Albina saß in ihrer Kammer und haderte mit ihrem Schicksal. So sehr sie auch versuchte, weiterhin stark zu sein, spürte sie wie ihre Kraft immer mehr und mehr schwand. Selbst der stärkste Charakter konnte nur ein gewisses Maß an Schmerz und Sorge ertragen, bevor die Fassade zu bröckeln begann. Und schon viel zu lange lebte sie ein Leben in welchem sie Tag für Tag ihre wahre Persönlichkeit zu unterdrücken versuchte. Sie hatte das Gefühl, dass sie , je mehr sie versuchte um ihres Lebens willen stark zu sein, sie sich desto mehr selbst verlor. Und immer öfter passierte es ihr, dass sie, wie gerade in diesem Moment, schlichtweg in ihrem Zimmer saß und ihren Tränen nicht mehr Einhalt gebieten konnte.
Und es war nicht nur ihr Schicksal an sich mit dem sie haderte, der Tod ihres Liebsten der schon so lange zurück lag und sich noch immer so frisch anfühlte. Nein, es war die Einsamkeit, die sie in diesen Momenten überkam. Die Tatsache, dass sie schon so lange so völlig einsam über die Welt zu wandeln schien. Ihr Liebster war tot, ihr Vetter im Krieg und keine Freundin in Sicht der sie sich hätte anvertrauen können. Und den Menschen, die ihr noch am nächsten waren, konnte sie dennoch ihre Schwäche nicht zeigen. Wie um alles in der Welt hätte sie zu Camilla, Durus oder gar Cato gehen können um ihnen zu erzählen wie leer und verlassen sie sich mittlerweile fühlte. Wie einsam sie war oder wie sehr sie ihr Schicksal verfluchte. Von Cato einmal abgesehen wussten die anderen ja nicht einmal, dass es Verres je gegeben hatte oder dass es eben kein Grund zur Freude war die zukünftige Frau des Proconsuls von Hispanien zu sein.
Nein, sie war allein. Völlig allein. Und immer öfter begann sie sich zu fragen, warum sie überhaupt stark war. Was gab es in ihrem Leben schon noch, für das es sich lohnte all das zu ertragen. Wofür kämpfen, wenn es nicht einmal einen Silberstreifen am Horizont gab?
Sie strich sich über die tränennassen Wangen und schloss die Augen. Sie dachte an Verres. An die wenigen Momente echten Glücks, die sie erlebt hatte. Sie sah ihn vor sich, so stark, so schön und so völlig ihres wie sie sein gewesen war. Sie ballte ihre Fäuste in ihrem Schoß zusammen und schluchzte leise, während sie an Verres dachte, und daran, was er wohl von ihr erwarten würde.
Und auf einmal hatte sie das Gefühl er wäre da. Trotz geschlossener Augen schien sie ihn sehen zu können, nein, vielmehr noch , spüren zu können. Es war, als würde er auf sie zu kommen, sich neben sie auf das Bett setzen und sie schlichtweg in die Arme nehmen. Es war, als könnte sie die Wärme seiner Berührung spüren, den Duft seiner Haut riechen und den seinen Atem hören. Die Tränen flossen bei dieser Vorstellung noch stärker als zuvor, wusste sie doch, dass dies nur ein kurzer wundervoller Moment ihrer Phantasie bleiben würde.
„Leb für mich, meine Liebste. Gib meinem Tod durch dein Leben einen Sinn. Lebe, liebe und lache, mein Engel. Ich werde trotzdem immer bei dir sein…“ hörte sie dann seine Stimme so real, dass sie die Augen öffnete.
Und sie war wieder allein. Der Moment, was auch immer es gewesen war, war verflogen und verwundert fragte sie sich, was es gewesen war, was sie gerade eben erlebt hatte. Ein Tagtraum, eine Erinnerung oder doch ein göttliches Geschenk…
Sie wusste es nicht. Sie legte sich auf ihr Bett, zog ihre Decke, obwohl sie noch ihre Tageskleidung anhatte, schlichtweg über ihren Kopf und dachte darüber nach, was geschehen war. Doch, was auch immer es gewesen sein mag, für diesen Moment fühlte sie sich wesentlich weniger allein, nein, schon beinahe geborgen…