“Ja? Findest du? Steht es mir?“
Paulina lächelte und warf sich dezent in Pose, ganz so, als würde sie dieses Kleid dem Sklaven zuliebe kaufen. Das Phaeneas in Modefragen nicht unbedingt der beste Ratgeber war, dass schien ihr nicht weiter aufzufallen. Vielleicht hatte sie aber auch gar nicht darüber nachgedacht. Oder fragte sie ausgerechnet ihn, weil sie von dem Verkäufer ohnehin keine ehrlichen Antworten erwartete, ihre Dienerinnen für dumme Gänse hielt und Crinon die noch absurdere Wahl gewesen wäre? Möglicherweise hatte sie aber auch einfach Gefallen an dem hübschen und schlanken Sklaven gefunden, der immer so nachdenklich und ein wenig traurig aussah.
“Trägt es nicht zu sehr auf? Und das Rot? Ist es nicht zu grell? Ich möchte keinesfalls billig wirken.“
Beiträge von Aelia Paulina
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Paulina verschwand in der Kabine. Natürlich nicht alleine, sondern gemeinsam mit ihren vier Dienerinnen. Denn eine Dame von Welt würde sich selbstverständlich niemals selbst und eigenhändig umkleiden.
Nach ungefähr der Zeit, die ein Germane braucht um ein sextarius warmes Bier zu trinken (also nicht sehr lange), erschien sie wieder und trug das rote Kleid, das ihr von Anfang an gut gefallen hatte.
“Nun, wie ist es?“, fragte sie und schaute dabei aus unerfindlichen Gründen Phaeneas an. -
Paulina verfolgte die Präsentation der Kleider aufmerksam.
“Ich muss sie anprobieren.“, verkündete sie dann. “Gibt es hier ein Separee, wo sich eine anständige Frau umziehen kann?“ -
Paulina ließ sich die Kleider ausgiebig zeigen und besah sie sich ganz genau. Bei dem türkisfarbenen rümpfte sie die Nase.
“Solche Farben tragen in Rom nicht einmal mehr die Frauen der nummularii [Geldmakler] vom Aventin.“
Scheinbar galten ihr diese Leute als der Inbegriff modischer Geschmacklosigkeit.
Aber das Dunkelrote gefiel ihr. Sie betrachtete es mit Wohlwollen, bemühte sich aber, es nicht ganz so deutlich zu zeigen. Schließlich wollte sie den Preis nicht unnötig in die Höhe treiben. Darum machte sie ein abschätziges Gesicht und fragte: “Hast du noch mehr?“ -
“Für... private Anlässe. Es darf durchaus etwas Gewagtes sein und muss nicht mehr verbergen als zur Steigerung der Be..., der Neugierde nötig ist.“
Sie hätte sich kaum deutlicher ausdrücken können.
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“Salve!“, antwortete Paulina und registrierte immerhin schon einmal zufrieden, dass sie hier auf Latein begrüßt wurde.
“Mein Name ist Aelia Paulina.“, sagte sie und fügte gewichtig hinzu: “Ich bin die Ehefrau des Statthalters Marcus Vinicius Lucianus."
Sie sah den Verkäufer forsch an.
“Es wäre wirklich ganz reizend wenn du mir helfen könntest. Ich bin auf der Suche nach einem Gewand. Es soll aus Seide sein und darf durchaus meine Reize betonen.“ -
“Gut!“, sagte Paulina. Ohne ein weiteres Wort verließ sie das Heiligtum. Sie folgte einer lauten, inneren Stimme, einer höheren Eingebung, ja, sie war quasi davon überzeugt, dass ein göttlicher Wille ihre Schritte lenkte. Wie anders wäre es auch zu erklären gewesen, dass sie diesmal den Weg praktisch von allein fand und zwar so schnell, dass die anderen Mühe hatten ihr zu folgen?
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Aelia Paulina betrat die Verkaufsräume des römisch-germanischen Handelskonsortiums. Die Ehefrau des Statthalters kam natürlich nicht alleine. Vier ihrer Dienerinnen begleiteten sie und dazu der Bithynier Phaeneas und Crinon, der Germane; beide Sklaven ihres Mannes. Zuvor waren sie bereits im Heiligtum der Göttin Iuno gewesen.
