Beiträge von Anchisothep Niger

    Waren da nicht mehr Schritte zu hören gewesen, als dass sie nur von einem Mann stammen könnten? Anchisothep betrachtete den Mann, der ihm geantwortet hatte. Er konnte keinen Alarm schlagen, denn wenn es wirklich nur dieser eine, vermeintlich harmlose, von der Ehefrau gegängelte Ehemann wäre, hätte er unnötig die ganze Flotte aus den Betten geholt. Das würde ihm, dem einfachen Probatus, sicher nicht als gut angerechnet werden. Aber wenn es doch mehr wäre als nur dieser eine? Anchisothep überlegte, was er tun könnte. "Was hast du denn verloren?", rief er die Mauer hinunter, um den Mann daran zu hindern, wegzulaufen. "Vielleicht kann ich dir helfen." Nein, er konnte nicht den Stützpunkt verlassen, einmal die ganze Mauer entlang laufen. Damit würde er seinen Wachposten verlassen, desertieren, außerdem wäre der Mann sicher dann bereits fort, wenn er ankommen würde. Er drehte sich kurz um und bemerkte hinter sich einen einzelnen Soldaten, der offenbar schlaflos über den Hof ging. Gab es hier denn gar keine Nachtruhe? Der Soldat kam näher und Anchisothep erkannte einen Kameraden, der, der im Bett gegenüber dem seinen schlief. Dieser könnte doch... . Nein! er durfte doch nicht- jemanden zur Desertation anstiften! Anchisothep wartete die Antwort des Fremden in der Dunkelheit ab.

    Es war eine dunkle Nacht, ohne Mond und ohne Sterne. Anchisothep war müde, er gähnte. Anchisothep hatte schon wieder etwas gehört. Ein leises Rascheln im Gebüsch, wie er meinte. Er hielt seine Fackel ein wenig über die Brüstung und spähte nach unten. Er konnte nichts erkennen, doch das Rascheln war wieder da. Er beugte sich vor. Er meinte einen schwarzen Schatten für einen kurzen Augenblick gesehen zu haben, einen etwa von der Form eines Menschen. Waren das da leise Schritte, die er jetzt hörte? Er verhielt sich ganz still, um besser hören zu können. Es schienen wirklich Schritte zu sein. "Wer ist da?", rief er lauter mit Stimme und versuchte, die Gestalten wieder zu finden und zu erkennen. Da war wieder etwas. Jetzt hatte er keine Zweifel mehr, es musste sich dabei um Menschen handeln. Wie laut und ungeschickt ihr schleicht, dachte er grimmig. "Wer ist da?", rief er erneut. Wenn er nicht sofort eine Antwort bekäme, würde er Alarm schlagen.

    Beinahe hätte Anchisothep seinen Wachdienst vergessen. Doch nun ging er seine Runden über die Mauern des Stützpunkts, sah aufmerksam in die Landschaft, blickte einige Male zum Hafen hinaus. Es war schon dämmrig, was ihm seine Aufgabe nicht erleichterte. Grillen gaben im Gestrüpp unterhalb der Mauer Geräusche von sich. Mücken flogen durch die Luft. Er erschlug eine dieser, als sie an seiner Wange Blut saugen wollte. "Bestie", fluchte er und zerquetschte das Insekt, bis die Kuppen seines Daumens und seines Zeigefingers rot vom Blut eines anderen Menschen waren, das die Mücke in sich getragen hatte. Auf einmal ließ ihn ein Geräusch aufhorchen. Er folgte diesem Geräusch mit seinem Blick. Etwa hundert Fuß von der Festungsmauer bewegte sich etwas. Er versuchte zu erkenne, was es war. Die Geräusche kamen ihm auf einmal bekannt vor. Es schienen streunende Katzen zu sein, die sich paaren. Doch er wollte sicher gehen. Er beugte sich etwas vor. Jetzt konnte er die Umrisse der Katzenkörper erkennen. Beruhigt setzte er seinen Gang über die Mauerkrone fort. Es war schon wieder dunkler geworden. Er steckte eine Fackel in Brand und musste sich auf die Lippen beißen, um nicht vor Schmerz laut zu fluchen, als ihm ein Spritzer heißen Pechs auf die nackte Hand fiel.

    Anchisothep Niger wurde aus den Träumen gerissen, denen er gerade nachhing, was sehr selten geschah, denn zum Träumen war in der Classis kaum Zeit. Er hatte sich also, wie alle anderen, auf dem Exerkierplatz einzufinden und würde dort wohl einige Zeit strammstehen und sich anhören, was der Kommandant befehlen würde. Er machte sich also schnell auf dem Weg und kam zwar nicht als einer der ersten, aber auch nicht als einer der letzten an. Er stand stramm und wartete, was kommen würde.

