Beiträge von Nikolaos Kerykes

    Unter Begleitung der Gesänge vollzogen die Opferhelfer unter der Aufsicht des künftigen Oberpriesters des Apollons und der Musen das Opfer. Es war eines der vielen großen Opfer, die Nikolaos in letzter Zeit abgehalten hatte. Ihm war aufgefallen, dass diese Kunst ihm inzwischen mehr lag als die des Demagogen, der in der Volksversammlung Reden schwang. War er gar des öffentlichen Lebens müde geworden? Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er sich auf seine neue Bestimmung freute. Immerhin wäre er bald kein junger Mann mehr. Er ging schneller auf die dreißig zu, als er es früher für möglich gehalten hätte. Die Jahre flohen. So erbat er sich die Hilfe des Gottes der Weissagung und der Künste für seine neuen Aufgaben. Doch auch das Wohlwollen der Kollegen, gerade der älteren, hatte er nötig.




    Sim-Off:

    Ich kürze mal hier ab, damit es sich nicht ewig hinzieht.

    Jetzt verstand Nikolaos, warum sich der Römer wie ein Herrscher aufführte. Mit kaiserlicher Vollmacht ausgestattet konnte er möglicherweise selbst dem Statthalter ungestraft auf die Pelle rücken. Allerdings benannte sich der Mann als Gesandter der Kanzlei, nicht als Gesandter des Kaisers selbst. Etwas verwundert war der Gymnasiarchos auch darüber, dass der Mann, der sich Caius Pompeius nannte, sehr naiv zu sein schien. War das gar Tarnung? Auf jeden Fall musste er vorsichtig sein.


    "Es ist mir eine große Ehre, einen persönlichen Vertrauten des göttlichen Basileus unter den Gästen zu wissen - vom hochverehrten Statthalter abgesehen."


    Der Gymnasiarchos sprach ruhig und würdevoll und gab sich Mühe, die Aussprache deutlich zu gestalten. Immerhin wusste er nicht, wie gut der Mann die attische Sprache verstand. Äußerlich ungerührt war er. Innerlich jedoch taxierte er den Mann. Er konnte sich ausmalen, worin der Sonderauftrag des Mannes bestand. Daher gab Nikolaos auf jede Regung seines Gesprächspartners acht. Er blickte ihm tief in die Augen, damit ihm kein verräterischer Blick entginge.


    "Darf ich fragen, ob du bereits Gelegenheit hattest, die Schönheiten dieser Stadt zu genießen, ehrenwerter Sondergesandter? Nicht nur an Festtagen gibt es eine Vielzahl an Künsten zu bewundern. Du solltest unbedingt den Hügel des Paneions besteigen. Von dort oben kannst du die ganze Stadt überblicken, und, wenn der Himmel klar ist, sogar bis nach Nikopolis."


    Er lächelte harmlos und bescheiden, wie ein Stadtvater, dem es wirklich nur darum ging, einem Gast die schönen Seiten der Stadt ans Herz zu legen.

    Nikolaos wollte gerade dem Jungen, der den Korinther vertrat, begrüßen und ihm antworten, als er sah, dass sich ein junger, aufgetakelter Mann in die erste Reihe drängte und dabei keine Anstalten machte, sich vorzustellen. Der Gymnasiarchos verzog die Miene und räusperte sich scharf. Offenbar ein Römer, denn Nikolaos kannte ihn nicht. Da es sich möglicherweise um einen Stuhlwarmhalter des Statthalters handeln konnte, ersparte sich der Gymnasiarchos einen bissigen Kommentar ob des rüpelhaften Verhaltens des Mannes.


    "Khaire, ehrenwerter Mann. Darf man fragen, mit wem man bei dir die Ehre hat?"


    Nikolaos' Stimme war höflich aber nicht gerade warmherzig. Er lächelte, aber auch das mehr aus Höflichkeit.


    "Mein Name ist übrigens Nikolaos.", fügte er hinzu. "Entschuldige mich bitte einen Augenblick, ich muss mich eben um den Burschen kümmern."


