Beiträge von Nikolaos Kerykes

    In einigem Abstand zum Wagen, auf dem die Leiche gefahren wurde, und somit in einigem Abstand zu denen, die als Angehörige das Vorrecht hatten auf der Prozession dem Leichnahm am nächstem zu sein, schritt Nikolaos an diesem frühen Morgen (die Nacht war gerade gestorben) mit im Leichenzugu durch die Stadt. Ihm fröstelte. Er zog seine Chlamys enger um die Brust, hielt sie mit den Händen fest, um sich zu bedecken. Seine Schritte waren etwas unsicher, seine Beine schwach. Die tiefen Töne der Syrinx, die gellenden Schreie der Klageweiber, selbst das dumpfe Murmeln in der Menge, die die Prozession bildete, tönte in seinen Ohren. Seine Finger waren kalt und bleich. Sie gruben sich in den Wollstoff seiner Chlamys, deren einst tiefblaue Farbe verblasst war. Im gespenstischen Licht der Fackeln war sie ohnehin nicht zu erkennen. So zog sich dieser Leichenzug durch die Stille der späten Nacht. Der monotone Rhythmus der Schläge der Pferdehufe auf dem Pflaster der Straße machten Nikolaos schläfrig. Doch innerlich war er erregt und unruhig. Seine Hände zitterten.

    Nach zwei weiteren Liedern war das Martyrium für Nikolaos endlich vorbei. Der Gelehrte erklärte die Vorlesung für beendet, zuvor hatte er noch einmal herumgeschrieen. Nikolaos kehrte an seinen Platz in den uförmig angeordneten Steinstufenreihen und sammelte seine Aufzeichnungen ein. Er rollte seine Notizblätter auf und schob sie in ein Futteral. Dieses sowie sein Schreibzeug steckte er in einen Lederbeutel. Er ärgerte sich, dass er, (noch) Amtsträger der Polis, trotz dieses Amtes vor den Launen der Lehrer nicht sicher war. Ich bin doch erwachsen, eigentlich, dachte Nikolaos. Nun gut, seinem Aussehen nach wirkte er etwas jünger, als er war, was ihn Zeit seines Lebens beziehungsweise Zeit des Teils des Lebens, in dem es auffällig geworden war, ärgerte und beinahe quälte. Diese körperlichen Minderwertigkeitsgefühle hatten den Samen gelegt für seinen Ehrgeiz, der sich zu einer Pflanze entwickelt hatte, die fast pathologisch zu nennen war.
    Allein verließ er den Hörsaal. Er beeilte sich damit, um zu vermeiden, dass der widerwärtige alte Gelehrte noch ein Anliegen an ihn hatte. Vor dem Nebengebäude, hinter den Säulen einer Halle, atmete er erleichtert auf. Er zog den Duft der Gartenblumen ein und fühlte Befreiung. Raschen Schritts verschwand er im Garten.
    Dabei schweiften seine Gedanken, sie wanderten, oder schlenderten in ein gefährliches Gebiet. Er, der Pyrtane, träumte von einer Tyrannis. Von der Tyrannis der Jugend, mit ihm als Tyrann. In seinen Träumen schloß er ein geheimes Abkommen mit den Rhomäern, dass ihn vor dem Zugriff der Legion schützte. Dann rüstete er die Stadtwache weiter auf und an einem schier unerträglich heißen und staubigen Tag verhafte er alle, die in der Polis politische Geltung besaßen, mit Ausnahme der Rhomäer, gegen diese kam er selbst in seinen Phantasien nicht an, sperrte sie in das Gewölbe unter der Agora, das er vor einigen Tagen selbst besichtigt hatte, und riss die Macht an sich. Er selbst wurde Tyrann, gefürchtet, doch verehrt, und alle Schlüsselämter seiner neuen Regierung, einer Art Pseudo-Politeia, wurden wie durch ein Wunder von seinen Anhängern besetzt, von hohen Männern der Stadtwache, die ihren Lohn aus Nikolaos Kerykes Tasche bezogen.
    Doch noch viel lieber wollte er ein megas basileius sein, wie es einen (oder gar mehr?) in Parthien gab, dass die Rhomäer bekämpften. Uneingeschränkte Macht, oberster Richter, Herrscher, Gott... .
    Er stieß auf einem schmalen Schotterweg durch den Hain, der im Licht des Südens in unzähligen Farben leuchtete, zu glühen schien, fast mit einem jüngeren Schüler zusammen. Dieser Vorfall holte ihn wieder zurück, in den Park des Museions.

