Beiträge von Nikolaos Kerykes

    Nikolaos gefiel, dass der Bewerber deutlich sprach und nichts verschleierte. Er wollte keinen Schmeichler bezahlen, sondern einen Schiffsführer.


    "Ich werde nicht wagen, den Kurs zu bestimmen, denn das ist mein Feld nicht.", entgegnete Nikolaos trocken und mit einer eher spröden Höflichkeit.


    "Aber ich verlange Gehorsam, dort, wo ich besser entscheiden kann. Als Kapitän hättest du freie Hand bei der Auswahl der Besatzung. Doch du trügest vor mir ebenso die volle Verantwortung für die Seeleute. Lumpenpack kann ich auf dem Schiff nicht gebrauchen."


    Nikolaos durchdrang den Bewerber mit Blicken.


    "Du möchtest dich in der Bibliothek aufhalten? Das trifft sich gut. Ich führe die Aufsicht über die Bibliothek von Alexandreia. Einen vortrefflichen Geografen hat die Bruderschaft der Musen und des Apolls vor einiger Zeit leider verloren."


    Wieder ein durchdringender Blick.


    "Ein wenig seltsam - ein Gelehrter und ein Seemann in einem Mann vereint..."


    Er ließ seinen Worten Zeit, eine Wirkung auf den Bewerber zu entfalten - oder sich als wirkungslos zu erweisen.


    "Wieviel Geld bist du mir wert?"

    "Das beruhigt mich sehr.", antwortete Nikolaos.


    Nicht ohne eine kindische Genugtuung bemerkte er, dass Ánthimos ein Fehler unterlaufen war. Jedoch setzte er eine Maske der Bestürzung auf. War der Beschäler gar nervös? Und warum nur war Penelope nicht anwesend? Hatte das Ehepaar gar Streit? Die Hoffnung machte Nikolaos trunken, so dumm diese Hoffnung auch war. Eigentlich war es keine Hoffnung, denn er hoffte nichts. Er weidete sich an Vorstellungen, von denen er wusste, dass sie nicht zutrafen. Er hoffte nichts.


    "Hoffentlich schafft er es beim zweiten Versuch-", murmelte Nikolaos mit gespielter Besorgnis. Er war manchmal ein guter Schauspieler.

    @Avarus:
    Ich will keinen Kommunismus, und das weißt du auch.


    Zum Thema Einfachheit glaube ich eher, das dein Konzept stark vereinfacht. Die Komplixität der römischen Gesellschaft als Spielmöglichkeit würde damit etwas eingeschränkt werden, indem man von einer starren Klassenwirtschaft ausgeht, die es nicht gegeben hat. Und damit will ich nicht auf historische Authenzität pochen, sondern auch sagen, dass es sie auch in der IR-Geschichte nicht gegeben hat. (Vgl. erwähntes Beispiel.) Das Phänomen reichgewordener Freigelassener (wie der berühmte Trimalchio ;) )ist mit der jetzigen WiSim zumindest theoretisch erreichbar.


    @Ánthimos:
    Das fände ich als Lösung auch nicht schlecht.



    @Cyprianus:
    Den Punkt finde ich sehr gewichtig. Gerade falls es einst mal wieder mehr Grundstücksbesitzer geben sollte.

    Dieses Thema wurde hier schon einmal eingebracht. Ich finde den derzeit letzten Post in diesem Thread eigentlich plausibel: "Pacht" ist in "Betriebskosten" enthalten.


    Das Konzept "Stand = wirtschaftliche Lage" finde ich ehrlich gesagt falsch. Sowohl auf die historische Realität bezogen (wie die angemessen ins Spiel eingebracht werden soll, ist immerhin eine andere Frage) als auch, was ich für wichtiger halte, der rollenspielerischen in unserem Spiel. Es gibt nun einmal auch Peregrini wie Ioshua ben David, die über Reichtum zu Grundstücken gekommen sind und nicht umgekehrt.


    Wofür brauchen Senatoren eigentlich noch einen weiteren Vorteil in der WiSim? Eigentlich sind die meisten mit lukrativen Staatsposten bestens versorgt.