    Er nickte dem Besucher höflich zu und wandte sich zu Iannis um.


    "Khaire, Iannis. So, also dein Herr kommt nicht selbst aber glaubt, dass du ebenso gut über die Kunst richten kannst wie er? Oder hat er dir schon im voraus gesagt, für wen du stimmen solllst? Nun ja, ich würde vorschlagen, dass du Beisitzer des Kollegiums wirst. Schließlich war nicht dein Name unter den Losen. Aber das müsst ihr Preisrichter unter euch ausmachen."


    Er nickte Philomenes zu, der irgendetwas krächszte.


    "Entschuldige mich, ich muss mich um die Besucher kümmern. Richte deinem Herren bitte aus, dass ich ihm rasche Genesung wünsche. Ich hoffe doch sehr, dass der ehrenwerte Mann nicht das Wechselfieber hat?"


    Das nämlich forderte jährlich eine Vielzahl an Todesopfern im Nildelta. Nikolaos selbst war glücklicherweise noch nie davon befallen gewesen.


    "Wie dem auch sei, richte ihm meine besten Grüße aus. Wäre ich nicht durch die Spiele derart gefordert, würde ich ihm gerne einen Krankenbesuch abstatten. Ich hoffe, seine Iatroi leisten auch so gute Arbeit. Gib acht, dass er keinen Quacksalbern und Wunderheilern in die Hände fällt. Dein Herr hat Geld genug, er soll es für anständige Ärzte ausgeben."


    Er wandte sich wieder dem rüpelhaften Gast zu.


    "Ich hoffe sehr, dass du die Darbietungen genießt. Bist du im Gefolge des Statthalters hier?"


    Allmählich trafen die Künstler ein. Nikolaos sah Penelope und nickte ihr von weitem freundlich zu. Er lächelte, doch seine Augen waren traurig. Er hatte sie lange nicht mehr gesehen. Gerüchten nach war sie schwanger gewesen und niedergekommen. Selbst in Alexandria blieben in dieser Zeit die meisten Frauen, die sich das leisten konnten, im Schutze des Hauses der Familie.

    Sim-Off:

    Zeitlich nach dem Pentathlon und vor den noch folgenden anderen gymnischen Disziplinen.


    Das Odeion* war dem Anlaß entsprechend herausgeputzt. Wobei im Gegensatz zur Palästra die Dekoration zurückhaltender war, um die akustischen Eigenschaften des Raumes nicht zu schmälern.


    In der ersten Reihe waren Klappstühle aus Ebenholz aufgestellt, die für die Ehrengäste - wie den Statthalter und den Legionspräfekten-, für die Vertreter der Polis und für das Preisrichterkollegium reserviert waren. Dahinter war eine zweite Reihe, für die Vertreter anderer Poleis, sofern die Athleten nach dem anstrengenden Pentathlon noch Lust hatten, den Darbietungen der Dichter beizuwohnen. Alle anderen Zuschauer mussten mit steinernen Sitzreihen vorlieb nehmen, die von der Orchestra stufenförmig aufstiegen. Am Eingang verteilten Staatssklaven Sitzkissen.


    Der Gymnasiarch saß nahe des Statthalters und dessen Gefolge und nahe der Preisrichter. Dessen Vorsitzender, ein bärtiger, alter Mann mit unangenehm hoher Stimme, verteilte aufgeregt an seine Kollegen Griffel und Wachstafeln, behauptete ernsthaft, die Musen selbst seien letzte Nacht auf sein Lager gekrochen und hätten ihm ins Ohr geflüstert, wie die Bewertung mit Sicherheit objektiv wäre - leider sei er nicht der einzige Preisrichter, hoffe jedoch auf die Vernunft der anderen. Er behauptete auch, er nähe aus Mitleid mit den anderen Poeten nicht selbst teil. Im zarten Alter von drei Jahren sei er Gespiele der Musenschwestern geworden und daran habe sich bis zu diesem Tag nichts geändert.