Mit ziemlich hoch erhobener Nase und abschätzigem Blick schweifte ihr Blick über die Waren. So wartete sie darauf, dass ein diensteifriger Verkäufer sich ihrer an nahm.
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Paulina erhob sich fast beschwingt, und diesmal wagte keines ihrer Mädchen, ihr beim Aufstehen helfen zu wollen. Sie hätte wohl kaum zu sagen vermocht weshalb, aber tief in ihrem Inneren war sie davon Überzeugt, dass die Göttin sie erhört und auf den Handel eingegangen war. Zweifellos, da war sie sich nun sicher, würde sie einem Sohn das Leben schenken... und einem zweiten Kind, das noch vor seiner Zeugung Iuno geweiht war.
Paulina wandte sich an ihren Begleitern zu; ihren Dienerinnen, dem noch immer schmollenden, vierschrötigen Crinon und dem hübschen Phaenas, der wie ein Philosoph sinnierend da stand.
“Ich brauche etwas Neues zum anziehen!“, verkündete sie. “Etwas gewagtes. Aus Seide! Wo gibt es in dieser Stadt so etwas? Vielleicht in diese großen Handelshaus am Forum, von dem ich gehört habe? Wie hieß es noch gleich...?“
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“Ein Sohn, ich flehe dich an, ein Sohn!“, flüsterte Paulina noch einmal eindringlich.
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“O Iuno“, fuhr Paulina fort, aber ihre Worte waren jetzt nur noch ein sehr leises, kaum hörbares Flüstern: “segne mich mit einem Sohn.“
Sie wusste, dass ihr nur ein lebender Sohn das geben konnte was sie sich erhoffte, nämlich ein finanziell sorgenfreies und gesichertes Leben an der Seite eines einflussreichen und vor allem wohlhabenden Mannes. Ihr Gatte liebte sie nicht, dass war ihr nur zu bewusst. Wenn sie ihm keinen Stammhalter gebar, dann würde er sich irgendwann von ihr scheiden lassen und dann würde sie sich einschränken müssen und im dann fortgeschrittenen Alter – blutjung war sie schon jetzt nicht mehr – kaum noch einmal eine so vorteilhafte Partie machen. Sie MUSSTE schwanger werden, auch wenn sie sich vor einer Schwangerschaft fürchtete, und dafür war sie bereit, alles zu tun.
“Lass mich Kinder bekommen.“, beschwor sie deshalb die Göttin. “Lass mein erstes Kind ein Sohn sein und mein Zweitgeborenes soll dir gehören. Ich gelobe es, mein zweites Kind wird dein sein. Erhöre mich.“ -
Während es still in Crinon brodelte war Paulina an den Altar getreten.
Sie ließ sich auf die Knie sinken. Eine Dienerin, die an ihre Seite eilte um sie dabei zu stützen, wehrte sie wirsch ab. “Ich bin doch kein altes Weib!“, zischte sie.Dann neigte sie den Kopf und begann murmelnd ihr Gebet zu sprechen.
“Iuno, o Erhabene, Iuno, o höchste der Göttinnen, Beschützerin der Ehe, Familie und Mütter, o Iuno, erhöre mich. Lass meinen Schoß fruchtbar und empfänglich sein, segne mich, damit ich meinem Mann einen Sohn schenken kann.“An der Einfachheit ihrer Worte und der Schlichtheit ihres Wunsches erkannte man: Paulina sprach nicht sehr häufig mit den Göttern.
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Wie jeder andere, wusste auch Paulina, dass die Götter in fremden Ländern fremd erscheinende Gestalt annehmen konnten und das primitive Völker sie auch nur primitiv zu verehren wussten. Das, so wusste sie, erforderte Toleranz, wodurch der kulturell höher stehende Mensch seine Überlegenheit zeigte – so hatte es sie einst ihr Hauslehrer beigebracht.