    Ich frage mich, wo der spielerische Mehrwert bei dieser Idee liegen soll. Auf das Rpg bezogen sehe ich gar keinen. Ich würde sogar dazu tendieren, zu behaupten, bei Einführung dieser Neuerung würde man bloß die Teilnehmerzahl der WiSim drastisch reduzieren. Und das würde nicht bloß die Angebotsseite reduzieren, sondern auch die Nachfrageseite. Das würde eher zu einer verstärkten Abkoppelung der WiSim vom Spiel führen, als das Spiel in die WiSim einzubinden. Wenn ich plötzlich meine Gemüseäcker nicht mehr bewirtschaften darf, lasse ich mein WiSim-Konto löschen, aber spiele im Rpg weiterhin den Schlafmohnverkäufer.



    edit: Link korrigiert.

    Nikolaos' hatte das hartnäckige Vorurteil von den Römern als ein Volk der Bauern, das wenig von Schiffen verstand. So hörte er misstrauisch dem zu, was ihm der angehende Kapitän erzählte. Dem Schiffsbesitzer gefiel, dass der Mann auch erwähnte, was er nicht konnte. Das war ihm allemal lieber als Geschwätz.


    "Deinen Worten nach bist du überaus geeignet für diesen Beruf."


    Er blickte sein Gegenüber scharf an. Nikolaos dunkle Augen funkelten listig.


    "Aber Worte genügen mir nicht. Wir werden eine kleine Reise unternehmen. Entweder werden wir nur ein wenig vor der Hafeneinfahrt Alexandreias kreuzen, oder wir werden länger ausfahren. Das hängt von einer Sache ab, die ich dir noch nicht erzählen werde. Du verstehst, dass ich dich prüfen muss, da ich dir mehr als nur ein Schiff anvertrauen werde, wenn einmal der Fall eintritt, warum ich dich eigentlich einstellen möchte."


    Wieder ein prüfender Blick.


    "Sage mir, was gedenkst du zu tun, wenn du nicht auf See bist? Wenig ist schlimmer, als Männer, die durch Untätigkeit träge werden."

    "Selbstverständlich ist mein Favorit der berühmteste Athlet Alexandreias, dein ehrenwerter Cousin Ánthimos.", antwortete Nikolaos wie selbstverständlich.


    "Bazeb scheint ein erfahrener Athlet und Kämpfer zu sein, doch die Jugend hat ihn längst verlassen und damit auch die Kraft der Jugend. Vielleicht wird er es mit Erfahrung wettmachen- das werden wir gleich sehen."


    Er lächelte freundlich.


    "Bedauerlich, dass die ehrenwerte Penelope dem gymnischen Agon nicht beiwohnt. Ist ihre Gesundheit angeschlagen?"


    Sein Gesicht nahm den Ausdruck echter Sorge an.

    Der Gymnasiarchos schwitzte. Dabei war ihm kalt. Seine Seidenkleidung schien wie aus Blei. Seine Schläfen schmerzten. Das Nervenfieber, das er fürchtete, hatte ihn wieder befallen. Er nahm die anderen Zuschauer, die ergriffen oder gelangweilt dem nächsten Künstler lauschten oder sich nach ihren Nachbarn umsahen, er nahm sie war, als säße er zwischen Statuen in einer Sammlung. Penelope war abgetreten, hatte die Orchestra geräumt für einen Jüngling. Nikolaos sah ihr nach. Ihre Stimme ihm lange nach. Ihre vornehme Bescheidenheit bei der Verbeugung quälte. Nikolaos schwitzte und fröstelte.


    Der Jüngling namens Lycidas war zweifelsohne von einer Schönheit, die nicht von dieser Welt schien. So war auch sein Spiel. Es schien, als habe Hermes ihn geschickt, um seinen Priester zu retten. Nikolaos lächelte selig. Aber diese Seligkeit war hervorgepreßt und gequält. Lycidas war kaum mannbar. Er mochte vielleicht sechzehn Sommer erlebt haben. Sardis, die Erwähnung dieses Ortes ließ Übelkeit in Nikolaos Rachen aufsteigen. Er wusste nicht, weshalb.