    Nikolaos konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen. Philomenes, das war der Name des Vorsitzenden, war in der Polis bekannt mit seinen dichterischen Ergüssen, die er bei jeder Gelegenheit jedem aufzwang. Glücklicherweise war Philomenes geizig, sodass er selten Gastmähler veranstaltete, bei denen er stundenlang Epen über die Geschichte Alexandreias und seiner eigenen, nach eigenem Bekunden ruhmreichen Sippe vortragen konnte, ohne müde zu werden.



    Sim-Off:

    *Ich weiß leider nicht, ob es wirklich in Alexandria ein Odeion gab, geschweige denn, in welcher Gegend es stand. Aber ich vermute, dass eine so große Stadt dieses Gebäude sehr wahrscheinlich hatte. Schließlich gehörten Odeia wohl seit dem Hellenismus zum Stadtbild.

    Irgendwie schien ihm auch Axilla nicht ganz unbelastet zu sein von Sorgen. Zwar lächelte sie, doch das Lächeln fand in ihrem Blick keine Fortsetzung. Jedoch war Nikolaos zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um sich darum näher zu kümmern. Er sprach leise, um die Ansprache seines Kollegens nicht zu stören und damit niemand außer Axilla seine Worte hörte.


    "Ich freue mich in der Tat auch mehr auf den Dichterstreit als auf den der Athleten.", sagte Nikolaos und versuchte, auch zu lächeln. Der Versuch sah ein wenig hilflos aus. "Allerdings sollte das keiner von den Athleten erfahren." Er lachte. Sogar echt war das Lachen in diesem einen Moment. "Ich? Ich werde gleich bei den Wettkämpfen wichtigen Zuschauern Gesellschaft leisten und ein bisschen arschkriechen."


    Eine solche Ausdrucksweise war für den Gymnasiarchos ganz und gar untypisch. Es schien, als sei er es leid, seine Maske aufrecht zu erhalten. Zumindest vor Axillla, die sich schließlich ihrerseits nicht durch Taktgefühl auszeichnete. Oder war er gar ein wenig verbittert?


    "Möchtest du mitkommen?"

    Kritias versuchte, die Luft anzuhalten. Doch der Drang, zu atmen, überwältigte ihn, sodass er plötzlich sehr geräuschvoll ausatmete und wieder einatmete. Er drückte die Hand auf seinen Mund und seine Nase. Sandig und blutig war sie. Der Schlick des Seeufers duftete schwer und wie metallenen.


    Ein Schrei. Sie haben entdeckt- Kritias brach seine Starre und kroch so schnell es ging in Richtung des Kahnes, der noch immer im Schilf verborgen lag. An einem Stein stieß er sich das Knie blutig. Er verlor einen Schuh. Endlich errreichte er das Ufer. Jetzt krabbelte er weiter, ohne zu zögern. Laut spritzte das Wasser, als er auf allen Vieren darin eintauchte. Sein Herz klopfte. Er schnappte nach Luft, wie ein Ertrinkender unter Wasser. Da war der Kahn. Er streckte die Hände nach ihm aus und brachte dabei das Boot in Schieflage.


    Ein unterdrückter Schmerzensschrei von Kritias. Er ließ das Boot los und sank zurück ins Wasser. Er bewegte sich nicht. Jemand - der Fährmann oder der Herr selbst- hatte heißes Lampenöl auf die Hände des Spähers geschüttet. Eine Weile war Kritias vor Schmerz wie gelähmt. Dann gelang es ihm, den Kopf über Wasser zu halten. Viel Wasser hatte er geschluckt.


    "Rasch! Wir müssen fort! Sie haben uns-"


    "Sei still. Wir bleiben. Ihr habt schlechte Arbeit geleistet. Damit müssen wir nun leben. Wir werden die Sache nicht abbrechen. Unter keinen Umständen. Auch nicht unterbrechen. Wir dürfen keine Zeit verlieren. Daher werde ich euch auch erst strafen, wenn wir wieder auf der anderen Seite sind. Dich werde ich strafen. Du bist verantwortlich."


