Beiträge von Nordwin

    "Genau darüber haben wir uns eben auch unterhalten, über die Römer und ihren Hang zur, wie heißt das doch gleich, Irrationalität."
    Ich grinste und war insgeheim stolz darauf, etwas so Kluges sagen zu können. Dann setzte ich mich auf und rutschte ein bisschen zur Seite, damit die nette Sklavin sich näher zu uns setzen konnte.
    "Die Kleene wird ne ganze Weile nicht mehr laufen können, so viel steht fest. Und dreimal darfst du raten, wer ihr dann alles nachtragen darf."

    Da ging die Tür auf und die nette Sklavin von vorhin kam herein. Augenblicklich setzte ich mich auf und grinste entschuldigend. Erst dann fiel mir ein, dass sie ja gar kein Germanisch konnte. Glaubte ich zumindest.
    "Na hallo, wen haben wir denn da?"
    Auf germanisch: "Flossen weg, die angel ich mir."
    Auf Latein: "Ach Quatsch. Die Kleene ist selbst schuld, die hätt ja nich mitspielen müssen, oder? Mach dir mal keinen Kopp."

    "Nordwin", erklärte ich zum zweiten Mal. "Keine Ursache. Eine Möglichkeit, Jungfrauen zu retten, nehm ich gern wahr."
    Ich grinste anzüglich, während der Arzt die Kleene untersuchte und irgendwas zurechtbastelte.
    "Vielleicht kann ich dich auch irgendwann mal retten."

    "Meistens, zumindest. Und jetzt müssen wir springen, wenn die rufen. Was ein Rückschritt" maulte ich und boxte in mein strohgefülltes Kissen.
    "Ja, die Jagd. Vielleicht kommt man hier ja auch mal in den Genuss. Was meinst du, der Aurelier dürfte vielleicht für sowas zu begeistern sein, oder? Vielleicht der Claudius Vesuvianus auch oder der Marcellus. Die haben doch Land, da steht sicher auch irgendwo nen Wald drauf rum. Und wo's nen Wald gibt, da gibts auch Wild. Wär zumindest ein Stück Heimat. Ach, hier ne, die Kleene sagte, dass sie meinen Namen nett findet. Weißte was ich gesagt hab? Sie soll doch ihren Sohn so nennen. Lucius Claudius Nordwin, hahaha. Naja. Is ein bisschen naiv, aber doch ganz angenehm. Hat mit Obst angeboten, da hab ich gleich mal zugeschlagen."

    Ich starrte die Herrin an. Starrte weiter. Und kam zu dem Schluss, dass das eine Falle sein musste. O ja, die Römer waren immer schon gewitzt, aber der Germane, der drauf reinfällt, musste erst noch geboren werden!


    "Tja, du könntest deinen Sohn so nennen, wenn du mal einen haben solltest", entgegnete ich bitterernst und grinste dann breit. Lucius Claudius Nordwin. Hahaha! Prima. Assindius würde sich kaputtlachen.
    "Kein Ding. Dafür bin ich schließlich da, und es ist durchaus mal ne nette kleine Abwechslung, verletzte Jungfrauen vor dem nächsten regenguss zu retten", meinte ich dann ironisch und deutete aus dem Fenster, wo es inzwischen goss wie aus Kübeln. "Ich komme aus Germanien. Erkennt man eigentlich am Namen, aber du bist bisher nicht weit herumgekommen, oder? Naja, und ich bin ein Sklave, also durchaus zu vergleichen mit einem Stuhl oder einer Bettdecke. Inventar, sozusagen. Besitz. Da wo du herkommst, scheint das anders zu sein, wenn du mir sogar etwas von deinen Früchten anbietest."
    Skeptisch beäugte ich die junge Claudierin. Es war das erste Mal, dass ich sie traf, vorher hatte ich sie noch nie gesehen. Vielleicht war sie etwas weltfremd oder die letzten fünf Jahre irgendwo eingesperrt gewesen. Man konnte ja nie wissen... :D

    "Nordwin. Und ich gehöre vermutlich genauso hierher wie das Sitzmöbel, auf dem du sitzt, und das Inventar der Villa. Claudia Epicharis ist meine Herrin. Und was wollte ich wo? Im Garten? Naja, im Allgemeinen sollte jemand nachsehen, wenn um Hilfe gerufen wird, oider nicht?" konnte ja sein, dass sie das anders sah. Mürrischen Blickes sah ich zu ihr auf und zuckte mit den Schultern.
    "Und jetzt müssmer wohl auf den Arzt warten."

    Er hatte es erfasst.
    "Zu Hause war eh alles besser. Wir hatten keine Wasserleitungen, sondern nen Brunnen im Dorf, wir hatte keine Adoptionen, sondern nen nettes Techtelmechtel und haben dabei eben aufgepasst, wir hatten nen ordentlichen Hass auf die Römer und auch noch Spaß dabei. Und was ist hier? Hier gibts Hirsebrei zu futtern, nen Anschiss, wenn du nich gebürstet bist oder du nen winzigen Fleck auf deiner scheißteuren Tunika hast. Vom Hass auf die Römer mal ganz abgesehen. Mann, ich hätt nen Kohldampf auf ein Wildschwein oder nen Reh. Aber nee, hier gibts ja nur diesen scheiß Babybrei."


