seelen der Zuschauer (und auch und vielleicht in noch viel größerem Maß der Schauspieler) durch Mitleiden oder anderes Mitfühlen zu erreichen. Dabei muss der erste Handelnde der Tragödie so gestaltet sein, dass jeder Zuschauer sich selbst in ihn hineinversetzen kann, so als stecke ihn ihm die Seele eines jeden Zuschauers. Es ist für jeden freien Menschen nötig, seine Seele genauso gründlich zu reinigen wie seinen Körper, denn nur mit reiner Seele kann ein Bürger über das Wohl der Polis entscheiden, nur mit reiner Seele ist ein Mann seiner Familie ein gerechter und guter Herr.
So ist jedes Schauspiel auch zugleich wieder, wie ursprünglich, ein Mysterium. Ein Mann geht aus dem Theater und hat den Schmutz der Seele mithilfe von Schaudern, Zittern, Zähneklappern, Heulen und Lachen hinter sich gelassen. Ob die Reinigung durch Heulen oder durch Lachen geschieht, ist gleichgültig. Lachen und Heulen sind die Grundfähigkeiten eines jeden Menschens und eines jeden Gottes. Nur ein Mensch oder ein Gott kann lachen oder heulen, ein Tier ist dazu nicht in der Lage.
Doch wie erreicht man Geheul und Gelächer?Kurzer Abriss über die Lehre von der Dichtkunst des Aristoteles, insbesondere bezogen auf die Tragödie
Nach Aristoteles ist der Kern einer ganzen Reihe von Künsten die Nachahmung der Wirklichkeit, jedoch nicht als bloße Nachahmung des Ganzen, sondern als Darstellung des Wahrscheinlichen und Möglichen innerhalb dieser Wirklichkeit. Der Dichter nimmt, gleich einem Bildhauer, von unserer Wirklichkeit soviel fort, bis nur noch etwas übrig bleibt, was sich als Prüfstein für das Verhalten von Menschen eignet. Dies nimmt er als Grundstein für eine Wirklichkeit innerhalb des Kunstwerkes.
Zu den Künsten, die Aristoteles als "nachahmend" bezeichnet, gehören auch der Tanz und das Schauspiel, im weiteren Sinne auch die Malerei und die Bildhauerrei. Jedoch fehlt Malerei und Bildhauereidas Element der fortlaufenden Handlung, der zeitmäßigkeit, sie nehmen als Wirklichkeit das Sichtbare eines Augenblicks, jedoch auch hierbei, wie in der Dichtkunst, nur einen Teil, der die Eigenschaft hat, dass er sich erhöhen lässt durch die Hände des Künstlers.
Erwähnter Prüfstein als wichtigste Aufgabe der Handlung bezieht sich nicht auf die Figuren einer drama, sondern soll allgemeingültig auf die Menschheit als Ganzes angewandt werden. Dadurch, dass der Dichter nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit aufgreift, wird das allgemeine Prinzip dahinter deutlich, schmerzhaft deutlich oder lustvoll deutlich für die, die das Werk betrachten, sei es als Zuhörer des Rhapsoden, sei es als Zuschauer einer Tragödie oder Komödie.
