Beiträge von Anchisothep Niger

    Anchisothep hatte gleich nach dem Ende der Übungen mit Gladii und Scuta sein Marschgepäck geschnürt, damit er fertig wäre, sobald der nächste Wachwechsel anstand. Als die Hörner geblasen worden, musste er sich nur noch das Gepäck auf den Rücken schwingen und zum Sammelplatz gehen. So kam er rechtzeitig an. Nun stand er zwischen seinen Kollegen vor dem Optio und erwartete dessen Befehle. Wahrscheinlich würde man die Nautiker durch die gesamte Umgebung scheuchen, mit Marschgepäck auf dem Rücken. Jetzt schon fühlte sich der ganze Kram schwer an. Anchisothep war auch froh, seine Seemannsschuhe gegen Legionärssandalen eingetauscht zu haben, bevor er zum Sammelplatz aufgebrochen war. Die Sohlen der Schuhe wären sicher schnell durchgelaufen, die Legionärssandalen hatten immerhin einen Nagenbesatz. Zudem bekam man darin nicht allzu schnell kalte Füße, denn die Wölbungen, zu denen die Spitzen der Nägel das Leder des Teils der Sohle drückten, auf dem die Fußsohle lag, sorgten durch ihre Reibung für gut durchblutete und somit warme Füße, zumindest in Italia. In Germania mochte das wohl nicht immer der Fall sein.

    "Gut, das ist eigentlich am sinnvollsten.", meinte Anchisothep, nicht ohne die respektvolle Art zu verlassen, in der er mit seinen Vorgesetzten sprach. "Wird jedes Schiff von der jeweiligen Mannschaft selbst vom Stapel gelassen oder auf welche Weise ist die Verantwortung verteilt?", fragte er, da sich bei den Docks immer noch nichts getan hatte und viele Mannschaften einfach herumstanden.

    "Soweit zu kommen, ist für Nichtrömer wie uns sicher schon beachtlich.", meinte Anchisothep, ohne daran zu zweifeln, dass Gallicus den nötigen Ehrgeiz dazu hätte. "Ich wäre schon sehr zufrieden, wenn ich einst ein Schiff führen dürfte. Doch auch ich werde wohl nach meiner Dienstzeit, wenn ich dann noch leben sollte und einigermaßen gesund sein sollte, beim Militär bleiben. Zugegeben wüsste ich nicht, wohin sonst ich sollte. " Er blickte nachdenklich drein. "Möchtest du nach Gallien zurückkehren, wenn deine Zeit als Soldat vorbei ist?" Anchisothep selbst würde gerne irgendwann nach Alexandria zurückkehren, doch ihm war noch nicht klar, als was er das tun würde. Als ägyptischer Einwohner, von Römern und Hellenen aus höheren Kreisen ausgegrenzt und herumgeschubst? Als Teil der römischen Besatzungsmacht? Als Sohn seiner Eltern? Als Fremder?

    Anchisothep erinnerte sich nicht. Seine Grundausbildung war schon etwas länger her. Doch es schien, zumindest theoretisch, recht einfach zu sein. Er nahm den Weidenschild rasch auf und nahm die vorgeschriebene Haltung ein. Beim Entern (oder Geentertwerden) war dieses Schild eigentlich sinnlos und eher hinderlich, denn da gab es keine feste Schlachtordnungen. Ein Schiffsgefecht würde wohl ein eher planloses Morden sein denn eines in geordneten Reihen. Und Anchisothep hoffte eigentlich nicht, zur Legion oder zu den Hilfstruppen eingezogen zu werden.
    Da dies aber durchaus möglich war, gab er sich trotz aller Vorbehalte größte Mühe. Stich von oben.... Stich von der Seite.... Stich von oben.... Es war gar nicht so einfach mit dem schweren und sperrigem Scutum in der Hand sich auf das Führen des Schwertes zu konzentrieren. Auch war Anchisothep ein wenig aus der Übung, wobei er sich an gar keine Übung in dieser Disziplin erinnern konnte, seine Grundausbildung im Stützpunkt war durch die Fahrt nach Hispania unterbrochen wurden.
    Dennoch schlug sich Anchisothep tapfer, auch wenn er manches Mal danebenschlug. Er hoffte, dem Optio würde es nicht auffallen.
    Wenn du einmal eine seemännische Grundausbildung machen müsstest, und ich wäre dein Ausbilder... . , dachte Anchisothep, vielleicht ein wenig grimmig. Stich von oben, Stich auf der Seite,... Anchisothep gewöhnte sich langsam an den Rhythmus. Nun konnte er sich auf seine Handhaltung und seine Technik konzentrieren. Er verbesserte sich zunehmend, auch wenn er zu seinem Ärger immer noch hinter den jungen Nautae zurückblieb.