    Die Stimme des Herren war eisig. Er erhob sich und stieg aus dem Boot. Das Paket führte er mit sich. Der Fährmann folgte ihm mit der Laterne. Erst, als beide im Schilf verschwunden waren, wagte Kritias, ins Boot zu klettern. Im Mondlicht erkannte er, dass seine Hände Blasen schlugen.


    Die beiden anderen Männer hatten das Ufer erreicht. Kein Licht war mehr zu sehen. Die Inselbewohner schienen ihre Suche abgebrochen oder an einer anderen Stelle fortgesetzt zu haben.


    Scheinbar ohne Angst vor Entdeckung erkundete der Herr die Insel. Der Fährmann musste ihm wohl oder übel folgen. Bis in die Nähe des Hauses ging er im Schutze der Bäume. Alles war verwildert und das Haus schien etwas heruntergekommen - doch es war wunderschön.


    "Ich will es haben.", sagte der Herr plötzlich.


    "Das Haus?!?", flüsterte der Fährmann zurück.


    "Das Haus, so ist es."


    "Und das Geheimnis?"


    "Wir machen kehrt. Wir suchen eine andere Insel."


    "Bist du-"


    Beinahe hätte der Fährmann laut am Verstand des Herren gezweifelt. Das war dem Herren wohl bewusst. Aber es schien ihm gleichgültig.


    "Ich bin all das, was ich bin, und sei es wahnsinnig. Wir gehen zurück zum Kahn."


    "Es gibt tausend schöner und schönerer Häuser- du kannst dir das schönste Haus der Welt bauen, du bist reich wie-"


    "Man soll seine Heimstatt nicht mit einem Fluch belegen. Wir machen kehrt."


    Das galt als Befehl. So war die Mitternacht längst überschritten, als die Bleilammellen auf einer anderen Insel in der Erde vergraben waren. Jahrhunderte lang sollte niemand sie entdecken.

    Ich habe tiefes Mitgefühl mit den Verletzten. Ein Freund von mir hatte vor einem Jahr auch "schwerste Verbrennungen". Das hat bedeutet, dass er monatelang grausige Schmerzen hatte. Spätfolgen sind leider wohl unvermeidlich. Also bei meinem Kumpel jedenfalls hat es über ein halbes Jahr gedauert, bis er wieder einigermaßen "normal" leben konnte. Und besondere Pflege braucht die Haut wohl nun lebenslang.


    Naja, gut dass euch nichts passiert ist, Macer. Echt schade, dass so eine schöne Veranstaltung so schrecklich endet.

    Als die Athleten zum Pentathlon antraten, verschlechterte sich Nikolaos Laune. Von seinem Platz aus konnte er die Männer sehr genau betrachten. Die Götter schienen es nicht gut mit ihm zu meinen. Gerade Ánthimos, der Arzt, Demagoge, Ehemann, Athlet und Künstler hätte für letztere Profession auch ein ausgezeichnetes Heraklesmodell abgegeben. Kein Wunder, dass ihm die berühmteste Kitharödin Alexandrias verfallen war. Nur das, was Nikolaos' Lieblingsfeind in der Scham wuchs, war etwas zu groß, als dass es dem hellenischen Schönheitsideal entsprochen hätte. Nun, seine Gattin hatte sicher ihre helle Freude daran... . Keine hundert Talente Silber konnten Nikolaos an diesem Tag darüber hinwegtrösten, dass er klein, mager wie ein halbverhungertes Huhn (obgleich er gut zu speisen pflegte) und in seinen Augen hässlich war. Warum wuchs Ánthimos nicht einmal ein dickes Geschwür am Rücken - das wäre das Mindeste gewesen, um Nikolaos zu trösten. Oder wenn Ánthimos wenigstens dumm wie ein Esel wäre, ein törichter Säufer, einer, der sich von hinten schänden ließe*, ein Prasser, ein Stotterer oder einfach jemand mit einem schlechten Ruf wäre. Nikolaos hatte das Gefühl, die Alexandriner verziehen dem Bantotaken das Emporkommen mehr, als sie es Nikolaos verziehen hatten. Ob es daran lag, dass er für seine Polis auch im Stadion kämpfte und den strahlenden Helden abgab? Ob es an seiner Frau lag-? Nikolaos wurde übel vor Neid. Seine kindlichen Fluchten in den Aberglauben hattten, wie erwartet, keine Wirkung gezeigt. Ein Narr war er, ein armer Narr.