Dabei zwingt in der Tragödie der Prüfstein der Handlung den Protagonisten, der gut und edel sein muss, edler als ein Mensch in der unkünstlerischen Wirklichkeit, etwas zu tun, was falsch ist, und lässt ihn daran zugrunde gehen. Dadurch, dass der Protagonist wenig Fehler hat, ist jener entscheidene, tragische besonders deutlich zu erkennen. In der Komödie hingegen verhält es sich genau umgekehrt. Hier ist der Protagonist so nieder wie echte Menschen oder gar mit noch mehr Fehlern besetzt. Allerdings darf er nicht insgesamt schlecht sein, da er sich ansonsten des Mitgefühls der echten Menschen entzieht, genauso verhält es sich bei der Tragödie. Die Tragödie ist laut Aristoteles die "Darstellung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von einer bestimmten Größe (Anmerkung des Autoren: d.h. sie muss überschaubar sein) in anziehend geformter Sprache." Letzteres ist wieder ein Hinweis auf die künstlerische Gestaltung, die letztendlich ein Kunstwerk ausmacht. Der Dichter sollte seine Personen nicht sprechen lassen, wie Personen sprechen, sondern ihnen eine dichterische Sprache geben. In der Tragödie soll nach Aristoteles die Handlung nicht erzählt werden, sondern dargestellt, nicht nur mithilfe des Wortes, sondern auch durch Bewegung und Klang. Zum Zweck hat die Tragödie die Reinigung der Zuschauer von üblen Gefühlen und Leidenschaften, die gefährlich sind, dadurch, dass er sie während des dramas in gesteigerter Weise anhand des Mitgefühls mit dem Protagonisten auslebt und somit danach gewissermaßen geleert ist von ihnen.Wie dies nicht nur in der Dichtung, sondern auch im Schauspiel bewirkt werden kann
Nun liegt es aber nicht nur am Dichter, sondern auch an den Schauspielern, die Zuschauer in den Zauberbann des Mysteriums zu ziehen. Zuerst einmal ist es nötig, dass jedem Schauspiel ein Mann vorsteht, der genau weiß, wie das Schauspiel am Ende durchgeführt werden soll. Meist ist dieser Mann der Dichter des Schauspiels selbst. Er soll, wie ein Mystagoge beim Mysterium, darauf achten, dass die Schauspieler, die zugleich Hierophanten sind, die Zuschauer also die Neulinge vortrefflich in das Mysterium einweihen, allerdings nur bis zu einer bestimmten Ebene. Kein Zuschauer soll wissen, wie das Schauspiel entstanden ist, welche Mühen die Handelnden hatten, welche frevelhaften Zwistigkeiten während der Proben stattfanden. Dies würde die Gemüter der Zuschauer vom eigentlichen Zweck des Schauspiels abbringen. Ich spreche von Zuschauern als Neulingen, denn anders als bei den Rahmen-Mysterien unterscheidet sich jedes Schauspiel vom anderen, allerdings nur soweit, wie es die allgemeinen Regeln erlauben. Somit ist jeder Zuschauer einerseits eingeweiht, wenn er schon einmal im Theater war, andererseits voller Erwartung auf das, was ihm noch unbekannt ist.
Der Leiter des Schauspiels sollte die Figuren so mit Schauspielern besetzen, dass sowohl die Körper als auch die Seelen von Darstellern und Figuren eine gewisse Übereinstimmung haben. Ich spreche von einer gewissen Übereinstimmung, denn eine vollständige Übereinstimmung ist unmöglich.
So besetze der Leiter die Rollen mit Menschen, die ihnen am ähnlichsten sind. Der Greis wird von einem Mann gespielt, der zwar nicht so alt ist, dass ihm das Spielen unmöglich wäre, jedoch alt genug, um glaubhaft zu sein. Den Jüngling spielt der Jüngling, den Mann mittleren Alters ein Mann mittleren Alters. Für zarte Weiber nehme man zarte Jünglinge voller Blut, für kräftige Bauernweiber und feiste Matronen Jünglinge mit einem Überhang an Schleim in der Peripherie. Dabei ist es wichtig, sicher zu gehen, dass der Jüngling jung genug ist und seine Stimme nicht während der Proben oder gar während der Aufführunstage brüchig wird und zu der eines Mannes wird. Sehr männliche Weiber können auch durch Männer gespielt werden.