    "Salve, Triearche!.", sagte Anchisothep in Richtung seines neuen direkten Vorgesetzten, natürlich im militärischem Tonfall und militärischer Haltung. Er versuchte diesen Mann einzuschätzen. Schließlich teilte auch Anchisothep die Sorgen Gallicus. Und als Gubernator würde er dm Triearchus noch näher und damit angreifbarer sein. Er hatte von diesem Triearchus noch nie zuvor gehört, ,möglicherweise war er nach der Mission erst dazu befördert worden. Wobei es hunderte Schiffe und somit hunderte Triearchi gab. Er blickte seinen neuen Vorgesetzten in die Augen. Doch er fand nichts, was ihm Aufschluss über den Charakter dahinter gegeben hätte.
    Dann wandte er sich wieder an den Nauarchus. "In welcher Reihenfolge sollen die Schiffe vom Stapel gelassen werden?" Anchisothep konnte den Stapellauf kaum abwarten. Er hoffte, sein Triearchus würde ihn in dieser Angelegenheit miteinbeziehen und ihn nicht auf irgendeinen Posten verweisen, der frei von Verantwortung und vor allem frei von Selbstständigkeit war. Er spähte kurz zu den Docks hinüber. Noch tat sich dort nichts. Anchisothep wurde ungeduldig, ließ sich jedoch davon nichts anmerken. Es wäre schlecht, wenn sie noch viel Zeit verlören.

    Anchisothep sprang auf den Befehl hin auf und nahm Gladius und Scutun in die Hände. In militärischer Stellung stand er vor dem ihm zugeteilten Pfahl und wartete, zum Offizier blickend, auf weitere Befehle. Er hoffte, es würde bald vorbei sein mit diesen lästigen Übungen. Doch er gab sich Mühe, eine gute Figur zu machen.

    "Das war er auf jeden Fall.", meinte Anchisothep. "Und ich glaube auch, dass aus ihm etwas hätte werden können, er war sehr ehrgeizig und durchaus voller Fähigkeiten. Vielleicht war er manches Mal zu ehrgeizig, einmal hatte ich mit ihm Wachdienst, da haben wir seltsame Gestalten entdeckt, die sich an der Mauer zu schaffen gemacht hatten. Als diese plötzlich verschwanden, ist Tiberius Marius die Mauer hinab und ihnen nachgelaufen, trotz Ausgangssperre und so weiter. Doch ich glaube, mehr als eine Rüge vom Praefekten und Soldentzug hat er dafür nicht bekommen, dafür war er einfach zu wertvoll für die Ausbildung. Ich war mit ihm bei der Transportmission nach Hispania vor einiger Zeit zusammen mit ihm auf einem Schiff. Während dieser Zeit habe ich zum ersten Mal begonnen, mich so etwas wie heimisch in der Classis zu fühlen. Nun ja, leider gibt es Tiberius Marius nicht mehr, wie soviele andere auch nicht mehr. Und wer weiß, vielleicht werden wir demnächst wieder in den Osten geschickt. Doch das gehört leider auch zum Leben eines Soldatens dazu." Er lächelte etwas traurig. Dann hellte sich seine Miene jedoch wieder auf. "Hast du eigentlich Pläne, was du in etwas über zwanzig Jahren machen möchtest, nach deiner Entlassung?"