    Als Axilla auf ihn zukam, hellte sich sein Gesicht etwas auf. Am liebsten hätte er ihr in diesem Augenblick alles mitgeteilt, was ihn bedrückte. Aber die Blöße vor seiner Schreiberin wollte er sich nicht geben.


    "Äh, khaire, Iunia Axilla... Äh... bist du schon gespannt auf die Wettkämpfe?", sagte er leise. "Ich hoffe sehr, dass unsere Athleten ihr bestes geben und der Polis Ruhm und Ehre bringen, und dass-"


    Seine Stimme stockte. Beinahe hätte er irgendetwas in Bezug auf die Römer gesagt und auf seine Angst, die römischen Soldaten könnten Randale machen, wären sie nicht erfolgreich bei den Wettkämpfen. Auch die beinahe provokant große und schwerbewaffnete Leibwache des Legionspräfekten ließ ihn fürchten.



    Sim-Off:

    *Bedeutsam, um Objekt des Spottes zu werden, ist "passiver Partner beim gleichgeschlechtlichen Sex" in Verbindung mit "erwachsen (und vielleicht gar verheiratet)". Das Konzept von Hetero - und Homosexualität gab es in der Antike nicht. Das ist schließlich eine Erfindung des 19. Jahrhundert (die vielleicht in der Tradition des "Sodomie-"Konzeptes (d.h. zusammenfassend für alle Spielarten von Sexualität, die gesellschaftlich unerwünscht waren, ohne Differenzierung) der Khristianer steht, welches die wiederum aus den Gesetzen des alten Testaments übernommen haben.


    Übrigens blieb es beim Spott. (Wie im allgemeinen Hellenen und Römer mit gesellschaftlich unerwünschter Sexualität "toleranter" umgegangen sind; die Todesstrafe beim Ehebruch im klassischen Griechenland rührte wohl nicht von einer Sexualmoral her, die die (unerwünschte) sexuelle Handlung an sich verteufelte, sondern allein die Tatsache, dass dem Vater beziehungsweise Ehemann die Tochter beziehungsweise Frau "geraubt" wurde). Tabuisierung von sexuellen Praktiken als solchen entstammen im europäischen bzw. vorderasiatischen Kulturraum meist einem schriftlich fixierten religiösen Recht, das gleichzeitig als ziviles Recht dient. Wenn man also auf Länder mit den Finger zeigt, die ein Scharia-Recht haben, muss man gleichzeitig bedenken, das im "Abendland" soetwas auch lange gang und gebe war (zu Zeiten, als der "orientalische Kulturkreis" das religiöse Recht (das dort ja auch Geltung hatte) wesentlich ziviler und maßvoller auslegte; ein Dichter wie Hafis wäre im "Abendland" zu seiner Zeit sicher mitsamt seiner Werke verbrannt worden).


    So, jetzt habe ich auch genug kluggeschissen ;). Aber ich hielt es für angebracht, das hier zum besseren Verständnis auszuführen. Auch wenn ich vielleicht Dinge hier schreibe, die den meisten ohnehin bekannt sein dürften. Aber gerade der Exkurs mit dem Orient war mir gerade ein Bedürfnis.

    Ein lautes Geräusch im Vorzimmer ließ den Gymnasiarchos aufschrecken.


    "Iunia Axilla? Ist alles in Ordnung?"


    Beinahe wollte er aufstehen und nach dem Rechten sehen, da trat die Schreiberin ein und kam ihm damit zuvor. Von der Aufgabe schien sie weniger angetan zu sein. Es gab, dachte Nikolaos, auch sicher spannendere Dinge als irgendwelche zu erledigenden Botengänge zu Beamten.