    "Ich danke dir.", rief Nikolaos der Frau freundlich aber mit matter Stimme hinterher. Hatte sie ihren Namen gesagt? Falls ja, hatte er auch diesen wieder vergessen. Es schien nicht gut um seinen Zustand zu stehen. Doch er nahm Haltung an, versuchte in seinen Blick den Ausdruck von Wachsamkeit und Konzentration zu bringen, auch wenn seine Gedanken weit abschweiften, dann wieder zurückkehrten, taumelnd wie Betrunkene auf dem Weg nach Hause und sogleich wieder auf Zechtour gingen. Er fühlte einen Schwindel, vor seinem Augen zersetzte sich die Welt in Atome, deren scharfe Formen wie Staub aufwirbelten und ihm dann in die Augen geweht worden, wo sie juckten und brannten. Er hörte ein durchdringendes raumloses Pfeifen, da es raumlos war, wusste er, dass es nur in seinen Ohren stattfand.
    Er betrat den Raum, hatte aber rücksichtsvoll darauf geachtet, dass der Centurio und der Stadtwächter hinterher kamen. "Chaire, Doros.", sagte er. "Ich schätze, du kennst mich noch. Ich komme wegen des Körpers des Tychios. Kannst du uns ihn einmal zeigen? Ich würde ihn gerne noch einmal im Tageslicht begutachten, und die beiden Herren, Centurio Quintus Octavius Augustinus Minor und Cleonymus, mein Vertrauensmann der Stadtwache, würden auch gerne den Körper sehen. Was übrigens konntest du herausfinden ? - warte, erzähle uns das auf dem Weg." Nikolaos musterte den Arzt. Dann warf er ihm einen auffordernden Blick zu.


    Sim-Off:

    Tychios ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Nebenraum des Heiligtums aufgebahrt, es ist früher Morgen nach der Mordnacht.

    "Ich danke dir für die Bereitschaft, dies zu tun, und vielleicht wäre der Kerl wirklich dort besser aufgehoben.", meinte Nikolaos etwas bitter, während sie durch das Tor gingen. "Doch lasst es uns dabei belassen." Auf sich sitzen lassen würde er diese Kränkung natürlich nicht. Doch Nikolaos würde subtilere Wege finden als einen Rauswurf aus der Stadt. Auch wenn das natürlich auch etwas lustiges an sich gehabt hatte... . Es hätte dem kruden Humor des Bettlers, Geisteskranken oder Gelehrten (was auch immer, vielleicht sogar in Personalunion?) sehr gut entsprochen, als angemessene Antwort vielleicht. Leider hätte es aber wahrscheinlich einen Skandal deswegen gegeben. Außerdem war Nikolaos nahezu am Ende seiner Kräfte, er hatte das Gefühl, das seine Nerven nicht mehr lange die Strapazen aushalten würden, daher fühlte er sich zu matt, um sich zu rächen und um eine schöne Rache genießen zu können. Jedoch war die Vorstellung eines möglichen vergnüglichen Amtsmissbrauchs zu Ungunsten des eigenartigen Gelehrten eine sehr lustige Vorstellung. Nikolaos könnte seine Unterkunft von der Stadtwache durchsuchen lassen, mal sehen, was es dort Vergnügliches zu finden gab... .
    Nein, Amtsmissbrauch ist schlecht. Nikolaos hatte, zu seinem Bedauern, Prinzipien.