    Auch Anchisothep arbeitete weiter. Mit einem selbstgebauten, primitiven Hammer und Nägeln und roh geschlagenen Balken gab er Deckaufbauten ihre Stabilität zurück. Er arbeitete für einen Probatus relativ geschickt mit Handwerkszeug, was daran lag, dass er von den Handelsseglern, auf denen er zuvor gefahren war, auch solche Arbeiten verrichten musste, zum Teil mithilfe von Werkzeug, das noch schlechter war als jenes, das er hier vorgefunden hatte.

    Anchisothep Niger griff ein Tau, um es, sobald die Phoenix am Kai wäre, Hafenarbeitern zu zu werfen. Er wickelte es etwas auf, damit es weiter fliegen würde. "Und wie sieht die neue Regelung dazu aus?", fragte er Tiberius Antonius Marius nebenbei, als dieser gerade für einen Moment nicht beschäftigt war.

    "Dann bist du schon recht lange hier.Ich bin auf einem Handelssegler aus Ägypten nach Ostia gekommen. Ich hatte mich mit dem Kapitän überworfen, glücklicherweise erst am Ende der Reise, sonst wäre ich wohl im Mittelmeer gelandet. Ich hatte mich geweigert, einen unsinnigen Befehl auszuführen. Sobald das Schiff angelegt hatte, scheuchte er mich von Bord. In Ostia hörte ich von der Classis. Daraufhin bin ich nach Misenum gegangen, in einer Reise von einigen Tagen.", sagte Anchisothep. "Aber sag, wie erlangt man bei der Classis das römische Bürgerrecht?"

    Die Phoenix hatte volle Fahrt aufgenommen. Salziger, trockener Wind blies Anchisthep ins Gesicht. Es gab nicht mehr viel an Deck für ihn zu tun. Er zog sich in eine ruhige Ecke zurück, trank etwas Essigwasser und ruhte aus. Nach kurzer Zeit erhob er sich wieder, er wollte nicht herumsitzen, wenn ein Vorgesetzter zufällig auftauchen würde. Also überprüfte er die Takellage noch einmal für sich alleine. Er hatte das Schiff schon gut kennengelernt. Ein Tau schien ihm rissig, er ersetzte es durch ein anderes, dass er auf den Deckplanken in einer Ecke liegen sah, es schien keinen anderen Verwendungszweck zu haben, als als Ersatztau.

    Jetzt hatte Anchisothep auch Tiberius Antonius erkannt. "Mir gefällt es gut hier. Hier herrscht eine Ordnung und Sauberkeit, die ich von den schmutzigen Handelsseglern, auf denen ich gefahren bin, nicht gewohnt bin. Auch scheinen die Vorgesetzten gerechter und gemäßigter zu sein, als ägyptische Kapitäne, die, von ihrer eigenen Matrosenzeit vielleicht nicht anders gewohnt, mit der Peitsche nicht geizten. Von euch, also meinen Kameraden, fühle ich mich freundlich behandelt, auch wenn man mir ansehen kann und auch meiner Art zu sprechen, dass ich ein Fremder bin.", antwortete er und fuhr gleich fort. "Es ist gut, dass es jetzt wieder auf See geht, ich halte es am Land nicht allzu lange aus. Am Anfang hatte ich Schwierigkeiten, einige Dinge hier zu verstehen, doch langsam lerne ich wohl dazu." Anchisothep machte eine Pause. "Wie lange bist du schon hier und wie bist du zur Classis gekommen?"

    Es sollte schon wieder auf See gehen. Anchisothep Niger war gespannt, den Kapitän der Phoenix kennen zu lernen. Er wusste, dass der Kapitän oft entscheidener für das Schicksal eines Schiffes sein konnte als die Bauweise desselben oder der Zufall, wobei Anchisothep keinen Zufall in seiner Gedankenwelt kannte, es gab nur den Willen der Götter. Er war sich sicher, dass sie wollten, dass aus ihm einmal der Träger eines höheren Postens in der Classis würde. Zumindest redete er sich das ein. Nun hatte das Schreinern und Packen endlich ein Ende. Es würde wieder losgehen. Anchisothep machte es den anderen Seeleuten nach, er packte sein Gepäck, was sehr spärlich ausfiel. Außer seiner von der Classis gestellten Ausrüstung nahm er noch zwei dicke Wolltuniken, einige in naiver Schnitzarbeit hergestellte Statuetten von Osiris, Isis und anderen ägyptischen Göttern sowie seinen Lederbeutel mit sauberen Tüchern und einigen Kräutern mit.