Was für die Figur an der Person des Schauspielers mangelt, wird durch Masken ersetzt. Außerdem haben die kräftigen Gesichtszüge der Maske, den Sinn, auch aus der Ferne das Gesicht erkennbar zu machen. Durch die Maske wird die Stimme des Schauspielers so verstärkt, dass es auch in den hinteren Reihen möglich ist, seine Worte deutlich zu hören. Trotzdessen sollte ein Schauspieler, wenn er auf der Bühne spricht sehr laut sprechen, wenn er gar schreit sollte er so schreien, dass es ihm selbst unerträglich laut vorkommt. -
Über die Entstehung des Schauspiels
Um eine Tragödie aufzuführen, also tote Worte lebendig zu machen, zu Klängen zu machen, sollte jeder Dichter und jeder Schauspieler wissen, worin ihr Wesen besteht, denn ohne die Erkenntnis dieses Wesens ist jedes Schauspiel ein unwürdiges Gezappel. Ich möchte mir nicht anmaßen, darüber zu urteilen, was das Wesen wirklich ist, das Folgende ist nur ein Vorschlag, der anzunehmen ist oder auch nicht. Denn ganz gleich welches Wesen man hinter der Tragödie vermutet ist es doch wichtig und unbedingt nötig, überhaupt ein Wesen dahinter zu vermuten, denn ansonsten dichtet und spielt man so, dass es nicht fesselt, sondern lediglich den Scharen der Theaterbesucher einen Vorwand bietet, ihre Körperlichkeit verdeckt von prachtvollen (oder weniger prachtvollen) Kleidern zur Schau zu stellen.
So ist dies leider die Sitte oft in unserer Zeit. Der Rhomäer Pyblios Ovidios Naso schrieb vor etwa hundert Jahren über die rhomäischen Frauen: "Spectatum veniunt, veniunt spectentur ut ipsae", was bedeutet: "Sie kommen um zu sehen, sie kommen um selbst gesehen zu werden." Ob dies vielleicht nicht auch auf die Männer zutrifft, muss in Erwägung gezogen werden. Für die Rhomäer ist also das Theater offenbar meist nur ein Ausstellungsort ihres eigenen Körpers, ihres eigenen Reichtums, ihrer eigenen Geltung. Doch wie sieht es mit den Hellenen aus, in den von ihnen bewohnten Gebieten die Tragödie entstanden ist? Um nichts besser, ist die traurige Antwort.
Um eine ungefähre Vorstellung vom Wesen der Tragödie zu erhalten, muss man nach dem Ursprung derselben suchen. Der oder ein Ursprung findet sich im Kult des Bakhos. Die Oden und Gebete wurden anfangs durch einen Chor gesungen, der von Musikanten begleitet wurde. Zu diesem Zeitpunkt gab es die Dinge, die Aristoteles als êthê bezeichnet, noch nicht. Einen mythos hatten allerdings diese Lieder, sie handelten vom Werden und Vergehen und Wieder-Werden des Gottes oder der Götter. Denn es ist zweifelhaft, ob nur oder insbesondere der Bakhos auf diese Weise angebetet wurde. Doch vor allem bei Dionysos gibt es jenen mythos über sein Werden und Vergehen, aus dem und dessen Variationen sich später andere mythoi entwickelt haben könnten. Kurz zusammengefasst ist also das Lied zur Anbetung der Götter die älteste oder eine der ältesten Formen der Dichtung.
Später wurde nun diese Vortragödie zur Tragödie, indem sich einige Menschen aus dem Chor lösten und den mythos nicht mehr nur besangen sondern als Agonisten mit ihren Körpern darstellten. Vorläufer dieser körperlichen Darstellung sind vielleicht die Tänze, die allerdings noch keinen Gedanken ausdrücken, sondern lediglich primitive Gefühle.