    Er war froh, kein Preisrichter zu sein. Es würde ihm schwerfallen, zwischen den beiden letzten großen Künstlern dieses Agons zu urteilen. Und er würde vielleicht nicht nach der Kunst urteilen... Wie er seine Leidenschaften hasste! Der Gymnasiarchos sah sich nach Kanobos fahren und die Peitsche gegen Huren und Strichjungen schwingen. Er sah sich eine Schänke verwüsten und die Würfelspieltische umwerfen, die Knochen gegen die Wand schleudern. Ihr mit eurer Scheißseligkeit! Ihr mit eurer-


    Nikolaos dachte an Sardis und lächelte zart. Der Mythos mit der Schildkröte gefiel ihm. So wollte er sein! Er wollte die Huren peitschen und aus ihren Fleischfetzen eine Marmorstatue-


    Die Statuen um ihn entwickelten Leben. Nikolaos erschrak. Er warf einen verstohlenen Blick auf seine Schreiberin und deren Nachbarn, den unflätigen Gesandten. Warum nur schickte der Basileus einen solchen Lüstling? Auch ihm wollte Nikolaos nur zu gern die getrockneten und gehärteten Stängel der Papyrusstaude übers Fell ziehen.


    Der Schönheit ist ein Weg mit Rosen, wohin sie kommt - und wo sie war, da eine Blutspur-


    Er ertrug es kaum. Er atmete deutlich hörbar ein. Die Leute mochten ihn für schwindsüchtig halten. Wenn sie ihn nur nicht für verrückt hielten-

    Ich bin ab Freitag eine Woche weg und daher ohne Internet. Allerdings weiß ich nicht, wieweit mich die Reisevorbereitungen in den nächsten Tagen noch beanspruchen werden. Ich hoffe, heute und morgen noch ein paar Posts zu schreiben. Ansonsten bis übernächste Woche!

    Nikolaos bemerkte die weiblichen Mitglieder der Bantotaken-Sippe. Freundlich lächelte er ihnen zu. Penelope war nicht zu sehen. Bereitete sie sich auf ihren Auftritt vor? War sie krank geworden - und würde nicht auftreten können? Nikolaos fürchtete und hoffte dies zugleich. Er war mürbe an diesem Tag - und dadurch anfälliger für jenes, was er längst überwunden geglaubt hatte.


    Die Athleten ließen auf sich warten. Nur Ánthimos erkannte Nikolaos schon unten, vor der Tribüne und einige Teilnehmer, die ihm unbekannt waren. So wandte er sich zu den weiblichen Bantotaken um.


    "Khairete.", sagte er höflich. "Seid ihr ebenso gespannt auf die Wettkämpfe wie ich? Ich hoffe, der ehrenwerte Ánthimos wird Alexandreia viel Ruhm bringen - und natürlich seinen Hausgenossen." Nikolaos lächelte eigenartig. "Ich vermute, seine Chancen stehen nicht schlecht. Auch wenn er Gegner hat, die seiner würdig scheinen."


    Er warf einen Blick auf die Vorbereitungen unten, im Sand. Cleonymus und seine Helfer schienen routiniert zu arbeiten. Auch schien sich der Kosmetes mehr für den Ablauf der Veranstaltung zu interessieren, als für die Teilnehmer, die vor ihm standen. Einige waren durchaus ansehnlich. Andere waren durch ein Leben als Athlet bereits gezeichnet. Die schönsten Jünglinge würden sicherlich die letzten Plätze einnehmen, die ersten Plätze hingegen-


    Nikolaos verzog sein Gesicht zu einem feinen Grinsen, das er als Lächeln tarnte.


    "Ist es mir erlaubt, zu fragen, wo eure hochverehrte Hausgenossin Penelope sich aufhält? Ich hoffe doch sehr, dass sie nicht unpässlich ist. Damit würde Alexandreia seine berühmteste Künstlerin beim musischen Agon einbüßen."


    Sein Gesichtsausdruck war wieder ernst. Plötzlich konnte er es gar nicht erwarten, Penelope im Odeion zu sehen und ihr zu lauschen.

    Nikolaos war wie versunken in eine Welt, in der es nur Penelopes Stimme gab und die ihrer Kithara. Daher hörte er nicht, wie seine Schreiberin und der grobschlächtige Fremde miteinander tuschelten.