    So eine Rüstungswerkstatt wäre aber ja nur für das Militär interessant. Weiß jemand eigentlich, ob das römische Militär seine Ausrüstung irgendwo auf dem "freien" Markt zusammengekauft hat, oder ob es eigene Militärbetriebe gab? Die Idee mit den Abschriften finde ich gut, aber das müsste ja SimOn geschehen (in mühsamer rl-Schreibarbeit). Das könnte eigentlich jetzt schon jemand für WiSim-Geld machen, wäre eine gute Geschäftsidee, wobei natürlich jeder die Abschriften dann einfach markieren, kopieren und weiterverkaufen könnte. Mir wird allerdings nicht ganz klar, wie Du das mit der WiSim verknüpfen möchtest.

    Anchisothep konnte es kaum erwarten, wieder auf See zu sein. Die Zeit der Vorbereitungen kam ihm quälend lange vor, obgleich er einsah, dass sie nötig war. Die schwere Arbeit an den Schiffen erschöpfte ihn, an den Abenden hatte er oft keinen anderen Wunsch mehr als zu schlafen. Er bemerkte, dass die Arbeit ihn stärkte, wobei er durch seine Zeit auf Handelsschiffen bereits einen kräftigen Körper hatte. Er war froh, jung zu sein. Alt zu sein stellte er sich grausam vor. Die kommende Mission würde gefährlicher sein als der bloße Truppentransport in die Provinz Hispania. Das hatte Anchisothep aufgeschnappt. Sicher würde die Aufklärungsfahrt daher auch interessanter werden. Dass sie unter anderem auch in die Nähe seiner alten Heimat führte, hatte Anchisothep bisher noch gar nicht richtig bedacht.

    Die Übung war also vorbei. Anchisothep freute sich auf eine "echte" Mission. Übungen waren nötig und wohl auch sehr lehrreich, doch er glaubte, das Handwerk des Soldaten zur See bei einem Einsatz am besten zu lernen. Er hoffte, die nächste Fahrt würde nicht zu lange auf sich warten lassen, denn in der Kaserne zu warten stellte er sich nicht sehr interessant vor. Die Schiffe fuhren Misenum entgegen. Anchisothep war erstaunt, wie schnell die Zeit verging. Die Wunde am Fuß war schon beinahe verheilt. Er suchte nach Tiberius Marius. Sofern dieser Zeit hätte, könnten sie möglicherweise ein kurzes Gespräch führen, über irgendetwas. Nicht dass Anchisothep Langeweile und allzu viel Freizeit gehabt hätte, doch neben dem arbeitsreichen Dienst blieb erstaunlicherweise immer noch ein wenig Zeit.

    Anchisothep beobachtete die erfahrereneren Männer und tat es ihnen gleich. Mit dem Kampf auf See hatte er zuvor noch keine Erfahrungen gemacht. Solch ein Gefecht auf See wäre sicher sehr gefährlich, zumal wenn es einmal wirklich Brandpfeile regnen sollte und keine nur in der Vorstellung existierenden. Doch was hätte er zu verlieren? Das Leben endet ohnehin tödlich, dachte er. Und mit einem Schiff unterzugehen, oder zu verbrennen, oder von Onager-Geschossen erschlagen oder von Balisten-Bolzen durchbohrt zu werden, mochte zwar ein grausamer Tod sein, doch sicher weniger grausam als Jahre lang als alter Mensch dahinzusiechen. Er brach seine Überlegungen sehr schnell ab und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Die Entzündung in seinem Fuß ging zurück, offenbar hatte das Gemisch aus verschiedenen Pflanzen, deren Namen er zum größtenteil nicht einmal kannte, seine Wirkung entfaltet.

    Anchisothep half, den Mast abzubauen. Im Gefechtsfall wäre dieser nur im Wege, und eine Gefahr für das Schiff und dessen Besatzung, falls er durch Stöße brechen würde. Anchisothep stellte es sich grausam vor, von einem Mast erschlagen zu werden. Er spürte beim Gehen einen Schmerz in seinem Fuß, offenbar hatte sich die kleine Wunde vom Holzsplitter im Laufe der Fahrt entzündet. Er würde den Abzess öffnen müssen und einen Sud aus Kräutern zubereiten, um diesen auf die Wunde zu streichen. Im Zweifel würde er sich auf die Suche nach einem Capsarius oder Militärarzt machen, wobei er hoffte, dass seine eigenen bescheidenen Kenntnisse reichen würden. Der Mast war nun verstaut. Anchisothep schwitzte, doch zu seiner Beruhigung war er nicht der einzige, dem das Wasser auf der Haut stand.

    Sie waren also wieder in italischen Gewässern. Es sollte jetzt wohl Übungen geben. Anchisothep war gespannt, was ihn erwarten würde. Inzwischen hatte er sich an die großen Schiffe gewöhnt. Im Vergleich zu ihnen war er vor seinem Eintritt in die classis romana auf Nußschalen gefahren. Er hatte einige Kameraden kennen gelernt, und das Leben beim Militär. Die Zeit, in der dies alles geschehen war, kam ihm sehr kurz vor.