    "Name?"


    Warum um alles in der Welt musste man jedem Geschäft einen Namen geben? Nikolaos überlegte, was er ihr antworten sollte. Besonders originell waren seine Gedanken nicht.


    "Ähm... wir nennen es mal einfach ton emporion alexandrinon tou nikolaou. Daran gibt es doch nichts auszusetzen, oder?"


    Eigentlich war dieses neue Geschäft gar keins. In seinem Lagerhaus am Hafen war noch genug Platz für kostbare Stoffe, Wein und getrocknete Früchte aus fernen Ländern. Aber, das wusste er aus eigener Erfahrung als Beamter, für die alexandrinische Beamtenschaft musste alles seine Ordnung und seine Richtigkeit haben.

    Der Mittag war bereits überschritten, als den Regeln der Opferzeremonien genüge getan war und der Gymnasiarchos zu einer Eröffnungsansprache vor dem ungeduldigen Publikum ansetzte. Sie war nicht so brilliant wie manche andere Rede aus seinem Mund. Es hatte ihn viel Überwindung gekostet, so viele Schmeicheleien in ihr unterzubringen, dass die Rede von diesen gewissermaßen überquoll. Im Vergleich dazu, wie seine Stimme einst über die Reihen des Theatrons hinweggedonnert war, klang sie an diesem Tag dünn und an manchen Stellen schrill (als spräche er lauter, als sein Organ es eigentlich erlaubte). Der Gymnasiarchos hatte ein hohes Maß an Selbstbeherrschung, dies nicht zu deutlich sichtbar und spürbar werden zu lassen, aber er war von seiner Krankheit und von der ständigen Aufregung in der vergangenen Zeit geschwächt, was man ihm durchaus ansehen konnte, kannte man ihn näher.


    "Alexandriner, Römer und fremde Gäste! Es ist mir eine große Freude, den hochverehrten Stellvertreter des göttlichen Basileus, den ehrenwerten Dekios Germanikos Korvos begrüßen zu dürfen, der auch bei dieser Veranstaltung in seiner Wohltätigkeit seine Hand schützend über die Polis Alexandreia hält und uns allen seinen Segen spendet, den er großzügig austeilt, wie er im ganzen Wesen freigiebig und mildtätig ist.


    Auch eine Freude ist die Begrüßung des ehrenwerten Führers der in Nikopolis stationierten tapferen römischen Soldaten, Appios Terentios Kyprianos. Nicht zuletzt bin ich sehr erfreut, Gäste aus fernen Reichen, wie den edlen Bazeb aus Aksum im Namen der Polis Alexandreia willkommen heißen zu dürfen, sich an den Künsten der Athletik oder der Musik zu erfreuen, oder wie der ehrenwerte Bazeb selbst ihr Können in den Künsten unter Beweis zu stellen. Eine besondere Ehre ist es der Polis auch, dass unter den antretenden Athleten Soldaten des römischen Stratos sind.


    Euch alle, und alle anderen ebenso, empfängt die Polis - ich bin so frei, dies zu behaupten- mit offenen Armen und in Freundschaft und in Frieden.


    Mögen diese Wettstreite in Frieden und in Freundschaft ausgetragen werden und zu Ehren der Götter und zum Wohl der Polis Alexandreia und aller Poleis und aller Ethnoi, deren Vertreter unter den Teilnehmern sind. Begrüßen wir gemeinsam ein neues, gutes Jahr, das über die Oikumene hereinbricht und erbitten wir gemeinsam den Beistand der unsterblichen Götter.


    Ich darf mich ein weiteres Mal freuen, nämlich darauf, nun das athletische Agon zu eröffnen und es in die Hand meines verehrten Kollegen Cleonymus, dem Kosmetes dieses Gymnasions zu legen.


    Wir dürfen uns sehr auf die großen Leistungen ruhmreicher Athleten und später ebenso ruhmreicher Dichter freuen! Freuen wir uns in Eintracht und in Freundschaft!"