    "Vielen Dank.", sagte Anchisothep und trank. Schweiß stand ihm auf der Stirn. Er hatte gemerkt, dass er wahrhaftig eher Seemann als Soldat war. Doch er wollte auch weiterhin eine gute Figur machen. Nun aber hatten sie zum Glück erst einmal Pause. "Ich muss zugeben, meine Grundausbildung scheint mir Ewigkeiten her, zumindest habe ich vom Umgang mit Waffen viel verlernt.", meinte Anchisothep lächelnd. "Du scheinst aber noch ganz gut dabei zu sein."

    "Gut, gehen wir. Vielleicht treffen wir unseren zukünftigen Triearchus dort." Anchisothep ging zum Nauarchus. "Salve, Nauarche!", sagte er im militärischen Tonfall. "Gubernator Anchisothep Niger zu Befehl. Ich komme, um Befehle für den Stapellauf abzuholen. Welchem Triearchus bin ich zugeteilt?"

    Über die Schulter des fabrus, auf dessen Antwort er wartete, konnte Anchisothep sehen, dass der Nauarchus mit den Triearchi im Schlepptau zu den Docks kam, um sich das Schauspiel anzusehen, beziehungsweise, um es zu überwachen. Fünf neue Schiffe waren etwas, das man mit Sicherheit als Chefsache bezeichnen konnte.
    Der fabrus nickte. "Alles bereit, Nauta.", sagte er. Dabei schien er etwas verwirrt. Anchisothep beschloss, ihn über die Änderung seines Dienstgrades aufzuklären. "Ich bin übrigens jetzt Gubernator", sagte er, in einem bescheidenen Tonfall. "Also deshalb kümmere ich mich um die Schiffe. Für eines der Schiffe werde ich in Zukunft mitverantwortlich sein. Weißt du, wie die Schiffe heißen werden?" Der fabrus schüttelte den Kopf. "Und in welcher Reihenfolge werden sie vom Stapel gelassen?" "Keine Ahnung, der Stapellauf ist nicht mehr die Aufgabe von uns fabri. Das müsst ihr Seemänner selbst regeln." "Gut. Ich danke dir für deine Auskunft. Ihr habt übrigens sehr gute Arbeit geleistet, soweit ich das erkennen kann." "Danke dir, Gubernator." Anchisothep lächelte und verabschiedete sich. Er ging in Richtung des Nauarchus und der Triearchi. Auf dem Weg lief er Gallicus über den Weg. "Salve, Gallice!", sagt er. "Hast du schon eine Ahnung, wie das Schiff heißt, dem wir zugeteilt sind und welchen Gubernator wir haben? Warte, möchtest du eben mit mir zum Nauarchus und den Triearchi kommen, um Befehle einzuholen?"

    "Ich habe unter dem Gubernator Quintus Atticus gedient, doch der ist vor einiger Zeit sehr schwer erkrankt, sodass er leider aus dem Dienst ausgeschieden ist. Ich habe also nicht ganz viel von ihm mitbekommen, doch er schien kein schlechter Kerl zu sein, also ist es eigentlich schade, dass er krank geworden ist, sonst wäre er möglicherweise unser Triearchus geworden. Ich hatte bisher verschiedene Triearchi, die meisten von ihnen sind aber inzwischen außer Dienst. In meiner Grundausbildung und auch später als Nauta waren verschiedene Unteroffiziere meine direkten Vorgesetzten, unter anderem Tiberius Antonius Marius, diesen kennst du unter Umständen vielleicht auch noch." Er machte eine Pause und sah Gallicus ernst an. "Dieser ist auch unter den auf dem Einsatz Verstorbenen, wie du sicher schon gehört hast."