Also rang sie sich ein mildes Lächeln ab, obwohl sie insgeheim dachte, dass man ein solch merkwürdiges Heiligtum verbieten müsste.Sie schaute sich um und seufzte: “Einen Priester gibt es hier wohl nicht?“
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Paulina hatte in Rom gelebt, bevor sie nach Mogontiacum gekommen war, und sie hielt die Stadt für ein elendes Provinznest. Unverhohlen skeptisch war ihr Blick auf dem Weg zum Tempelbezirk gewesen und das änderte sich angesichts dieses bescheidenen Heiligtums auch nicht ein Bisschen.
“Das ist das Heiligtum für Iuno? Das da?“
Die Frage war an Phaeneas gerichtet, der sie und ihre Sklavinnen hierher geführt hatte. Es lag eine gekünstelte Empörung in ihrer Stimme und sehr viel Herablassung.
“Viele Anhänger hat die Göttin hier wohl nicht, was? Sag' mir die Wahrheit, die meisten dieser...“, sie sah sich um, fand aber keinen Passanten, auf den sie denunzierend zeigen konnte. “...dieser Leute hier, die beten noch immer Schweine und Bäume an und werfen sich auf den Boden wenn es donnert. Ja?“
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Das tat sie, und mit ihr kamen vier ihrer Sklavenmädchen, die ihrer Herrin und ihrem "Stadtführer" in gebührendem Abstand folgten.
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“Worauf wartest du dann noch? Geh' vor! Führe mich zu diesem Sacrum, von dem du gesprochen hast.“
Ein durchaus wohlmeinendes Lächeln huschte über ihr Gesicht und es stand im Widerspruch zu ihren herrischen Worten. -
Ob Paulina an die Macht der Götter glaubte, ließ sich schwer sagen. Aber ganz sicher glaubte sie an die Macht von Stand und Geld, und ganz sicher huldigte sie schöner Kleider und kostbarem Schmuck.
Trotzdem äußerte sie den Wunsch:
“Da will ich hin. Du wirst mich begleiten.“Natürlich dauerte es noch geraume Zeit, bis ihre Frisur saß, ihre Kleidung gerichtet war und sie angemessenes Geschmeide ausgewählt und angelegt hatte.
Phaeneas, so hatte sie ihn angewiesen, sollte so lange vor der Tür warten und sich bereit halten. Vielleicht glaubte er zwischenzeitlich schon, dass sie an diesem Tag wohl doch nicht mehr aufbrechen würden, so lange dauerte es. Aber wenn er das dachte, dann täuschte er sich, denn schließlich öffnete sich die Tür dann doch und, umringt von ihren Sklavinnen, trat Paulina vor die Tür.“Also, was ist, können wir gehen?“
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Mit einer unwilligen Geste hieß sie das Mädchen ihr Tun unterbrechen.
“Du kennst dich hier aus, ja?“, sagte sie, wobei ihr Blick weiterhin auf Phaeneas lag.
“In der Stadt muss es doch ein der Göttin Iuno geweihten Tempel geben. Oder zumindest einen Schrein. So etwas muss es doch selbst hier geben, oder?“ -
Noch immer verärgert über das Ungeschick des ungeschickten Mädchens blinzelte Paulina den Mann an, der eingetreten war.
Ein hübscher Kerl, fand sie, mit klassischen Gesichtszügen und schwarzen Haaren.
Sie schaute etwas freundlicher und fragte:
“Du bist Phaeneas, nach dem ich geschickt habe?“ -
Phaenas wurde geöffnet und eine weitere Dienerin führte ihn zu ihrer Herrin. Die war gerade damit beschäftigt, sich von einer dritten Dienerin, einem noch sehr jungen, etwas drallen Mädchen, die Haare machen zu lassen, was augenscheinlich eine sehr langwierige und ebenso wichtige wie schwierige Angelegenheit war.
“Steck' sie mir nicht zu hoch, du dummes Ding, wie oft habe ich dir das schon gesagt!“, maßregelnte sie das Mädchen, ohne sich jedoch aus ihrer reglosen Haltung zu rühren.
Phaenas hatte sie scheinbar noch gar nicht bemerkt.