Nach und nach wurde die durch Agonisten gespielte und gesprochene Handlung immer wichtiger und komplezierter. Schließlich entstand das, was wir heute als drama bezeichnen, eine Handlung, die einerseits die Verhältnisse unserer Wirklichkeit nachahmt, auf der anderen Seite vom Chor kommentiert wird. -
Vorsatz
Im Folgenden werde ich die Grundlagen des Schauspiels, seine Funktionen und Mittel beschreiben, wie sich diese in der Umsetzung erreichen lassen, nicht etwa in der Anlage, denn dies tat bereits Aristoteles, auf dessen Lehren zur Dichtkunst ich noch zurückkommen werde. Zum Einen ist diese Abhandlung als Ergänzung zu Aristoteles Theorie der Dichtkunst, insbesondere der Tragödie, zu verstehen und als durchaus praktische Anleitung. Zum Anderen jedoch soll dieses Buch den Zweck haben, anhand des Beispiels der Theateraufführung die Verwandtschaft höchst unterschiedlicher Künste aufzuzeigen und ihr Zusammenwirkung und ihre Abhängigkeit zueinander. Bei aller Zuwendung einem bestimmten Gebiet der Künste hin, sei es die Dichtkunst, sei es die Mechanik, sei es die Malerei, sei es die Erforschung der Pflanzenwelt, die nötig ist, um auf diesem einen Gebiet Vervollkommnung zu erreichen, sollte ein Künstler nie vergessen, dass seine Kunst nicht alleine bestehen kann, sondern nur durch den Austausch mit anderen bestehen. Es gäbe noch eine Vielzahl an Beispielen dafür, die Notwendigkeit der Rhetorik für die Geschichtsschreibung, die Notwendigkeit der Mechanik zum Bau von Geräten, die die Untersuchung der Natur ermöglichen, doch ich möchte mich auf ein einziges Gebiet beschränken. Natürlich werden meine Ausführungen unvollkommen sein, denn gerade auf dem Gebiet, dass ich wählte, ist eine Menge an Möglichkeiten zum Einsatz anderer Künste vorhanden, die unzählbar ist. Doch wie auch in der Dichtkunst ist auch in der Kunst, die die Untersuchung der Künste zum Ziele hat, die Beschränkung notwendig, um wichtige Dinge deutlich sichtbar zu machen. Dieses Buch wird nicht das letzte sein, was ich zu diesem Thema schreiben werde, es wird ergänzt werden.
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Dabei zwingt in der Tragödie der Prüfstein der Handlung den Protagonisten, der gut und edel sein muss, edler als ein Mensch in der unkünstlerischen Wirklichkeit, etwas zu tun, was falsch ist, und lässt ihn daran zugrunde gehen. Dadurch, dass der Protagonist wenig Fehler hat, ist jener entscheidene, tragische besonders deutlich zu erkennen. In der Komödie hingegen verhält es sich genau umgekehrt. Hier ist der Protagonist so nieder wie echte Menschen oder gar mit noch mehr Fehlern besetzt. Allerdings darf er nicht insgesamt schlecht sein, da er sich ansonsten des Mitgefühls der echten Menschen entzieht, genauso verhält es sich bei der Tragödie. Die Tragödie ist laut Aristoteles die "Darstellung einer guten und in sich geschlossenen Handlung von einer bestimmten Größe (Anmerkung des Autoren: d.h. sie muss überschaubar sein) in anziehend geformter Sprache." Letzteres ist wieder ein Hinweis auf die künstlerische Gestaltung, die letztendlich ein Kunstwerk ausmacht. Der Dichter sollte seine Personen nicht sprechen lassen, wie Personen sprechen, sondern ihnen eine dichterische Sprache geben. In der Tragödie soll nach Aristoteles die Handlung nicht erzählt werden, sondern dargestellt, nicht nur mithilfe des Wortes, sondern auch durch Bewegung und Klang. Zum Zweck hat die Tragödie die Reinigung der Zuschauer von üblen Gefühlen und Leidenschaften, die gefährlich sind, dadurch, dass er sie während des dramas in gesteigerter Weise anhand des Mitgefühls mit dem Protagonisten auslebt und somit danach gewissermaßen geleert ist von ihnen.
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Zu den Künsten, die Aristoteles als "nachahmend" bezeichnet, gehören auch der Tanz und das Schauspiel, im weiteren Sinne auch die Malerei und die Bildhauerrei. Jedoch fehlt Malerei und Bildhauereidas Element der fortlaufenden Handlung, der zeitmäßigkeit, sie nehmen als Wirklichkeit das Sichtbare eines Augenblicks, jedoch auch hierbei, wie in der Dichtkunst, nur einen Teil, der die Eigenschaft hat, dass er sich erhöhen lässt durch die Hände des Künstlers.