    Er nickte Cleonymus zu und trat einige Schritte zurück. Ihm schwindelte. Die langen Vorbereitungen, das laute Sprechen und eine gewisse innere Anspannung hatten ihn sehr erschöpft.

    Als der Leib nicht mehr zuckte und der Blutstrom verebbt war, zerlegten die Opferhelfer das Tier in Teile, die sie jeweils zu zweit oder zu vier tragen konnten. Der Torso wurde in das Heiligtum geschleppt, die übrigen Teile in angrenzende Räumlichkeiten.


    Der Altar wurde noch nicht gereinigt und es wurde noch kein neuer Sand auf den Vorplatz gestreut. Die Zuschauer des Opfers mussten sich noch eine Weile gedulden.


    Manchen mochte es wie eine Ewigkeit vorgekommen sein, ehe der Gymnasiarchos das Heiligtum verließ und einen günstigen Ausgang* des Opfers verkündete. Währenddessen wurde das, was vom Stier übrig war, von einigen Staatssklaven und beflissenen Metzgern zerlegt und in einem Vorratsraum aufgehängt. Das Fleisch würde am Ende des Festtages feierlich gemeinschaftlich verspeist werden; Knochen, Fett, Eingeweide in einem Brandopfer verwendet.


    Erst, als der Hermes- und Herakles-Priester seine Zustimmung gegeben hatte, wurden die Überreste der Opferung beseitigt. Nachdem sich das Verfahren am Herakles-Altar wiederholt hatte, konnten die Spiele beginnen.




    Sim-Off:

    *Ich behaupte das mal, damit wir vorankommen. Ich hoffe, Hermes sieht das mit dem günstigen Ausgang ebenso ;).

    Nachdem er sein Gasthaus an Cleonymus abgetreten hatte, in der Hoffnung, dieser würde es, nachdem Lyros es in seiner letzten Zeit vor dem Ruhestand etwas hatte verkommen lassen, wieder auf Vordermann bringen, hatte Nikolaos eine Idee für ein neues Geschäftsfeld. Wohlgemerkt kümmerte er sich selbst wenig um seine Betriebe. Entweder waren sie verpachtet oder aber Verwalter führten die Geschäfte in Nikolaos' Namen. Nun beschloß er, neben Opium, Gemüse, Honig und anderen Waren in Zukunft auch mit Seide zu handeln.


    "Iunia Axilla?!? Kannst du mir einen Gefallen tun, nämlich, dem Agoranomos davon in Kenntnis zu setzen, dass ich in Zukunft Seide, Datteln und edlen Wein nach Alexandreia einführen und auch wieder in andere Teile der Welt ausführen lassen möchte? Das wäre sehr freundlich von dir, denn ich... äh... ich bin gerade beschäftigt."


    In Wirklichkeit wollte er nicht bei diesem Agoranomos womöglich in der Haltung eines Bittstellers auftreten.


    "Ach, und lass dich nicht über's Ohr hauen. Gebühren sind für den Eintrag in die Listen der Händler nicht veranschlagt. Zölle sind erst fällig, wenn die Ware in den Hafen kommt oder ihn wieder verläßt."



    Edit: Thema umbenannt. "Arbeit für Axilla" hatten wir schon einmal ;).

    "Kleidungswäsche" wäre das einzige Produkt, wie es beim Barbier auch nur "Bart-/Haarschnitt" gibt. Holzverbrauch wäre durchaus angebracht, sonst aber nichts.


    Landos Kritik kann ich durchaus nachvollziehen. Ich glaube aber, eine neue Branche bringt mehr Bewegung in die WiSim anstelle von weniger, weil eventuell nicht rentable Betriebe, für deren Produkte ein Überangebot besteht, zugunsten von etwas Neuem aufgegeben werden.

    Das Tier stand nun am Altar. Die Opferhelfer brachten unter Nikolaos' durchdringendem Blick die Gerätschaften in Position. Viel Blut würde fließen. Das war das Wichtigste. Blut war Lebenssaft und dem Gott der Herden gebührte das Blut des Herdentieres. Der Stier kam aus der Khora von Alexandreia. Dafür hatte Nikolaos Sorge getragen.