    Wie peinlich! Nikolaos Hirn hatte die Schlaflosigkeit, der Opiumkonsum und die Überarbeitung nicht gut überstanden. Er konnte sich gerade noch davor retten, vor der jungen Frau zu stammeln. Wie hieß der Arzt noch gleich? Nikolaos kam ins Schwitzen. Er hätte seinen Grammateos mitnehmen sollen, der es ihm wohl schon den richtigen Namen ins Ohr geflüstert hätte, als Nikolaos nach Chares verlangte. Seine Nerven schienen zu vibrieren. Er spürte langsam Beklemmung in dieser Umgebung. überall Krankheit, und wenn diese nicht offensichtlich war, zumindest Alter. Er schob das Versagen seines Gedächtnisses auf diese unheimlichen Miasmen, die einzuatmen er fürchtete. Und die Frau, die ihn in Verlegenheit gebracht hatte, war ausgerechnet jene vom Brunnen im Park. Nikolaos zwang sich, die Zähne innerlich zusammenzubeißen. Er setzte ein überlegendes Lächeln auf. "Verzeihe mir, ich verwechselte Chares gerade. Das lag wohl daran, dass ich Chares hiernach aufzusuchen gedenke." Sein Lächeln gefror, ohne dass er das gewollt hätte. Wie hieß dieser verdammte Arzt? Nikolaos empfand auf einmal ein Verlangen, nicht in diesem Warteraum des Elends und des Ekels zu stehen, sondern in seinem Bett zu liegen und sich vom Morpheus in die Arme nehmen zu lassen, mithilfe einer großen, sehr großen Dosis Opium. Innerhalb von Augenblicken wollte er wegsinken, weit weg.
    Doch leider stand er hier. Doros, der Kerl hieß Doros!, dachte er und unternahm den zweiten Versuch.
    "Ich suchte außerdem Doros. Der müsste doch hier zu finden sein, oder?" Er lächelte, doch die tiefen Gräben unter seinen Augen, die dunklen Schatten und die Bleiche seines Gesichts konnte er nicht verbergen.

    Nikolaos führte seine beiden Begleiter ins Iatreion und missachtete den Mann, der den dummen Witz mit den Riesenkäfern gemacht hatte. Was wollte dieser Wicht überhaupt hier und wie kam er auf Riesenkäfer? Da fiel Nikolaos ein, dass er das Gesicht kannte. Der Kerl hatte ihm scheinheilig Hilfe angeboten bei der Suche nach Büchern in der Bibliothek. War dieser Mensch ein Lehrer am Museion oder einfach nur ein dahergelaufener Gelehrter? Er schien noch recht jung zu sein, höchstens vierzig, was zwar schon alt war, doch für einen Gelehrten immer noch recht jung. Und welche Rhomäer meinte der Mann? Nikolaos hatte das Museion nur mit einem Rhomäer betreten, der andere Begleiter war, wie man deutlich sehen konnte, ein waschechter Ägypter. Es gab schon Menschen mit einer Recht eigenartigen Wahrnehmung und einem abstrusen Humor an dieser Institution. Auch wenn er den Gelehrten nicht für im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte hielt (was nicht unbedingt ein Hindernis für das Gelehrtendasein war, schließlich konnte man spezialisiertes Wissen anhäufen, sich zum Beispiel in die Angelegenheiten von Riesenkäfern vertiefen, ohne dafür einen gewissen geistigen Instinkt (oder eine instinktive Geistigkeit) zu besitzen, die auf den Umgang mit anderen Menschen abzielte. Trotz dieser Zurechnungsunfähigkeit, die er dem Mann andachte, fühlte sich Nikolaos von dessen schamloser Bemerkung, dessen Altmännerwitz gekränkt, wie sich nur ein zarter schöner junger Mensch mit verfeinerten Sinnen (im Positiven wie im Negativen) gekränkt fühlen kann. Er beschloss, sich bei der nächsten Begegnung zu rächen.