Erwähnter Prüfstein als wichtigste Aufgabe der Handlung bezieht sich nicht auf die Figuren einer drama, sondern soll allgemeingültig auf die Menschheit als Ganzes angewandt werden. Dadurch, dass der Dichter nur einen kleinen Teil der Wirklichkeit aufgreift, wird das allgemeine Prinzip dahinter deutlich, schmerzhaft deutlich oder lustvoll deutlich für die, die das Werk betrachten, sei es als Zuhörer des Rhapsoden, sei es als Zuschauer einer Tragödie oder Komödie. -
Kurzer Abriss über die Lehre von der Dichtkunst des Aristoteles, insbesondere bezogen auf die Tragödie
Nach Aristoteles ist der Kern einer ganzen Reihe von Künsten die Nachahmung der Wirklichkeit, jedoch nicht als bloße Nachahmung des Ganzen, sondern als Darstellung des Wahrscheinlichen und Möglichen innerhalb dieser Wirklichkeit. Der Dichter nimmt, gleich einem Bildhauer, von unserer Wirklichkeit soviel fort, bis nur noch etwas übrig bleibt, was sich als Prüfstein für das Verhalten von Menschen eignet. Dies nimmt er als Grundstein für eine Wirklichkeit innerhalb des Kunstwerkes.
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Eine ähnliche Methode wie bei der erwähnten Wasserorgel lässt sich auch zum Erzeugen künstlichen Windes nutzen. Durch eine derartige Anlage in etwas größerer Ausführung als eine Wasserorgel und ohne unterschiedliche Pfeifen, sondern nur mit einem größeren Trichter, der waagerecht in Richtung entlang der scené aufgestellt ist, lassen sich Haar und Gewänder der Mimen ähnlich wie durch einen echten Wind bewegen und zersausen. Durch ein Ventil, das an den Trichter montiert wird, und das die Eigenart hat, sich plötzlich schließen zu lassen, können schnelle Windstöße erzeugt werden. Es finden sich in den Werken des Herons von Alexandria und anderer Schriftsteller, die sich der Beschreibung von mechanischen Kunstwerken gewidmet haben, noch weitere Maschinen, die alle dazu genutzt werden können, dem vor der scené Gesagtem eine sichtbare Gestalt zu geben. Dies allein ist die Aufgabe der mechanischen und bildnerischen Künste am Theater. Wie Blütenblätter um die Staubgefäße, das eigentlich fruchtbare der Blume, soll sich das Sichtbare um das Wort sammeln, vom Wort ausgehen, auf das das Gesamte noch mehr blühe als die Worte allein. Selbstverständlich ist ein großer Aufwand, der entstünde, wenn alles eingesetzt würde, was bisher beschrieben worden ist, nicht immer nötig und manchmal sogar schädlich, denn er zuviel kann sich über das Wort legen wie billiger Flitter über bereits bemalte Statuen und so das Wort verschwinden lassen in einem Tümpel aus unterschiedlichen Ablenkungen. Hierbei gillt für den, der das drama leitet, die goldene Mitte zu finden.
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Wenn es möglich ist, eine solche Wasserorgel einzurichten, werden auch viele andere Kunstwerke dieser Art sich einrichten lassen bei der scené. In der rhomäischen Stadt Pompeion gibt es im dortigen Theatron ein Gestell mit einem Vorhang, der sich vor der scené aus dem Boden fahren lässt. So kann die scené verdeckt werden, so können Umbauten stattfinden. Wo so etwas nicht möglich ist, da verzichte man auf viele Umbauten oder aber baue die scené rasch um und während die Aufmerksamkeit der Zuschauer auf den Chor gerichtet ist, der meist abseits der scené steht, oder auf Tänzer in der orchestra. Vielerlei solcher Kunststücke sind möglich, wenn gute Künstler in den mechanischen Künsten vorhanden sind. So lässt sich eine Mischung aus Phospor und Schwefel und anderen Dingen, die griechisches Feuer genannt wird, in Fässer füllen, die innen mit Eisen oder Kupfer ausgeschlagen sind. Ein Funke genügt, und aus den Fässern steigen hohe, grelle Flammen. Mischt man Holz oder Kohle hinzu, und schichtet dazwischen viele Lagen der Mischung, so ist eine helle Beleuchtung über längere Zeit möglich.