    Als Penelope ihre Darbietung beendet hatte, brauchte er eine Weile, um sich aus seiner Erstarrung zu lösen und wieder festen Boden zu finden. Er wischte sich mit dem Handrücken flüchtig über das linke Auge, ehe er in den Beifall einstimmte, der im Odeion erklang.


    Die schöne Gemahlin des Ánthimos war allerdings nicht die letzte Teilnehmerin. Ein Jüngling stand bereit, einer, der die erste Rasur womöglich noch nicht hinter sich hätte, wäre er Römer. Nikolaos hoffte, dieser Junge möge besser sein als die Tochter des Philolaos, oder anmutiger. Er wusste, dass er so gut sein könnte, wie die Musen es wollten, und Nikolaos trotzdem nicht von Penelopes Fluch lösen würde.

    "Aufgaben schaffen manchmal von selbst die Voraussetzungen, wenn man sie einmal übernommen hat.", meinte Nikolaos und lächelte. "Niemand kommt erhaben auf die Welt - nur Götter vielleicht oder Halbgötter, wie ein Herakles, der schon in der Wiege gelassen und ruhig war, und die Schlange, die ihn töten sollte, einfach erwürgte."


    "Du hast im Übrigen recht, deine Cousine ist eine sehr bewundernswerte Frau. Jedoch wird auch sie alt, sodass vielleicht in dreißig Jahren du das Oberhaupt der iunischen Familie in Alexandreia bist. Es sei denn natürlich, du heiratest."


    Nikolaos Gang war federnd und leichtfüßig und so gar nicht dem Gang ähnlich, den er sonst an den Tag legte. Er schritt nicht, er machte sich nicht schwerer als er war.


    "Das ist wohl der Gruß eines Soldatens an seinen lieben Kameraden. Natürlich gleichzeitig eine üble Verleumdung. Was meinst du, warum zieht der Schmierfink den armen Caius damit auf?"


    Fast soetwas wie kindliche Freude lag in seiner Stimme. Er lachte.


    "Ich glaube, der Schmierfink ist eifersüchtig. Vielleicht auf eine Geliebte von Caius oder auf Caius selbst. Hat dein Vetter dir solche Geschichten aus Heerlagern erzählt?"


    Wieder lachte er. Was war nur mit ihm los? Seine Zunge war gelöst wie vom Wein.


    "Als ich noch Strategos war, hatte ich wenig mit Huren, Strichern und Luden zutun. Die pilgern alle nach Nikopolis wie Ratsuchende zum Orakel von Siwa."


    "Was rede ich da? Ich sollte dich die Redekunst lehren und das Wissen von den Werken und Taten der unsterblichen Götter und über die Sitten und Gebräuche ferner Völker. Stattdessen tische ich dir, einer ehrbaren römischen Jungfer, solchen Schund auf."


    Wieder lachte er. Er fühlte sich wie von einer Last befreit.


    "Gibt es in deiner Sippe eigentlich Khristianer? Bei euch Römern soll das ja grassieren wie die Pest. Verzeihung, damit wollte ich dir natürlich keineswegs zu nahe treten. Was ist nur mit mir los? Ich hoffe, du tadelst mich für meine lose Zunge nicht zu sehr - und sagst Urgulania nicht, worüber ich mich schäbig lache."

    Nikolaos sah den Besucher aufmerksam an. Bereits während dieser durch die Tür trat, hatte er sein Gesicht eingehend betrachtet.


    "Khaire, ehrenwerter Lucius Octavius. Es freut mich sehr, dass die Nachricht von diesen Stellenangebot dich erreicht hat. Nimm bitte Platz. Ich bin Nikolaos."


    Er reichte dem Mann über den Tisch hinweg seine rechte Hand. Diese war zart und feingliedrig, aber mit einem massiven goldenen Siegelring geschmückt.


    "In der Tat suche ich einen Schiffsführer. Jedoch einen, dessen hauptsächliche Aufgabe es sein wird, sich bereitzuhalten, bis ich seine Dienste als Nauarkhos benötige. Außerdem brauche ich einen Mann, der es versteht, ein Schiff, das im Hafen liegt, regelmäßig instand zu halten. Wenn das Schiff einmal in See sticht, wird dies vermutlich keine gewöhnliche Fahrt sein. Dazu aber später mehr."