    Sim-Off:

    Sorry, Link vergessen!
    Ich glaube, Diagaros von Melos meinte mich mit seiner wörtlichen Rede. Beim Soldatentöten stand in seinem Beitrag "in Gedanken".

    Nikolaos kam mit seinen beiden Begleitern rasch ins Iatreion, denn es lag gleich hinter dem großen Tor. Im Warteraum suchte er sich den erstbesten Sklaven. "Chaire", sagte er. "Ich bin der Strategos Alexandrinos und möchte zu Chares. Es ist sehr dringend. Bitte führe uns hin."

    Nikolaos kehrte zum Eingang zurück. "Ich konnte leider den Stellvertreter des Epistates nicht finden.", meinte er. "Ich ließ ihm ausrichten, dass wir hier sind. Mehr kann ich leider nicht tun, um ihn darüber in Kenntnis zu setzen. Daher schlage ich vor, dass wir jetzt zum Haus der Ärzte* gehen." Er machte Anstalten, zu gehen, wartete aber ab, dass die anderen ihm folgten. "Nur ihr beide solltet mitkommen.", meinte er zu Cleonymus und dem Rhomäer. Dann ging er wieder ins Museion hinein.



    *

    Sim-Off:

    Die Leiche ist zu diesem Zeitpunkt noch nicht im Tempel aufgebahrt.

    Die praktische Ausübung, das war es überhaupt! Doch vielleicht zuerst einmal etwas Grundsätzliches zur Einleitung. Nikolaos holte Papyrus, Tinte und seine Schreibfeder hervor. Am Museion und in Alexandria überhaupt wurde sehr verschwenderisch mit Papyrus umgegangen, daran hatte sich Nikolaos schon fast gewöhnt. So benutze er es an diesem ruhigen Tag in einem Nebenraum der Bibliothek auch für die ersten Notizen.



    Praktische Poetik


    (nein, so kann ich es nicht nennen)


    (wie sonst?)


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    Die Tragödie ist aus dem Gesang heraus entstanden. Dieser Gesang hingegen ist aus der Verehrung der Götter hervorgegangen. Anfangs gab es nur den Chor, er sang Lieder Gesänge
    intonierte Gesänge zur Anbetung der Götter (?)


    (Dionysos-Anbetung, die Verschlossenen)


    anfangs Gesänge im Chor, dann traten einzelne Agonistes aus dem Chor heraus,



    Unsitte der Rhomäer: Die Tragödie als Spekakel (rhomäisches Fremdwort!) Belustigung für den Pöbel, der heilige Charakter ging verloren


    ebenso der Gesang


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    jede Tragödie eine Verehrung der Götter!


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    (Anrede, direkte?)


    Ihr sollt dies (Verehrung der Götter, im Anschluss an den Satz) nie vergessen. Ihr gebt nicht nur eure Stimme, euren Körper sondern auch eure Seele als Opfergabe hin.


    Da die Bühne weit entfernt ist von denen, die auf den Plätzen des Theaters sitzen, muss alles dort kräftiger und deutlicher sein, als es im Leben wäre, das vom Theater nachgeahmt wird. Die Stimme muss laut durch die Maske fahren, alle Bewegungen müssen so deutlich sein, dass sie auch der hinterste der Zuschauer erkennt und von ihnen ergriffen wird.


    Für diese Deutlichkeit ist die Maske wichtig. Durch sie hindurchgesprochen wird die Stimme kräftiger, ihre Züge sind kräftiger und deutlicher als die Züge eines jeden Gesichts.


    Auf der Bühne findet in jeder Hinsicht eine Übertreibung statt.




    Nikolaos sah sich seine ersten Einfälle an. Er hatte sich viel vorgenommen. Er würde weiter nach Einfällen suchen, bevor er, in längst noch nicht absehbarer Zeit diese ordnen würde. Doch das Thema lag ihm eher als Riesenkäfer.