    Genervt wie Assindius schüttelte ich den Kopf und verdrehte die Augen.
    "Und noch dazu dürfen wir jetzt die Aufpasser für die Kleene spielen. Warum muss die sich auch den Fuß brechen? Sowas ungeschicktes, echt mal, ey."

    "Ach, die Kleene meinte, sie müsste sich so ne dicke Bleikugel auf den Fuß fallen lassen, und nun sitzt sie in ihrem Zimmer und hat den Fuß gebrochen", maulte ich auf germanisch, immerhin war Assindius auch Germane und verstand mich auch so. PLUS: Man hatte Ruhe vor unliebsamen zuhörern. Mit der scheinbar unsittlichen Adoption (die spinnen die Römer) war endlich auch etwas Leben in die Bude gekommen und mit Assindius hatte ich mal jemanden, der meine Meinung teilte.

    Schlecht gelaunt betrat ich die Sklavenunterkunft, zog meine Cabatinae aus und schleuderte sie in eine Ecke.
    "Römer, pah!" bellte ich und ließ mich mürrisch auf das schmale Bett wirken, das eigentlich gar keins war, verglichen mit den protzigen Liegestätten der patrizischen Möchtegern-Adligen.

    Aus dem Garten kommend, brachte ich Aintzane hierher und setzte sie in eines der Korbmöbel, die hier herumstanden. Sogar in ihren Zimmern prahlten die Römer mit ihrer verschwenderischen Lebensweise. Etwas unsanfter als es vielleicht nötig gewesen war, zog ich der Herrin ihre Cabatinae aus und beäugte dann den Fuß. Zwei der Zehen standen in seltsamem Winkel zueinander vom Fuß ab, vermutlich war der gebrochen. Es würde noch ne Ganze Weile dauern, bis die kleine, schicke Sklavin mit dem Arzt im Schlepptau hier antanzen würde, also setzte ich mich vor Dolabella im Schneidersitz auf den Boden und wartete.
    "Was war das eigentlich für ein seltsames Spiel, das man mit schweren Kugeln spielt?" wollte ich wissen. Sowas Idiotisches auch. Wer würde schon schwere Kugeln zum Spaß durch die Luft werfen.
    Die spinnen, die Römer.

    Ich schüttelte unwirsch den Kopf, als die Herrin bat, sie herunter zu lassen.
    "Quatsch. Ich habe im Krieg gegen die Römer gekämpft, da ist mir ein kleines Mädchen nicht zu schwer", sagte ich ironisch, aber recht überzeugt und grinste Dolabella an. War ja was ganz Neues, dass man hier jetzt schon so höflich angeredet wurde. Sonst hieß es nur Nordwin tu dies, Nordwin mach das.
    "Aintzane holt einen Medicus. Und ich bringe dich jetzt in dein Zimmer, wenn du erlaubst, Herrin."
    Und ohne eine Widerrede in irgendeiner Weise zu akzeptieren, brachte ich sie auf ihr Zimmer.

    Ohne mit der Wimper zu zucken, sah ich der Sklavin zu, wie sie wetterte. Frauen. Warum mussten die immer ein solches Tamtam um die einfachsten Dinge machen? Nach ihrem ganzen Sermon hatte ich schließlich erfahren, was ich wissen wollte. Der Kleinen war eine Kugel auf den Fuß gefallen, also alles halb so schlimm. Kurz darauf erwachte sie aus ihrer Ohnmacht und fragte nach dem Geschehen.


    "Keine Sorge, Herrin. Ich bringe dich ins Haus und die Sklavin wird einen Medicus für dich organisieren", sagte ich uns blickte zu der Sklavin.
    "Wie heißt du eigentlich?" wollte ich wissen. Sie war neu hier, soviel stand fest. Und schon war die Herrin wieder ohnmächtig geworden. Das ging aber zugig. Ich schob meine Arme unter ihren Körper und hob sie hoch, sie war leicht wie eine Feder.


    "Wir brauchen einen Medicus", sagte ich zu Aintzane.
    "Lauf in die Stadt und treibe einen auf, der sich damit auskennt. Vermutlich ist der Fuß gebrochen."

    Überrascht betrat ich den Garten und taxierte augenblicklich die neue Sklavin, die mit der Herrin zu Füßen nach Leibeskräften schrie. Ein Stirnrunzeln und zwanzig Schritte später ging ich neben der Herrin zu Boden.


    "Was ist passiert?" wollte ich mit germanischem Akzent wissen. Wenn die Kugel auf den Fuß gefallen war, denn danach sah es aus, so wunderte ich mich über das Blut, das zu sehen war. Stumpfe Gegenstände verursachten in der Regel keine Wunde, sondern Quetschungen, Brüche und Prellungen, das wusste ich noch von der Zeit, da ich mit meinem Volk gegen die Römer gekämpft hatte und es viele Verwundete gab.


    Die neue Sklavin musterte ich mit unverhohlenem Interesse. Hübsch anzusehen, durchaus.

    Ich, Nordwin, möchte Sklave der Claudia Epicharis sein. Der Wohnort wird, gemäß des Wohnortes meiner Herrin, Mantua sein.
    Danke.