    Nikolaos blickte dem Bewerber durchdringend in die Augen. Nikolaos' dunkle Augen funkelten wach und aufmerksam. Er hatte sich wieder gefangen. Die Schwäche der letzten Wochen wich allmählich wieder der gewohnten Kraft, die in ihm steckte, obgleich man sie ihm äußerlich nicht ansehen konnte.


    "Kommen wir zu dir. Wo hast du das Handwerk der Seefahrt gelernt, wie lange führst du bereits Schiffe, woher stammst du?"

    Die ersten Darbietungen bereiteten Nikolaos ein ästhetisches Vergnügen, aber sie ließen ihn kalt. Kühl versuchte er, die Motive in der Dichtung zu durchschauen und die Art der Begleitung. Kühl verglich er die Stimmen der einzelnen Dichter. Fand die des einen künstlerisch ausgereifter als die des anderen, die des anderen wiederum charaktervoller. Es gab vortreffliche Dichter unter den Teilnehmern und solche, die konventionelle Dichtung lediglich als Unterfütterung der Musik verwendeten. Ein Kallimakhos hätte sicher viel gelacht und gespottet. Nikolaos fand bei einigen Kitharöden Fehler, sah einen Finger abrutschen und erfreute sich daran. Auf eine seltsame Weise war er boshaft gestimmt. Er wusste, dass die Künstler ihre Sache gut machten. Dennoch hätte er sie verrissen, wäre er Preisrichter. Er hätte sie mit seiner scharfen Zunge zerstückelt, ihre Kunst zerrieben und über ihren Häuptern zerstäuben lassen. Er wäre grausam gewesen. Er hätte selbst die älteren, gestandenen Dichter zur Verzweiflung gebracht. Nikolaos klatschte in die Hände und lächelte falsch. Innerlich zerfraß ihn der Grahm.


    Nikolaos ahnte, woher diese Laune rührte. Dem Gymnasiarchos zuckten die Gesichtsmuskeln, als Penelope ihre Stimme erklingen ließ und die ihrer Kithara. Mühsam bewahrte er sein Gesicht. Gut, dass Ánthimos ihn nicht sehen konnte. Ihm schauderte. Die Anmut der Dichterin ließ die düstere, fast archaische Sprache ihrer Verse umso schauriger werden, und die dunklen Verse machten die Frau umso schöner. Hätte sie nicht eine dümmliche Viehherdenhymne mit dumpfer Fröhlichkeit vortragen können? Hätte sie nicht mit ihrer schönen Stimme und ihrem meisterhaften Spiel Torheiten durch die Luft tragen können, harmlose Spielereien, Spezereien? Hätte nicht die verheiratete, gezähmte Matrone durchschimmern können? Hätte sie ihn nicht schonen können? Nikolaos spürte, wie es durch seinen Kopf zog und eisig den Rücken hinab. Er spürte, dass seine Nerven vibrierten. Seine Mundwinkel begannen erneut, zu zittern. Dieses Mal heftiger und durchaus sichtbar. [SIZE=7]"Sappho-"[/SIZE] Nikolaos Hände klammerten sich an die Armlehnen seines Stuhles. Seine Knöchel traten unter vergilbter Haut scharf hervor. Hoffentlich schoben seine Nachbarn diese Zeichen von Erregung auf die Inbrust eines Hermespriesters. Hoffentlich.

    Nikolaos hatte schon vor einiger Zeit die Suche nach einem Kapitän begonnen. Iunia Axillas Lächeln ließ ein bitteres Gefühl in ihm aufsteigen. Das unschuldige junge Mädchen schien nicht zu wissen, dass Nikolaos ihretwegen einen Kapitän in Bereitschaftsstellung suchte und ihretwegen seine "Isis" nicht mehr auf Handelsfahrten schickten, sondern im Hafen liegen und wöchentlich auf Vordermann bringen ließ.


    "Ein Nauarchus, der Römer ist?"


    Wie ein Freigelassenenname klang das nicht. Vielleicht hatte der Mann aber das Bürgerrecht im Flottendienst erworben.