    Da ihm auch nach langer Zeit niemand öffnete, hielt er einen Schreiber an, der gerade durch die Halle ging, und sagte diesem , er solle dem Stellvertreter des toten Epistates ausrichten, der Strategos Alexandrinos habe versucht, ihn zu sprechen, um ihn, als Hausherrn des Museions, über die Modalitäten der Wache am Museion sowie über die Ermittlungen im Haus zu informieren, da er aber diesen nicht aufgefunden habe, bitte er darum, zu entschuldigen, dass sich aus diesem Umstand heraus der Strategos Alexandrinos gezwungen sähe, ohne sein direktes Einverständnis mit der Besichtigung des Tatorts und anderen Ermittlungsschritten fortzufahren, der Strategos bitte aber zum frühstmöglichen Zeitpunkt um ein Gespräch in dieser Sache. Dann sagte Nikolaos dem Schreiber noch, er solle den stellvertretenden Leiter dieser Einrichtung hochachtungsvoll grüßen, dann verschwand Nikolaos wieder.

    Auch Nikolaos, als Schüler des Museions dazu gewissermaßen verpflichet, suchte die Halle der Aufbahrung auf, in der ein reges Kommen und Gehen herrschte. Er bemerkte, dass Timokrates in voller Amtskleidung und mit seinen Epheben erschienen war. Im Vorbeigehen grüßte er ihn, natürlich aber wäre es pietätslos gewesen, in einem Aufbahrungsraum ein Gespräch anzufangen. Stattdessen ging er auf die junge Witwe des alten Tychios zu. Aus den Wortfetzen, die von vorherigen Besuchern zu ihm hinübergedrungen war, hatte er erfahren, dass sie die Witwe war und dass sie Eirene hieß. In hellenischen Städten war es im Grunde immer noch üblich, dass man Ehefrauen oft erst beim Begräbnis ihrer meist älteren Männer außerhalb des oikos zu Gesicht bekam. Unverheiratete Frauen hingegen waren sogar vereinzelt am Museion anzutreffen, sogar als Gelehrte*. Als er vor dieser nämlichen Eirene stand, wurden Nikolaos die Knie weich. Was sollte er sagen? Oder hatte der vom Balsamduft nur unzureichend überdeckte Leichenhauch seine Sinne betäubt und auch seinen Verstand? Ihm schwindelte, kaum merklich schwankte er, er hätte sich gerne gesetzt.
    "Mein Beileid, werte Eirene.", sagte er ernst und bedeutungsvoll schwer. "Mögen die Götter deinen Mann im Totenreich beschützen und dich und deine Kinder in der Welt der Sterblichen." Dann trat er langsam an das Totenbett, blickte über den Körper, der da lag und atmete den Duft des Todes ein. Fast genüsslich, dachte er sich, und schauderte über seine eigenen Gefühle. Er verweilte einige Zeit vor dem Totenbett, ließ die Klageweiber unbeachtet, dann trat er einige Schritte zurück, um Neuankömmlingen Platz zu machen. Nach einiger Zeit verließ er den Raum.

    Zitat

    Wenn sich bald jeder alles leisten kann, wo bleibt da der Ansporn Ritter zu werden und gutes Geld nebenher zu verdienen? cool