    Anchisothep erschrak, als ihn der Optio ansprach, so sehr hatte er sich ins Schlagen und Stechen hineingesteigert. Er berücksichtigte den Ratschlag und ließ seine Schläge und Stiche gegen den Pfahl genauer und gleichmäßiger werden. Schließlich gelang es ihm, wenigstens meistens dorthin zu treffen, wohin er schon getroffen hatte. Er zwang sich, seine Bewegungen ruhiger werden zu lassen. Wann ist diese Prozedur endlich vorbei?, fragte er sich.

    Als Anchisothep zwei Tage nach seinem Gespräch mit dem fabrus wieder zu den Docks zurückkehrte, hatten die fabri bereits alles zum Stapellauf vorbereitet. Der Weg von den Docks ins Hafenbecken war mit Rampen, die als Holzbohlenstapeln bestanden, ausgebaut, sodass der Höhenunterschied zwischen den Gerüsten, auf denen die Schiffe noch standen, mit dem Heck in Richtung Hafenbecken, und der Wasseroberfläche mit geringer Steigung überbrückt wurde, jedoch, wie Anchisothep hoffte, mit ausreichender Steigung, um die Schiffsleiber zum Rutschen zu bringen. Die Bohlen glänzten im Sonnenlicht, sie waren mit einem Schmiermittel behandelt, das aus Wachs und anderen Zutaten bestand, die jedoch Anchisothep unbekannt war, da die fabri sie für sich behielten. Die fabri waren beinahe soetwas wie eine esotherische Mysteriumsgemeinschaft, die ihre Geheimnisse für sich behielten.
    Anchisothep war der noch namenlosen Tririeme zugeteilt, ebenso Gallicus. Er ging zu ihrem Dock und sah sie sich an. Beim Stapellauf würden einige Männer sie besetzten müssen, um ihr Gewicht zu erhöhen, nicht, um sie besser rutschen zu lassen, dafür wäre eine zusätzliche Last eher hinderlich als förderlich, doch um sie beim Eintauchen ins Wasser gleich so tief wie möglich eintauchen zu lassen. Dieses Eintauche war der kritische Moment beim Stapellauf. Manch ein Schiff war schon dabei einfach umgekippt, weil es eher auf dem Wasser lag als im Wasser, manch ein Schiffsrumpf war dabei auch schon zerborsten. Anchisothep hoffte, dieses Mal würde alles gut gehen.
    Dann suchte er eine fabrus. "Salve fabre", sagte er. "Ist soweit alles für den Stapellauf vorbereitet?"

    "Dann frage ich ihn mal... ." Anchisothep erhob sich und ging an den Tisch des großzügigen Gasts. "Salve", sagte er. "Vielen Dank für das Essen, das du uns kommen ließt. Wenn du magst, so setze dich doch zu uns. Ich bin Anchisothep und dieser dort ist mein Freund Publius Gallicus."

    "Zu Befehl!", rief Anchisothep und marschierte auf einen der Pfähle zu. Er sah, dass er mit Gallicus in einer Gruppe war. Vor seinem Kumpan wollte er sich natürlich nicht blamieren. Also gab er sich viel Mühe. Hieb-Stich; Hieb-Stich; Hieb- ... Anfangs waren Anchisotheps Bewegungen noch unbeholfen, doch dann fand er die richtige Haltung und den richtigen Rhythmus. Die Übungsgladii schienen nicht sehr stabil zu sein, Anchisothep befürchte, sein Exemplar könnte jeden Moment am Pfahl zerbersten. Dennoch schlug er eifrig weiter. Langsam kam er ins Schwitzen. Wenn das ein Gegner ist, dachte er, müsste dieser doch schon längst tot sein. Hieb-Stich; Hieb-Stich; Hieb-Stich; Hieb-Stich... Sein Weidenschild lag unbenutzt im Gras. Das verlockte dazu, die Hand zu wechseln, da ja immer eine frei war, doch Anchisothep beherrschte sich. Er dachte sich einfach ein Schild in die andere Hand. Hieb-Stich Er fragte sich, wielange er noch auf den Pfahl einschlagen und einstechen sollte.