    "Bitte, er kann sofort hineinkommen."

    "Nun, als Gesandter des göttlichen Basileus, der, wie wir alle wissen, die alten Sitten der Römer in hohen Ehren hält, solltest du dich über die Tugendhaftigkeit und Klugheit der ehrenwerten Iunia Axilla mehr freuen als über ihre Schönheit.", sagte Nikolaos lächelnd aber durchaus mit Nachdruck. Dass dieser Mann die Dreistigkeit besaß, der jungen Iunerin derart plump Avancen zu machen, konnte Nikolaos als Freund der älteren Cousine und als Chef nicht unbeantwortet lassen.
    "Dann wirst du sicher in den nächsten Tagen Gelegenheit haben, die Stadt zu erkunden. Wenn du einen Führer brauchst, stehe ich dir zur Verfügung, sowie meine Amtsgeschäfte es gerade zulassen. Ich möchte dir den ehrlichen Rat geben, falls du einmal auf eigene Faust die Gegend erkunden solltest, nicht auf die Beutelschneider von Kanopos hereinzufallen. Diese haben leider nicht einmal vor Vertretern des göttlichen Basileus Respekt."


    Nikolaos sprach freundlich und scheinbar ohne Hintergedanken. Das Verhalten des Gesandten hatte sein Misstrauen erregt. War dieser wirklich nicht besonders klug und von einer selten schlechten Erziehung? Aber warum wurde so ein Mann für eine solche Aufgabe abgestellt, die Feinfühligkeit verlangte? Oder war schlicht Vetternwirtschaft in der Kanzlei im Spiel? Oder steckte hinter dem Verhalten des Mannes Kalkül? Dass der Mann offenbar durchaus in den Genuss eines griechischen Lehrers gekommen war, wurde deutlich, als dieser ein sauberes und gepflegtes Attisch an den Tag legte.


    "Iunia Axilla, selbstverständlich sitzt du in dieser Reihe, neben dem Platz deiner Cousine."


    Das Preisrichterkollegium schien fast vollständig zu sein und auch die Zuschauerreihen hatten sich gefüllt. Nikolaos nickte dem Gesandten und dann Axilla zu, bevor er sich erhob.


    "Verehrte Gäste, verehrte Teilnehmer, verehrtes Preisrichterkollegium, es ist mir eine große Ehre, hiermit den Beginn des musischen Agons zu Ehren des großen Hermes zu verkünden. Ich möchte nun die Priestrichter bitten, die Reihenfolge mit dem Los zu bestimmen und zu verkünden. Zuvor jedoch will ich einen weiteren besonderen Gast begrüßen, nämlich den ehrenwerten Gaius Pompeius Imperiosus, der Sondergesandter des göttlichen Basileus ist. Möge das musische Agon dem großen Hermes zu Ehren gereichen."


    Nikolaos nahm wieder Platz. Einige Stühle weiter saß der Soldat. Nikolaos hatte ihn kurz aus den Augenwinkeln gesehen. Besonders an dieser Veranstaltung interessiert schien er nicht zu sein. Von einem Soldaten kann man keinen Kunstsinn verlangen, dachte Nikolaos nicht ohne Häme.

    Nikolaos hatte aus dem Augenwinkel Axilla entdeckt. Er nickte ihr höflich zu.


    "Das ist die ehrenwerte Iunia Axilla, die Cousine von Iunia Urgulania, die der Beamtenschaft der Polis als Archiprytanes vorsteht.", stellte er seine Schreiberin vor.


    "Iunia Axilla, möchtest du dich nicht setzten?", fragte er freundlich. Zu ihr sprach er weniger höflich und förmlich, dafür war der Klang seiner Stimme wärmer.


    "Wenn ich vorstellen darf, dieser ehrenwerte Mann ist Gaius Pompeius Imperiosus, der Sondergesandte des göttlichen Basileus."


    Die meisten der Künstler schienen inzwischen eingetroffen zu sein. Nikolaos schickte Kalthymos, der wie immer in seiner Nähe saß, zu ihnen.


    "Hochverehrte Künstler, seid ihr bereit?", fragte der Jüngling Kalthymos, als er am Rande der Orchestra stand, wo die Wettstreitenden warteten.