    Historisch wäre es doch eigentlich umgekehrt gewesen, oder irre ich mich da? Da hat man doch gutes Geld verdient, um Ritter zu werden? Bzw. ist Ritter der geworden, der gutes Geld bereits hatte (wenn er nicht gerade als Eques geboren worden war)?
    Nun gut, historisch korrekt wäre auch meines Erachtens eher, wenn Angehörige des Ordo Equester keine eigenen Betriebe haben (außer vielleicht Landgüter), sondern nur die Räumlichkeiten, die sie dann an den sogenannten Plebs verpachten, um dem sogenannten Plebs die Betriebsführung zu überlassen.
    Ach übrigens, meine ID hat auch wenig Geld, würde es dir aber trotzdem übel nehmen, wenn du sie als Plebs beschimpfst... . Das aber nur nebenbei ;). (Und bitte sieh den Smiley auch als Smiley an, ich meine es wirklich nicht böse.)
    Übrigens ist auch die Herstellung sogenannter edler Ware etwas, was durchaus auch ärmere Leute durchgeführt haben könnten. Zwar mussten die teuren Rohstoffe, die dafür nötig waren, ja erst einmal gekauft werden, doch den Rohstoffpreis hatte man ja über den Verkaufspreis wieder drin. Und besondere Gerätschaften wurden für die Herstellung der meisten edlen Waren auch nicht gebraucht, das meiste war ohnehin Handarbeit. Besondere Fähigkeiten brauchte man sicher, um zum Beispiel luxuriöse Kleidungsstücke zu schneidern. Diese Fähigkeiten sind sicher innerhalb von Familien weitergegeben worden, ich möchte behaupten, dass damals die meisten Goldschmiede, Schneider etc. in langer Familientradition standen. Da solche spezialisierten Handwerker sicher aber genug verdient haben, um ihr eigenes Geschäft am laufen zu halten, ist es eher unwahrscheinlich, dass solche Leute bei anderen Geschäftsbesitzern häufig in Lohn und Brot gestanden haben werden, wie gesagt, nur die Pacht war wahrscheinlich fällig, wenn der Laden nur gepachtet oder gemietet war. Daraus folgt, dass es gerade für edle Spezialprodukte eher unwahrscheinlich ist, dass die entsprechenden Produktionsstätten einem selbst nicht handwerklich tätigen Eques gehörten, der eben spezialiserte Angestellte hatte, für Gewerbe, das einfache Produkte herstellte, indes schon. So dürften wohl damals die hauptsächlichen Branchen, deren Produktionsstätten vornehmeren Bürgern gehörten, wohl die gewesen sein, die heute unter den primären Zweig fallen, also landwirtschaftliche (Groß-)Betriebe und vielleicht Steinbrüche etc. Ich glaube, die vornehmeren Schichten haben ihren Reichtum vor allem aus Landbesitz gezogen. Auf die Idee, ein spezialisiertes Gewerbe aufzubauen und darin hochqualifizierte Lohnarbeiter zu beschäftigen, wären sie wohl kaum gekommen.


    Nun gut, zur Sache selbst: Ich begrüße es , dass die Führung eines Betriebes auch ärmeren Leuten verstärkt möglich gemacht werden soll. Zwar wird es nie so weit kommen, dass man wirklichen WiSim-Reichtum nur aus Betrieben zieht, ohne diese Betriebe mit Gehältern für Staatsämter zu subventionieren, doch einen Schritt in diese Richtung halte ich für sehr angebracht. Das Problem mit der Diskrepanz zwischen dem Einkommen Staatsbediensteter und dem von Geschäftsleuten wurde schon vorher mehrmals angesprochen, ich bin da nicht der erste.
    Ein erster Schritt in die Richtung war ja schon das viel umstrittene SimOn-Gesetz, das dem Ordo Senatorus verbietet, andere Betriebe zu besitzen, als die, die die direkten Produkte der Erde abbauen (bitte verzeiht mir, wenn das niccht ganz korrekt wiedergegeben ist, ich glaube, jeder weiß, was ich meine). Vielleicht könnte man soetwas auch für den Ordo Equester einführen.
    Dann wäre die Verteilung ein wenig historisch korrekter: Landbesitz und landwirtschaftliche Großbetriebe (sowie, was hier in die WiSim nicht aufgenommen werden kann, Grundbesitz in der der Stadt) den vornehmeren Römern, den einfachen römischen Bürgern sowie Ausländern der Handel (wobei diesen wohl auch Ritter betrieben haben durften, schließlich sind viele auch erst durch Reichtum Ritter geworden) und das spezialisierte Gewerbe.