    Nikolaos betrachtete den Stier und sah den Opferhelfern prüfend in die Augen. Endlich gab er ihnen einen Wink und sie begannen ihr blutiges Handwerk. An den Stellen des Körpers, wo viel Blut floss, schnitten sie tief bis unter die Haut des Opfertieres. Gleichzeitig zermalte ein besonders kräftiger Opferhelfer den Kopf des Stieres mit dem Bronzehammer, damit das Tier im Todeskampf sich nicht allzu lange wand.

    Nun fiel Nikolaos der Soldat auf. Richtig geckenhaft hatte dieser sich in Nikolaos Augen herausgeputzt. Dagegen war der Statthalter beinahe unscheinbar gekleidet und von einem unscheinbaren Gefolge umgeben. Der Hermespriester fand, dass dies sehr bezeichnend für die völlig gegensätzliche Art der beiden Männer war, sich in Alexandrien zu verhalten. Corvus, wie Nikoalos fand der Klügere, gab sich bescheiden, der rangniedere Terentier putzte sich heraus wie ein orientalischer Despot, wie er sich auch sonst wie ein Herrscher aufführte. Der Groll, der durch die Ereignisse der jüngeren Vergangenheit im Gymnasiarchos erwachsen war, klang langsam ab, aber war längst noch nicht verstummt. Wie sollte er auch schon verstummt sein, wenn selbst die Wunde an seiner Schulter noch schmerzte? Und eine verletzte Ehre heilte noch sehr viel schlechter als ein verletzter Körper.


    Plötzlich endete der Groll und machte einer Belustigung platz: Einige der zu den Spielen erschienenen römischen Soldaten trugen Kleidung, die so aussah, als würden sie sie während der Wettkämpfe weiterhin tragen, denn sie war für Alltagskleidung seltsam geschnitten! Wie wollten diese Männer womöglich mit schweren Wollkleidern schnell laufen, wie ringen? Er verkniff sich ein Schmunzeln mit großer Mühe.


    Nur einen kurzen Augenblick geisterten diese Gedanken in seinem Geist herum, dann konzentrierte er sich wieder lediglich auf das Opfer. Dessen günstigen Verlauf wollte er nicht für sein Privatvergnügen preisgeben. Ein schlechtes Zeichen konnte angesichts der reichlich unsicheren Lage der Polis Furcht erregen - und eine wie große Furcht! Der Priester hoffte sehr, der Gott würde sich gnädig zeigen.


    Nikolaos spülte den Altar mit Wein ab. Zwei Staatssklaven führten den Stier heran, während ein Ephebe die Stirnbinde des Opfertieres abband und behutsam verwahrte. Der Schüler, der neu ausgewählte, reinigte unter der Aufsicht eines Staatsklaven einen Hammer aus Bronze. Diese Reinigung war nicht die erste an diesem Tag. Aber der Hermespriester hatte höchste Sorgfalt angeordnet.


    Während Nikolaos um den Altar ging, raschelte sein weißes Priestergewand. Mindestens so weiß wie die Togen der Kandidaten bei den Römern war es. Er ging überaus gerade und aufrecht, nicht zuletzt, damit der Kranz auf seinem Kopf nicht verrutschte. Für Nikoalos war dies alles nicht bloß Schauspiel für die Menge, sondern echte Notwendigkeit. Er hatte den Ruf eines Priesterbeamten, der für die Opferhelfer sehr lästig und anstrengend sein Amt verrichtete.


    Tier und Hammer erreichten den Altar. Es folgten scharfe Bronzemesser, die von Staatssklaven getragen worden. Ihre Griffe waren mit stilisierten Flügeln verziert und von applikierten Bronzeschlagen umwunden, was ihnen eine gewisse Ähnlichkeit mit dem Priesterstab des Nikolaos gab. Ein Messer hatte einen Griff in Form eines Phallus.