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Der fette Grieche grinste. "Nun, zuerst das Zimmer oder zuerst die Speise und der Trank?", fragte er, um sogleich fortzufahren: "Welche Art von Zimmern wollt ihr haben? Gerade ist sogar eine ganze Zimmerflucht frei, dort könnte ein ganzer Hausstand einziehen, so viel Platz habt ihr da. Was wollt ihr denn für ein Zimmer bezahlen? Und wielange wollt ihr bleiben? Ich bin mir sicher, wir werden uns schon einig, was?" Er schlug dem Gast freundschaftlich auf die Schulter.
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Chor: "Wer meint Schuld begraben zu können, der irrt, denn die Spaten von ehrlichen Gärtnern gehen tief. Wer annimmt, Schuld begraben zu können, der setzt Saat in ein fruchtbares Feld. Wer meint, Schuld begraben zu können, und auf dem Grab der Schuld tanzen möchte, wird mit den Füßen Erde aufwerfen und erschrocken, denn er hat schon vergessen. Die Erde der Welt ist weniger vergesslich als der menschliche Geist. Und wo Schuld gesäät ist, da wird die Strafe wachsen, eine schwarze Blume mit Dornen und mit gefährlich süßem Duft, für jene, die Strafen, und mit Pestgestank für die, die gestraft werden. Wo diese Blume wächst, da verdorrt alles, was schon wuchs zuvor durch viele Jahre. Da verdorrt der Baum des Lebens, denn diese schwarze Dornenblume zieht wie Wasser das Blut."
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Aristides ging ab, verstört, er hatte das Aufrechte im Gang verloren, Menander blieb wie versteinert stehen.
Die Musikanten spielten nun eine eher fröhliche Melodie, die in einem beinahe ironischen Kontrast zu Menanders steinerner Haltung stand. Doch zunehmend wurde diese Melodie bedrohlicher und zugleich wehmütiger. Hesperis trat auf.Hesperis: "Vater! Du bist endlich wieder hier! Dein Bruder ist vor einiger Zeit angekommen. Doch sage mir, wo Aristides ist."
Menander, eisig: "Das sei dir nun gleichgültig."
Hesperis sah Menander überrascht an, was an ihren Augen deutlich zu sehen war, am Gesicht nicht, schließlich trugen alle Darsteller Masken.
Menander, mit gespielter Freude: "Es ist gleichgültig, er wollte noch einen Freund besuchen, sorge dich nicht darum, freue dich lieber, deinen Onkel zum ersten Mal seit du lebst gesehen zu haben. - Erkannte er dich sogleich als meine Tochter?"
Hesperis, mit gespieltem Interesse an diesem Gesprächsthema: "Er sprach mich zuerst mit Gemahlin des Menanders an."
Menander sah Hesperis verwirrt an. Dann jedoch nahm er wieder eine lockere Haltung an.
Menander: "Ich will ihn sogleich begrüßen. - Kam er allein?"
Hesperis: "Er hatte ein Weib mit sich, diese war sicher schon über die dreißig Jahre hinweg, doch immer noch schön wie eine Blume in deinem Garten, Vater."
Menander: "Davon erzählte er nichts. - Ich will ihn empfangen. Du wirst dich um die Frau kümmern, ob sie nun die seine sei oder seine Tochter."
Beide gingen ab.
(Fortsetzung folgt.)