    Nachdem er die lästige Pflicht, eine Zusammenfassung über den Riesen-, Rosen- oder Was-Auch-Immer-Käfer zu schreiben, erfüllt hatte, wollte er sich endlich wieder Dingen zuwenden, die ihm Freude machten. Also ließ er sich von einem Bibliothekssklaven eine Abschrift der Poetik des Aristoteles bringen und zog sich in eine der Schreibstuben zurück, die irgendwann vor einiger Zeit, auf jeden Fall schon zur römischen Besatzungszeit, eingebaut worden waren. Hier hatte Nikolaos alles, was er brauchte, Licht, das durch ein Fenster drang, einen Arbeitstisch und Ruhe.
    Er hatte viele Werke des Aristoteles schon einmal lesen müssen, doch wie er etwas traurig feststellte, hatte er sich nie bemüht, sie tief zu durchdringen, eben weil er gezwungen worden war, sich mit ihnen zu beschäftigen, hatte er sich nur oberflächlich damit beschäftigt und seinen Lehrern nach dem Mund geredet. Nun schämte er sich dafür und beschloss, nachzuholen, was er versäumt hatte. Dabei wollte er mit der Poetik beginnen. Er hatte zudem beschlossen, möglicherweise eine kurze, bescheidene Anmerkung oder Ergänzung dazu zu verfassen. Schließlich empfand er auch Dichtung als Wissenschaft, und jede Wissenschaft brauchte ihre Methodik, insofern war er dem alten längst verrotteten Aristoteles dankbar, dass dieser eine Wissenschaft der Dichtung verfasst hatte, möglicherweise war diese Wissenschaft viel wertvoller als die meisten wirklich dichterischen (oder zumindest dichterisch gedachten) Werke. Nikolaos hatte eine Abneigung gegen alles, was dilettantisch ausgeführt war. Er beschloss, in seinen Abhandlungen, das aufzunehmen, was Aristoteles eher im Hintergrund gelassen hatte, die praktische Ausübung, beziehungsweise die Theorie der praktischen Ausübung.

    "Was will der denn hier?", fragte ein feister, älterer Mann mit grobem Gesicht einen etwas jüngeren. "Guck mal, der will nicht durchs Tor, der will zu uns." Der Alte lachte viehisch. "Hallo Kleiner, was gibts? Hast du deine Mami verloren?"

    "Allerdings... .", antwortete Nikolaos und er konnte einen kühlen Unterton in seiner Stimme nicht ganz verbergen. Nach außen jedoch lächelte er und oberflächlich war seine Stimme freundlich, fast freundschaftlich. "So, Timokrates, dann werde ich dich wieder verlassen, ich wünsche dir noch einen schönen Tag, wir sehen uns Morgen im Tychaion, und bald beim Mysterium." Er lächelte und hatte den kühlen Unterton weitgehend aus seiner Stimme verdrängt. "Chaire, Timokrates!", sagte er, während er zum Ausgang ging.

    Der besagte Trupp hatte das Museion schnell erreicht. Der Strategos machte Anstalten, es zu betreten, doch er hielt kurz inne. "Ich würde vorschlagen, dass ich unsere Ankunft kurz dem stellvertretenden Epistates melde und dass wir dann weiteres Vorgehen hier kurz planen. Die Leiche des Epistates müsste noch in den Arbeitsräumen des Doros sein*, wir können sie, wenn ich beim Stellvertreter war, wahrscheinlich sofort in Augenschein nehmen. Zuvor oder anschließend werden wir den Tatort besichtigen. In der Zwischenzeit sollte die Wache abgelöste werden." Er deutete auf einige Stadtwachen-Männer, die am Tor standen, und, jetzt nicht sichtbar, auch um das ganze Gelände herum verteilt. "Sie sind seit der Nacht im Einsatz. Cleonymus, bitte teile schon einmal Männer dafür ein. Wenn der Centurio erlaubt, kannst du eines der beiden Contubernia, die uns gefolgt sind, auch dafür verwenden. Gibt es noch etwas zu besprechen, bevor ich den Stellvertreteter aufsuche?"